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Verfahrenshilfe – Einzel – Beschluss, BFG vom 14.02.2023, VH/7400001/2023

Abweisung Verfahrenshilfeantrag

Entscheidungstext

Beschluss-Verfahrenshilfe

Das Bundesfinanzgericht fasst durch die Richterin Mag. Heidemarie Winkler über den Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom , für das Beschwerdeverfahren betreffend Zurückweisungsbescheid des Magistrats der Stadt Wien, Rechnungs- und Abgabewesen, Buchhaltungsabteilung 15, vom , folgenden Beschluss:

Der Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe gemäß § 292 BAO wird abgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Bisheriger Verfahrensgang:

Mit Eingabe vom beantragten der hier antragstellende Herr ***ASt*** (in Folge: ASt) und die von ihm vertretene ***GmbH*** beim Magistrat der Stadt Wien (in Folge: belangte Behörde) die Einstellungaller laufenden Vollstreckungsverfahren. Zur Begründung wurde zusammengefasst vorgebracht, dass eine Forderungsausbuchung der Stadt Wien gegenüber dem ASt vorliegen würde. Da die Hauptschuld nicht mehr bestehen würde, bestünden auch keine strittigen Haftungen nach der Wiener Abgabenordnung bzw. der BAO. Die Fortführung der bereits eingeleiteten Exekutionsverfahren wäre somit rechtswidrig. Dem Antrag wurde eine Presseinformation der Stadt Wien über Wortmeldungen in einer Wiener Gemeinderatsitzung im Dezember 2020 beigelegt.

Die belangte Behörde wies diesen Antrag mit Bescheid vom , GZ. MA 6 - ***1***, zurück und führte zur Begründung wie folgt aus:

"Der Antrag wird damit begründet, dass der Wiener Gemeinderat am Forderungen in der Höhe von 300.000,- EUR abgeschrieben habe und hinsichtlich dieser nicht näher bezeichneten Forderungen keine Schuld mehr bestehe. Der Antrag ist daher auf diese Forderungen gerichtet zu verstehen. Zum Antrag ist festzustellen, dass Forderungen der MA 25 für Ersatzvornahmen in der Höhe von 218.691,74 EUR wegen derzeitiger Uneinbringlichkeit abgeschrieben wurden, hinsichtlich derer derzeit keine Vollstreckungsverfahren anhängig sind. Aus diesem Grund war der Antrag zurückzuweisen. Bemerkt wird, dass es sich bei der Abschreibung einer Forderung wegen Uneinbringlichkeit nur um einen internen Buchungsvorgang handelt, der als solcher - was den Bestand der Forderung betrifft - nach außen rechtlich keine Wirkung entfaltet ( 90/09/0042)."

Gegen diesen Bescheid erhob der ASt am fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und beantragte die Ausbuchung von Gebühren, Abgaben oder Steuern iHv 300.000,- EUR bzw. hilfsweise die Aufhebung des Zurückweisungsbescheides. Die belangte Behörde stelle sich aktenwidrig auf den Standpunkt, dass nur ein interner Verwaltungsmodus festgelegt worden sei, die Forderungen nicht zu betreiben. Einen Forderungsverzicht bedeute dies aber nicht. Dem werde entgegnet, dass sehr wohl ein Forderungsverzicht vorliege. Denn der Beschluss im Gemeinderat habe auch medialen Anklang gefunden. Der Verzicht auf die Betreibung stelle auch einen meritorischen Verzicht dar.

Am legte die belangte Behörde die Beschwerde des ASt dem VerwaltungsgerichtWien zur Entscheidung vor.

In weiterer Folge leitete das Verwaltungsgericht Wien am die Beschwerde zuständigkeitshalber an das Bundesfinanzgericht (BFG) weiter. (Anm: Die ebenfalls vom BF eingebrachte Beschwerde der ***GmbH*** wurde dabei nach der Geschäftsverteilung des BFG einer anderen Gerichtsabteilung zugewiesen.)
Zur Beschwerde führte das Verwaltungsgericht Wien aus, dass gegen den ASt ausschließlich Abgabenforderungen offen seien (siehe Schreiben des Magistrats der Stadt Wien vom ), woraus sich für das Beschwerdeverfahren die ausschließliche Zuständigkeit des BFG gemäß § 5 iVm §§ 1 und 2 WAOR (Gesetz über die Organisation der Abgabenverwaltung und besondere abgabenrechtliche Bestimmungen in Wien) ergebe.

