Vertretungsbefugnis des Sozialhilfeverbandes im Abgabenverfahren
Entscheidungstext
Beschluss
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Nichtbescheid des Finanzamtes Österreich vom zu StNr. ***1***, mit dem ein Antrag vom auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für die Verlassenschaft nach ***2*** betreffend das Jahr 2020 zurückgewiesen werden sollte, beschlossen:
Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
Mit Formblatt L1 wurde am eine Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2020 eingereicht. Unter Punkt "1. Angaben zur Person" wird die Verlassenschaft nach ***2*** angeführt. Am Ende der Erklärung findet sich eine Stampiglie des Sozialhilfeverbandes ***3*** samt Datum und Unterschrift.
Das Finanzamt beabsichtigte mit einer als Bescheid intendierten und auch so bezeichneten Enunziation vom die Zurückweisung dieses Antrages, da der Sozialhilfeverband nicht Gesamtrechtsnachfolger der Verlassenschaft nach ***2*** und damit nicht aktivlegitimiert sei, den Antrag vom einzubringen.
Die Enunziation vom wurde an "Verl. n. ***2*** z.H. SOZIALHILFEVBD ***3***, ***Bf1-Adr***" gerichtet und dem Sozialhilfeverband ***4*** zugestellt.
Gegen diese Enunziation brachte der Sozialhilfeverband am eine Beschwerde ein, die zusammengefasst damit begründet wurde, dass sich die Legitimation des Sozialhilfeverbandes zur Antragstellung bezüglich Arbeitnehmerveranlagung zwar nicht aus § 19 BAO ergäbe, da der Sozialhilfeverband kein Gesamtrechtsnachfolger nach der Verstorbenen sei, wohl aber aus § 153 Abs. 2 AußStrG iVm § 798 ABGB. Richtig sei, dass es auch nach § 153 AußStrG zu keiner Gesamtrechtsnachfolge nach der Verstorbenen komme, sondern der Nachlass weiterhin ruhe. Allerdings habe das Gericht denjenigen, dessen Anspruch nach der Aktenlage bescheinigt ist, die Ermächtigung zu erteilen, das Verlassenschaftsvermögen ganz oder zu bestimmten Teilen zu übernehmen, dazu gehörende Rechte geltend zu machen oder aufzugeben, über erhaltene Leistungen rechtswirksam zu quittieren und Löschungserklärungen auszustellen. Es komme daher betreffend diese Vermögenswerte zu einer Einzelrechtsnachfolge, auf die § 19 BAO nicht Bezug nehme. Da dem Sozialhilfeverband in dieser Angelegenheit bereits die Ermächtigung erteilt worden sei, die Arbeitnehmerveranlagungen zu beantragen und das Guthaben zu übernehmen, könne im konkreten Fall auch kein Verlassenschaftskurator für dieselbe Sache mehr bestellt werden. Der Sozialhilfeverband beantrage somit die Aufhebung des Zurückweisungsbescheides und die Erlassung des Einkommensteuerbescheides 2020 zu Gunsten des ***Bf1***.
Mit einer als Beschwerdevorentscheidung intendierten und auch so bezeichneten Enunziation vom beabsichtigte das Finanzamt die unbegründete Abweisung der Beschwerde. Auch diese Enunziation wurde an "Verl. n. ***2*** z.H. SOZIALHILFEVBD ***3***, ***Bf1-Adr***" gerichtet und dem ***Bf1*** zugestellt.
Dagegen richtet sich der Vorlageantrag des Sozialhilfeverbandes vom , in dem das Beschwerdevorbringen wiederholt und auf eine (nicht näher durch Angabe einer Geschäftszahl bezeichnete) Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes vom verwiesen wurde. Gemeint sein dürfte das Erkenntnis , in dem die Antragslegitimation eines Sozialhilfeverbandes bejaht worden war. Diese Entscheidung wurde allerdings aufgrund einer Amtsrevision des Finanzamtes vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Ro 2022/15/0026, aufgehoben.
