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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 09.03.2023, RV/3101187/2016

Keine Entlassung aus der Gesamtschuld mangels Vorliegens einer Billigkeit nach Lage der Sache

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden ***Ri***, die beisitzende Richterin ***Ri2***, sowie die fachkundigen Laienrichterinnen ***L1*** und ***L2*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***BF1-Adr***, vertreten durch ***V***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend die Entlassung aus der Gesamtschuld nach § 237 BAO, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin ***Sf***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bescheid vom wurde der Beschwerdeführer gemäß § 9 BAO als Haftender für Abgabenschuldigkeiten des "***Verein***" in Höhe von insgesamt € 45.945,09 Anspruch genommen.

Mit Eingabe vom stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Entlassung aus der Gesamtschuld nach § 237 Abs. 1 BAO und begründete dies mit der Höhe des Einkommens in Relation zum Abgabenrückstand. Bei einem monatlichen Pfändungsbetrag von € 28,00 würde die vollständige Rückzahlung 136 Jahre lang dauern. Es bestehe deshalb keinerlei Aussicht auf nur ansatzweise komplette Tilgung des Rückstandes. Die Beschäftigung bei seiner Gattin betrage wegen seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung nur 30 Wochenstunden und bestehe nur aufgrund der familiären Beziehung.

Das Finanzamt wies den Antrag nach Einholung weiterer Auskünfte bezüglich der Einkommens- und Vermögenssituation mit Bescheid vom ab.

Es liege keine persönliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung vor, da der Beschwerdeführer aufgrund der Lohnpfändung die Abgabenschuld in kleinen Raten bediene und es laut höchstgerichtlicher Rechtsprechung keiner Entlassung aus der Gesamtschuld bedürfe, wenn Härten aus der Abgabeneinhebung auf andere Art, etwa auch durch die Bewilligung von sehr kleinen Raten abgeholfen werden könne. Dem Beschwerdeführer verbleibe das Existenzminimum, mit dem nach Ansicht des Gesetzgebers das Auslangen zu finden sei. Zudem würden auch Gutschriften aus den Arbeitnehmerveranlagungen die Abgabenschuld mindern. Außerdem habe der Beschwerdeführer, lange nach der Geltendmachung der Haftung, gemeinsam mit seiner Gattin einen Kredit zum Ankauf eines Hauses aufgenommen, welcher vom gemeinsamen Konto der Ehegatten bedient werde. Eigentümerin sei jedoch laut Grundbuch allein die Gattin des Beschwerdeführers. Wenn man von einer persönlichen Unbilligkeit der Abgabeneinhebung ausgehen würde, so läge die Gewährung der Entlassung aus der Gesamtschuld im Ermessen der Abgabenbehörde. Dabei sei aber zu berücksichtigen, dass sich eine Entlassung aus der Gesamtschuld nur zugunsten anderer Gläubiger - nämlich zugunsten der [...] - auswirken würde. Außerdem würden die dem Beschwerdeführer trotz der offenen Haftungsschuld zur Verfügung stehenden Mittel anderweitig zur Bezahlung des Kredites verbraucht. All diese Punkte sprächen gegen die Gewährung der Entlassung aus der Gesamtschuld.

Nach Abweisung des Fristverlängerungsersuchens mit Bescheid vom , zugestellt am , erhob der Beschwerdeführer mit Eingabe vom Beschwerde und reichte mit Eingabe vom die Begründung nach.

Hinsichtlich des Vorliegens der sachlichen Unbilligkeit wurde ins Treffen geführt, dass lediglich der Beschwerdeführer als Obmann des Vereines zur Haftung herangezogen worden sei, nicht jedoch aber der Kassier und die beiden wirtschaftlichen Geschäftsführer. Wären diese auch in Anspruch genommen worden, hätte sich der für jede einzelne Person zu entrichtende Haftungsbetrag wesentlich reduziert, sodass sich auch die Möglichkeit der Einbringlichkeit für das Finanzamt wesentlich erhöht hätte. Die Behörde habe nicht alle ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Einbringung des Abgabenanspruchs ausgeschöpft. Deshalb liege für den Beschwerdeführer sachliche Unbilligkeit vor. Außerdem sei es sachlich unbillig, dass dem zugrundeliegenden Haftungsbescheid die betreffenden Abgaben in keinster Weise den Abgabenvorschriften entsprechend dargelegt worden seien und keine genaue Zuordnung möglich sei. Auch eine zeitliche Zuordnung zum Verantwortungsbereich des Beschwerdeführers als Obmann sei nicht möglich, sei doch der Beschwerdeführer erst im März 1999 zum Obmann bestellt worden.

