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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 01.02.2023, RV/7100102/2023

Nachträgliche Vorlage eines Straferkenntnisses - kein Wiederaufnahmegrund

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Gabriele Grossgut-Palotás in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Wiederaufnahme § 303 BAO / ESt 2020 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Angefochten ist der Bescheid über die Abweisung des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2020.

Zunächst erfolgte mit Bescheid vom die erklärungsgemäße Veranlagung der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2020.

Durch Vorlage einer weiteren Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2020 am ersuchte die Beschwerdeführerin um eine neue Sachentscheidung über die nunmehr geltend gemachten Aufwendungen für durch ihre ehemalige Arbeitgeberin gepfändete Beträge in Höhe von 14.288,02 €. Das Finanzamt wertete die Abgabe der Steuererklärung als Wiederaufnahmeantrag und wies diesen ab; begründend führte es aus, dass Werbungskosten Pensionsempfängern nicht zustünden (Bescheid vom ).

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom Beschwerde, beantragte, die Exekutionszahlungen als nachträgliche Werbungskosten zu berücksichtigen und legte die Beilagen 1 bis 8 vor; auf die dazugehörigen Ausführungen in der Beschwerdeschrift wird verwiesen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde mit der Begründung ab, dass das zu den Schadenersatzleistungen führende Fehlverhalten nicht aus beruflichen sondern aus privaten Gründen gesetzt worden sei.

Mit dem Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Bundesfinanzgericht vom brachte die Beschwerdeführerin eine Ergänzung ihrer Beschwerde ein; auf die dortigen Ausführungen wird verwiesen.

Das Finanzamt legte mit Vorlagebericht vom die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Auf die Begründung wird verwiesen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin war von bis zu ihrer Pensionierung am in der ***Bank*** als Beraterin von kleinen und mittleren Unternehmen beschäftigt. In dieser Funktion konnte sie über die bankinterne EDV-hemmende Sperre hinweg Geschäfte abwickeln. Die Beschwerdeführerin hat bei der Vermögensveranlagung von Kunden Handlungen gesetzt, die das Ergebnis einer automationsunterstützten Datenverarbeitung beeinflussen können (wie zB durch Gestaltung des Programms, durch Eingabe, Veränderung, Löschung oder Unterdrückung von Daten oder sonst durch Einwirkung auf den Ablauf des Verarbeitungsvorgangs).

Das Landesgericht für Strafsachen Wien verurteilte sie daraufhin mit Entscheidung vom tt.mm.2019, Zl.***, wegen des Verbrechens des betrügerischen Datenmissbrauchs nach § 148a Abs. 1 und 2 erster und dritter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren, davon wurden zwei Jahre unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Daneben wurde die Beschwerdeführerin gemäß §§ 366 Abs. 2 und 359 Abs. 1 StPO schuldig gesprochen, der Privatbeteiligten ***Bank*** binnen 14 Tagen 312.651,66 € samt 4 % Zinsen seit zu zahlen.

In Erfüllung obigen Strafurteils wird die Beschwerdeführerin nunmehr auf das Existenzminimum gepfändet. Für das beschwerdegegenständliche Jahr 2020 beträgt der gepfändete Betrag 14.288,02 €.

2. Beweiswürdigung

Die Beschwerdeführerin legte nachstehende Unterlagen vor:

  1. Beilage 1: Lohnsteuerrichtlinien § 16 Rz 231 Nachträgliche Werbungskosten

  2. Beilage 2:

  3. Beilage 3: "Meine katastrophale Geschichte"

  4. Beilage 4: § 165 StGB Geldwäscherei

  5. Beilage 5: § 148a StGB Betrügerischer Datenverarbeitungsmissbrauch

  6. Beilage 6: Verurteilung der Beschwerdeführerin durch das Landesgericht für Strafsachen Wien vom tt.mm.2019, Zl.***

  7. Beilage 7: Pensionsbescheid (Verständigung über die Leistungshöhe zum )

  8. Beilage 8: Aufstellung der Auszahlungen der VBV-Pension im Kalenderjahr 2020

Sowohl das Strafurteil als auch die Höhe der jährlichen Schadenersatzleistungen waren im Zeitpunkt der Erstellung des Einkommensteuerbescheides 2020 vom evident.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

  1. Rechtslage

Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

  1. Rechtliche Erwägungen

Strittig ist, ob ein Wiederaufnahmegrund vorliegt.

