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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.03.2023, RV/7100057/2023

Volljähriger Neffe, der darüber hinaus aufgrund eines Studiums in Deutschland auch nicht dem gemeinsamen Haushalt angehört und dessen Unterhaltskosten nicht überwiegend getragen werden, ist kein Pflegekind

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7100057/2023-RS1
Der volljährige Neffe, der darüberhinaus auf Grund eines Studiums in Deutschland auch nicht dem Haushalt des Bf. angehört und dessen Unterhaltskosten auch nicht vom Bf. getragen werden, ist kein Pflegekind i.S. des § 2 Abs. 3 FLAG 1967 bzw. § 184 ABGB, da die Pflegekindeigenschaft nach Eintritt der Volljährigkeit nicht begründet werden kann.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Regina Vogt in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Karin Metz, Praterstraße 25A/19, 1020 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung von Familienbeihilfe ab April 2020, SVNr. ***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf.) beantragte am die Gewährung von Familienbeihilfe für ***1***, geb. ***2***, ab April 2020.

Im Antragsformular Beih1 erfolgten bei "Verwandtschaftsverhältnis" keine Angaben, die dzt. Wohnanschrift des Kindes wurde mit ***3***, ***4*** angegeben.

Bei dem Punkt 3.2.8. "der Antragsteller trägt die Kosten für das Kind zu mehr als 50%" wurde die Antwortmöglichkeit "nein" angekreuzt.

Gemeinsam mit dem Antrag wurde eine Meldebestätigung für ***3*** und ein Inskriptionsnachweis der Uni ***3*** vorgelegt, wonach ***1*** seit April 2020 ebendort das Bachelorstudium Wirtschaftsinformatik betreibe.

Der Antrag wurde mit Bescheid vom abgewiesen und als Begründung folgendes angeführt:

"Familienbeihilfe steht für Kinder im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 zu. Dies

sind:

• Leibliche Kinder

• Adoptivkinder

• Enkelkinder

• Stiefkinder

• Pflegekinder

Es trifft nichts davon zu"

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Bf. zunächst bis August 2019 Familienbeihilfe bezogen hat, diese jedoch mit Bescheid vom für den Zeitraum Juli 2017 bis August 2019 mit der Begründung zurückgefordert worden war, dass sich der Bf. und seine Familie (bzw. das Kind) seit Juli 2017 nicht mehr in Österreich aufhielten. Diesem Bescheid wiederum war ein Anspruchsüberprüfungsschreiben vorangegangen, in dem ein Tätigkeitsnachweis für

***1*** verlangt wurde. Der Bf. beantwortete dieses dahingehend, dass er einen Bescheid des Bundesministeriums für Landesverteidigung vom , gerichtet an ***1*** betreffend Befreiung von militärischen Pflichten in Österreich, vorlegte.

Auszüge aus diesem Bescheid, sofern für den gegenständlichen Fall von Bedeutung, lauten:

………..Sie werden in ÖSTERREICH derzeit von allen militärischen Pflichten befreit, weil Sie in Brasilien Ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben und mit diesem Staat derzeit am meisten verbunden sind.

Der Bescheid verliert seine Wirksamkeit, wenn die für die Befreiung maßgeblichen Voraussetzungen nicht mehr vorliegen sollten.

……………..Sie sind seit Ihrer Geburt Österreichischer und Brasilianischer Staatsbürger.

Sie halten sich derzeit in Brasilien (Rua Nossa Senhora das Merces 571/154, 04165-000 SAO PAULO) auf und besuchen derzeit die 3. Klasse "A" der Gymnasialstufe in der Vormittagsgruppe auf der schulischen Einrichtung "Beno Celso Lersch". Sie besitzen auch den brasilianischen Reisepass. Ihre Eltern wohnen und leben ebenfalls in Sao Paulo, Brasilien. Sie waren zuletzt von August 2014 bis Juni 2017 in Österreich und sind seit diesem Zeitpunkt in Brasilien.………………….Die Intention des Protokolls über militärische Pflichten in gewissen Fällen von doppelter Staatsangehörigkeit besteht in der Regelung der militärischen Pflichten bei Doppel- oder Mehrfachstaatsangehörigkeit. In diesem Zusammenhang soll der Betroffene in jenem Land seine Wehrpflicht erfüllen zu dem er die engere Verbindung hat. Anknüpfungspunkte zur Feststellung dieser engeren Verbindung sind unter anderem der ständige Aufenthalt, der Schulbesuch, der Bekanntenkreis oder die Erwerbstätigkeit.

