Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.03.2023, RV/7102735/2019

Doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten in Bezug auf Bosnien-Herzegowina

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ER in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des FA (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf.) stammt aus Bosnien-Herzegowina und arbeitet in Wien. In seiner Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung betreffend das Jahr 2017 beantragte der Bf. die Anerkennung von Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung in Höhe von 2.640,00 EURO und für Familienheimfahrten im Betrag von 3.672,00 EURO.

Diese Aufwendungen fanden im Einkommensteuerbescheid des Jahres 2017 keine Berücksichtigung.

Dagegen erhob der Bf. Beschwerde. Zur Begründung führte er aus, er fahre einmal im Monat mit seinem Auto zu seiner Familie nach Bosnien. Die Entfernung betrage ca. 770 km in eine Richtung. Die Kosten für die doppelte Haushaltsführung bezifferte der Bf. nun mit 2.778,60 EURO, jene für die Familienheimfahrten unverändert mit 3.672,00 EURO.

Dazu legte der Bf. eine Haushaltsbestätigung der Gemeinde *XY* in Bosnien-Herzegowina vom vor, wonach die Ehegattin des Bf. in dieser Gemeinde mit ständigem Wohnsitz angemeldet sei und sie mit dem Bf. und ihrem Sohn dort in einem gemeinsamen Haushalt lebe. Weiters vorgelegt wurde eine Arbeitsbescheinigung datiert vom , der zufolge die Ehegattin des Bf. seit dem Jahr 2016 bei einem Unternehmen in ***YZ*** als Raumpflegerin beschäftigt sei und dafür ein Gehalt von monatlich 460,00 KM (konvertible Mark) beziehe. Angeschlossen wurde weiters die Heiratsurkunde sowie der Mietvertrag betreffend die Wohnung des Bf. in Wien, demzufolge der Mietgegenstand ein Ausmaß von 30,48 m² habe und aus Zimmer, Kochnische, Vorraum, Abstellraum und Bad/WC bestehe. Den weiters übermittelten Ablichtungen von Bank-Kontoauszügen des Bf. ist eine monatliche Zahlung an die Vermieterin in Höhe von 231,55 EURO zu entnehmen.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet ab. Es sei festgestellt worden, dass die Ehegattin des Bf. Einkünfte von weniger als 6.000,00 EURO erziele und der Sohn des Bf. bereits volljährig sei und in Österreich in einem Lehrverhältnis stehe. Es sei somit zumutbar, dass der Familienwohnsitz nach Österreich verlegt werde.

Der Bf. stellte einen Vorlageantrag. Sein Familienmittelpunkt und Familienwohnsitz sei in Bosnien. Seine Frau und er hätten dort ihr Haus gebaut. Seine Frau arbeite dort und kümmere sich um das Haus. Auf Grund dessen sei ein Umzug unzumutbar. Außerdem könne seine Frau in ihrem Alter von fast 60 Jahren kein Visum mehr bekommen.

In der Folge erließ das Finanzamt einen Vorhalt und ersuchte den Bf. bekannt zu geben, wieviel seine Ehegattin verdiene und dies durch einen Nachweis des bosnischen Finanzamtes zu belegen. Weiters wurde der Bf. gefragt, ob er pflegebedürftige Angehörige habe und weshalb ihm seiner Ansicht nach eine Verlegung seines Wohnsitzes nach Österreich unzumutbar sei.

In Beantwortung dieses Vorhaltes übermittelte der Bf. die schon vorgelegte Arbeitsbescheinigung.

Das Finanzamt legte die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor. Im dazu erstellten Vorlagebericht führte es im Wesentlichen aus, dass die Frist für eine bei Verheirateten anzuerkennende vorübergehende doppelte Haushaltsführung von 2 Jahren bereits abgelaufen sei. Die Ehegattin des Bf. habe am Familienwohnsitz keine steuerlich relevanten Einkünfte (unter 6.000,00 EURO) und seien ihre Einkünfte in Bezug auf das Familieneinkommen auch nicht von Relevanz. Beim Bf. liege weder ein ständig wechselnder Arbeitsplatz, noch eine Befristung seiner auswärtigen Tätigkeit auf wenige Jahre, noch eine Unzumutbarkeit der (Mit)Übersiedlung von pflegebedürftigen Angehörigen, noch eine Unmöglichkeit eines Familiennachzuges auf Grund fremdenrechtlicher Bestimmungen vor. Auch würden im Haushalt am Familienwohnsitz keine unterhaltsberechtigten und betreuungsbedürftigen Kinder wohnen, die eine (Mit)Übersiedlung der gesamten Familie aus wirtschaftlichen Gründen unzumutbar machten. Der gemeinsame Sohn des Bf. und seiner Ehegattin wohne bereits in Wien, und sei daher eine Verlegung des Familienwohnsitzes nach Österreich sogar zweckmäßig im Sinne der Familiengemeinschaft. Auch existierten keine Gründe, warum ein Ansuchen um ein Visum durch die Ehegattin aussichtslos wäre.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 sind nicht abzugsfähig Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits- (Tätigkeits-)Ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchstens in § 16 Abs. 1 Z. 6 lit. c EStG 1988 angeführten Betrag übersteigen.