Mit Verständigung gemäß § 281a BAO vom teilte das BFG der belangten Behörde mit, dass in Bezug auf die Beschwerde vom gegen den Bescheid vom mit Beschwerdevorentscheidung abzusprechen ist (s. ).

Mit Schreiben vom fordert der ASt den Magistrat auf, eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen.

Mit Erkenntnis vom wies das Verwaltungsgericht Wien (GZ: ***3***) die Beschwerde des BF ***ASt*** vom , soweit sie sich auf die offene Forderung für eine Ersatzvornahme idH von 7.04,34 Euro bezieht, (GZ ***4***) ab.
Begründend wurde ausgeführt:
"Der Antrag des BF vom ist als Oppositionseinwendung zu werten. Ein anspruchsvernichtender oder anspruchshemmender Sachverhalt iSd § 3 Abs. 2 iVm § 35 EO konnte allerdings nicht festgestellt werden. Dabei ist auf die zutreffende Begründung im angefochtenen Bescheid vom zu verweisen, wonach es sich bei der Abschreibung der Forderung wegen Uneinbringlichkeit nur um einen internen Buchungsvermerk handelt, der als solcher- was den Bestand der Forderung betrifft - nach außenrechtlich keine Wirkung entfaltet (unter Hinweis auf 90/09/0042). [….]

Diese Entscheidung konnte gemäß § 24 Abs 4 VwGVG ohne Durchführung einer - von der beschwerdeführenden Gesellschaft - beantragten - öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden, weil nicht übermäßig komplexe Rechtsfragen zu klären waren und der entscheidungserhebliche Sachverhalt unstrittig anhand der Aktenlage und des Beschwerdevorbringens festgestellt werden konnte. In einem solchen Fall ist von vornherein absehbar, dass die mündliche Erörterung nichts zur Ermittlung der materiellen Wahrheit beitragen kann ( Ra 2015/12/0026)."

Mit (nun nachgeholter) Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab.

Dagegen wurde fristgerecht am (eingelangt am ) ein Vorlageantrag zur Entscheidung durch das BFG eingebracht.

Im Vorlageantrag stellt der ASt den (hier verfahrensgegenständlichen) Antrag auf Gewährung einer Verfahrenshilfe und führt dazu aus:

"[…] wir stellen einen gemeinsamen VORLAGEANTRAG: Wir stellen gemeinsam gegen den Bescheid vom einen Vorlageantrag und bitten um Vorlage beim Bundesfinanzgericht
Der Vorlageantrag wird in offener Frist gestellt - es wird für beide Antragsteller die Vorlage beim Bundesfinanzgericht beantragt Antrag auf mündliche Verhandlung

Wir stellen gemeinsam den Antrag auf mündliche Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht

Antrag auf Zeugenladung

Es wird die Ladung folgender Zeugen beantragt

***7*** Stadtrat - Adresse Rathaus Zwischenstock - 1080 Wien
***8*** Gemeinderat - Adresse Rathaus - 1080 Wien
***2*** per Adresse ***9*** GmbH

Zum Beweis dass eine vollständiger Forderungsverzicht vorliegt und nicht nur ein interner Akt und zum Beweis, weiters zum Beweis, dass die Gemeinde Teile Ihrer Forderungen auf welche diese zuvor verzichtet hat - zusätzlich an die ***9*** GmbH in unredlicher Weise übertragen hat / mittels Zession - auch aus diesem Grund sind die Forderungen der Gemeinde bereits erloschen und könnten nicht weiter bestehen.

