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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 10.02.2023, RV/5100020/2023

Zurücknahmeerklärung einer Beschwerde, wenn Mängelbehebungsauftrag nicht rechtzeitig erfüllt wird.

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 2019 sowie vom betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 2020, Steuernummer ***BF1StNr1***, beschlossen:

Die Beschwerden vom werden gemäß § 85 Abs. 2 BAO für zurückgenommen erklärt.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Sachverhalt:

Gegen die Bescheide vom und vom betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 2019 und 2020 wurde mit den Schriftsätzen vom Beschwerden eingebracht.
Es wurde ausgeführt, dass sich die gewünschte Änderung aus dem Umstand ergeben würde, dass durch die Vorlage von Daten eine Neuermittlung der Abgaben vorgenommen werden müsste. Die dazu erforderlichen Daten sowie die erforderlichen Abgabenerklärungen würde der Beschwerdeführer so bald wie möglich, spätestens aber bis , nachreichen. Die Mitsendung der Abgabenerklärung sei leider so kurzfristig nicht möglich.

Am und am erließ das Finanzamt Bescheide (Mängelbehebungsaufträge), in denen dargelegt wurde, dass in den Beschwerden vom betreffend Umsatzsteuer und Verspätungszuschlag 2019 und 2020 sowie Einkommensteuer 2019 und 2020 die Erklärung, in welchen Punkten die Bescheide angefochten würden, die Erklärung, welche Änderung beantragt würde und die Begründung fehlen würden. Die angeführten Mängel seien bis zu beheben. Bei Versäumung der Frist würde das Anbringen als zurückgenommen gelten.

Mit Schreiben vom teilte das Finanzamt dem Beschwerdeführer in Zusammenhang mit einem telefonischen Fristverlängerungsansuchen vom mit, dass nach ständiger Rechtsprechung und Lehre telefonische Ersuchen keine Anbringen iSd § 85 Abs. 2 BAO darstellen würden. Es müsse innerhalb der Frist () eine "schriftliche Fristverlängerung für alle betroffenen Bescheide" eingebracht werden.

Am langte beim Finanzamt ein - vom Beschwerdeführer nicht unterschriebenes - Schriftstück ein, in dem der Beschwerdeführer darlegte, dass er um Fristverlängerung betreffend der Mängelbehebungsaufträge bis zum ersuchen würde.
Die ausständigen Erklärungen und Daten bezüglich der Mängelbescheide und diverser eingebrachter Beschwerden (gegen Einkommensteuer 2019 und 2020, Umsatzsteuer 2019 und 2020, Verspätungszuschlag 2019 und 2020) würden bis ganz sicher nachgereicht werden.
Das Fristverlängerungsansuchen könne leider erst heute eingebracht werden, weil der Beschwerdeführer das Schreiben, dass eine telefonische Einbringung nicht zulässig sei, erst am Abend des erhalten habe.

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wurden die Beschwerden betreffend Einkommen- und Umsatzsteuer 2019 und 2020 gemäß § 260 BAO zurückgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer dem Auftrag, die Mängel der Eingabe zu beheben, nicht fristgerecht entsprochen habe. Daher sei gemäß § 85 Abs. 2 BAO mit Bescheid auszusprechen, dass die Eingabe als zurückgenommen gelte.

Mit jeweils gleichlautenden Schreiben vom brachte der Beschwerdeführer Beschwerde gegen die Beschwerdevorentscheidungen betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 2019 und 2020 ein. Die Begründung werde bis nachgereicht.

Mit Schreiben vom ebenfalls brachte der Beschwerdeführer eine "Nachreichung der Begründung der Beschwerde" ein:
"Hiermit lege ich, ***Bf1*** mit der Steuernummer ***BF1StNr1*** Beschwerde gegen die Beschwerdevorentscheidung ein, welche mir am (offenbar gemeint: ) zugestellt worden ist und welche gegen die von mir eingebrachte Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2019 vom ergangen ist.
Die Begründung für diese Beschwerde wird von mir bis Dienstag den nachgereicht.
Alle einzubringenden Erklärungen werden von mir bis spätestens Montag den eingebracht."

Für die Einkommensteuer 2020 und die Umsatzsteuer 2019 sowie 2020 wurden gleichlautende Schreiben eingebracht.

Mit Bericht vom legte das Finanzamt die Beschwerdesache dem Bundesfinanzgericht vor. Ergänzend wurde auf die ständige Rechtsprechung verwiesen, wonach die Abgabenbehörde die Mängelbehebungsfrist zwar verlängern könne, einem solchen Antrag auf Verlängerung jedoch keine fristhemmende Wirkung zukomme. Die Entscheidung über die Erfüllung eines Mängelbehebungsauftrages sei demnach nicht davon abhängig, ob allenfalls (weitere) Ansuchen zur Verlängerung der Mängelbehebungsfrist vor Ablauf der Frist eingebracht würden.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Der dargestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Aktenteilen und Schriftsätzen des Beschwerdeführers und ist unstrittig.

§ 250 Abs. 1 BAO lautet:
Die Bescheidbeschwerde hat zu enthalten:
a) die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet;
b) die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird;
c) die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden;
d) eine Begründung.

Eine Beschwerde muss alle in § 250 Abs. 1 BAO aufgezählten Merkmale enthalten.

Aus den vorliegenden Beschwerden geht nicht hervor, in welchen Punkten die Bescheide angefochten und welche Änderungen beantragt werden. Die Begründung fehlt.

