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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.01.2023, RV/7101109/2021

Wohnungsnutzung durch Gesellschafter: verdeckte Ausschüttung bei erst nachträglichem Vorteilsausgleich

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Hans Blasina in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Südsteirische Steuerberatung GmbH & Co KG, Hauptplatz 7, 8430 Leibnitz, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes 1/23 (nunmehr des Finanzamtes Österreich, § 323b BAO) vom betreffend Haftungsbescheid Kapitalertragsteuer 12.2015, 12.2016, 12.2017, 12.2018 und 12.2019, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Strittig im Verfahren ist, ob die unentgeltliche Nutzung einer Wohnung der GmbH durch die 99%-Gesellschafterin-Geschäftsführerin (in der Folge G genannt) eine verdeckte Ausschüttung darstellt, wenn die Gesellschafterin der Gesellschaft die Aufwendungen aus der Wohnung im Wege von Gesellschafterzuschüssen zum jeweiligen Jahresabschluss im Wesentlichen ersetzt.

Während die Bf den Wohnungsaufwand bilanziell und steuerlich neutralisierte, indem sie den Gesellschafterzuschuss als Erlös buchte, wurde seitens der belangten Behörde der Erlös als steuerneutrale Einlage nicht anerkannt und im Gegenzug der fehlende Ertrag als verdeckte Ausschüttung hinzugerechnet und für den an die Gesellschafterin geflossenen Vorteil der GmbH mittels Haftungsbescheiden KESt vorgeschrieben.

Vom Verwaltungsgericht aufgefordert, Unterlagen zu der jährlichen Saldierung und ihrer Vereinbarung vorzulegen, gibt die Bf mit Eingabe vom an, die Berechnung des Zuschusses und die Einbuchung sei immer erst auf Basis der Jahresbuchhaltung bei Erstellung des Jahresabschlusses erfolgt, die Saldierung sei durch Beschlussfassung jährlich fortgeführt worden.

Die diesbezüglich vorgelegten Beschlüsse betreffen regelmäßig die Genehmigung des Jahresabschlusses und die Entlastung der Geschäftsführung sowie den Punkt "Sonstiges" bzw "Gesellschafterzuschuss zur Verlustabdeckung". Unter diesem Punkt findet sich in den Jahren 2015, 2016 und 2017 der Wortlaut: "Es wird vereinbart, dass vom Verrechnungskonto gegenüber von Frau [G] ein Betrag von EUR [Höhe des Jahresfehlbetrages] als Gesellschafterzuschuss berücksichtigt wird, der den angelaufenen Jahresfehlbetrag [Jahr] von EUR [Jahresfehlbetrag] kompensiert." Im Jahr 2018 lautet der Text: "Es wird vereinbart, dass vom Verrechnungskonto gegenüber von Frau [G] ein Betrag von EUR 28.457,68 als Gesellschafterzuschuss berücksichtigt wird, welcher zur Abdeckung der Aufwendungen für das Objekt ***Adr*** dient." Im Jahr 2019 fehlt ein derartiger Beschluss.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die beschwerdeführende GmbH (Bf) ist Eigentümerin einer Wohnung, deren Anschaffung im Jahr 2012 zur Gänze durch G finanziert worden war, wobei die Anschaffungskosten (rund 1,4 Mio Euro) bei der GmbH gegen das Gesellschafter-Verrechnungskonto (als Verbindlichkeit gegenüber der G) gebucht worden waren.

In den Streitjahren bewohnte G die Wohnung der Bf, ohne dafür Miete zu bezahlen. Ein fremdüblicher Mietzins hätte jährlich 29.118 Euro betragen. Im gesamten Zeitraum war G zu 99 % an der Bf beteiligt und deren Geschäftsführerin.