Sie besuchen derzeit in Brasilien ein Gymnasium, um Ihre Schulausbildung zu beenden. Es wird daher derzeit Ihre engere Verbindung mit Brasilien als erwiesen angenommen, weshalb Sie

von allen militärischen Pflichten zu befreien sind…………………

Der Rückforderungsbescheid wurde nicht angefochten.

Gegen den Abweisungsbescheid wurde von dem nunmehr vertretenen Bf. mit Schriftsatz vom Beschwerde eingebracht, die wie folgt begründet wurde:

Da das Kind zwar volljährig sei, aber ein Studium betreibe und daher noch nicht selbsterhaltungsfähig sei, sei der Bf.-analog zu einem Pflegekind-nicht nur für Pflege und Erziehung sondern auch zur Tragung der Unterhaltskosten bis zur Erreichung der Selbsterhaltungfähigkeit verpflichtet. Daher stehe ihm auch die Familienbeihilfe zu.

Im Zuge der Beschwerde wurde u.a. ein Protokoll, aufgenommen beim BG Leopoldstadt am , vorgelegt, wonach dem Bf. die Rechtsauskunft erteilt worden sei, die Eltern des Kindes hätten ihm zwar i.R. einer Vollmacht die Erlaubnis erteilt mit dem Kind aus Brasilien auszureisen und es bei sich wohnen zu lassen und im Zuge dessen auch pflegerische und erzieherische Maßnahmen zu treffen, damit hätten sie ihm aber nicht die Obsorge übertragen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde verwiese darauf, dass der Begriff "Pflegekind" im Familienlastenausgleichsgesetz nicht geregelt sei, sondern sich an § 184 ABGB orientiere.

Nach Rechtsansicht des OGH (, 7 Ob 577/91,) ende die Pflegelternschaft gemäß § 184 ABG und damit auch die Pflegekindeigenschaft des FLAG mit dem Eintritt der Volljährigkeit des Kindes.

Volljährige Kinder/Jugendliche könnten somit grundsätzlich keine Pflegekinder im Sinne des § 2 Abs.3 lit. d FLAG sein. Mit Eintritt der Volljährigkeit des "Pflegekindes" erlösche somit der Anspruch des Pflegelternteils auf Familienbeihilfe.

Das Kind sei in einem gemeinsamen Haushalt mit dem Bf. gemeldet. Lt. Protokoll des Bezirksgerichtes Leopoldstadt vom sei dem Bf. von den Kindeseltern die Berechtigung erteilt worden, pflegerische und erzieherische Maßnahmen für den damals minderjährigen ***1*** zu treffen.

Am ***2019 habe er das 18.Lebensjahr vollendet. Mit Eintritt der Volljährigkeit habe die Pflegeelternschaft gemäß § 184 ABGB und somit auch ein eventuell zukünftiger Anspruch auf Familienbeihilfe geendet.Gegen diesen Bescheid richtet sich der Vorlageantrag vom .

Begründet wurde dieser wie folgt:

Der Neffe des Beschwerdeführers, …………… , ist jedenfalls als Kind im Sinne des § 2 Abs. 3 FLAG 1967 zu subsumieren. Er ist jedenfalls in Analogie der in dieser Bestimmung angeführten Kinder (egal ob Wahlkind, Stiefkind oder Pflegekind) zum Bezug der Familienbeihilfe berechtigt.

