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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.03.2023, RV/5101615/2015

Vorsteuerabzug betreffend Verteidigungskosten in Zusammenhang mit einem Verfahren der Europäischen Kommission wegen Preisabsprache

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Mag. Patrick Brandstetter in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch BNP Wirtschaftstreuhand und Steuerberatung GmbH, Ohlsdorferstraße 44, Gmunden 4810 über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Gmunden Vöcklabruck (nunmehr Finanzamt für Großbetriebe) vom betreffend Umsatzsteuer 2007, Umsatzsteuer 2009 und Umsatzsteuer 2010 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind den als Beilagen angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden diese einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Bei der beschwerdeführenden Partei fand eine Außenprüfung gem. § 147 BAO betreffend unter anderem die Umsatzsteuer für die Jahre 2007 bis 2012 statt. Im diesbezüglichen Bericht vom über das Ergebnis der Außenprüfung hielt das Finanzamt Gmunden Vöcklabruck fest, dass mit Beschluss der Kommission der Europäischen Union vom in einem Verfahren nach Artikel 101 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union hinsichtlich der beschwerdeführenden Partei eine Geldbuße in Höhe von EUR 2.787.015 verhängt worden sei. Diese Geldbuße sowie die damit in Zusammenhang stehenden Rechtsberatungskosten seien gem. § 20 EStG 1988 nicht abzugsfähig und sei aus diesem Grund ebenso der Vorsteuerabzug betreffend die Rechtsberatungskosten zu versagen. Mit Bescheide vom setzte das Finanzamt Gmunden Vöcklabruck die Umsatzsteuer für die Jahre 2007, 2009 sowie 2010 im Sinne des Berichtes vom fest.

Gegen diese Bescheide erhob die beschwerdeführende Partei mit Schriftsatz vom Beschwerde und brachte sie zusammengefasst vor, dass sowohl die verhängte Geldbuße als auch die in diesem Zusammenhang angefallenen Rechtsberatungskosten unter kein steuerliches Abzugsverbot fallen würden. Der Vorsteuerabzug bestehe daher zu Recht.

Das Finanzamt Gmunden Vöcklabruck wies diese Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidungen vom als unbegründet ab und begründete sie diese Entscheidungen damit, dass die gesamte verhängte EU-Bußgeldzahlung als Strafe mit Pönalcharakter anzusehen sei und würden die mit der Strafe zusammenhängenden Rechtsberatungskosten das Schicksal der Strafe teilen. Da die Strafe und die Rechtsberatungskosten nach § 20 EStG 1988 nicht abzugsfähig seien, sei auch der Vorsteuerabzug gem. § 12 Abs. 2 lit. a UStG zu versagen.

In Reaktion auf diese Beschwerdevorentscheidungen beantragte die beschwerdeführende Partei am die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

Sachverhalt

Mit Beschluss der Kommission der Europäischen Union vom wurde über die beschwerdeführende Partei in einem Verfahren nach Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und Artikel 53 EWR-Abkommen in der Sache ***GZ*** wegen wettbewerbswidriger Preisabsprachen eine Geldbuße in Höhe von EUR 2.787.015,00 verhängt.

In Zusammenhang mit diesem Verfahren erwuchsen der beschwerdeführenden Partei in den Jahren 2007, 2009 und 2010 nachfolgende Kosten für Rechtsberatung.


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Jahr
Netto
Umsatzsteuer
2007
85.885,28
17.177,06
2009
7.954,45
1.590,90
2010
7.065,60
1.413,12

Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen haben ihre Grundlage in dem Beschluss der Europäischen Kommission vom , dem Bericht vom und den damit übereinstimmenden Parteienvorbringen.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Nach § 4 Abs. 4 EStG 1988 sind Betriebsausgaben die Aufwendungen oder Ausgaben, die durch den Betrieb veranlasst sind.

Gem. § 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 in den Fassungen BGBL. I Nr. 34/2010 und BGBl. I Nr. 99/2007 kann der Unternehmer die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:

Die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist. Wurde die Lieferung oder die sonstige Leistung an einen Unternehmer ausgeführt, der wusste oder wissen musste, dass der betreffende Umsatz im Zusammenhang mit Umsatzsteuerhinterziehungen oder sonstigen, die Umsatzsteuer betreffenden Finanzvergehen steht, entfällt das Recht auf Vorsteuerabzug. Dies gilt insbesondere auch, wenn ein solches Finanzvergehen einen vor- oder nachgelagerten Umsatz betrifft.

