Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.03.2023, RV/5100175/2023

Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung durch einen Sozialhilfeverband

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache Verl. n. ***Verstorbene*** über die Beschwerde des ***Beschwerdeführer***, ***Bf-Adr*** vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Zurückweisung der Anträge auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für die Jahre 2018 und 2020 sowie des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 zur Steuernummer ***StNr*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

A. Erklärungen, Bescheide

Betreffend das Jahr 2019 wurde am eine von der verstorbenen ***Verstorbene*** am unterzeichnete Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2019 eingebracht. Diese Erklärung wurde mit Bescheid vom erklärungsgemäß veranlagt.

Frau ***Verstorbene*** ist am ***Datum***.2021 verstorben. Auf Basis eines Beschlusses des ***Bezirksgericht*** vom , wonach dem ***Beschwerdeführer*** (in der Folge "Beschwerdeführer") über Antrag die Ermächtigung erteilt wurde, für die Verstorbene die Arbeitnehmerveranlagungen für die Jahre 2018 bis 2020 durchzuführen, wurden durch den Beschwerdeführer am die Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung für die Verl. n. ***Verstorbene*** für die Jahre 2018, 2019 und 2020 beim belangten Finanzamt eingebracht. In diesem Beschluss ist weiters ausgesprochen, dass gemäß § 153 Abs. 1 AußStrG die Abhandlung unterbleibt, da die Nachlassaktiva EUR 5.000 nicht übersteigen, zum Rechtserwerb aufgrund des Todesfalles keine bücherlichen Eintragungen erforderlich sind und keine sonstigen Voraussetzungen zur Einleitung eines Verlassenschaftsverfahrens vorliegen.

Mit Bescheiden vom wurden die Anträge auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für die Jahre 2018 und 2020 als unzulässig zurückgewiesen. Adressiert wurden diese Bescheide an den ***Beschwerdeführer***, z.H. Frau ***Vertreterin***, ***Bf-Adr***.

Die erneute Einbringung einer Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2019 am wurde durch das belangte Finanzamt als Antrag auf Wiederaufnahme gemäß § 303 BAO betreffend das bereits mit Bescheid vom abgeschlossene Verfahren gewertet. Mit Bescheid vom wurde dieser Antrag ebenfalls als unzulässig zurückgewiesen. Adressiert wurde dieser Bescheid an den ***Beschwerdeführer***, z.H. Frau ***Vertreterin***, ***Bf-Adr***.

Begründet wurden sämtliche Zurückweisungsbescheide wie folgt:

Für Verlassenschaftsverfahren ohne erbantrittsberechtigte Erben gilt folgendes:

Wird das Verlassenschaftsverfahren nicht in Form einer Verlassenschaftsabhandlung geführt, sondern armutshalber abgetan oder an Zahlungs statt überlassen, bleibt nach herrschender Rechtsauffassung der ruhende Nachlass grundsätzlich bestehen. Um wirksam im Abgabenverfahren handeln zu können - zB Abgabenerklärungen einzubringen -, bedarf es eines berechtigten Vertreters.

Vertreter des ruhenden Nachlasses können sein:

- ein vom Abgabenpflichtigen zu dessen Lebzeiten Bevollmächtigter (zB Steuerberater), sofern die Vertretungsvollmacht über den Todesfall hinaus erteilt wurde oder

- ein vom Gericht bestellter Verlassenschaftskurator.

Somit kann ein Anbringen, zB eine Abgabenerklärung immer nur durch einen der oben genannten Vertreter beantragt werden.

Da Sie keine vertretungsbefugte Person im Sinne der obigen Ausführungen sind, war Ihr Anbringen betreffend Arbeitnehmerveranlagung daher gem. § 260 Abs. 1 lit a BAO zurückzuweisen.