Dem Beschwerdeführer wurde von den leiblichen Eltern in Analogie zu der in dieser Bestimmung angeführten "Kinderbegriffe" jedenfalls die Obhut, die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen sowie der sozialen und erzieherischen Pflichten übertragen während seines Aufenthaltes in Österreich. Analog einem Pflegekind oder Wahlkind oder Stiefkind endet mit der Vollendung des 1. Lebensjahres die Unterhaltspflicht nicht, wenn das Kind erfolgreich ein Studium betreibt, was gegenständlichen Fall ist.

Im Gegensatz zu einem Wahlkind und einem Stiefkind wäre daher die Nichtgewährung der Familienbeihilfe ab Vollendung des 18. Lebensjahres, somit rein aus dem Grund des Erreichens der Volljährigkeit grob benachteiligend und ungerecht, nur weil das Kind als Pflegekind bezeichnet wurde. Das Kind ist zudem österreichischer Staatsbürger Ungeachtet dessen mag zwar bei einem Pflegekind die Pflege -und Erziehungsverpflichtung mit Erreichen der Volljährigkeit enden, nicht jedoch die Unterhaltspflicht für einen erfolgreichen Studenten.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Bf. ist der Onkel von ***1*** (L.), geb. ***2***.

Dieser vollendete am ***2019 das 18. Lebensjahr und war damit volljährig.

L. ist österreichsicher und brasilianischer Staatsbürger.

Im Jahr 2014 wurde dem Bf. von den in Brasilien wohnhaften leiblichen Eltern von L. die Vollmacht erteilt, mit L. aus Brasilien auszureisen, ihn bei sich wohnen zu lassen und in diesem Zusammenhang auch die notwendigen pflegerischen und erzieherischen Maßnahmen zu treffen.

Seit bis dato ist L. an der gleichen Adresse wie der Bf. mit Hauptwohnsitz gemeldet.

Ab August 2014 bis Juni 2017 war er in Österreich aufhältig, ab Juli 2017 bis zumindest Juni 2019 wohnte er in Sao Paulo, Brasilien, besuchte dort die Schule, auch seine Eltern lebten in Sao Paulo.

Der Bf. hat ab August 2014 bis inklusive August 2019 für L. Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge bezogen. Wie dem Familienbeihilfenakt zu entnehmen ist, wurde seitens der belangten Behörde offensichtlich davon ausgegangen, dass L. die Pflegekindeigenschaft zukomme.

Für den Zeitraum Juli 2017 bis August 2019 wurde die Familienbeihilfe mangels Aufenthaltes in Österreich zurückgefordert. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.

Dass sich L. im Zeitraum Juli 2017 bis zumindest Juni 2019 nicht in Österreich aufgehalten hat, wird auch durch den Bescheid des Bundesministeriums für Landesverteidigung vom bestätigt, wonach L. trotz österreichischer Staatsbürgerschaft von den militärischen Pflichten in Österreich befreit wird, da er die engeren Beziehungen zu Brasilien habe, dessen Staatsbürger er ebenfalls ist.

Seit April 2020 studiert L. in ***3***.

Die Unterhaltskosten werden nicht überwiegend vom Bf. getragen.

2. Beweiswürdigung

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt sowie den Familienbeihilfenakt.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

Strittig ist, ob es sich bei L. um ein Kind i.S. des FLAG 1967 handelt, das einen Anspruch auf den Bezug von Familienbeihilfe und auf Kinderabsetzbeträgen gem. § 33 EStG 1988 vermittelt.

Gemäß § 2 Abs 1 lit b FLA G 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist, Anspruch auf Familienbeihilfe.

Gemäß § 2 Abs 2 FLAG 1967 hat jene Person Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs 1 genanntes Kind, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten überwiegend für das Kind trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Gemäß § 2 Abs 3 FLAG 1967 sind Kinder einer Person im Sinne dieses Abschnittes

a) deren Nachkommen

b) deren Wahlkinder und deren Nachkommen

c) deren Stiefkinder

d) deren Pflegekinder (§§ 186 und 186a des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches)

§ 2 Abs. 3 lit. d FLAG 1967 verweist bezüglich der den Beihilfenanspruch begründenden Pflegekinder auf das ABGB.