In diesem Erkenntnis führte der Verwaltungsgerichtshof aus:
§ 97 Abs 1 BAO lautet:
"(1) Erledigungen werden dadurch wirksam, daß sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt
1.a) bei schriftlichen Erledigungen, wenn nicht in besonderen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen vorgesehen ist, durch Zustellung;
2.b) bei mündlichen Erledigungen durch deren Verkündung."
§ 82 BAO lautet:
"(1) Soll gegen eine nicht voll handlungsfähige Person, die eines gesetzlichen Vertreters entbehrt, [...] eine Amtshandlung vorgenommen werden, so kann die Abgabenbehörde, wenn die Wichtigkeit der Sache es erfordert, auf Kosten des zu Vertretenden die Betrauung eines gesetzlichen Vertreters (§ 1034 ABGB) beim zuständigen Gericht (§ 109 Jurisdiktionsnorm) beantragen.
(2) Ist zweifelhaft, wer zur Vertretung einer Verlassenschaft befugt ist, oder wer beim Wegfall einer juristischen Person oder eines dieser ähnlichen Gebildes oder eines sonst verbleibenden Vermögens vertretungsbefugt ist, gilt Abs. 1 sinngemäß."
Gemäß § 41 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 hat eine Arbeitnehmerveranlagung zu erfolgen, wenn der Steuerpflichtige innerhalb von fünf Jahren einen diesbezüglichen Antrag stellt. Einen solchen Antrag kann somit nur der Steuerpflichtige selbst, ein in der BAO vorgesehener Vertreter oder der Gesamtrechtsnachfolger stellen.
Gemäß § 153 Abs. 1 AußStrG unterbleibt die Abhandlung, wenn -wie im Revisionsfall - Aktiven der Verlassenschaft nicht vorhanden sind oder den Wert von 5 000 Euro nicht übersteigen, sofern kein Antrag auf Fortsetzung des Verlassenschaftsverfahrens gestellt wird. Das Verlassenschaftsgericht kann nach Abs. 2 leg cit. auf Antrag denjenigen, deren Anspruch nach der Aktenlage bescheinigt ist, die Ermächtigung erteilen, das Verlassenschaftsvermögen ganz oder zu bestimmten Teilen zu übernehmen, dazu gehörende Rechte geltend zu machen oder aufzugeben, über erhaltene Leistungen rechtswirksam zu quittieren und Löschungserklärungen auszustellen.
Kommt es nicht zur Einantwortung eines Erben liegt keine Gesamtrechtsnachfolge des Erben, sondern nur Einzelrechtsnachfolge vor (vgl. 1302/69, zu einer Vorgängerbestimmung). Auch die Ermächtigung gemäß § 153 Abs. 2 AußerStrG führt zu keiner Gesamtrechtnachfolge (vgl. Winkler in Schneider/Verwejen, AußStrG, § 153 Rn 13; Sailer in Gitschthaler/Höllwerth, AußerStreitG I2,§ 153 Rn 9). Nach herrschender Lehre und Judikatur bleibt in Fällen des § 153 AußStrG der ruhende Nachlass bestehen, auch wenn eine Ermächtigung im Sinne des Abs. 2 leg. cit. erteilt wurde (vgl. 10 ObS 133/92; , 6 Ob 716/85 zur Vorgängerbestimmung; Schneider/Verwejen, AußStrG, § 153 Rn 9; Obermaier, ÖJZ 2008, 127; jeweils mwN).
Die Verlassenschaft setzt vor der Einantwortung des Erben die Rechte und Pflichten des verstorbenen Steuerpflichtigen fort (§ 531 ABGB). Der ruhende Nachlass bzw. die Verlassenschaft ist eine juristische Person (vgl. 96/15/0102).