B. Beschwerde, Beschwerdevorentscheidung

Mit Schreiben vom wurde Beschwerde gegen die obigen Zurückweisungsbescheide erhoben. Begründend wurde im Wesentlichen auf den Beschluss des ***Bezirksgericht*** verwiesen, wonach der Beschwerdeführer ermächtigt sei, die Arbeitnehmerveranlagungen für die Jahre 2018 bis 2020 durchzuführen, um einen Teil der Kostenersatzforderungen (Anm.: Die Verstorbene wohnte bis zu ihrem Tod im Bezirksseniorenheim) abdecken zu können. Der Anspruch des Beschwerdeführers sei aufgrund der Legalzession (80/20-Teilung) bescheinigt.

Nach jüngster Rechtsprechung komme die Antragslegitimation nach § 153 Abs. 2 AußStrG auch einem Gläubiger (d.h. etwa dem Beschwerdeführer) zu und sei die Ermächtigung nach § 153 Abs. 2 AußStrG mittlerweile ein Erwerbstitel (§ 798 ABGB). Zudem handle es sich bei Vertretungsfragen der Verlassenschaft jedenfalls um keine Zuständigkeit der Abgabenbehörden.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde im Wesentlichen auf ein Erkenntnis des VwGH verwiesen (), wonach Sozialhilfeverbände nicht berechtig seien, (bloß) aufgrund eines Beschlusses des Verlassenschaftsgerichts nach § 153 Abs. 2 AußStrG die Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung des Verstorbenen als Gesamtrechtsnachfolger oder als Vertreter der Verlassenschaft zu beantragen.

Für den gegenständlichen Fall bedeute dies, dass die Beantragung der Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung durch einen Einzelrechtsnachfolger (im gegenständlichen Fall der Beschwerdeführer), der über keine Vollmacht der Verstorbenen über den Tod hinaus verfügt, mangels Aktivlegitimation iSd § 19 Abs. 1 BAO zurückzuweisen ist.

C. Vorlageantrag

Mit Schreiben vom wurde durch den Beschwerdeführer ein Vorlageantrag eingebracht. Die Ausführungen im Vorlageantrag entsprechen jenen in der Beschwerde.

Die Beschwerde wurde dem Bundesfinanzgericht am zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Frau ***Verstorbene*** ist am ***Datum***.2021 verstorben. Eine Abhandlung der Verlassenschaft ist gemäß § 153 Abs. 1 AußStrG unterblieben, da die Nachlassaktiva einen Wert von EUR 5.000,00 nicht überschritten haben. Der Beschwerdeführer wurde durch Beschluss des ***Bezirksgericht*** vom ermächtigt, für die Verstorbene die Durchführung der Arbeitnehmerveranlagungen für die Jahre 2018 bis 2020 zu beantragen (Hintergrund ist die gemäß § 324 Abs. 3 ASVG iVm § 13 BPGG eingeräumte Legalzession).

Betreffend das Jahr 2019 wurde bereits am eine von Frau ***Verstorbene*** unterzeichnete Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung eingebracht, der (erklärungsgemäße) Einkommensteuerbescheid 2019 ist am ergangen.

Am beantragte der Beschwerdeführer die Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für die Verlassenschaft nach ***Verstorbene*** für die Jahre 2018 bis 2020. Die Anträge betreffend 2018 und 2020 wurden durch das belangte Finanzamt - mangels Aktivlegitimation iSd § 19 Abs. 1 BAO - als unzulässig zurückgewiesen. Der Antrag betreffend 2019 wurde - aufgrund der bereits erfolgten Veranlagung - als Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens qualifiziert und ebenfalls mangels Aktivlegitimation als unzulässig zurückgewiesen. Sämtliche Zurückweisungsbescheide waren an den Beschwerdeführer adressiert.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zum Todestag von Frau ***Verstorbene***, das Unterbleiben der Abhandlung der Verlassenschaft sowie die vom Bezirksgericht eingeräumte Ermächtigung des Beschwerdeführers zur Beantragung der Durchführung der Arbeitnehmerveranlagungen für die Verstorbene ergeben sich aus dem Beschluss des ***Bezirksgericht*** vom .