Wir stellen den Antrag zur mündlichen Verhandlung folgende Zeugen zu laden:

Antrag auf VERFAHRENSHILFE vor dem Bundesfinanzgericht

Akten bekannt können sich die Antragssteller keinen Rechtsanwalt leisten - da die Sache jedoch rechtlich kompliziert und umfangreich ist und für eine unvertretene Partei erhebliche Nachteile entstehen können (wie man bereits aus der Berufungsvorentscheidung sehen kann) wird um Verfahrenshilfe für beide Antragssteller angesucht

Begründungen

Die Stadt Wien hat in Ihrer Beschwerdevorentscheidung zu unrecht festgestellt dass

- Dass es sich um einen reinen internen Buchungsvorgang handle
- Dass nur bestimmte Forderungen abgeschrieben wurden gegenüber der beiden Antragsteller
- Dass kein Forderungsverzicht vorliegt
- Es wurden unrichtige Forderungen in die Beschwerdevorentscheidung aufgenommen -
- Dass der Beschluss des Gemeinderats nicht alle Forderungen der Antragsteller umfasse
- Das Gesetz unrichtig ausgelegt
- Dass der Beschluss des Gemeinderats keinen Forderungsverzicht darstelle
- Weiters hat die Ma 6 in Ihrer Beschwerdevorentscheidung Entscheidungen des VwGH und des VGW angeführt welche sich auf diesen Forderungen nicht anwenden lassen, da hier ein vollständiger Forderungsverzicht und ein abschließendes Ausbuchen der Forderungen vorliegt - sowie ein Verkauf von Teilen der Forderungen stattgefunden hat - und die Gemeinde Wien wohl nicht nach Forderungsverzicht die Forderung verkaufen kann und in Folge der Käufer der Forderung ( die WGM ) und die Stadt Wien Exektutionsbewilligung führen (.... Für bereits unter vollständigen Forderungsverzicht abgeschriebene Forderungen)

Hingewiesen wird weiters darauf dass die Gemeinde Wien sogar die Forderungen auf welche Sie zuvor mittels Forderungsverzicht zum Teil an die Firma ***9*** GmbH und Herrn ***2*** verkauft - mittels Zession übertragen hat. Diese führt gegen den Antragsteller ***ASt*** - nun Exekution Beweis

ANTRAG AUF AKTENBEISCHAFFUNG

Beizuschaffender Akt Bezirksgericht Gänserndorf ***6*** - es wird beantragt diesen Akt beizuschaffen.

(Eine Anzeige gegen diese unredliche Vorgangsweise wurde bereits erstattet.)

Weiters wird darauf hingewiesen dass laut Ma 6 Entscheidungen für Teile der im Beschluss angeführten und als noch offen bezeichneten Beträge gar keine rechtsgültige Exektutionsbewilligung vorliegt siehe hierzu den Beschluss des BUNDESFINANZGERICHTES vom - mit diesem wurde entschieden; dass Teile der Exekutionen gar keine Rechtskraft entfalten konnten weil Sie der falschen Stelle während des Konkurses der ***GmbH*** vorgelegt wurden.

Und die Entscheidung der Ma 6 zu 6 ***5*** / Grundbesitzabgaben

ANTRAG

Es wird beantragt beide Akten beischaffen zu lassen

So sind Exektutionsbewilligungen laut Entscheidungen gar nicht in Rechtskraft erwachsen und besteht für Grundbesitzabgaben keine rechtliche Grundlage für Exekutionen ANTRAG AUF VOLLSTÄNDIGE AKTENEINSICHT Es wird ein gemeinsamer Antrag auf vollständige Akteneinsicht gestellt."

Die belangte Behörde legte die Beschwerde, den Vorlageantrag sowie den darin befindlichen Antrag auf Gewährung einer Verfahrenshilfe mit Vorlagebericht vom vor. Darin wird inhaltlich auf die Beschwerde samt sämtlicher dazu eingebrachter Rechtsmittel Bezug genommen; eine Stellungnahme zum hier verfahrensgegenständlichen Antrag auf Verfahrenshilfe wurde nicht erstattet.

