Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.01.2023, RV/7103030/2022

Bloße Meldung zur Fortsetzung des Studiums reicht nicht für den Nachweis einer Berufsausbildung in Form eines Studiums

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Maria Daniel in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung der Familienbeihilfe sowie der Kinderabsetzbeträge für den Zeitraum April 2021 bis Juni 2021 (Ordnungsbegriff 49 148 370) zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang:

Anlässlich der Überprüfung des Anspruchs auf Familienbeihilfe ersuchte das Finanzamt Österreich mittels Schreiben vom die Beschwerdeführerin neben der Angabe personenbezogener Daten, um Vorlage folgender Unterlagen: Fortsetzungsbestätigung bzw Inskriptionsbestätigung, Studienblatt/Studienbuchblatt, Studienerfolgsnachweis sowie Einkommensnachweis.

In der Folge übermittelte die Beschwerdeführerin der belangten Behörde eine Studienbestätigung für das Sommersemester 2021 sowie ein Sammelzeugnis über die erfolgreiche Absolvierung von Prüfungen im Wintersemester 2020 im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten.

Ein Ergänzungsersuchen vom (mit Frist zur Beantwortung bis ) hinsichtlich der Frage, ob die Beschwerdeführerin im Jahr 2021 die Einkommensgrenze von 15.000 Euro überschreiten wird, blieb unbeantwortet.

Mit Bescheid vom machte das Finanzamt Österreich einen Rückforderungsanspruch betreffend Familienbeihilfe (495,30 Euro) sowie Kinderabsetzbetrag (175,20) für den Zeitraum April 2021 bis Juni 2021 (in Summe 670,50 Euro) gegenüber der Beschwerdeführerin geltend, da die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 für den Bezug der Familienbeihilfe nicht mehr vorliegen würden.

In der rechtzeitig erhobenen Beschwerde führt die Beschwerdeführerin aus, dass sie im Zeitraum, in dem die Familienbeihilfe bezogen wurde, die Grenze von 15.000 Euro nicht überschritten habe.

Nach Ansicht der Beschwerdeführerin habe sie die Familienbeihilfe für die 3 Monate nach ihrem 24. Geburtstag (am ***.3.2021) nicht zu Unrecht bezogen, da sich gem § 2 Abs 9 lit b FLAG die Anspruchsdauer nach Abs 1 lit b im Zusammenhang mit der COVID-19 Krise für volljährige Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes genannte Einrichtung besuchen, über die Altersgrenze und die Studiendauer, für die nach Abs 1 Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, hinaus um ein weiteres Semester oder um ein weiteres Ausbildungsjahr, bei einem vor Erreichung der Altersgrenze begonnenem Studium infolge der COVID-19-Krise verlängere.

Mit Schreiben vom ersuchte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin bis längstens um Nachweis einer Berufsausbildung ab März 2020.

Dieses Schreiben blieb unbeantwortet.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen, da die Beschwerdeführerin der Aufforderung des Finanzamtes Unterlagen nachzureichen nicht nachgekommen sei. Insbesondere sei keine Berufsausbildung ab März 2020 nachgewiesen worden.

Im Vorlageantrag vom ersucht die Beschwerdeführerin um Überprüfung der rechtlichen Grundlagen und gegebenenfalls um Kulanz, da sie eine Prüfung vor Auszahlung von Seiten des Finanzamtes erwartet und nicht mit einer Nachzahlung gerechnet habe. Anlässlich einer telefonischen Rücksprache habe ihr niemand erklären können, warum sie eine Berufsausbildung ab März 2020 nachweisen müsse. Darüber hinaus gibt sie bekannt, dass sie das Sommersemester 2021 abgebrochen habe.

In der Beilage übermittelt die Beschwerdeführerin eine Bestätigung vom über bisher positiv absolvierte Prüfungen im Wintersemester 2020 im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten sowie eine am ausgestellte Abgangsbescheinigung zum .

Im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht wurde die Beschwerdeführerin mittels Vorhalt vom aufgefordert, allfällige Nachweise, die eine zielstrebige und ernsthafte Fortführung des Studiums im Sommersemester 2021 belegen können, nachzureichen. Die Beschwerdeführerin hat in der Folge keine weiteren Unterlagen vorgelegt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Im gegenständlichen Fall ist strittig, ob die Beschwerdeführerin im Streitzeitraum Anspruch auf den Bezug der Familienbeihilfe trotz Erreichens der Altersgrenze hat.

Folgender Sachverhalt steht unstrittig fest:

Die Beschwerdeführerin hat am ***.3.2021 das 24. Lebensjahr vollendet und war laut Studienbestätigung vom im Sommersemester 2021 an der Universität Wien im Studienstatus "ordentlich" zum UA 032 375 342 Bachelorstudium "Transkulturelle Kommunikation Polnisch Englisch" zur Fortsetzung gemeldet.

