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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 13.02.2023, RV/7103223/2016

Folgeprovisionen eines pensionierten Versicherungsvertreters - Arbeitnehmer- und Verkehrsabsetzbetrag

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7103223/2016-RS1
Ist für den Anspruch eines pensionierten Versicherungsvertreters auf Folgeprovisionen der Abschluss eines Versicherungsvertrages Voraussetzung, welcher vom Versicherungsangestellten noch in seiner aktiven Dienstzeit getätigt wurde, stellen auch die Folgeprovisionen nichtselbständiges Entgelt für ein aktives Dienstverhältnis dar und steht dem Bf. auch der Arbeitnehmerabsetzbetrag und der Verkehrsabsetzbetrag zu.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerden vom und vom gegen die Bescheide des vormaligen Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2014 sowie vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2015, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Den Beschwerden wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind den als Beilagen angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf.) ist Pensionist und bezieht in den beiden Beschwerdejahren neben einer Beamtenpension, Folgeprovisionen aus seiner früheren Beschäftigung als Versicherungsvertreter und zwar im Jahr 2014 in Höhe von € 23,79 und im Jahr 2015 € 27,71.

In den Einkommensteuerbescheiden 2014 und 2015 wurden weder der Arbeitnehmerabsetzbetrag noch der Verkehrsabsetzbetrag berücksichtigt. Die erklärten Einkünfte aus den Provisionen wurden im Einkommensteuerbescheid 2014 als Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit 0 angesetzt und blieben diese im Einkommensteuerbescheid 2015 gänzlich unberücksichtigt.

Dagegen erhob der Bf. Beschwerde und führte darin begründend aus:

Er erhebe Beschwerde, weil ihm in beiden Bescheiden sowohl der Arbeitnehmer- als auch der Verkehrsabsetzbetrag vorenthalten worden sei, obwohl er in der ESt- Erklärung Einkünfte aus ehemaliger nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 23,79 Euro (2014) und 27,71 Euro (2015) angegeben habe, die ihmin den Jahren 2014 und 2015 zugeflossen sind. Es werde daher um entsprechende Berichtigung der angefochtenen Bescheide ersucht.

Über behördlichen Vorhalt hat der Bf. die ihm zugeflossenen Folgeprovisionen durch Vorlage einer Kontoübersicht seines Provisionskontos bei der ***Versicherung*** nachgewiesen.

Seine abweisenden Beschwerdevorentscheidungen begründet das Finanzamt folgendermaßen:

"Bei Folgeprovisionen aus Versicherungsabschlüssen ohne aktivem Dienstverhältnis handelt es sich nicht um lohnsteuerpflichtige Einkünfte im Sinne des § 25 ESTG 1988, sondern um gewerbliche Einkünfte. Somit liegen die Voraussetzungen für die Berücksichtigung des Arbeitnehmer- als auch des Verkehrsabsetzbetrages im Sinne des § 33 ESTG 1988 nicht vor. Dahingehend konnte Ihrem Begehren nicht entsprochen werden."

In seinem dagegen eingebrachten Vorlageantrag betreffend die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2014 führt der Bf. folgendes aus:

"Gegen die am zugestellte Beschwerdevorentscheidung stelle ich den Antrag auf Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht. Ergänzend zur Beschwerde vom führe ich aus: Am wurde ich mit Dienstvertrag vom gleichen Tag als Angestellter im Außendienst von der ***Versicherung*** (***Versicherung***) angestellt und war bis zur einvernehmlichen Lösung des Dienstverhältnisses am ununterbrochen bei der ***Versicherung*** beschäftigt. Während meiner Zugehörigkeit zur ***Versicherung*** habe ich eine ganze Reihe von Versicherungsverträgen für die ***Versicherung*** vermittelt. Für einige dieser Verträge beziehe ich auch heute noch Folgeprovisionen. Der Rechtsgrund für den Bezug dieser Provisionen liegt einerseits im seinerzeitigen Dienstvertrag, andererseits in § 6 Abs.1 des Kollektivvertrages für Angestellte des Außendienstes der Versicherungsunternehmen. Ich habe seit meinem Ausscheiden aus der ***Versicherung*** weder eine werbende Tätigkeit /Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr entfaltet, noch habe ich irgendein Unternehmerrisiko getragen, insbesondere nicht den leisesten Einfluss auf die Höhe der erzielten Einnahmen nehmen können. Somit erweist sich die Qualifizierung der von der ***Versicherung*** erzielten Provisionen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb als rechtswidrig. Diese Provisionen sind als Einkünfte aus ehemaliger nichtselbständiger Tätigkeit im Sinne des 32 Z. 2EStG anzusehen. Ich ersuche um entsprechende Abänderung des Bescheides sowie um die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht."

Im Vorlageantrag betreffend die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2015 führt der Bf. folgendes aus:

"Ich war von Oktober 2005 bis Oktober 2008 bei der ***Versicherung*** als Angestellter beschäftigt.