Der Bf. begehrt die Berücksichtigung von Aufwendungen der doppelten Haushaltsführung und für Familienheimfahrten als Werbungskosten. Im Konkreten ist strittig, ob dem Bf. eine Verlegung des Familienwohnsitzes von Bosnien-Herzegowina nach Österreich zumutbar ist oder nicht. Dies verneint der Bf. mit dem Hinweis darauf, dass er mit seiner Ehegattin ein gemeinsames Haus in Bosnien-Herzegowina besitze und seine Ehegattin dort einer Erwerbstätigkeit nachgehe. Außerdem könne seine Ehegattin auf Grund ihres Alters von fast 60 Jahren kein Visum mehr für Österreich bekommen.

Die Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes ist aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen. Nach einer gewissen Zeit, die im Einzelfall zu beurteilen ist, ist es einem Steuerpflichtigen in der Regel zumutbar, den Familienwohnsitz in den Nahbereich seiner Arbeitsstätte zu verlegen. Dieser Zeitraum hängt vom Familienstand ab und beträgt bei einem verheirateten Steuerpflichtigen nach der Verwaltungspraxis zwei Jahre. Nach Ablauf dieser Zeitspanne hat der Steuerpflichtige darzulegen, aus welchen Gründen der entfernt liegende Familienwohnsitz beibehalten wird. Die Unzumutbarkeit kann dabei ihre Ursache auch in der privaten Lebensführung des Steuerpflichtigen haben. Steuerlich relevante Erwerbseinkünfte des anderen Ehepartners am Familienwohnsitz, die bei dessen Verlegung verloren gingen, sprechen für eine Beibehaltung des Familienwohnsitzes. Als steuerlich relevante Einkünfte des anderen Ehepartners sind solche anzusehen, die für das Familieneinkommen von wirtschaftlicher Bedeutung sind. Für die Beurteilung der Relevanz ist auch die Relation zum Familieneinkommen ausschlaggebend. Vernachlässigbar sind Einkünfte jedenfalls dann, wenn sie deutlich unter einem Zehntel der Einkünfte des anderen Ehegatten liegen. Die Verwaltungspraxis sieht Einkünfte des Ehepartners von mehr als 6.000,00 Euro als relevant an aber auch Einkünfte, die weniger als 6.000,00 Euro betragen, wenn sie mehr als ein Zehntel der Einkünfte des Steuerpflichtigen ausmachen (vgl. Jakom/Lenneis, EStG, 2021, § 16, Rz 56, ABC der Werbungskosten, Stichwort "doppelte Haushaltsführung" und die dort zitierte Rechtsprechung). Fremdenrechtliche Bestimmungen, die einen Familiennachzug unmöglich machen, stellen ebenfalls ein Hindernis dar (vgl. Schubert in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 16 Stand , rdb.at, Tz 25).