Verbindet der Gesetzgeber wie hier im § 2 Abs. 3 lit. d FLAG 1967 nach der Methode der rechtlichen (formalen) Anknüpfung abgabenrechtliche Folgen unmittelbar mit Kategorien und Institutionen anderer Rechtsgebiete, so übernimmt er auch den Bedeutungsinhalt, der den Begriffen in der Heimatdisziplin zukommt ().

Gemäß § 184 ABGB in der seit geltenden Fassung des BGBl I Nr 15/2013 sind Pflegeeltern Personen, die die Pflege und Erziehung des Kindes ganz oder teilweise besorgen und zu denen eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahe kommende Beziehung besteht oder hergestellt werden soll.

Diese Bestimmung entspricht wörtlich dem bis in Geltung gestandenen § 186 ABGB idF BGBl I Nr 135/2000. Die zu dieser Bestimmung entwickelte Lehre und Rechtsprechung ist daher weiterhin für die Qualifikation eines Kindes als Pflegekind maßgeblich.

Seit dem KindRÄG 2001 bietet § 186 ABGB (alt) zwei Definitionsmerkmale, nämlich erstens die faktische - gänzliche oder partielle - Besorgung von Pflege und Erziehung des Kindes und zweitens das Bestehen oder die beabsichtigte Herstellung einer persönlichen Beziehung zwischen dem Kind und diesen seinen Betreuern, die an Intensität dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahe kommt (Stabentheiner in Rummel, ABGB, 3. Auflage, § 186 Tz 1). Die Pflegeelterneigenschaft setzt weder einen rechtsgeschäftlichen oder gerichtlichen Begründungsakt voraus, sondern ist bei Vorliegen der Tatbestandsmerkmale kraft Gesetzes gegeben (Stabentheiner, a.a.O., Tz 2). Dass die Pflegeelterneigenschaft auch einer Einzelperson zukommen kann, wurde von der herrschenden Meinung auch schon zur Rechtslage vor dem KindRÄG vertreten (Stabentheiner, a.a.O., Tz 4b mwN).

Ein gerichtlicher Obsorgebeschluss bzw. Pflegebescheid ist daher nicht erforderlich (). Bei Vorliegen der zwei gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen der Pflegeelternschaft, nämlich der tatsächlichen Betreuung und einer bestimmten Qualität der Bindung, ist die Pflegeelternschaft kraft Gesetzes ohne Notwendigkeit eines rechtsgeschäftlichen oder gerichtlichen Begründungsaktes gegeben (; ).

Das Pflegekindschaftsverhältnis iSd ABGB weist als Wesensmerkmal die eindeutige Lebensschwerpunktverlagerung des Kindes zu den Pflegeeltern auf, wobei sich diese Verlagerung im Wechsel des Kindes in den Haushalt der Pflegeeltern auf nicht bloß vorübergehende Dauer ausdrückt (siehe dazu auch FLAG Kommentar, 2. Aufl. Rz 21 zu § 2)

Es ist daher im Sinne dieser Ausführungen nachvollziehbar dass die belangte Behörde den damals noch minderjährigen L. im Zeitraum Au 2014 bis Juni 2017 als anspruchsbegründendes Pflegekind sah und dem Bf. Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge gewährte.

Dies auch deshalb, weil die weitere Voraussetzung des Abs 5 leg cit erfüllt war, wonach ein Kind zum Haushalt einer Person gehört, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt.

Die Haushaltszugehörigkeit gilt nach dieser gesetzlichen Bestimmung nicht als aufgehoben, wenn

a) sich das Kind nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält,……….

Gemäß § 5 Abs. 3 FLAG 1967 besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.