Zu der von der Bf vorgetragenen Vereinbarung, dass G der Bf den die Wohnung betreffenden Aufwand ersetzt, indem immer zum Jahresende in gleicher Höhe ein Gesellschafterzuschuss geleistet wird, gibt es keine Unterlagen. Lediglich im Gesellschafterbeschluss vom über den Jahresabschluss 2018 findet sich der Hinweis, dass der Gesellschafterzuschuss dazu dient, die Aufwendungen für die Wohnung abzudecken.

Der Buchungssatz, mit dem - regelmäßig erst nach Ablauf des Wirtschaftsjahres im Rahmen der Bilanzerstellung - die Buchung erfolgte, lautete immer "3800 Verrechnungskonto / 8840 Gesellschafterzuschuss Verlustabdeckung", der Buchungstext "Verlustabdeckung Auflös.Ges.Zuschuss" oder ähnlich. Die Einbuchung erfolgte immer erst nach Ablauf des Wirtschaftsjahres im Zuge der Bilanzerstellung zusammen mit den übrigen Abschlussbuchungen zum 31.12. jeden Jahres.

In den Jahren 2015-2017 hat die Bf keinerlei betriebliche Tätigkeit entfaltet. Es wurden keine Erträge verbucht, Aufwendungen beschränkten sich auf die AfA und Betriebskosten der Wohnung sowie Steuerberatung, Geschäftsführerhonorar fiel keines an. Die von der G gegebenen Zuschüsse deckten sich daher mit dem jeweiligen Jahresfehlbetrag:
2015 32.111,02 Euro
2016 24.719,32 Euro
2017 29.216,98 Euro
Im Jahr 2018 standen Erlösen von 36.066,44 Euro bezogene Fremdleistungen von 26.604,66 Euro gegenüber (Saldo daraus 9.461,78 Euro). Nach Leistung eines Zuschusses der G in Höhe von 28.457,68 Euro verblieb ein Bilanzgewinn von 6.461,78 Euro, der vorgetragen wurde.
Im Jahr 2019 sind Leistungserlöse in Höhe von 812,50 Euro verbucht. Nach Leistung eines Zuschusses der G in Höhe von 33.541,09 Euro verblieb inklusive Gewinnvortrag aus dem Vorjahr ein Bilanzgewinn von 7.274,28 Euro, der neuerlich vorgetragen wurde. Der Zuschuss der G deckte somit im Jahr 2019 wieder den gesamten Aufwand der Bf ab.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus den unbedenklichen Parteienvorbringen. Die Höhe einer fremdüblichen Miete ergibt sich aus den Feststellungen der belangten Behörde, deren Werte dem von der Bf vorgelegten Nutzwertgutachten entnommen sind. Die übrigen Werte ergeben sich aus den vorgelegten Buchhaltungsunterlagen.

Dass es zur behaupteten und angeblich von vornherein vereinbarten Saldierung des Wohnungsaufwandes keine Unterlagen gibt, ergibt sich daraus, dass trotz Aufforderung durch das Bundesfinanzgericht keine diesbezüglichen Vereinbarungen vorgelegt worden sind. Die von der G geleisteten Gesellschafterzuschüsse decken immer den gesamten Jahresfehlbetrag bzw. im Jahr 2018 3.000 Euro weniger als dem Erfolg aus der betrieblichen Tätigkeit entspricht und 2019 den Jahresfehlbetrag abzüglich Erlöse. Ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Wohnungsnutzung kann nicht hergestellt werden, weil weder die Buchungssätze noch die Gesellschafterbeschlüsse dafür einen Anhaltspunkt geben.