Rechtslage:

Gemäß § 292 Abs. 1 BAO ist auf Antrag einer Partei (§ 78), wenn zu entscheidende Rechtsfragen besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art aufweisen, ihr für das Beschwerdeverfahren Verfahrenshilfe vom Verwaltungsgericht insoweit zu bewilligen,
1. als die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten und
2. als die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Gemäß § 292 Abs. 7 Z 1 BAO kann der Antrag ab Erlassung des Bescheides, der mit Beschwerde angefochten werden soll, gestellt werden.

Gemäß § 292 Abs. 8 BAO hat der Antrag zu enthalten
1. die Bezeichnung des Bescheides (Abs. 7 Z 1) bzw. der Amtshandlung (Abs. 7 Z 2) bzw. der unterlassenen Amtshandlung (Abs. 7 Z 3),
2. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,
3. die Entscheidung der Partei, ob der Kammer der Wirtschaftstreuhänder oder der Rechtsanwaltskammer die Bestellung des Verfahrenshelfers obliegt,
4. eine Darstellung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Antragstellers und der wirtschaftlich Beteiligten.

Gemäß § 292 Abs. 10 BAO hat das Verwaltungsgericht über den Antrag mit Beschluss zu entscheiden. Hat das Gericht die Bewilligung der Verfahrenshilfe beschlossen, so hat es die Kammer der Wirtschaftstreuhänder bzw. die Rechtsanwaltskammer hievon zu benachrichtigen.

Gemäß § 292 Abs. 11 BAO hat die Kammer der Wirtschaftstreuhänder bzw. die Rechtsanwaltskammer mit Beschluss den Wirtschaftstreuhänder bzw. Rechtsanwalt zu bestellen, dessen Kosten die Partei nicht zu tragen hat. Wünschen der Partei über die Auswahl der Person des Wirtschaftstreuhänders oder Rechtsanwaltes ist im Einvernehmen mit dem namhaft gemachten Wirtschaftstreuhänder bzw. Rechtsanwalt nach Möglichkeit zu entsprechen. Von der Bestellung sind die Abgabenbehörde und das Verwaltungsgericht zu verständigen.

Wird der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb einer für die Einbringung der Beschwerde (§ 243, § 283), des Vorlageantrages (§ 264) oder einer im Beschwerdeverfahren gegenüber dem Verwaltungsgericht einzuhaltenden Frist gestellt, so beginnt diese Frist gemäß § 292 Abs. 12 BAO mit dem Zeitpunkt, in dem
1. der Beschluss über die Bestellung des Wirtschaftstreuhänders bzw. Rechtsanwaltes zum Vertreter und der anzufechtende Bescheid dem Wirtschaftstreuhänder bzw. Rechtsanwalt bzw.
2. der den Antrag nicht stattgebende Beschluss der Partei
zugestellt wurde, von neuem zu laufen.

Besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art

Vorweg ist festzuhalten, dass Gegenstand der vorliegenden Entscheidung nur der zur Geschäftszahl VH/7400001/2023 protokollierte Verfahrenshilfeantrag ist.

Soweit der ASt mit seiner Eingabe vom einen weiteren Verfahrenshilfeantrag (betreffend die von ihm ebenfalls vertretene ***GmbH***) gestellt hat, wird dieser einer gesonderten Entscheidung durch eine andere Gerichtsabteilung des BFG zugeführt werden.

Die Bewilligung von Verfahrenshilfe erfordert auf Grund der oben angeführten gesetzlichen Bestimmungen kumulativ das Vorliegen von wirtschaftlichen Voraussetzungen einerseits und von verfahrensbezogenen Voraussetzungen andererseits (). Daher ist im gegenständlichen Fall vorab zu prüfen, ob die im zugrundeliegenden Verfahren zu entscheidenden Rechtsfragen besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art aufweisen (§ 292 Abs. 1 erster Satz BAO).