Lassen objektive Gesichtspunkte erkennen, dass ein Aufenthalt außerhalb des elterlichen Haushalts nicht nur vorübergehend währen wird, dann liegt schon ab dem Vorliegen dieser Umstände, also wenn der Aufenthalt von Anfang an auf längere Zeit angelegt war, ab Beginn dieses auswärtigen Aufenthaltes, ein ständiger Aufenthalt außerhalb des elterlichen Haushalts vor (vgl. )().

Es ist daher nach dem vorliegenden Sachverhalt als erwiesen anzunehmen, dass L. ab Juli 2017 nicht mehr dem Haushalt des Bf. angehörte und sich nicht nur vorübergehend in Brasilien aufgehalten hat. (siehe Rechtskraft des Rückforderungsbescheides, Schulbesuch in Sao Paulo, Wohnsitz der Eltern in Sao Paulo, über mehrere Jahre dauernder Aufenthalt, Mittelpunkt der Lebesinteressen in Brasilien so wie im Bescheid des Bundesministeriums für Landesverteidigung dargestellt).

Daraus folgt, dass L. ab Juli 2017 kein Pflegekind i.S. des FLAG 1967 mehr war. Die tatsächliche Pflege und Erziehung des Kindes und damit eine wesentliche Voraussetzung für das Vorliegen eines Pflegschaftsverhältnisses wurden nicht mehr vom Bf. besorgt.

Am ***2019 wurde L. volljährig.

Im April 2020 begann er ein Studium an der Uni ***3***.

Der Bf. beantragte die Gewährung der Familienbeihilfe ab April 2020.

Da die Familienbeihilfe gem. § 10 FLAG 1967 monatlich gewährt wird, sind die Anspruchvoraussetzungen für jedes Monat gesondert zu prüfen.

Es ist daher zu prüfen, ob L. im April 2020 und darüberhinaus ein Kind i.S. des FLAG 1967 war.

Da die ursprüngliche Pflegekindeigenschaft mit Juni 2017 aus den o.a. Gründen beendet war, ist das Vorbringen des Bf. zu prüfen, wonach L. "in Analogie zum Pflegekindbegriff des § 2 FLAG 1967" als Pflegekind zu betrachten sei.

Der Bf. vermeint, weil L. studiere und daher nicht selbsterhaltungsfähig sei, sei er trotz Volljährigkeit in Analogie ein Pflegekind.

www. wikipedia.org definiert Analogie folgendermaßen:

"Als Analogie bezeichnet man die Erstreckung der Rechtsfolge einer Norm auf einen Sachverhalt, der von ihrem Tatbestand vom Wortsinn her nicht mehr erfasst wird. Die Analogie setzt voraus, dass das Gesetz nach seinem denkbar weitesten sprachlichen Verständnis den in Rede stehenden Sachverhalt nicht erfasst (Lückenhaftigkeit), dass diese Lücke planwidrig ist, der Gesetzgeber also, wenn ihm der Fall vor Augen gestanden hätte, ihn geregelt hätte und dass die Ähnlichkeit der Interessenlage die Anwendung der Rechtsfolge der analog anzuwendenden Norm rechtfertigt (argumentum lege non distinguente). Der Fachausdruck Lücke wird teilweise auch so verwendet, dass er von vorneherein nur planwidrige Unvollständigkeiten erfasst."

§ 2 Abs.3 FLAG 1967 enthält eine taxative Aufzählung jener verwandtschaftlichen oder sozialen Beziehungen, die der Gesetzgeber ausdrücklich durch eine Familienleistung begünstigen wollte. Dabei stand es ihm auch frei, bestimmte Sachverhalte nicht zu begünstigen, sofern nicht ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht verletzt wird.

Eine planwidrige Lücke, die die Anwendung des FLAG auf den vorliegenden Sachverhalt im Wege einer Analogie erfordern würde, kann das Bundesfinanzgericht nicht erkennen.