Für einige der damals abgeschlossenen Verträge habe ich nach Beendigung des Dienstverhältnisses noch Folgeprovisionen erhalten, ohne dazu auch nur die leiseste Tätigkeit entfaltet zu haben. Ich habe keinerlei Unternehmerrisiko getragen und keine werbende Tätigkeit ausgeübt.

Diese Provisionen stammen vom Abschluss der in meiner Angestelltenzeit erzielten Verträge, somit aus der seinerzeit ausgeübten nichtselbständigen Tätigkeit.

Aus diesem Grund handelt es sich eindeutig um Einkünfte aus ehemaliger nichtselbständiger Tätigkeit und nicht um Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Ich ersuche um entsprechende Abänderung des angefochtenen Einkommensteuerbescheides sowie um die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung vor dem BFG."

Das Finanzamt legte die Beschwerden dem Bundesfinanzgericht vor und nahm in beiden Vorlageberichten (betreffend Einkommensteuer 2014 und 2015) folgendermaßen Stellung:

Abweisung gem. EStR 10665: § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 - Steuerliche Beurteilung von Folgeprovisionen in Zusammenhang mit Pensionseinkünften (Rz 665 und Rz 808).

(Sind diese Folgeprovisionen bei einem pensionierten Versicherungsangestellten, der in diesem Zusammenhang keine aktive Tätigkeit ausübt, steuerlich wie ein Pensionsbezug zu behandeln?). Gemäß Rz 665 sind Provisionen dann Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, wenn sie im Rahmen des Dienstverhältnisses anfallen (siehe Rz 963 ff). Provisionen und Folgeprovisionen, die ein im Innendienst tätiger Versicherungsangestellter dafür erhält, dass er während der Arbeitszeit in den Arbeitsräumen des Arbeitgebers und in dessen Interesse Versicherungsverträge abschließt, sind infolge der engen Verbindung dieser Tätigkeit mit dem Dienstverhältnis lohnsteuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (). Zur Annahme eines Dienstverhältnisses bei Vertretern siehe auch "Vertreter", Rz 1017. Bei Folgeprovisionen aus Versicherungsabschlüssen während der aktiven Dienstzeit handelt es sich um lohnsteuerpflichtiges Entgelt, das als laufender Arbeitslohn zu erfassen ist ( 0847/68; 1634/68). Stockablösen eines Versicherungsvertreters (Ablöse künftiger Folgeprovisionen) sind sonstige Bezüge gemäß § 67 Abs. 1 und 2 EStG 1988.)

Auch wenn sich der Provisionsempfänger in der gesetzlichen Alterspension befindet, sind seine Vorteile aus dem früheren Dienstverhältnis Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Es ist für die Folgeprovisionen ein Lohnzettel für Aktiveinkünfte unter Berücksichtigung des Arbeitnehmerabsetzbetrages und des Verkehrsabsetzbetrages zu erstellen.

Aber im betreffenden Fall wurde kein 2. Lohnzettel eingespielt, daher Abweisung beantragt.

Über Nachfrage des Bundesfinanzgerichtes mit Beschluss vom nahm der Bf. seine Anträge auf mündliche Verhandlung mit Schriftsatz vom zurück.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zugrunde gelegt:

Der Bf. erhielt in den Beschwerdejahren als pensionierter Versicherungsvertreter neben seiner Pension als Bundesbeamter Folgeprovisionen gemäß § 6 Kollektivvertrag für Angestellte des Außendienstes der Versicherungsunternehmen. Diese von ihm nachgewiesenen Provisionszahlungen wurden unabhängig davon geleistet, ob die Versicherungsnehmer weiter betreut werden oder nicht.

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Unterlagen, wie insbesondere der Provisionskontoübersicht vom der ***Versicherung*** und dem Vorbringen des Bf. und folgender Beweiswürdigung:

2. Beweiswürdigung

Der Bf. gibt an, dass ihm nachweislich Folgeprovisionen aus in seiner Aktivzeit abgeschlossenen Versicherungsverträgen zugeflossen seien, es sich dabei um Einkünfte aus ehemaliger nichtselbständiger Tätigkeit handle und ihm somit der Arbeitnehmer- und Verkehrsabsetzbetrag zustünden.

Die Belangte Behörde revidiert in ihrem Vorlagebericht ihre bisherige Rechtsauffassung und beurteilt nunmehr die der Höhe nach unstrittigen Folgeprovisionen des Bf. als Vorteile aus seinem früheren Dienstverhältnis bei der Versicherung und somit als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und nicht als gewerbliche Einkünfte.

Der festgestellte Sachverhalt war folgendermaßen rechtlich zu würdigen:

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 sind Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn).