Es wäre sachlich billig, den Beschwerdeführer nur für solche Zeiträume zur Haftung heranzuziehen, in denen er eine relevante Funktion innegehabt habe. Dem Haftungsbescheid könne außerdem kein Hinweis entnommen werden, ob im Zuge des Konkursverfahrens des Vereins Quotenzahlungen aus der Konkursmasse auf den dem Haftungsbescheid zugrundeliegenden Abgabenrückstand geleistet worden seien.

Bezüglich der persönlichen Unbilligkeit brachte der Beschwerdeführer vor, dass allein in der schlechten wirtschaftlichen Situation des Beschwerdeführers bereits eine Unbilligkeit in der Abgabeneinhebung zu erblicken sei und keinesfalls eine Existenzgefährdung gegeben sein müsse. Im Gesetz und in der Fachliteratur fände sich keine Bestimmung bzw. kein Hinweis, dass für die Entlassung aus der Gesamtschuld die vorherige Pfändung auf das Existenzminimum Voraussetzung sei. Es sei im Gegenteil einzuwenden, dass es keiner Existenzgefährdung bedürfe, wenn die Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wären, die außergewöhnlich seien, z.B. wenn die Abgabenschuld nur unter Verschleuderung von Vermögenswerten entrichtet werden könne. Zu der Ansicht der Abgabenbehörde, dass keine persönliche Unbilligkeit vorläge, da der Beschwerdeführer die Abgabenschuld in kleinen Raten bediene, und es keiner Entlassung aus der Gesamtschuld bedürfe, wenn Härten aus der Abgabeneinhebung durch - wenn auch sehr kleinen - Ratenzahlungen abgeholfen werden könnte, sei entgegenzuhalten, dass bis zum spätestens denkbaren Pensionsantritt nur ein äußerst geringer Betrag der Abgabenschuld (nämlich € 5.488,00) überhaupt entrichtet werden könne. Auch die zusätzlich durch das Finanzamt ins Treffen geführten Gutschriften aus den Arbeitnehmerveranlagungen beliefen sich überhaupt nur bei Annahme des längst möglichen Pensionsantrittsalters auf eine Höhe von € 1.540,00. Durch diese letzten beiden durch die Abgabenbehörde eingewendeten Möglichkeiten der Reduktion des Abgabenrückstandes sei aber nicht denkbar, auch nur ansatzweise einen adäquaten Abgabenanspruch tilgen zu können. Somit sei eine persönliche Unbilligkeit gegeben, da beim Beschwerdeführer der gesamte Abgabenrückstand niemals einbringlich gemacht werden könne und nur ein geringes wirtschaftlich vertretbares Einkommen vorläge. Hinsichtlich dem Vorbringen des Finanzamtes, dass der Beschwerdeführer lange nach Geltendmachung der Haftung gemeinsam mit seiner Gattin einen Kredit zum Ankauf eines Hauses aufgenommen habe und dieser vom gemeinsamen Konto der Eheleute bedient werde, wurde ausgeführt, dass der Kauf des Hauses notwendig gewesen sei, da die Wohnung Feuchtigkeitsschäden und Schimmelbefall aufgewiesen habe, welche die weitere Benutzung unmöglich gemacht hätte. Es handle sich hinsichtlich des Kaufes des Hauses um sehr bescheidene Anschaffungskosten in Höhe von € 100.000,00. Im Kaufe sei die Sicherung des dringenden Wohnbedürfnisses der Familie des Beschwerdeführers zu erblicken, welche zudem mangels eigener Mittel nur mittels Kreditfinanzierung möglich gewesen sei. Hierzu sei keine Verknüpfung zwischen der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses einerseits und der vermeintlichen Entlassung aus der Gesamtschuld andererseits herzustellen, sondern es sei lediglich die Absicherung eines dringlichen Grundbedürfnisses zu erblicken.

Außerdem sei nicht ersichtlich und nicht begründet worden, warum in der gesundheitlichen Belastung des Beschwerdeführers infolge der gegenständlichen Haftungsinanspruchnahme keine persönliche Unbilligkeit erblickt werden könne. Letztlich sei nicht verständlich, warum der Beschwerdeführer praktisch bis an das Lebensende belastet werden solle. Es sei somit eine persönliche Unbilligkeit gegeben, welche bei entsprechender Berücksichtigung die Entlassung aus der Gesamtschuld rechtfertigen würde.

Nach weiteren Ergänzungsersuchen wies das Finanzamt die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab.

Die Abgabenbehörde begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers zur sachlichen Unbilligkeit nicht gefolgt werden könne. Zur Haftung könne derjenige herangezogen werden, der nach den Statuten des Vereines nach außen hin zur Vertretung befugt gewesen sei. Das sei im Zeitraum März 1999 bis Mai 2001 unzweifelhaft der Beschwerdeführer gewesen. Außerdem würde es im Ermessen der Abgabenbehörde stehen, wer bei mehreren in Betracht kommenden Vertretern zur Haftung herangezogen werde. Auch die Einwendungen bezüglich der Zeiträume der Haftungsinanspruchnahme können keine sachliche Unbilligkeit begründen, da diese Einwendungen im Haftungsverfahren geltend gemacht werden hätten müssen.