Der Sozialhilfeverband ist nicht gesetzlicher Vertreter des ruhenden Nachlasses. Er verfügt auch nicht über eine Zustellbevollmächtigung für den ruhenden Nachlass. Auch die Ermächtigung nach § 153 Abs. 2 AußStrG bewirkt nicht die Befugnis zur gesetzlichen Vertretung des Nachlasses und berechtigt daher nicht zur Antragstellung nach § 41 Abs. 2 Z 1 ESt 1988.
Eine als Bescheid intendierte Erledigung wird erst wirksam, wenn sie der Partei, an die sie ergehen soll (§ 93 Abs 2 BAO), bekannt gegeben wird (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 97 Tz 1).
Im gegenständlichen Fall ist die Erledigung des Finanzamtes vom an die Verlassenschaft nach AE als Partei gerichtet. Die Zustellung wurde an die Partei zu Handen des Sozialhilfeverbandes F verfügt. Die Zustellung ist an den Sozialhilfeverband F (als Empfänger der Sendung) erfolgt.
Das Finanzamt hat somit die Zustellung an eine Einrichtung (Sozialhilfeverband F) verfügt, der keine Vertretungsbefugnis zukommt. Daher konnte die Erledigung des Finanzamtes vom nicht wirksam werden (vgl. auch Ritz, BAO7, § 13 ZustellG Tz 11; vgl. 93/14/0140).
Die Beschwerde richtet sich gegen diese Erledigung vom und somit gegen eine Enunziation, die rechtlich nicht existent geworden ist, also gegen einen "Nichtbescheid". Daher hätte das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unzulässig zurückweisen müssen (vgl. 93/17/0075).
Zu einer meritorischen Erledigung der Beschwerde nach § 279 BAO war das Bundesfinanzgericht nicht zuständig.
Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit aufzuheben.
Gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist. Eine Bescheidbeschwerde ist unter anderem bei mangelnder Bescheidqualität der angefochtenen Enunziation unzulässig (Ritz, BAO7, § 260 Tz 5). Zurückzuweisen ist eine Bescheidbeschwerde gegen einen mangels wirksamer Zustellung rechtlich nicht existent gewordenen Bescheid (Ritz, a.a.O., Tz 8 mwN).
Da die gegenständlich angefochtene Enunziation vom mangels Vertretungsbefugnis des Sozialhilfeverbandes nicht wirksam ergangen ist, liegt kein rechtlich existent gewordener Bescheid, sondern ein Nichtbescheid vor, gegen den eine Bescheidbeschwerde nicht zulässig ist.
Richtigerweise ist der Antrag vom auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung dem diesen Antrag einbringenden Sozialhilfeverband selbst als Antragsteller zuzurechnen, und mit einem an den Sozialhilfeverband als Empfänger adressierten Bescheid mangels Aktivlegitmation zurückzuweisen (); ein solcher Bescheid wurde vom Finanzamt bisher nicht erlassen. Nur bei Gesamtrechtsnachfolge gehen alle Rechtspositionen eines Rechtssubjektes einschließlich der verfahrensrechtlichen Rechtspositionen (insbesondere Antragsrechte, Erklärungspflichten) auf den Rechtsnachfolger über (Ritz, BAO7, § 19 Tz 4 und 8 jeweils mwN). Eine bloße Einzelrechtsnachfolge genügt für einen solchen Übergang nicht. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher im zitierten Erkenntnis vom ausdrücklich darauf hingewiesen, dass einen Antrag im Sinne des § 41 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 nur der Steuerpflichtige selbst, ein in der BAO vorgesehener Vertreter oder der Gesamtrechtsnachfolger stellen kann.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zur Zulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine solche Rechtsfrage liegt angesichts der zitierten und der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht (mehr) vor.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 19 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 153 Abs. 2 AußStrG, Außerstreitgesetz, BGBl. I Nr. 111/2003 § 97 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 82 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 41 Abs. 2 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.5100182.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at