Wenn der Bf. andeutet, dass durch die Nichtgewährung der Familienbeihilfe der Gleichheitsgrundsatz verletzt würde so ist auszuführen, dass dies nur dann der Fall wäre, wenn ein gleichgelagerter Sachverhalt in unsachlicher Weise ungleich behandelt würde. Davon kann aber hier nicht die Rede sein:

L. ist der Neffe des Bf., fällt daher eindeutig nicht unter den Kindbegriff des FLAG.

Er ist aber auch kein Pflegekind. Zur Auslegung des Begriffs "Pflegekind" ist, wie bereits ausgeführt, lt. ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift das ABGB heranzuziehen. Ergänzend zu den bisherigen Ausführungen ergibt sich darüberhinaus bereits aus § 178 ABGB und der Gegenüberstellung von Eltern einerseits und Pflegeeltern andererseits die Abgrenzung zueinander, dass nur ein minderjähriges Kind von Pflegeeltern tatsächlich gepflegt und erzogen werden kann; dies ergibt sich aus dem ex-lege Erlöschen der Obsorge (und damit der Verpflichtung zur Pflege und Erziehung) mit dem Eintritt der Volljährigkeit nach § 183 ABGB (vgl Weitzenböck in Schwimann/Kodek [Hrsg], ABGB Praxiskommentar, 5. Aufl. 2018, § 184 ABGB, Seite 720).

Wie den Regelungen der §§ 186 und 186a ABGB (alt) entnommen werden kann, hatte der Gesetzgeber bei diesen Bestimmungen nämlich den Schutz Minderjähriger im Auge. Nachdem das ABGB die Bestimmungen betreffend Pflegekinder gerade im Rahmen jenes Teiles des Personenrechts regelt, das vor allem den besonderen Schutz Minderjähriger beabsichtigt, beziehen sich auch die Bestimmungen betreffend Pflegeverhältnisse auf minderjährige Kinder, die in Pflege und Erziehung genommen werden ().

Nach Ansicht des BFG kann daher nur dann von einem Pflegekind im Sinne des § 2 Abs 3 FLAG iVm §§ 186 und 186a ABGB (alt) gesprochen werden, wenn das Kind noch im minderjährigen Alter in Pflege genommen worden ist und sich dessen Pflege nicht nur im materiellen Unterhalt erschöpft, sondern stets auch die Erziehung und Aufsicht des Kindes mit umfasst. Nach Eintritt der Volljährigkeit und der damit üblicherweise verbundenen Eigenberechtigung kann ein Pflegeverhältnis im Sinne der §§ 186ff ABGB (alt) nicht mehr begründet werden, weil die eingetretene Eigenberechtigung einer derartigen Obsorge entgegensteht (; ).

L. vollendete am ***2019 das 18.Lebensjahr und war damit volljährig. Bereits zu diesem Zeitpunkt war er allerdings, wie sich aus den bisherigen Ausführungen ergibt, nicht mehr Pflegekind des Bf..

Die Begründung der Pflegekindeigenschaft nach Eintritt der Volljährigkeit ist ausgeschlossen.

L. ist somit kein Kind im Sinne des FLAG, sodass schon aus diesem Grund kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht.

Darüberhinaus lebt er auch nicht im gemeinsamen Haushalt mit dem Bf.. Eine einheitliche Wirtschaftsführung im Rahmen einer Wohngemeinschaft (Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft) an (vgl. ; ; ) lag bzw. liegt nicht vor, da L. in ***3*** studierte bzw. studiert und sich daher nicht nur vorübergehend außerhalb des Haushaltes des Bf. aufhält.

Dass der Bf. L. überwiegend Unterhalt leistet wird nicht einmal behauptet. Vielmehr wurde dieser Punkt im Antragsformular mit "nein" beantwortet.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung lag im gegenständlichen Fall nicht vor. Die Frage, ob L. im Antragszeitraum ein Pflegekind ist, lässt sich unmittelbar aus § 2 Abs. 3 FLAG 1967, dem dort enthaltenen Verweis auf § 184 ABGB und die dazu ergangene höchstgerichtliche Judikatur lösen.

Wien, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at