Nach Ansicht der Abgabenbehörde liege auch keine persönliche Unbilligkeit vor, weil die Einkünfte unter dem Existenzminimum liegen würden und daher auch die Gewährung der Entlassung aus der Gesamtschuld nicht den geringsten Sanierungseffekt habe und an der Existenzgefährdung nichts ändere. Die vorgebrachte gesundheitliche Belastung spreche die persönlichen Verhältnisse an, eine persönliche Unbilligkeit könne damit im gegenständlichen Fall aber nicht begründet werden. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit geeignet sei.

Mit Eingabe vom wurde nach erfolgten Fristverlängerungen seitens des Beschwerdeführers ein Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht gestellt.

Der Beschwerdeführer sei nunmehr bei einem Bewachungsunternehmen beschäftigt und die Einkünfte würden das Existenzminimum übersteigen. Außerdem wurden die aufgezeigten Differenzen im Vermögensverzeichnis aufgeklärt und die Finanzierung des Kredites dargelegt. Moniert wurde, warum die gesundheitliche Belastung nicht zu einer Unbilligkeit führe. Als erschwerende Umstände kämen hinzu, dass die Haftungsinanspruchnahme das berufliche Weiterkommen massiv erschwere.

Es liege eine persönliche Unbilligkeit vor, weil zum einen die Existenz des Abgabepflichtigen durch die Einhebung der Abgaben gefährdet sei und zum andern die Einhebung mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden sei, sodass die Eintrichtung der Ababen trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Vermögensveräußerung möglich wäre und dies einer Verschleuderung gleichkäme.

Bezüglich der sachlichen Unbilligkeit brachte der Beschwerdeführer vor, dass der Antrag zwar nicht dazu diene, Unrichtigkeiten der Abgabenfestsetzung zu beseitigen und unterlassene Rechtsbehelfe nachzuholen. Allerdings könne im Fall des Vorliegens einer Unbilligkeit auf etwaige Unrichtigkeiten bei der Abgabenfestsetzung bei der Bestimmung des Ausmaßes der Nachsicht Bedacht genommen werden. Dies wäre in diesem Fall anzuwenden, da der Beschwerdeführer zuerst lediglich als Fahrer für den Kindergartenbus beim Verein beschäftigt gewesen sei und dann vom vorherigen Obmann (welcher von der schlechten wirtschaftlichen Situation Kenntnis gehabt habe) überredet worden sei, die Obmanntätigkeit zu übernehmen. Hierdurch sei der Beschwerdeführer, der keine Kenntnis von der schlechten wirtschaftlichen Situation gehabt habe, "übervorteilt" worden. Darauf, dass nur der Beschwerdeführer zur Haftung herangezogen wurde, es aber andere Persönlichkeiten gegeben habe, die mehr über die wirtschaftliche Gebarung des Vereins wussten, sei in Bezug auf die beantragte Nachsicht jedoch sehr wohl Bedacht zu nehmen.

Mit Schreiben vom wurde der Beschwerdeführer aufgefordert einen aktuellen Einkommens- und Vermögensnachweise vorzulegen. Dieser Aufforderung kam der Antragsteller am mittels Übermittlung des Einkommensteuerbescheides 2021 nach. Weiters wurde mitgeteilt, dass kein namhaftes Vermögen vorhanden sei.

In der mündlichen Verhandlung am wurde neben Wiederholung der bisherigen Vorbringen ergänzend auf das Erkenntnis des , hingewiesen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt I.

Gemäß § 237 Abs. 1 BAO kann auf Antrag eines Gesamtschuldners dieser aus der Gesamtschuld ganz oder zum Teil entlassen werden, wenn die Einhebung der Abgabenschuld bei diesem nach der Lage des Falles unbillig wäre. Durch diese Verfügung wird der Abgabenanspruch gegen die übrigen Gesamtschuldner nicht berührt.

Durch Erlassung eines Haftungsbescheides wird der Haftende zum Gesamtschuldner (vgl. ).

Der Begriff der Unbilligkeit im § 237 entspricht dem des § 236 BAO (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 237 TZ 4 mwH).

Nach § 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend die Unbilligkeit der Einhebung im Sinne des § 236 BAO (BGBl. II Nr. 435/2005 idgF) kann die Unbilligkeit persönlicher oder sachlicher Natur sein.

Gemäß § 2 der Verordnung liegt eine persönliche Unbilligkeit insbesondere dann vor, wenn die Einhebung

1. die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen gefährden würde;

2. mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, etwa wenn die Entrichtung der Abgabenschuldigkeit trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Vermögensveräußerung möglich wäre und dies einer Verschleuderung gleichkäme.