Laut § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 in den Fassungen BGBL. I Nr. 34/2010 und BGBl. I Nr. 99/2007 gelten Lieferungen, sonstige Leistungen oder Einfuhren, deren Entgelte überwiegend keine abzugsfähigen Ausgaben (Aufwendungen) im Sinne des § 20 Abs. 1 Z 1 bis 5 des Einkommensteuergesetzes 1988 oder der §§ 8 Abs. 2 und 12 Abs. 1 Z 1 bis 5 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 sind, als nicht für das Unternehmen ausgeführt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs sind Geldbußen, die von einem Organ der Europäischen Union verhängt werden, auch betreffend die Rechtslage vor dem Abgabenänderungsgesetz 2011 (AbgÄG 2011, BGBl. I Nr. 76/2011) nach § 20 EStG 1988 nicht abziehbar, andernfalls der Pönalcharakter der Geldbuße unterlaufen und die Geldbuße infolge der Reduktion der Steuerlast von der Allgemeinheit mitgetragen werden würde (). Diese Begründung kann hingegen nicht herangezogen werden, um Strafverteidigungskosten die Betriebsausgabenqualifikation zu versagen, sondern ist hinsichtlich dieser Kosten der jeweilige Kausalzusammenhang maßgebend für die Beurteilung, ob die Verteidigungskosten als Betriebsausgaben anzusehen sind oder nicht. Im Fall von Verteidigungskosten in Bezug auf durch die Europäischen Kommission verhängte Geldbußen aufgrund einer Teilnahme an Preisabsprachen ist nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs ein unmittelbarer Kausalzusammenhang mit dem Betrieb gegeben, erfolgt die Festsetzung von Preisen, wenn auch in Absprache mit anderen Unternehmen, im Rahmen der Betriebsführung ().

Vor dem Hintergrund dieser Judikatur zeigt sich, dass das Finanzamt Gmunden Vöcklabruck mit der Begründung, der Vorsteuerabzug müsse versagt werden, da die Geldbuße gem. § 20 EStG 1988 nicht abzugsfähig sei und die Beratungskosten dasselbe Schicksal teilen würden, die Rechtslage verkannt hat. Die Nichtabzugsfähigkeit von Strafen hat entgegen der Ansicht der Abgabenbehörde nicht zwingend zur Auswirkung, dass ebenso die in diesem Zusammenhang angefallenen Kosten für die Verteidigung dem Abzugsverbot unterliegen würden und damit der Vorsteuerausschluss gem. § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 gegeben wäre, sondern sind Verteidigungskosten auf ihren Kausalzusammenhang hin zu prüfen. Erst wenn durch die strafbare Handlung der Kausalzusammenhang zwischen dem Betrieb und den Verteidigungskosten durchbrochen wird, stellen die Verteidigungskosten keine Betriebsausgaben dar. Eine Teilnahme an wettbewerbswidrigen Preisabsprachen führt hingegen nach der obig zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu keiner solchen Durchbrechung des Kausalzusammenhangs, da die Preisbildung, auch wenn sie in Absprache mit anderen Unternehmen erfolgen sollte, in den Rahmen der Betriebsführung fällt.

Für den beschwerdegegenständlichen Fall bedeutet dies, dass die Verteidigungskosten in Zusammenhang mit dem von der Europäischen Kommission durchgeführten Verfahren nach Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union infolge einer Teilnahme der beschwerdeführenden Partei an Preisabsprachen als Betriebsausgaben zu qualifizieren sind, besteht doch zwischen dieser Teilnahme an Preisabsprachen und dem Betrieb der beschwerdeführenden Partei ein kausaler Zusammenhang. Diesen Betriebsausgaben kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs auch nicht gem. § 20 EStG 1988 der Abzug versagt werden und liegt folglich der von der Abgabenbehörde herangezogene Vorsteuerausschlussgrund des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 nicht vor. Die bekämpften Bescheide waren daher durch das Bundesfinanzgericht dahingehend abzuändern, als die Vorsteuerbeträge hinsichtlich der Rechtsberatungskosten betreffend das Verfahren der Europäischen Kommission zu gewähren waren. Die Gesamtbeträge an Vorsteuer für die beschwerdegegenständlichen Jahre gestalten sich somit wie folgt.


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2007
2009
2010
Gesamtbetrag Vorsteuer lt. bekämpften Bescheid
-1.436.190,09
-1.494.430,53
-1.438.764,10
Gesamtbetrag Vorsteuer lt. Erkenntnis
-1.453.367,15
-1.496.021,43
-1.440.177,22

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevanten Rechtsfragen wurden durch den Verwaltungsgerichtshof in den zitierten Entscheidungen einheitlich beantwortet und wich das Bundesfinanzgericht von dieser Rechtsprechung im vorliegenden Erkenntnis nicht ab. Infolgedessen ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
YAAAC-33200

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