Die Wiederaufnahmegründe für die Wiederaufnahme auf Antrag sind dieselben wie für eine Wiederaufnahme von Amts wegen. Der Neuerungstatbestand (§ 303 Abs. 1 lit b idF FVwGG 2012) fordert, dass (entscheidungsrelevante) Tatsachen oder Beweismittel im (abgeschlossenen Verfahren neu hervorkommen. Gemeint ist in jenem Verfahren, das bereits durch Bescheid abgeschlossen ist. Nach bisheriger Judikatur (zu § 303 Abs. 4 BAO aF) ist das Hervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens zu sehen (vgl. zB ). Maßgebend ist der Wissensstand der Abgabenbehörde, bezogen auf die Aktenlage im Zeitpunkt der Erlassung des das Verfahren abschließenden Bescheides (vgl. zB ). Eine Wiederaufnahme des Verfahrens ist ausgeschlossen, wenn der Abgabenbehörde im wiederaufzunehmenden Verfahren bei richtiger rechtlicher Beurteilung zu der Entscheidung gelangen hätte können, die nunmehr in einem wiederaufgenommenen Verfahren erlassen werden soll (Ritz, BAO5, § 303 Tz 45, 46). Nach § 303 Abs. 1 ist ausschlaggebend, ob die Kenntnis der Umstände seinerzeit einen anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte, nicht jedoch wie der neue Bescheid lautet, zu dem es nun gekommen ist ( 82/16/0067n; Ritz, BAO5, § 303 Tz 5).

Der Wiederaufnahmewerber ist behauptungs- und beweispflichtig für das Vorliegen des Wiederaufnahmegrundes (Ritz, BAO5, § 303 Tz 55).

Die Beschwerdeführerin wurde gemäß § 148a StGB zu einer Freiheitsstrafe und zur streitgegenständlichen Schadenersatzzahlung verurteilt. Der Antrag, die Schadenersatzzahlungen als nachträgliche Werbungskosten zu berücksichtigen erfolgte nach der erklärungsgemäßen Veranlagung am durch Abgabe einer weiteren Steuererklärung am , die vom Finanzamt als Wiederaufnahmeantrag gewertet wurde. Mangels Vorliegens eines Wiederaufnahmegrundes wies das Finanzamt auf Grundlage des eingeschränkten Wissensstandes in Bezug auf die geltend gemachten Werbungskosten den Antrag ab.

Erst im Rechtsmittelverfahren legte die Beschwerdeführerin dar, dass die Schadenersatzleistungen auf einer gerichtlichen Verurteilung basierten. Das Gericht war in seinem Urteil von Tathandlungen ausgegangen, die sich in einer aktiven Beeinflussung der Banken-EDV im Wege der Erstellung von fiktiven oder Manipulation von bestehenden Kundenkonten ausdrückten. Die Verantwortung der Beschwerdeführerin, dass es sich um die Veranlagung von Schwarzgeldern eines Bauunternehmers gehandelt habe, wird im Urteil dezidiert nicht abgehandelt und ist aus der Urteilsbegründung nicht ableitbar. Die von der Beschwerdeführerin angestellte Vermutung der Überbindung von Strafzahlungen, die ihre frühere Arbeitgeberin getroffen hätten, ist unbewiesen bzw. nicht belegt. Damit fehlt aber der Nachweis jener Umstände, die auf einen Schadenersatz ohne vorhergegangenen Bereicherungsvorsatz schließen lassen und das Fehlverhalten ausschließlich in der beruflichen Sphäre ansiedeln.

Das Finanzamt ist daher richtigerweise davon ausgegangen, dass das Fehlverhalten der Beschwerdeführerin ausschließlich im privaten Bereich zu sehen ist.

Sowohl das Urteil als auch die Höhe der jährlichen Schadenersatzleistungen waren im Zeitpunkt der Erstellung des Einkommensteuerbescheides 2020 evident. Die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens hätte jedoch zu keinen im Spruch anders lautenden Bescheid geführt.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im gegenständlichen Fall liegt eine einheitliche Rechtsprechung vor. Eine Revision ist demnach nicht zulässig. Eine Revision ist demnach nicht zulässig.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7100102.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at