Entspricht eine Beschwerde nicht den in § 250 Abs. 1 BAO normierten Anforderungen, ist die Abgabenbehörde verpflichtet, ein Mängelbehebungsverfahren einzuleiten. Sie hat dem Einschreiter die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden Frist als zurückgenommen gilt. Werden die Mängel rechtzeitig behoben, gilt die Beschwerde als ursprünglich richtig eingebracht (§ 85 Abs. 2 BAO).

Ziel des Mängelbehebungsverfahren im abgabenbehördlichen Rechtsmittelverfahren ist es, Gegenstand und Umfang einer Beschwerde und damit die Grenzen der behördlichen Entscheidungspflicht, somit jenen Bereich zu definieren, über den in der Beschwerdeentscheidung abzusprechen ist.

Das Erlassen eines Mängelbehebungsauftrages liegt nicht im Ermessen der Abgabenbehörde. Die Bescheidbeschwerde gilt zwingend als zurückgenommen, wenn die Mängel überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder unzureichend behoben werden.

Im Sinne der dargelegten Rechtslage war das Finanzamt zur Einleitung eines Mängelbehebungsverfahrens verpflichtet und kam dieser Verpflichtung mit den Bescheiden vom 13. bzw. für die Beschwerden betreffend Einkommen- und Umsatzsteuer 2019 und 2020 unter Setzung einer Frist nach. Die Mängelbehebungsaufträge enthalten auch den Hinweis, dass bei Versäumung der Mängelbehebungsfrist das jeweilige Anbringen als zurückgenommen gilt.

Die Frist zur Behebung von Mängeln einer Berufung ist zwar verlängerbar, einem dementsprechenden Antrag kommt jedoch keine fristhemmende Wirkung zu. Der Abgabepflichtige kann auch nicht darauf vertrauen, dass eine bereits gesetzte Frist verlängert wird. Es ist daher unerheblich, dass das Finanzamt nicht über den Fristverlängerungsantrag vom entschieden hat.

Im Rechtssatz zum Erkenntnis vom , 2008/13/0070, hat der Verwaltungsgerichtshof Folgendes ausgesprochen: "Ein Antrag auf Verlängerung der Berufungsfrist nach § 245 Abs. 3 BAO ist ein Anbringen zur Geltendmachung von Rechten im Sinne des § 85 Abs. 1 BAO (vgl. Ritz, BAO3, § 245 Tz 12). Diese Bestimmung sieht telefonische Anbringen nicht vor, sodass telefonische Mitteilungen auch keine "mündlichen" Anbringen im Sinne des § 85 BAO sind. Eine telefonische Mitteilung stellt weiters keinen für eine Bescheiderlassung hinreichenden Formalakt dar."

Diese Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist analog auch auf die Verlängerung einer Mängelbehebungsfrist anzuwenden. Das bedeutet, dass der telefonische Fristverlängerungsantrag vom nicht als Anbringen iSd § 85 BAO zu werten ist und keine Rechtfolgen nach sich zieht. Ein als Anbringen iSd § 85 BAO zu qualifizierendes Anbringen stellt erst das schriftliche Fristverlängerungsansuchen vom dar. Abgesehen davon, dass es vom Beschwerdeführer nicht unterschrieben worden war, wurde es nach der in den Mängelbehebungsaufträgen gesetzten Frist, nämlich nach dem , eingebracht, sodass es keine positive Wirkung mehr entfalten konnte. Aufgrund eines nach Ablauf der Frist eingebrachten Antrages darf die Behörde eine Fristverlängerung nicht gewähren (vgl. Ritz, BAO3, § 110 Rz 4).

Ein Zurücknahmebescheid wäre dann gesetzwidrig, wenn kein Mangel im Sinne des § 250 BAO vorgelegen bzw. der Mangel beseitigt oder die gesetzte Frist nicht angemessen gewesen wäre. Da dies unstrittig nicht vorliegt, war das Finanzamt berechtigt festzustellen, dass die Beschwerden vom als zurückgenommen gelten. Der Umstand, dass das Finanzamt die Beschwerden zurückwies und nicht als zurückgenommen erklärte, begründet keine Rechtswidrigkeit, zumal in der Begründung der Beschwerdevorentscheidungen ausgeführt wurde, dass der Beschwerdeführer dem Auftrag, die Mängel der Eingabe zu beheben, nicht fristgerecht entsprochen habe. Daher sei gemäß § 85 Abs. 2 BAO mit Bescheid auszusprechen, dass die Eingabe als zurückgenommen gelte.

Wird einem berechtigten behördlichen Auftrag zur Mängelbehebung überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder zwar innerhalb der gesetzten Frist aber - gemessen an dem sich an den Vorschriften des § 250 Abs 1 BAO orientierten Mängelbehebungsauftrag - unzureichend entsprochen, gilt die Beschwerde kraft Gesetzes als zurückgenommen. Diese Rechtsfolge tritt also ex lege ein, ohne dass es dazu eines Zurücknahmebescheides bedarf. Aus § 263 Abs. 1 lit b BAO ergibt sich jedoch die Verpflichtung, die Bescheidbeschwerde in einer Beschwerdevorentscheidung ausdrücklich als zurückgenommen zu erklären. (vgl. )

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Beschwerden vom mangelhaft iSd § 250 Abs. 1 BAO waren und daher mit einem Mängelbehebungsverfahren gemäß § 85 Abs. 2 BAO vorzugehen war. Da der Beschwerdeführer die Mängel nicht fristgerecht behoben hat, waren die Beschwerden als zurückgenommen zu erklären.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die gegenständliche Entscheidung folgt dem klaren Wortlaut der Bestimmungen der zitierten gesetzlichen Bestimmungen und orientiert sich an der diesbezüglichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, sodass die ordentliche Revision auszuschließen ist.

Aus den dargelegten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 85 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 263 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 250 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.5100020.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at