Der Begriff der besonderen Schwierigkeiten rechtlicher Art geht auf § 282 Abs 1 idF vor dem FVwGG 2012 zurück und soll nach den Gesetzesmaterialien sicherstellen, dass Verfahrenshilfe nur für überdurchschnittlich schwierige, durch ständige Judikatur noch nicht geklärte Rechtsfragen gewährt wird (ErlRV 1352 BlgNR 25. GP, 18; Ritz, BAO, 6. Aufl. 2017, § 292, II. Besonders schwierige Rechtsfragen Rz 4 - 6).

Nach sind besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art anzunehmen, wenn eine besondere Komplexität der Rechtslage gegeben ist. Das sei insbesondere dann der Fall, wenn eine Rechtsfrage zur Beurteilung ansteht, die bislang uneinheitlich entschieden wurde bzw. in der ein Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung erwogen wird oder der grundsätzliche Bedeutung zukommt (s. auch ).

Nach und E 2851/2018, erfordert und erlaubt die Wendung, "dass zu entscheidende Rechtsfragen besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art aufweisen" eine Prüfung, ob im konkreten Einzelfall für den ASt besondere Schwierigkeiten bestehen. Dabei sind alle Umstände des Falles wie der Streitgegenstand, die begründeten Erfolgsaussichten des Rechtsschutzsuchenden, die Bedeutung des Rechtsstreites für diesen, die Komplexität des geltenden Rechtes und des anwendbaren Verfahrens sowie die Fähigkeiten des Rechtsschutzsuchenden, sein Anliegen wirksam zu verteidigen, abzuwägen. Nach Auffassung des VfGH schließt § 292 Abs. 1 BAO die Gewährung von Verfahrenshilfe im Einzelfall nicht schon deshalb aus, weil objektiv keine komplexe, besonders schwierige Frage rechtlicher Art vorliegt. In verfassungskonformer Auslegung können zum einen auch besondere Schwierigkeiten bei der Ermittlung des rechtserheblichen Sachverhalts, also Fragen tatsächlicher Natur, einen Anspruch auf Verfahrenshilfe begründen, zumal Tatsachenfragen regelmäßig in Rechtsfragen münden; und zum anderen sind stets auch die Fähigkeiten des betroffenen Antragstellers zu berücksichtigen, sein Anliegen wirksam zu vertreten. Der VfGH vertritt daher die Ansicht, wonach in verfassungskonformer Auslegung die Tatsache, dass einzig die rechtliche Komplexität explizit in den Gesetzestext Eingang gefunden hat, nicht ausschließt, dass auch weitere, ungenannte Kriterien bei der Entscheidung über die Gewährung von Verfahrenshilfe zu beachten sind.

Dies bedeutet, dass der VfGH den Anwendungsbereich der Verfahrenshilfe im Bereich der BAO ausgeweitet hat. Die Auffassung des Gesetzgebers, wonach § 292 BAO in einem objektiven Sinn zu verstehen ist und demnach Verfahrenshilfe zu gewähren sei, wenn eine objektiv schwierige Rechtsfrage zu klären ist und es deshalb professioneller Rechtskenntnisse bedarf, wurde vom VfGH als verfassungswidrig erkannt.

Demnach ist Verfahrenshilfe nach dem Bedürfnisprinzip immer dann zu gewähren, wenn der Antragsteller sein Anliegen andernfalls nicht wirksam vertreten kann.

In verfassungskonformer Auslegung des § 292 Abs. 1 BAO ist die Wortfolge "wenn zu entscheidende Rechtsfragen besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art aufweisen" nicht nur objektiv, sondern auch subjektiv zu verstehen. Es ist daher für die Gewährung von Verfahrenshilfe ausreichend, wenn im konkreten Einzelfall für den ASt besondere Schwierigkeiten bestehen, sein Anliegen wirksam zu vertreten, wenn er also aufgrund seiner subjektiven Fähigkeiten mit den Anforderungen eines Verfahrens, das eine objektiv nicht besonders schwierige Frage rechtlicher Art betrifft, nicht umgehen kann.

