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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 10.03.2023, RV/4200008/2021

Aussetzung der Einhebung rechtskräftig festgesetzter Abgabenschuldigkeiten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden ***V*** und die weiteren Senatsmitglieder ***R1***, ***R2*** und ***R3*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Helmut Binder, Postgasse 8 Tür 1, 9500 Villach, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes Österreich vom , Zl. 420000/203119/01/2021, betreffend die Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am im Beisein der Schriftführerin FOI ***S*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

1. Sachverhalt

Mit Erkenntnissen des Bundesfinanzgerichtes vom , GZ. RV/4200012/2018, vom , GZ. RV/4200033/2018 sowie vom , RV/4200025/2018, wurde über Beschwerden der Beschwerdeführerin (Bf) gegen die Festsetzung von Altlastenbeiträgen samt Nebengebühren betreffend das I. bis IV. Quartal 2008, das II. bis III. Quartal 2009, das IV. Quartal 2009, das I. Quartal 2010, das II. bis IV. Quartal 2010, das I. bis IV. Quartal 2011 sowie das IV. Quartal 2012 entschieden und die Beschwerden als unbegründet abgewiesen. Gegen diese Erkenntnisse hat die Bf die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.

Mit Eingabe vom stellte die Bf einen Antrag nach § 236 BAO. Unter einem stellte die Bf den Antrag auf Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO bis zur Entscheidung über die außerordentlichen Revisionen durch den Verwaltungsgerichtshof sowie über das Nachsichtsansuchen.

Mit Bescheid des Zollamtes Österreich vom , Zl. 420000/203119/01/2021, wurde der Antrag auf Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO der mit Bescheiden des Zollamtes Österreich vom , GZen. 420000/90039/53 und 54/2014 (I. bis IV. Quartal 2008 bzw. II. bis III. Quartal 2009), vom , GZen. 420000/90039/15 und 16/2014 (IV. Quartal 2009 bzw. I. Quartal 2010) und vom GZen. 420000/90039/59, 60 und 61/2014 (II. bis IV. Quartal 2010, I. bis IV. Quartal 2011 bzw. IV. Quartal 2012) vorgeschriebenen Abgabenbeträge samt Nebengebühren als unzulässig zurückgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass ein Antrag auf Aussetzung der Einhebung lediglich bis zur Entscheidung über die Bescheidbeschwerden gestellt werden könne.

Gegen diesen Bescheid hat die Bf mit Eingabe vom binnen offener Frist Beschwerde erhoben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Gesetzeslücke vorliege, die im Wege der Analogie zu schließen sei. Im Falle einer außerordentlichen Revision in Verbindung mit einem Nachsichtsansuchen sei ein Aussetzungsantrag zulässig, da zur Entscheidung über den Nachsichtsantrag die Abgabenbehörde zuständig ist und die Höhe des einzuhebenden Abgabenbetrages von der Erledigung des Nachsichtsansuchens abhängt. Die Bf beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Entscheidung durch den Senat.

Mit Beschwerdevorentscheidung des Zollamtes Österreich vom , Zl. 420000/203119/03/2021, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass keine Rechtslücke bestehe, da § 30 Abs.2 VwGG die Möglichkeit der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung vorsieht. Ein entsprechender Antrag sei seit der Aktenvorlage beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

Mit Eingabe vom stellte die Bf den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag).

In der mündlichen Verhandlung am verwies der Vertreter der Bf auf die bisherigen Schriftsätze und beantragte die Stattgabe der Beschwerde. Die Vertreterin des Zollamtes Österreich beantragte unter Verweis auf die Beschwerdevorentscheidung die Abweisung der Beschwerde.

2. Beweiswürdigung

Gemäß § 167 Abs.2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Nach ständiger Rechtsprechung genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (zB ; , 2006/15/0301; , 2011/16/0011; , 2009/17/0132).

Das Bundesfinanzgericht gründet den festgestellten Sachverhalt auf den Inhalt der vom Zollamt Klagenfurt Villach vorgelegten Verwaltungsakten. Der Sachverhalt ist unbestritten.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 212a Abs.1 BAO ist die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt, auf Antrag des Abgabepflichtigen insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zu Grunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Beschwerdeerledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld.

Eine allenfalls durch Analogie zu schließende Gesetzeslücke liegt vor bei einer planwidrigen Unvollständigkeit innerhalb des positiven Rechtes, gemessen am Maßstab der gesamten Rechtsordnung (ua ; , 97/16/0361; , 2001/14/0116). Wo die gesetzlichen Bestimmungen eindeutig sind, dh keine planwidrige Unvollständigkeit erkennen lassen, ist für die Anwendung der Gesetzesanalogie kein Raum (; , 93/08/0254; , 2006/16/0044).

Die Behauptung des Vorliegens einer planwidrigen Gesetzeslücke ist für den erkennenden Senat nicht nachvollziehbar. Solange eine Bescheidbeschwerde anhängig ist, steht einem Abgabepflichtigen das Rechtsinstitut der Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO zur Verfügung. Im Falle der Einbringung einer außerordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof sieht § 30 Abs.2 Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) vor, dass bis zur Vorlage der Revision das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen hat, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Dass mit der Versagung der Möglichkeit, mit der Einbringung eines Antrages auf Nachsicht von fälligen Abgabenschuldigkeiten gemäß § 236 BAO einen Antrag auf Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a zu verbinden, eine planwidrige Gesetzeslücke aufgezeigt wurde, ist für das Bundesfinanzgericht ebenfalls nicht nachvollziehbar. § 212a BAO ist auf Nachsichtsanträge nicht anwendbar, da keine Bescheidbeschwerde anhängig ist. Eine Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO sollte gerade für rechtskräftig festgesetzte Abgabenschuldigkeiten nicht mehr erfolgen.

Für rechtskräftig festgestellte Abgabenschuldigkeiten stehen der Bf bis zur Entscheidung über das Nachsichtsansuchen gemäß § 212 BAO die Möglichkeiten der Stundung oder die Möglichkeit der Entrichtung in Raten offen. § 236 BAO findet zudem auch auf bereits entrichtete Abgaben Anwendung (§ 236 Abs.2 BAO). Die entsprechenden Anträge gemäß § 212 BAO wurden von der Bf in eventu auch bereits gestellt.

Da die Bf eine planwidrige Unvollständigkeit des positiven Rechts nicht aufzuzeigen vermochte und eine solche auch vom Bundesfinanzgericht nicht zu erkennen ist, war die Beschwerde gegen die Zurückweisung des Antrages auf Aussetzung der Einhebung als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da im gegenständlichen Beschwerdeverfahren keine Rechtsfragen aufgeworfen worden sind, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt und sich die Entscheidung auf den eindeutigen Wortlaut des Gesetzes stützt, ist eine Revision nicht zulässig.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
§ 212a Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.4200008.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at