Die Tatsache, dass für das Jahr 2019 bereits eine Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung eingebracht und auch erklärungsgemäß veranlagt wurde, ergibt sich aus dem Steuerakt der Verstorbenen. Die Tatsache, dass diese Erklärung von der Verstorbenen selbst unterzeichnet wurde, ergibt sich aus den dem Bundesfinanzgericht vorliegenden Formularen (die Erklärung wurde mittels Formular L1 und nicht via FinanzOnline erstattet).

Die Feststellungen zur Beantragung der Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für die Jahre 2018 bis 2020 durch den Beschwerdeführer sowie der Inhalt der Zurückweisungsbescheide ergibt sich aus dem elektronisch vorgelegten Akteninhalt.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

A. Rechtliche Grundlagen

§ 153 AußStrG lautet:

(1) Sind Aktiven der Verlassenschaft nicht vorhanden oder übersteigen sie nicht den Wert von 5 000 Euro oder tritt die Rechtsnachfolge nach dem maßgebenden Recht von Gesetzes wegen ein und sind keine Eintragungen in die öffentlichen Bücher erforderlich, so unterbleibt die Abhandlung, wenn kein Antrag auf Fortsetzung des Verlassenschaftsverfahrens gestellt wird. Einer Verständigung bedarf es nicht.

(2) Ist auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen österreichisches Recht anzuwenden, so hat das Gericht auf Antrag denjenigen, deren Anspruch nach der Aktenlage bescheinigt ist, die Ermächtigung zu erteilen, das Verlassenschaftsvermögen ganz oder zu bestimmten Teilen zu übernehmen, dazu gehörende Rechte geltend zu machen oder aufzugeben, über erhaltene Leistungen rechtswirksam zu quittieren und Löschungserklärungen auszustellen.

§ 19 BAO lautet:

(1) Bei Gesamtrechtsnachfolge gehen die sich aus Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über. Für den Umfang der Inanspruchnahme des Rechtsnachfolgers gelten die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes.

(2) Mit der Beendigung von Personenvereinigungen (Personengemeinschaften) ohne eigene Rechtspersönlichkeit gehen deren sich aus Abgabenvorschriften ergebende Rechte und Pflichten auf die zuletzt beteiligt gewesenen Gesellschafter (Mitglieder) über. Hinsichtlich Art und Umfang der Inanspruchnahme der ehemaligen Gesellschafter (Mitglieder) für Abgabenschulden der Personenvereinigung (Personengemeinschaft) tritt hiedurch keine Änderung ein.

§ 41 EStG 1988 lautet auszugsweise:

[…]

(2) 1. Liegen die Voraussetzungen des Abs. 1 nicht vor, hat das Finanzamt auf Antrag des Steuerpflichtigen eine Veranlagung vorzunehmen, wenn der Antrag innerhalb von fünf Jahren ab dem Ende des Veranlagungszeitraums gestellt wird (Antragsveranlagung). § 39 Abs. 1 dritter Satz ist anzuwenden.

[…]

B. Erwägungen

Es ist an dieser Stelle auf die zu einer vergleichbaren Sachlage ergangenen und nachfolgend auszugsweise dargestellten Erkenntnisse des VwGH zu verweisen (Hervorhebungen durch den erkennenden Richter).

a) Ro 2022/15/0026:

12Kommt es nicht zur Einantwortung eines Erben liegt keine Gesamtrechtsnachfolge des Erben, sondern nur Einzelrechtsnachfolge vor (vgl. 1302/69, zu einer Vorgängerbestimmung). Auch die Ermächtigung gemäß § 153 Abs. 2 AußerStrG führt zu keiner Gesamtrechtnachfolge (vgl. Winkler in Schneider/Verwejen, AußStrG, § 153 Rn 13; Sailer in Gitschthaler/Höllwerth, AußerStreitG I2, § 153 Rn 9). Nach herrschender Lehre und Judikatur bleibt in Fällen des § 153 AußStrG der ruhende Nachlass bestehen, auch wenn eine Ermächtigung im Sinne des Abs. 2 leg. cit. erteilt wurde (vgl. 10 ObS 133/92; , 6 Ob 716/85 zur Vorgängerbestimmung; Schneider/Verwejen, AußStrG, § 153 Rn 9; Obermaier, ÖJZ 2008, 127; jeweils mwN).