Eine "persönliche" Unbilligkeit im Sinne der oben genannten VO sowie der Rechtsprechung ist somit gegeben, wenn diese in der Person des Abgabepflichtigen gelegen ist. Im Besonderen dann, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenz (Existenzgrundlage) des Abgabepflichtigen gefährden, besondere finanzielle Schwierigkeiten und eine wirtschaftliche Notlage mit sich bringen, diese erhöhen und verstärken würde bzw. sonstige wirtschaftliche außergewöhnliche (abnormale, atypische) belastende Wirkungen zur Folge hätte (vgl. Capek/Gleixner/Rzeszut in Rzeszut/Tanzer/Unger (Hrsg), BAO: Stoll Kommentar - Digital First 2.03, § 236 Rz 33; mwN).

Der Beschwerdeführer vermag mit seinem Vorbringen eine Unbilligkeit aus persönlichen Gründen in diesem Sinne nicht aufzuzeigen. Das derzeitige Einkommen von rund € 1.450,00 (Angabe in der mündlichen Verhandlung) monatlich liegt zwar über dem unpfändbaren Freibetrag. Das bedeutet aber noch nicht automatisch das Vorliegen einer persönlichen Unbilligkeit, weil mit einer Abgabenleistung allgemein Einbußen an vermögenswerten Interessen verbunden sind (vgl. zB ) und für sich allein gesehen deshalb keine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung vorliegt. Außergewöhnliche Auswirkungen der Abgabeneinhebung wurden vom Beschwerdeführer nicht dargetan. Die in diesem Zusammenhang ins Treffen geführten allfälligen Probleme bei der Arbeitssuche oder bei der derzeitigen Beschäftigung in der Bewachungsbranche, wenn von der Abgabenbehörde Lohnpfändungen vorgenommen werden, stellen keine außergewöhnlichen Auswirkungen dar. Dem Beschwerdeführer steht es offen im Rahmen einer Ratenvereinbarung mit der Abgabenbehörde von sich aus die ansonsten der Pfändung unterliegenden Beträge zur Begleichung der Abgabenschuld an das Finanzamt abzuführen.

Soweit der Beschwerdeführer eine persönliche Unbilligkeit aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung sieht, ist entgegenzuhalten, dass eine Krankheit nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zB ) berücksichtigungswürdig ist, wenn sie eine schlechte wirtschaftliche Lage des Nachsichtswerbers zur Folge hat, die die Entrichtung der nachsichtsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten unmöglich macht. Dies ist aber hier nicht der Fall, können die Abgabenschuldigkeiten doch durch Raten, mögen diese auch nur eine geringe Höhe erreichen, und durch Gutschriften aus der Arbeitnehmerveranlagung, getilgt werden. Der Rückstand konnte so von € 45.945,09 auf aktuell € 30.467,70 reduziert werden. Von einer Unmöglichkeit der Entrichtung der Abgabenschuldigkeiten kann daher nicht gesprochen werden.

Eine sonstige besondere Beeinträchtigung des Vermögens scheidet aus, weil solches nach Mitteilung des Beschwerdeführers im nennenswerten Umfang nicht vorhanden ist.

Eine sachliche Unbilligkeit ist - unbeschadet der in § 3 der genannten Verordnung beispielsweise aufgezählten Fälle - nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und verglichen mit anderen Fällen zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Der im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist (vgl. zB ).

Wie der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter selbst einräumt, kann eine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nicht damit begründet werden, dass eine Abgabenfestsetzung zu Unrecht erfolgt ist. Vielmehr muss die behauptete Unbilligkeit in Umständen liegen, die die Entrichtung der Abgabe selbst betreffen. Im Nachsichtsverfahren können daher nicht Einwände nachgeholt werden, die im Festsetzungsverfahren geltend zu machen gewesen wären. Ein solches Vorgehen liefe letztlich darauf hinaus, jede Einhebung einer rechtswidrig vorgeschriebenen Abgabe als unbillig zu betrachten (siehe ). Das vom Beschwerdeführer zitierte Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist deshalb mit diesem VwGH Erkenntnis auch aufgehoben worden. Davon abgesehen wäre die fehlende Aufschlüsselung der Abgaben in einem Rechtsmittelverfahren sanierbar gewesen und steht die Auswahl des Haftenden im Ermessen der Abgabenbehörde. Eine Berücksichtigung im Rahmen des Ermessens scheidet schon deshalb aus, weil mangels Vorliegens einer persönlichen oder sachlichen Unbilligkeit der Einhebung für eine Ermessensentscheidung kein Raum bleibt ().

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision war als unzulässig zu erklären, da keine Rechtsfrage zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch ist diese uneinheitlich.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 237 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.3101187.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at