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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.02.2023, RV/3100099/2022

Fernstudium der Psychologie als Umschulung, Abzielen auf die tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. David Hell LL.B. LL.M. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020, Steuernummer
***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid wie folgt abgeändert:

Die Einkommensteuer 2020 wird mit -1.801,00 Euro festgesetzt.

Die Bemessungsgrundlagen sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

1. Verfahrensgang

Am reichte der Beschwerdeführer (Bf.) seine Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2020 über FinanzOnline ein. Dabei machte er "Aus-/Fortbildungs-/Umschulungskosten" (Kennzahl 722) aus Anlass eines Psychologiestudiums in Höhe von 7.000,00 Euro geltend. Nach einem Vorhalteverfahren erließ die belangte Behörde am den nunmehr bekämpften Einkommensteuerbescheid 2020, in welchem die beantragten Werbungskosten nicht berücksichtigt wurden.

Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, die Beurteilung der Abzugsfähigkeit als Umschulungskosten sei erst möglich, wenn der Bf. seine Einkünfte überwiegend aus der neuen Tätigkeit erziele. Mangels Zusammenhanges mit der aktuellen Berufstätigkeit des Bf. sowie mangels Vorlage einer Prognoserechnung seien die beantragten Ausgaben vorläufig nicht als Werbungskosten anzuerkennen.

Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des Bf. vom , in welcher er zusammengefasst vorbringt, die Argumentation der Finanzbehörde widerspreche dem Zufluss-Abfluss-Prinzip und eine spätere Abänderung des Einkommensteuerbescheides 2020 werde wegen Ablaufs sämtlicher Rechtsmittelfristen nicht in Betracht kommen. Das Studium sei eine umfassende Umschulungsmaßnahme und ziele auf die tatsächliche Ausübung eines anderen Berufs ab, weshalb ihm der Abzug als Werbungskosten zustehe. Die Erstellung einer Prognoserechnung sei ihm nicht möglich. In der Beschwerde berichtigte der Bf. den zum Abzug beantragten Betrag auf 6.927,70 Euro.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. Begründend führte sie zusammengefasst aus, es seien keine geeigneten Unterlagen vorgelegt worden, aus denen hervorgehen würde, dass der Bf. tatsächlich die Ausübung eines anderen Berufes beabsichtigt. Die Begründung der Beschwerdevorentscheidung nimmt außerdem mehrfach, jedoch ohne konkreten Konnex zum vorliegenden Fall, Bezug darauf, dass der Werbungskostenabzug nicht zustehe, soweit der Umschulung private Interessen zugrunde liegen. Diesbezüglich bleibt nach Ansicht des Gerichts unklar, ob die belangte Behörde dem Bf. damit unterstellen wollte, er würde die gegenständliche Ausbildung aus privaten Motiven betreiben.

Am brachte der Bf. beim Bundesfinanzgericht diesbezüglich rechtzeitig einen Vorlageantrag ein. Am legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Akt und Vorlagebericht dem Bundesfinanzgericht vor. Am fand am Bundesfinanzgericht ein Erörterungstermin gemäß § 269 Abs. 3 BAO statt, bei welchem der Bf. den Sachverhalt erläuterte und weitere Unterlagen vorlegte. Seitens der Abgabenbehörde wurde keine weitere Stellungnahme zum Sachverhalt oder zu den vorgelegten Unterlagen abgegeben.

2. Sachverhalt

Der 1995 geborene Bf. ist Staatsbürger ***eines EU-Mitgliedsstaates***. Im Juni 2013 schloss er in seinem Heimatland die Schulbildung ***in der Oberstufe*** mit positivem Abschlusszeugnis ab. Kurz darauf zog er nach ***Tirol***, wo er seither durchgehend wohnt und arbeitet. Er beabsichtigt, demnächst zu heiraten und erwartet sein erstes Kind.

Seit seiner Ankunft in Österreich ging er wechselnden Beschäftigungen bei verschiedenen Arbeitgebern als Arbeiter, Handelsangestellter und zuletzt als Briefträger nach. Im streitgegenständlichen Jahr 2020 war er durchgehend bei ***Handelsbetrieb*** beschäftigt, das steuerpflichtige Einkommen dieses Jahres beträgt laut Lohnzettel 18.240,18 Euro.