Das bedeutet: Liegt zwar keine objektiv besonders schwierige Rechts- oder Tatsachenfrage vor, ist aber der Antragsteller aufgrund seiner subjektiven Fähigkeiten dennoch nicht in der Lage, im betroffenen Verfahren sein Anliegen wirksam zu vertreten, ist Verfahrenshilfe zu gewähren.

Auch in einem zweiten Bereich erweitert der VfGH das Recht auf Verfahrenshilfe: "In verfassungskonformer Auslegung können auch besondere Schwierigkeiten bei der Ermittlung des rechtserheblichen Sachverhalts, also Fragen tatsächlicher Natur, einen Anspruch auf Verfahrenshilfe begründen, zumal Tatsachenfragen regelmäßig in Rechtsfragen münden."

Bei der - verfahrensbezogenen - Voraussetzung der "besonderen Schwierigkeiten rechtlicher Art" ist jedoch auch davon auszugehen, dass in einem Verfahren wie dem gegenständlichen, in dem (anders als in vielen Zivil- und Strafprozessen) keine Vertretungspflicht besteht, im Hinblick auf die bestehende Manuduktionspflicht und den Grundsatz der materiellen Wahrheit der Beigebung eines Rechtsanwaltes oder eines Steuerberaters als Verfahrenshelfer Ausnahmecharakter zukommt (; in diesem Sinn auch: Ritz, BAO,Kommentar, Rz 4 zu § 292).

Dies bedeutet im Ergebnis für den vorliegenden Fall:

In der vorliegenden Beschwerde beantragte der ASt aufgrund einer in der Presseinformation der Stadt Wien veröffentlichten Wortmeldungen im Rahmen einer Wiener Gemeinderatssitzung im Dezember 2020, die Einstellung aller laufenden Vollstreckungsfahren. In der Gemeinderatssitzung wurde die Abschreibung von Forderungen gegen den Bf./ASt thematisiert.

Der Antrag wurde mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom zurückgewiesen. Die Zurückweisung wurde damit begründet, dass die Forderungen der Magistratsabteilung 25 für Ersatzvornahmen in der Höhe von 218.691,74 Euro wegen derzeitiger Uneinbringlichkeit abgeschrieben wurden, hinsichtlich derer derzeit keine Vollstreckungsverfahren anhängig sind.

In dem dem Antrag auf Verfahrenshilfe zugrundeliegenden Verfahren der Beschwerde des ASt gegen den Zurückweisungsbescheid vom wird das BFG in weiterer Folge zu beurteilen haben, ob eine Forderungsabschreibung zur (antragsgemäßen) Einstellung sämtlicher Vollstreckungsverfahren führt bzw. führen kann oder nicht. Demnach liegt zwar keine Sachverhaltsfrage sondern eine Rechtsfrage vor, jedoch impliziert dies nicht automatisch die Beantwortung einer besonders schwierigen Rechtsfrage. Auch besteht dazu ausreichende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und liegt keine Rechtsfrage vor, die besondere Schwierigkeit rechtlicher Art aufweist.

"Besondere Schwierigkeiten" liegen vor, wenn die Bearbeitung eines Rechtsstreites Anforderungen stellt, die weit über das übliche Maß hinausgehen, insbesondere wenn die Lösung ausgefallener oder komplizierter Rechtsfragen ansteht, die in Rechtsprechung und Schrifttum wenig oder widersprüchlich erörtert sind. Diese Voraussetzung liegt im gegenständlichen Fall nicht vor.

Die rechtlichen Voraussetzungen für einen erfolgreichen Einstellungsantrag sowie die rechtliche Beurteilung und Folgewirkungen einer Forderungsabschreibung sind durch einheitliche Lehre und Judikatur vorgegeben und lösen keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher Art aus. Es sind weder eine Komplexität der Rechtslage noch komplizierte oder ausgefallene Rechtsfragen erkennbar.

Auch hinsichtlich des Sachverhaltes kann festgestellt werden, dass weder ein komplexer noch komplizierter Sachverhalt im streitgegenständlich Verfahren vorliegt. Es handelt sich dabei um die Würdigung der im Verwaltungsverfahren vorgebrachten und durch die belangte Behörde ausreichend dokumentierten (Vollstreckungs)Verfahren gegen den ASt.