Laut Sammelzeugnis, ausgestellt am von der Universität Wien, hat die Beschwerdeführerin im Wintersemester 2020 Prüfungen mit insgesamt 16 ECTS-Punkten positiv absolviert (StEOP PM1 Modulprüfung Transkulturelle Kommunikation I, 8 ECTS am ; StEOP PM2 Modulprüfung Transkulturelle Kommunikation II, 8 ECTS am )

Die Beschwerdeführerin hat in der Folge das Sommersemester 2021 am (laut Abgangsbescheinigung vom ) abgebrochen und seit Februar 2021 keine weiteren Prüfungen absolviert.

Eine Berufsausbildung in Form eines ernsthaft und zielstrebig betriebenen Studiums wurde über das Wintersemester 2020 hinaus nicht nachgewiesen.

Rechtliche Grundlagen:

§ 2 Abs 1 FLAG 1967 bestimmt auszugsweise:

(1)Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

a)(…)

b)für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester. Zeiten als Studentenvertreterin oder Studentenvertreter nach dem Hochschülerschaftsgesetz 1998, BGBl. I Nr. 22/1999, sind unter Berücksichtigung der Funktion und der zeitlichen Inanspruchnahme bis zum Höchstausmaß von vier Semestern nicht in die zur Erlangung der Familienbeihilfe vorgesehene höchstzulässige Studienzeit einzurechnen. Gleiches gilt für die Vorsitzenden und die Sprecher der Heimvertretungen nach dem Studentenheimgesetz, BGBl. Nr. 291/1986. Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat durch Verordnung die näheren Voraussetzungen für diese Nichteinrechnung festzulegen. Zeiten des Mutterschutzes sowie die Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres hemmen den Ablauf der Studienzeit. Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird; Gleiches gilt, wenn alle Lehrveranstaltungen und Prüfungen der Studieneingangs- und Orientierungsphase nach § 66 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, erfolgreich absolviert wurden, sofern diese mit mindestens 14 ECTS-Punkten bewertet werden. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß,

(…)

Gem § 2 Abs 9 lit b FLAG 1967 verlängert sich im Zusammenhang mit der COVID-19 Krise, unabhängig von der Dauer der Beeinträchtigung durch diese Krise für volljährige Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes genannte Einrichtung besuchen, abweichend von lit a über die Altersgrenze und die Studiendauer, für die nach Abs 1 Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, hinaus um ein weiteres Semester oder um ein weiteres Ausbildungsjahr, bei einem vor Erreichung der Altersgrenze begonnenem Studium infolge der COVID-19 Krise.

Gem § 26 Abs 1 FLAG 1967 hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Gem § 33 Abs 3 EStG 1988 ist § 26 FLAG 1967 auch im Fall zu Unrecht bezogener Kinderabsetzbeträge anzuwenden.

Rechtliche Würdigung:

Zur Qualifikation als Berufsausbildung iSd § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 kommt es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs () nicht nur auf das "ernstliche und zielstrebige Bemühen um den Studienfortgang" an, sondern die Berufsausbildung muss auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (vgl Hebenstreit/Lenneis/Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Aufl. 2020 § 2, III. Einzelne Tatbestände für volljährige Kinder Rz 35.)

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs ist das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, essenzieller Bestandteil der Berufsausbildung. Berufsausbildung liegt daher nur dann vor, wenn die Absicht zur erfolgreichen Ablegung der vorgeschriebenen Prüfungen gegeben ist. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich die erfolgreiche Ablegung der Prüfungen gelingt (vgl ).

Die bloße Anmeldung zu Prüfungen reicht für die Annahme einer zielstrebigen Berufsausbildung allerdings nicht aus (vgl mit Verweis auf ).

Eine bloße Meldung zur Fortsetzung des Studiums ist ein reiner Formalakt und daher nicht geeignet, eine Berufsausbildung in Form eines Studiums nachzuweisen (vgl auch mwN).

Da die Beschwerdeführerin das Sommersemester 2021 bereits am ohne Absolvierung einer Prüfung (bzw ohne weiterem Prüfungsantritt) abgebrochen hat, geht der Anspruch auf Familienbeihilfe mit Erreichen der Altersgrenze verloren. Daran vermögen auch die Bestimmungen des § 2 Abs 9 lit b FLAG 1967 nichts zu ändern, da die Verlängerung aufgrund der COVID-19 Krise für den Bezug der Familienbeihilfe über die Altersgrenze hinaus nur für ein ernsthaft und zielstrebig betriebenes Studium gelten kann.

Die Familienbeihilfe als auch die Kinderabsetzbeträge wurden im Zeitraum April 2021 bis Juni 2021 zu Unrecht bezogen und sind daher gem § 26 Abs 1 FLAG 1967 zurückzuerstatten.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da es sich im gegenständlichen Fall nicht um die Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelt und die rechtliche Würdigung des Bundesfinanzgerichts in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung Deckung findet, ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7103030.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at