13Die Verlassenschaft setzt vor der Einantwortung des Erben die Rechte und Pflichten des verstorbenen Steuerpflichtigen fort (§ 531 ABGB). Der ruhende Nachlass bzw. die Verlassenschaft ist eine juristische Person (vgl. 96/15/0102).

14Der Sozialhilfeverband ist nicht gesetzlicher Vertreter des ruhenden Nachlasses. Er verfügt auch nicht über eine Zustellbevollmächtigung für den ruhenden Nachlass. Auch die Ermächtigung nach § 153 Abs. 2 AußStrG bewirkt nicht die Befugnis zurgesetzlichen Vertretung des Nachlasses und berechtigt daher nicht zur Antragstellung nach § 41 Abs. 2 Z 1 EStG 1988.

b) Ro 2022/15/0033:

9Der Revisionsfall gleicht hinsichtlich des rechterheblichen Sachverhalts und der zu beantwortenden Rechtsfrage jenem, den der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom , Ro 2022/15/0026, entschieden hat. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird auf die Entscheidungsgründe des genannten Erkenntnisses verwiesen.

10Aus den dort angeführten Erwägungen bewirkte daher - entgegen dem Revisionsvorbringen des revisionswerbenden Sozialhilfeverbandes - auch im gegenständlichen Fall dessenErmächtigung nach § 153 Abs. 2 AußStrG durch das Verlassenschaftsgericht nicht eine Befugnis zur gesetzlichen Vertretung des Nachlasses nach A und berechtigte nicht zur Antragstellung nach § 41 Abs. 2 Z 1 EStG 1988.

11Anders als im verwiesenen Erkenntnis erfolgte im Revisionsfall aber - nach den unbestrittenen Feststellungen des BFG - seitens des Finanzamts keine Zustellung des Zurückweisungsbescheids an die Verlassenschaft nach A zu Handen des einschreitenden (revisionswerbenden) Sozialhilfeverbandes. Bescheidadressat war vielmehr der einschreitende Sozialhilfeverband selbst, dessen Anträge mangels Aktivlegitimation zurückgewiesen wurden (und dessen dagegen erhobene Beschwerde vom BFG abgewiesen wurde).

12Diese Vorgehensweise erweist sich als korrekt. Mangels Berechtigung des Revisionswerbers zur Antragstellung nach § 41 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 für die Verlassenschaft nach A war der diesbezügliche Antrag ihm gegenüber zurückzuweisen.

Aus den obigen Ausführungen des VwGH ergibt sich eindeutig, dass der Beschwerdeführer im streitgegenständlichen Fall nicht zur Antragstellung nach § 41 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 für die Verl. n. ***Verstorbene*** berechtigt war. Eine Ermächtigung nach § 153 Abs. 2 AußStrG ändert daran nichts.

Die entsprechenden Anträge des Beschwerdeführers (seien es die Anträge auf erstmalige Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für 2018 und 2020 oder der - vom belangten Finanzamt als solcher gewerteter - Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für 2019) waren demnach mangels Aktivlegitimation als unzulässig zurückzuweisen. Die Adressierung dieser Zurückweisungsbescheide an den Beschwerdeführer, und gerade nicht an die Verl. n. ***Verstorbene***, war - siehe wiederum die obig angeführte Rechtsprechung des VwGH - ebenfalls korrekt.

Im Ergebnis war die Beschwerde somit als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall sind die zu klärenden Rechtsfragen durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entschieden, sodass eine Revision nicht zulässig ist.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 19 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 41 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.5100175.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at