Davon ausgehend sind im Verfahren rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten, die im Sinn der genannten Kriterien die Unterstützung einer rechtsunkundigen Partei - wie des ASt - durch einen Steuerberater/Rechtsanwalt erforderlich machen würden, um den effektiven Zugang zum Gericht zu sichern, nicht zu erkennen. Hinsichtlich der Person des ASt sind keine besonderen Umstände hervorgekommen, aus denen sich ein besonderes Bedürfnis nach Unterstützung im Verfahren ergeben könnte (vgl. ). Solche Umstände wurden nicht vorgebracht und sind nicht auch nicht hervorgekommen: Das lediglich auf seine Vermögenssituation abstellende Vorbringen, wonach er sich wegen des amtsbekannten Umstandes (Anm.: gemeint: keine Liquidität) keinen Rechtsanwalt leisten könne, bedeutet nicht, dass seine Fähigkeiten, sein Anliegen wirksam zu verteidigen, eingeschränkt wären. Der ASt war sowohl in der Lage seine Beschwerde als auch seinen Vorlageantrag samt Verfahrenshilfeantrag und Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter Beantragung div. Zeugenladungen frist- und formgerecht einzubringen und darzulegen, warum aus seiner Sicht der Antrag auf Einstellung sämtlicher Vollstreckungsverfahren zu bewilligen sei. Der ASt hat daher offensichtlich keine Probleme, seinen Rechtsstandpunkt präzise zu formulieren bzw. ist dieser bereits in der Beschwerde präzise formuliert und ist zweifellos so rechtlich versiert, dass er sein Anliegen selbst vertreten kann. Die Fragen zu den offenen Vollstreckungs-/Exekutionsverfahren sind überschaubar und keinesfalls so komplex, dass der ASt die Relevanz der entscheidungswesentlichen Sachverhaltselemente nicht erkennen könnte; er geht auch auf die strittigen Punkte ausführlich ein und vertritt mit entsprechenden und zielgerichteten Vorbringen sein Anliegen.

Das BFG geht daher aus den dargestellten Gründen davon aus, dass im Verfahren, welches dem Verfahrenshilfeantrag zugrunde liegt, weder Schwierigkeiten tatsächlicher Art etwa im Hinblick auf die Ermittlung des Sachverhalts bestehen noch die Fähigkeiten des ASt fehlen, sein Anliegen wirksam zu vertreten, aber auch insbesondere die im konkreten Einzelfall zu entscheidende streitgegenständliche(n) Rechtsfrage(n) keine besondere(n) Schwierigkeit(en) rechtlicher Art aufweisen.

Da die Voraussetzung der "Rechtsfrage von besonderer Schwierigkeit" iSd § 292 Abs. 1 BAO zusammen mit den zusätzlichen, durch den VfGH entwickelten Kriterien, im gegenständlichen Fall nicht vorliegen, waren die weiteren, gemäß § 292 Abs. 1 Z. 1 und 2 BAO für die Gewährung der Verfahrenshilfe erforderlichen Kriterien (Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts, Rechtsverfolgung weder mutwillig noch aussichtslos) keiner gesonderten Prüfung mehr zu unterziehen.

Die Entscheidung deckt sich im Übrigen auch mit der rechtlichen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes Wien vom , GZ ***3***, worin zum Unterbleiben der beantragten mündlichen Verhandlung ausgeführt wurde, dass keine komplexe Rechtsfrage zu lösen war. Nachdem es sich bei diesem Verfahren um denselben angefochtenen Bescheid und dieselben Rechtsfragen handelt, wurden hier gleichlautende und übereinstimmende Entscheidungen zur Frage der Komplexität der Rechtsfrage getroffen.