Gemäß § 33 Abs. 5 Z 1 und 2 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 112/2011 stehen bei Einkünften aus einem bestehenden Dienstverhältnis ein Verkehrsabsetzbetrag von 291 Euro jährlich und ein Arbeitnehmerabsetzbetrag von 54 Euro jährlich zu, wenn die Einkünfte dem Lohnsteuerabzug unterliegen.

Stehen einem Steuerpflichtigen die Absetzbeträge nach Abs. 5 leg. cit. nicht zu und erhält er Bezüge oder Vorteile im Sinne des § 25 Abs. 1 Z 1 oder 2 EStG 1988 für frühere Dienstverhältnisse, Pensionen und gleichartige Bezüge im Sinne des § 25 Abs. 1 Z 3 oder Abs. 1 Z 4 bis 5 EStG 1988, steht gemäß § 33 Abs. 6 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 112/2011 ein Pensionistenabsetzbetrag zu.

Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Bf. in den Beschwerdejahren in Pension ist. Neben seiner Pension (Bundesdienst) erhält er von seinem ehemaligen Arbeitgeber weiterhin nichtselbständige Einkünfte aus dem früheren Dienstverhältnis in Form der anteiligen Folgeprovision gemäß § 6 KVA. Er erhält diese Folgeprovisionen unabhängig von jeder Arbeitsleistung, insbesondere auch ohne jede Verpflichtung zur Weiterbetreuung ehemaliger Kunden, ausbezahlt.

Sowohl der Verkehrsabsetzbetrag als auch der Arbeitnehmerabsetzbetrag setzen ein bestehendes (aktives) Dienstverhältnis voraus.

Das Gesetz unterscheidet Vorteile aus einem bestehenden und aus einem früheren Dienstverhältnis. Die Abgrenzung erfolgt danach, ob das Entgelt für eine aktive Dienstleistung im Einzelfall geleistet wird, oder als Entgelt für die Gesamtheit der während eines langjährigen Zeitraumes erbrachten Dienstleistung. Nach der Rechtsprechung kommt es bei der Abgrenzung weder auf die Fälligkeit des Entgeltes noch auf das Zufließen an.

Spätere Bezüge, die mit einer konkreten Dienstleistung in Zusammenhang stehen, sind danach Bezüge aus einem bestehenden Dienstverhältnis; ansonsten liegen Bezüge aus einem früheren Dienstverhältnis vor (z.B. bei Pensionszahlungen).

Die Unterscheidung zwischen Vorteilen aus einem bestehenden und einem früheren Dienstverhältnis hat insoweit materiell­rechtliche Auswirkungen, als der allgemeine Verkehrsabsetzbetrag und der Arbeitnehmerabsetzbetrag nur für Einkünfte aus einem bestehenden Dienstverhältnis zustehen (vgl. Doralt in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG18 § 25 Tz 16ff).

Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung gehört somit zu den Vorteilen aus einem bestehenden Dienstverhältnis auch das Entgelt für "aktive" Dienstleistungen ohne Rücksicht darauf, ob das Dienstverhältnis beendet ist, wie dies etwa bei Folgeprovisionen eines Versicherungsvertreters der Fall ist (). Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , 2007/15/0251, ausführt, ist für den Anspruch auf Folgeprovisionen der Abschluss eines Versicherungsvertrages Voraussetzung, der vom Versicherungsangestellten noch in seiner aktiven Dienstzeit getätigt wurde und somit eine Leistung der Aktivzeit darstellt. Die Folgeprovision ist ihrem Wesen nach nichts anderes als die Abschlussprovision, von der sie sich nur durch ihre Abhängigkeit von dem Weiterbestand des Versicherungsvertrages und somit durch ihre Fälligkeit unterscheidet.

Der Bf. hat 2014 und 2015 daher im Hinblick darauf, dass die Folgeprovisionen für einzelne Vertragsabschlüsse in seiner Aktivzeit bezahlt werden, weiterhin (nachträgliche) Einkünfte aus einem (früher) bestehenden Dienstverhältnis bezogen, obwohl er sich unbestritten bereits in Pension befand.

§ 33 Abs. 5 Z 1 lit. a EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 112/2011 stellt für die Gewährung des Verkehrsabsetzbetrages und des Arbeitnehmerabsetzbetrages nur darauf ab, dass es sich um Einkünfte aus einem bestehenden Dienstverhältnis handelt.

Aus diesem Grund sind - entgegen der unzutreffenden Rechtsauffassung der belangten Behörde in den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden - und unabhängig vom Vorliegen eines 2. Lohnzettels, sowohl der Arbeitnehmerabsetzbetrag als auch der Verkehrsabsetzbetrag bei der Ermittlung der Einkommensteuer 2014 und 2015 in Abzug zu bringen.

Dem Beschwerdebegehren war somit Folge zu geben.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da keine der vorbezeichneten Voraussetzungen vorliegt, war die ordentliche Revision nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
Versicherungsfolgeprovisionen
Verkehrsabsetzbetrag
Arbeitnehmerabsetzbetrag
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7103223.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at