Nach der Aktenlage ist davon auszugehen, dass die Ehegattin des Bf. in Bosnien-Herzegowina im Streitjahr einer Erwerbstätigkeit nachging. Nach der vorliegenden Arbeitsbestätigung, die zu bezweifeln das Gericht keinen Grund sieht, betrugen die Einkünfte 460,00 Konvertible Mark pro Monat. Umgerechnet waren dies etwa 235,00 EURO und auf das Jahr gerechnet rund 2.820,00 EURO. Dieser Betrag liegt unter der von der Verwaltungspraxis festgelegten Geringfügigkeitsgrenze von 6.000,00 EURO. Die an sich geringen Einkünfte der Ehegattin erscheinen aber als für das Familieneinkommen dennoch wesentlich. Der Bf. erzielte im Streitjahr laut Einkommensteuerbescheid Einkünfte von rund 22.500,00 EURO. Stellt man diese Einkünfte in Relation zu den Einkünften der Ehegattin, dann liegen die Einkünfte der Ehegattin über der von der Verwaltungspraxis festgelegten Geringfügigkeitsgrenze von 10% der Einkünfte des Bf. Rechnet man die im bekämpften Bescheid ausgewiesenen sonstigen Bezüge und steuerfreien Bezüge abzüglich darauf entfallender SV-Beiträge in Höhe von rund 6.700,00 EURO hinzu, dann betrug das "wirtschaftliche" Einkommen des Bf. vor Steuern rund 29.200,00 EURO. Bei dieser Betrachtung würden die Einkünfte der Ehegattin knapp unter die 10%-Grenze sinken. Bringt man aber noch die Steuer vom Einkommen des Bf. laut Bescheid von rund 2.400,00 EURO in Abzug, dann verringert sich das verfügbare Einkommen des Bf. auf einen Betrag von rund 26.800,00 EURO (in diesem Sinne auch ). Demgegenüber ist bei den Einkünften der Ehegattin davon auszugehen, dass keine nennenswerten Abgaben angefallen sind. Somit liegen bei dieser Nettobetrachtung die Einkünfte der Ehegattin wiederum über der 10%-Grenze. Bei diesen Einkommensverhältnissen erscheinen die Einkünfte der Ehegattin durchaus von wirtschaftlicher Bedeutung für die Familie. Eine Verlegung des Familienwohnsitzes nach Österreich im Streitjahr ist aus diesem Grund nicht zumutbar.

Einer Verlegung des Familienwohnsitzes nach Österreich im Streitjahr steht aber noch Folgendes entgegen: Nach der Aktenlage bewohnt der Bf. in Wien eine kleine Wohnung mit einer Fläche von rund 30 m² bestehend aus einem Zimmer, einer Kochnische, einem Vorraum, einem Abstellraum und Bad/WC. An dieser Adresse ist auch sein im Streitjahr bereits volljähriger Sohn mit Hauptwohnsitz polizeilich gemeldet. Eine Wohnung dieser Größe und Ausstattung wäre für einen 3 Personenhaushalt als unüblich zu sehen. Nach den Erhebungen der Statistik Austria betrug die durchschnittliche Wohnfläche pro Person im Jahr 2017 im Bundesland Wien bei Genossenschaftswohnungen rund 38 m² und die durchschnittliche Zimmeranzahl pro Person 1,7. Bei einem aus 3 Personen bestehenden Haushalt beträgt die Wohnungsgröße durchschnittlich rund 29 m² pro Person (Quelle: Statistik Austria, Wohnen 2017, Mikrozensus-Wohnungserhebung und EU-SILC vom ). Das Anmieten einer größeren Wohnung für die Aufnahme der Ehegattin in den Hausstand in Wien mit zumindest 1 Zimmer mehr und einer Verdoppelung der Wohnungsgröße, verdoppelte auch die Wohnungskosten, was das Familieneinkommen zusätzlich belasten würde. Die Fahrten nach Bosnien blieben im Wesentlichen wohl dennoch aufrecht, wenn man sich die Notwendigkeit der Besorgung und Erhaltung des Hauses in Bosnien vor Augen hält. Eine Verlegung des Familienwohnsitzes erscheint daher auch unter diesem Aspekt wirtschaftlich nicht zumutbar.

Bei dieser Sachlage waren allfällige fremdenrechtliche Hindernisse nicht weiter zu prüfen, wobei anzumerken ist, dass diesbezüglich die kleine Wohnung des Bf. in Folge der Regelung des § 11 Abs. 2 Z 2 NAG Probleme hätte bereiten können.

Es war daher der Beschwerde Folge zu geben.

Durch dieses Erkenntnis ergibt sich für das Streitjahr folgendes Einkommen: Einkommen laut Finanzamt von 21.756,08 EURO abzüglich Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung von 2.778,60 EURO und für Familienheimfahrten in Höhe von 3.672,00 EURO ergibt ein Einkommen laut Bundesfinanzgericht von 15.305,48 EURO.

Davon errechnet sich die Einkommensteuer wie folgt:
Einkommensteuer gemäß § 33 Abs. 1 EStG 1988: 0% von 11.000,00 EURO = 0.00 EURO und 25% von 4.305,48 EURO = 1.076,37 EURO. Nach Abzug des Verkehrsabsetzbetrages von 400,00 EURO und der einbehaltenen Lohnsteuer von 2.403,27 EURO ergibt sich eine festgesetzte Einkommensteuer von gerundet -1.727,00 EURO (Gutschrift).

Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im gegenständliche Fall stellten sich im Wesentlichen nur Sachverhaltsfragen und keine Rechtsfragen, weshalb die Revision für unzulässig zu erklären war.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7102735.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at