Aufschiebende Wirkung – Einzel – Beschluss, BFG vom 17.02.2023, AW/7100003/2023

keine aufschiebende Wirkung bei Familienbeihilfe iVm Art 60 Abs 1 Satz 3 VO987/2009

Entscheidungstext

Beschluss aufschiebende Wirkung

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Silvia Gebhart in der Sache einer Amtsrevision gegen ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über den Antrag des Finanzamtes Österreich vom der gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7103245/2019, betreffend Stattgabe der Bescheidbeschwerde in einer Sache der Familienbeihilfe iVm der unionsrechtlichen sozialen Koordinierung, erhobenen ordentlichen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, beschlossen:

I. Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 30a Abs. 3 VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof (§ 25a Abs. 2 Z 1 VwGG) oder eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (§ 88a Abs. 2 VfGG) nicht zulässig.

Begründung

Mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7103245/2019, wurde der Bescheidbeschwerde des mitbeteiligten Beschwerdeführers (im Folgenden kurz Mitbeteiligter) vom stattgegeben. Der Mitbeteiligte ist der andere Elternteil iSd Art 60 Abs 1 Satz 3 VO 987/2009 und es fehlt die Verzichtserklärung der in Italien mit dem gemeinsamen Kind wohnhaften Kindesmutter. Zwischen den Elternteilen besteht eine aufrechte Ehe.

Mit der außerordentlichen Revision vom beantragte die Revisionswerberin der Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Die Unverhältnismäßigkeit des Nachteils aus der Verpflichtung zu einer Geldleistung ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schon im Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch zahlenmäßige Angaben über die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers zu konkretisieren. Erst die ausreichende und zudem glaubhaft dargetane Konkretisierung ermöglicht die vom Gesetz gebotene Interessensabwägung (vgl. zB ). Im Fall der Amtsrevision ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs als "unverhältnismäßiger Nachteil für den Revisionswerber" eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der von der Amtspartei zu vertretenden öffentlichen Interessen als Folge einer Umsetzung des angefochtenen Erkenntnisses oder Beschlusses in die Wirklichkeit zu verstehen. Insoweit treten diese öffentlichen Interessen im Falle einer Amtsrevision bei der vorzunehmenden Interessenabwägung an die Stelle jener Interessenlage, die sonst bei einem "privaten" Revisionswerber als Interesse an dem Aufschub des sofortigen Vollzugs der angefochtenen Entscheidung in die Abwägung einfließt (vgl. ; , Ro 2017/10/0032, ).

Im konkreten Fall kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Revisionswerberin die unionsrechtliche Verpflichtung trifft, die Familienleistungen nach dem FLAG zu leisten. Sie hat sie an die Kindesmutter zu leisten hat, da die Verzichtserklärung nicht vorliegt.

Die offene Rechtsfrage ist lediglich, ob der österreichische Träger in gegebener Ausgangslage verpflichtet ist, den vom Verwaltungsgerichtshof vorgezeichneten "langen" Wege über die Beschaffung eines Antrages der Kindesmutter beschreiten muss, oder ob bei aufrechter Ehe und Erfüllung aller anderen Voraussetzungen der "kurze" Weg, wie vom BFG hier vorgeschlagen, gewählt werden kann, indem der Antrag des anderen Elternteiles wie vom EuGH gefordert berücksichtigt wird und die Auszahlung an den nach innerstaatlicher Rechtslage vorrangig anspruchsberechtigte Person vorgenommen wird (, DN gg FAÖ). Bei aufrechter Ehe ist der eine Ehepartner befugt, für den anderen Ehepartner verbindliche Willenserklärungen abzugeben (vgl § 83 Abs 4 BAO), zumal die Kindesmutter durch das Handeln ihres Ehemannes nicht belastet wird.

Ein solcher "unverhältnismäßiger Nachteil" wird mit dem Vorbringen, dass im Falle einer Abweisung der Beschwerde im noch anhängigen Beschwerdeverfahren die Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge von in der Mitteilung anführten Kindesmutter wieder zurückbezahlt werden müssten, nicht dargetan (vergleichbar ). Art 4 VO 833/2004 normiert das Gebot der Inländergleichstellung. Bei einem Inlandssacherhalt kommt es bezüglich des Vorrechts des haushaltsführenden Elternteils nicht darauf an, ob dieser im Fall einer potentiellen Rückforderung weniger zahlungspotent ist als der nachrangige andere Elternteil. Es ist gesetzlich nicht vorgesehen, dass die belangte Behörde die Abgabe einer Verzichtserklärung der Kindesmutter aufgrund finanzieller Überlegungen verhindern oder sich über eine solche hinwegsetzen könnte. Der Einwand der belangten Behörde, ihr seien die Kontodaten der Kindesmutter nicht bekannt, zeigt, dass die belangte Behörde grundsätzlich zur Anweisung der Familienbeihilfe auf das Konto der Kindesmutter bereit wäre. Damit liegt ein Widerspruch in der Argumentation vor.

Kontodaten dürfen von öffentlichen Einrichtungen als hochsensible Daten nicht per E-Mail weitergegeben oder abverlangt werden. Die Kontodaten der Kindesmutter ***1*** werden wie folgt bekannt gegeben: IBAN ***4***, BIC ***3***.

Die Revisionswerberin behauptet zwar das Vorliegen eines unverhältnismäßigen Nachteils. Dazu fehlen aber jegliche Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Revisionswerberin.

Schon mangels einer Konkretisierung konnte daher dem Antrag nicht stattgegeben werden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 30 Abs. 2 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
Verweise





ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:AW.7100003.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at