Der Bf. betreibt seit 2020 ein Fernstudium an der Open University in London, Vereinigtes Königreich. Nachdem er zunächst den Studiengang "BA (Honours) Philosophy and Psychology" belegte, belegt er nunmehr den Studiengang "BSc (Honours) Psychology". Sämtliche Module, die er ursprünglich im Rahmen des ersten Studiengangs absolvierte, wurden ihm nach dem Studienwechsel auf den zweiten Studiengang angerechnet. Der aktuelle Studiengang umfasst insgesamt 180 ECTS-Anrechnungspunkte; das entspricht einem dreijährigen Vollzeitstudium. In der Beschreibung des Studiums durch die Universität wird festgehalten, dass dieses von der British Psychological Society anerkannt wird.

Der Bf. hat mit Stand Februar 2023 die Hälfte der Module (90 ECTS-Anrechnungspunkte) erfolgreich absolviert und belegt aktuell zwei Module mit zusammen 60 weiteren ECTS-Anrechnungspunkten. Wenn er diese absolviert, wird er folglich ⅚ des Studiengangs abgeschlossen haben.

In den Jahren 2020 und 2021 absolvierte er im Rahmen des Studiums erfolgreich die Module "Investigating psychology 1" (DE100) und "Discovering the arts and humanities" (A111). Für diese zwei Module entrichtete er im Jahr 2020 Kursgebühren in Höhe von insgesamt 6.927,70 Euro an die Open University.

Im Jahr 2021 entrichtete er weitere 3.743,99 Euro als Kursgebühr für das Modul "Living psychology: from the everyday to the extraordinary" (DD210), welches er ebenfalls erfolgreich absolvierte.

Im Jahr 2022 entrichtete er 7.696,02 Euro an Kursgebühren für die Module "Investigating psychology 2" (DE200) und "Counselling and forensic psychology: investigating crime and therapy" (DD310), welche zum Stichtag des vorgelegten Studienerfolgsnachweises () noch nicht abgeschlossen waren.

Der Bf. belegt das gegenständliche Studium, um nach seinem Abschluss fachlich einschlägige Praktika und weitere Ausbildungen zu absolvieren, die ihn letztendlich zur selbständigen Tätigkeit als Psychologe und/oder Psychotherapeut befähigen sollen.

3. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zu Herkunft, Vorbildung, Wohnsitz, zu den Zahlungen an die Open University und zu den Beschäftigungen des Bf. basieren auf den beim Erörterungstermin am vom Bf. vorgelegten Unterlagen, dem Inhalt der Veranlagungsakten und einer Abfrage des Zentralen Melderegisters durch das Bundesfinanzgericht. Diese Sachverhaltselemente waren zudem nie strittig.

Die Feststellungen zum Verlauf und Inhalt des Studiums basieren auf den vom Bf. vorgelegten Studienerfolgsnachweisen, denen von der belangten Behörde nicht entgegengetreten wurde. Da nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes kein Grund vorliegt, an der Echtheit und Richtigkeit dieser Unterlagen zu zweifeln, konnte es deren Inhalt seiner Entscheidung zugrunde legen.

Dass der Bf. das Studium tatsächlich im Hinblick auf eine zukünftige Berufsausübung als Psychologe und/oder Psychotherapeut betreibt, steht nach den Darstellungen des Bf. anlässlich des Erörterungstermins am für das Bundesfinanzgericht außer Zweifel. Zunächst ist nicht davon auszugehen, dass der Bf. nur aus privatem Interesse einen beträchtlichen Teil seines (recht geringen) Einkommens für ein Studium aufwendet. Der Bf. machte auch glaubhaft, dass er sich schon lange für eine Berufstätigkeit in diesem Bereich interessiert. Das Fernstudium an der Open University wählte er nach eigenen Angaben aus Gründen der Vereinbarkeit mit seinem derzeitigen Beruf und weil in Tirol kein vergleichbares Fernstudium angeboten wird, was dem Gericht ebenfalls plausibel erscheint. Er war überdies gut (besser als der erkennende Richter) über die Berufsmöglichkeiten und weiterführenden Ausbildungen im Bereich der Psychologie und Psychotherapie informiert, was ebenfalls dafür spricht, dass der Bf. die Ausübung eines dieser Berufe ernsthaft anstrebt. Rein private Motive für die Absolvierung des gegenständlichen Studiums konnte das Gericht hingegen keine erkennen.

4. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Gemäß § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 sind als Werbungskosten abzugsfähig:
"Aufwendungen für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der vom Steuerpflichtigen ausgeübten oder einer damit verwandten beruflichen Tätigkeit und Aufwendungen für umfassende Umschulungsmaßnahmen, die auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielen."

Das Studium, welches der Bf. betreibt, steht nicht im Zusammenhang mit seiner bisherigen beruflichen Tätigkeit. Es kann daher keine Aus- oder Fortbildung im Sinne dieser Bestimmung vorliegen, sondern allenfalls eine Umschulungsmaßnahme. Diese führen nach dem Wortlaut der Bestimmung dann zu Werbungskosten, wenn sie erstens "umfassend" sind und zweitens "auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielen".

Das Kriterium "umfassend" ist so zu verstehen, dass die Umschulungsmaßnahme einen Einstieg in eine neue berufliche Tätigkeit ermöglichen muss, die mit der bisherigen Tätigkeit nicht verwandt ist (vgl. ). Dies ist beim vorliegenden Universitätsstudium zweifellos der Fall (vgl. auch , zum Universitätsstudium "Angewandte Kulturwissenschaften"). Dass bestimmte einschlägige Berufsbilder weiterführende Ausbildungen erfordern (etwa das Masterstudium Psychologie für die Führung der Bezeichnung "Psychologe" gemäß § 4 Psychologengesetz 2013, BGBl. I 182/2013 idgF, oder das psychotherapeutische Propädeutikum und Fachspezifikum für die selbständige Ausübung der Psychotherapie gemäß § 11 Psychotherapiegesetz, BGBl. 361/1990 idgF), vermag nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts nichts an der Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für ein diesen Ausbildungen vorgelagertes Bachelorstudium zu ändern.

Hinsichtlich des zweiten Kriteriums, des Abzielens "auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes" wurde vom Bundesfinanzgericht in freier Beweiswürdigung festgestellt, dass der Bf. mit dem gegenständlichen Studium tatsächlich die Ausübung eines einschlägigen Berufs anstrebt. Die Bestrebungen des Bf. gehen in ihrer Intensität deutlich über eine bloße Absichtserklärung hinaus. Nach Ansicht des Gerichts sind die beiden gesetzlichen Kriterien für die Anerkennung von Umschulungskosten als Werbungskosten folglich erfüllt.

Die Abzugsfähigkeit hängt auch nicht davon ab, ob es dem Bf. in weiterer Folge tatsächlich gelingt, als Psychologe oder Psychotherapeut Fuß zu fassen und tatsächlich Einkünfte aus dieser Tätigkeit zu erzielen (vgl. dazu wiederum ). Das "Abzielen" auf eine andere Berufsausübung ist aus Sicht des jeweiligen Veranlagungszeitraums zu beurteilen. Eine spätere Änderung der Absicht oder Umstände hat daher keine schädliche Wirkung für die Vergangenheit, weshalb auch weder eine vorläufige Bescheiderlassung gemäß § 200 BAO noch eine Abänderung gemäß § 295a BAO in Frage kommt (Schubert in Wiesner/ Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 16 Anm 143 f [Stand , rdb.at]).

Die Forderung der belangten Behörde nach einer Prognoserechnung ist bei einer universitären Berufsausbildung zudem überzogen. Sie ist schon allein deshalb nicht erfüllbar, weil Absolventen universitärer Ausbildungen in der Regel Fähigkeiten erwerben, aufgrund derer sie in unterschiedlichsten Bereichen erfolgreich tätig werden können (vgl. ). Auch dem Bf. werden mit dem gegenständlichen Studium unterschiedliche Laufbahnen offenstehen, weshalb im Vorhinein keine (für eine Prognose hinreichend konkrete) Aussage über seine zukünftigen Einnahmen aus dieser Tätigkeit getroffen werden kann.

Insgesamt war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall war ausschließlich die Tatfrage, ob das Studium des Bf. tatsächlich auf die Ausübung eines anderen Berufs abzielt, im Wege der freien Beweiswürdigung zu beurteilen. Diese Beurteilung ist einer Revision nicht zugänglich. In der rechtlichen Beurteilung orientiert sich das Erkenntnis am klaren Gesetzeswortlaut und an der angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.3100099.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at