Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.03.2023, RV/3200013/2022

Umdeutung einer Beschwerde gegen Pfändungsbescheide in Einwendungen gegen den Anspruch gemäß § 12 AbgEO

Entscheidungstext

Im Namen der republik

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Ra*** als Masseverwalter im Konkursverfahren der ***Bf1***, ***MV-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes Österreich vom , Zahl ***3***, betreffend die Abweisung von als Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Abgabenanspruch nach § 12 Abs. 1 AbgEO gewerteten Beschwerden, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bescheid vom , Zahl ***1***, wurden der Beschwerdeführerin Altlastenbeiträge für die Quartale I - IV/2013 in Höhe von insgesamt € 193.140,00 und ein Säumniszuschlag in Höhe von insgesamt € 3.862,80 zur Entrichtung vorgeschrieben.

Zur Hereinbringung des Abgabenrückstandes verfügte das Zollamt mit den Bescheiden vom ; Zlen. ***2***, gegenüber mehreren Banken die Pfändung und Überweisung von Guthaben der Beschwerdeführerin. Mit weiteren Bescheiden vom gleichen Tag, denen eine Ausfertigung des Pfändungsbescheides angeschlossen war, wurde der Beschwerdeführerin jede Verfügung über die gepfändeten Forderungen sowie deren Einziehung untersagt.

Gegen die Pfändungsbescheide erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom jeweils Beschwerde. Begründend wurde vorgebracht, dass im Rahmen des Insolvenzverfahrens, welches am eröffnet und am aufgehoben worden sei, mit den Gläubigern ein Sanierungsplan abgeschlossen wurde, der eine Gesamtquote von 33,5 % vorgesehen habe. Gemäß § 156 EO werde der Schuldner durch den rechtskräftig bestätigten Sanierungsplan von der Verbindlichkeit befreit, seinen Gläubigern den Ausfall, den sie erleiden, nachträglich zu ersetzen oder für die sonst gewährte Begünstigung nachträglich aufzukommen, gleichviel ob sie am Insolvenzverfahren oder an der Abstimmung über den Sanierungsplan teilgenommen oder gegen den Sanierungsplan gestimmt haben oder ob ihnen ein Stimmrecht überhaupt nicht gewährt worden sei. Die gegenständliche Forderung stamme aus einem Zeitraum vor der Insolvenzeröffnung und hätte daher im Insolvenzverfahren, von welchem die beteiligte Behörde Kenntnis gehabt habe, angemeldet werden müssen. Die Abgabenbehörde könne daher gemäß § 156 IO die mit Bescheid vom festgesetzten Altlastenbeiträge nur in der der Quote des Sanierungsplanes entsprechenden Höhe geltend machen. Die Pfändung der Forderung in der Gesamthöhe sei nicht zulässig.

Das Zollamt deutete die Beschwerde in einen Antrag gemäß § 12 Abs. 1 AbgEO um und wies diesen mit Bescheid vom , Zahl ***3***, ab. Die Abgabenbehörde habe erst im Dezember 2019 Kenntnis vom Sachverhalt erlangt, eine Anmeldung im Insolvenzverfahren sei daher schlicht nicht möglich gewesen.

Die dagegen erhobene Beschwerde mit Schriftsatz vom wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zahl ***4***, als unbegründet abgewiesen.

Dagegen richtet sich der vorliegende Vorlageantrag vom . Die gleichzeitig gestellten Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch den gesamten Senat wurden mit Eingabe vom zurückgenommen.

Mit Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom wurde über das Vermögen der Beschwerdeführerin das Konkursverfahren eröffnet. Als Masseverwalter wurde ***Ra*** eingesetzt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt und Beweiswürdigung

Aus dem bisherigen Verfahrensgang ergibt sich aus dem vorgelegten Akt, dass die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom unter der Überschrift

"I. Beschwerde gegen die Bescheide des Zollamtes Österreich, Zollstelle Innsbruck vom ,

[...]

und der Textfolge:

"Der Beschwerdeführerin wurden am die Bescheide des Zollamtes Österreich, Zollstelle Innsbruck, vom zu den GZ ***5***, ***6***, ***7*** und ***8*** zugestellt, mit denen Geldforderungen gepfändet wurden. Gegen diese Bescheide erhebt die Beschwerdeführerin das Rechtsmittel der Beschwerde und führt diese wie folgt aus: …"

Beschwerden gegen die betreffenden Pfändungsbescheide erhoben hat, weil sie der Meinung ist, dass eine Pfändung höchstens im Ausmaß der Quote laut Sanierungsplan im Insolvenzverfahren in Höhe von € 33,5 % zulässig wäre und für den darüber hinaus gehenden Betrag die Restschuldbefreiung eingetreten sei.

Das Zollamt wertete die Beschwerden als Einwendungen gemäß § 12 AbgEO und wies den Antrag mit Bescheid vom , Zahl ***3***, als unbegründet ab. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin wiederum Beschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

Gemäß § 262 Abs. 1 BAO ist über Bescheidbeschwerden nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheiung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen.

Bei antragsbedürftigen Verwaltungsakten ist es unzulässig, entgegen dem erklärten Willen der Partei ihrem Begehren eine Deutung zu geben, die aus dem Wortlaut des Begehrens nicht unmittelbar erschlossen werden kann (vgl. mwH). Eine Umdeutung klar formulierter Anträge kommt im Bereich der BAO nicht in Betracht. In den Beschwerdefällen hat die Beschwerdeführerin eindeutig und ohne Anlass zu Zweifeln Beschwerden gegen die Pfändungsbescheide des Zollamtes erhoben und begründend vorgebracht, dass eine Pfändung der Altlastenbeiträge I bis IV/2013 über die im Sanierungsverfahren festgelegten Quote hinaus unzulässig sei, weil das Zollamt die Forderung nicht im Sanierungsverfahren angemeldet habe. Davon abgesehen wäre bejahendenfalls die den Anspruch hemmende Tatsache offensichtlich bereits vor Entstehung des dem Vollstreckungsverfahren zugrunde liegenden Exekutionstitels (Rückstandsausweis) eingetreten. § 12 AbgEO setzt aber voraus, dass die Einwendungen auf den Anspruch aufhebenden oder hemmenden Tatsachen beruhen, die erst nach Entstehung des Exekutionstitels eingetreten sind

Im Beschwerdefall hätte das Zollamt daher nach § 262 BAO mit Beschwerdevorentscheidung über die Beschwerden gegen die Pfändungsbescheide zu entscheiden gehabt. Die Behandlung der Beschwerde als Einwendung nach § 12 AbgEO erweist sich deshalb als rechtswidrig. Der abweisende Bescheid vom war daher aufzuheben.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor. Das Bundesfinanzgericht ist hinsichtlich der hier zu klärenden Rechtsfrage nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Die (ordentliche) Revision war daher als unzulässig zu erklären.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
§ 262 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.3200013.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at