Aus den dargelegten Gründen war der Verfahrenshilfeantrag abzuweisen und somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Unzulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall ergeben sich die Inhaltserfordernisse eines Verfahrenshilfeantrages eindeutig aus dem Gesetz, sodass diesbezüglich keine ungeklärte Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt. Die in diesem Beschluss zu beurteilenden Rechtsfragen folgen vielmehr der einschlägigen Rechtsprechung des VwGH und des VfGH (vgl. sowie und E 2851/2018). Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt daher hier nicht vor.

Belehrung und Hinweise

Dem Antragsteller steht das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (Freyung 8, 1010 Wien) zu erheben. Die Beschwerde ist direkt beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen - durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Personen mit geringem Einkommen und Vermögen können einen Antrag auf Gebührenbefreiung und/oder auf kostenlose Beigebung einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwaltes stellen. Der Verfahrenshilfeantrag selbst ist gebührenfrei und muss nicht von einer Rechtsanwältin oder einem Rechtsanwalt eingebracht werden. Es muss aber die Rechtssache, für die Verfahrenshilfe begehrt wird, angegeben und bekannt gegeben werden, ob die beschwerdeführende Partei von der Entrichtung der Eingabengebühr befreit werden will und/oder ob ihr eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt beigestellt werden soll. Das Antragsformular samt Vermögensbekenntnis kann beim Verfassungsgerichtshof elektronisch, postalisch oder persönlich eingebracht werden. Das Formular für postalische oder persönliche Einbringung liegt in der Geschäftsstelle des Verfassungsgerichtshofes auf; es kann auch von der Website des Verfassungsgerichtshofes (www.vfgh.gv.at; im Bereich Kompetenzen und Verfahren / Verfahrenshilfe) heruntergeladen werden. Die Einbringung per E-Mail ist keine zulässige Form der elektronischen Einbringung. Zur Vorgangsweise für die elektronische Einbringung und zu weiteren Informationen wird auf die Website des Verfassungsgerichtshofes verwiesen.

Dem Antragsteller steht das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung, wenn das Bundesfinanzgericht dies in seinem Spruch zugelassen hat, eine ordentliche, ansonsten eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Die Revision ist schriftlich innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung der Entscheidung beim Bundesfinanzgericht, 1030 Wien, Hintere Zollamtsstraße 2b, einzubringen. Sie ist - abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen - durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt (in Abgaben- und Abgabenstrafsachen auch von einer Steuerberaterin bzw. einem Steuerberater oder einer Wirtschaftsprüferin bzw. einem Wirtschaftsprüfer) abzufassen und einzubringen. Bei entsprechend ungünstiger Einkommens- und Vermögenslage kann Verfahrenshilfe gewährt werden. Wird die Verfahrenshilfe bewilligt, entfällt die Eingabengebühr und es wird eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt bestellt, die oder der den Schriftsatz verfasst. Der Antrag ist im Falle der ordentlichen Revision beim Bundesfinanzgericht einzubringen. Das Antragsformular ist elektronisch auf der Website des Bundesfinanzgerichtes (https://www.bfg.gv.at/public/faq.html) erhältlich. Zur Erhebung einer außerordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof (Postfach 50, 1016 Wien) einzubringen; bereits der Antrag hat diesfalls eine Begründung zu enthalten, warum die Revision für zulässig erachtet wird. Das Antragsformular für postalische oder persönliche Einbringung ist im Servicecenter des Verwaltungsgerichtshofes (Judenplatz 11, 1010 Wien) oder elektronisch auf der Website des Verwaltungsgerichtshofes (www.vwgh.gv.at; im Bereich Verfahren/Verfahrenshilfe) erhältlich, auf welche auch zur Vorgangsweise für die elektronische Einbringung und zu weiteren Informationen verwiesen wird.

Die für eine allfällige Beschwerde oder Revision zu entrichtenden Eingabengebühren von 240,00 Euro ergeben sich aus § 17a Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 und § 24a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985.

Die belangte Behörde ist nicht Partei des Verfahrens betreffend Gewährung der Verfahrenshilfe, ihr steht daher kein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss zu (vgl. ; ).

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Landesabgaben Wien
betroffene Normen
§ 292 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise








ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:VH.7400001.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at