Der einzig im Gesellschafterbeschluss 2018 eingeflossene Halbsatz zur Abdeckung der Aufwendungen für die Wohnung vermag keinen durchgängigen darauf gerichteten - und schon gar nicht ursprünglich vorhandenen - Willen nachweislich zu begründen. Aufgrund der Einmaligkeit und des gänzlichen Fehlens von weiteren Anhaltspunkten dafür, dass allgemeine Gesellschafterzuschüsse eigentlich Kostenersatz für Wohnungsaufwand darstellen sollten, kann diesem punktuellen Ereignis nichts für die steuerliche Behandlung des Sachverhaltes abgewonnen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung liegt eine verdeckte Ausschüttung vor, wenn kumulativ folgende Merkmale gegeben sind (vgl zB Raab/Renner in Lachmayr/Strimitzer/Vock (Hg), KStG32 (2019), § 8 Tz 723 mwN):

  1. Zuwendung eines (geldwerten) Vorteils;

  2. Eigentums- oder Nahebeziehung des Vorteilsempfängers zur Körperschaft;

  3. Bereicherung des Empfängers zulasten der Gesellschaft;

  4. auf Vorteilsgewährung gerichtete Willensentscheidung der GmbH.

Die Eigentumsbeziehung der die Wohnung nutzenden G ist durch den 99%-Anteil eindeutig gegeben. Dass eine kostenlose Wohnungsnutzung durch die G ein Zuwendungsakt der Bf ist, durch den die Gesellschafterin zulasten der Gesellschaft bereichert ist, ist evident.

Ob die Überlassung der Wohnung auch mit Bereicherungswillen der Bf erfolgt ist, bedarf einer näheren Betrachtung. Hier wird seitens der Bf vorgebracht, es sei von Anfang an vorgesehen gewesen, dass die G der Bf ihren Wohnungsaufwand ersetzt, was durch die jährliche Reduzierung der Finanzierungsforderung der G an die Bf auch erfolgt sei.

Verträge zwischen Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern werden an jenen Kriterien gemessen, die für die Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen entwickelt wurden. Die Vereinbarung muss demnach nach außen ausreichend zum Ausdruck kommen, einen klaren und eindeutigen Inhalt haben und auch zwischen Fremden unter den gleichen Bedingungen abgeschlossen werden (vgl. , mwN; , 2009/15/0215). Dabei handelt es sich zunächst um eine Tatfrage, die auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens in freier Beweiswürdigung zu lösen ist (). Vgl zu alldem zuletzt .

Diese Merkmale müssen kumulativ vorliegen. Im konkreten Fall fehlt es bereits sowohl an einer außenwirksamen Vereinbarung als auch an einem klaren Inhalt. Die Gesellschafterbeschlüsse zielen bloß allgemein auf die Verlustabdeckung der Bf durch G ab, ohne einen Konnex mit der Wohnungsnutzung herzustellen. Einzig der Beschluss vom erwähnt das Abdecken des Wohnaufwandes.

Für eine entsprechende Außenwirkung und hinreichende Deutlichkeit muss ersichtlich sein, dass die Vereinbarung bereits ursprünglich bestanden hat, sie muss also schon im Voraus existieren. Auch davon kann bei einem Schriftstück vom Oktober 2019 für einen seit 2015 bestehenden Zustand nicht ausgegangen werden.

Letztlich kann auch ausgeschlossen werden, dass eine GmbH mit einem fremden Dritten vereinbart hätte, eine Wohnung gegen bloßen im Nachhinein erfolgenden Kostenersatz zu überlassen. Es ist somit nicht nur eines der Merkmale für Verträge zwischen nahen Angehörigen nicht erfüllt (was für ein Nichtanerkennen genügen würde), sondern gleich alle.

Es verbleibt noch die Möglichkeit, im jährlichen Zuschuss ein Rückgängigmachen des erhaltenen Vorteils zu sehen. Verdeckte Ausschüttungen können aber nach Ablauf des jeweiligen Jahres nicht mit steuerlicher Wirkung rückgängig gemacht werden (). Die in einem Vorjahr als verdeckte Gewinnausschüttung erfolgte Vorteilsgewährung kann durch eine Korrekturhandlung (nachträgliche Aufnahme einer Forderung in der Bilanz des Verkaufsjahres) nicht mehr rückgängig gemacht werden (). Somit scheidet auch diese Möglichkeit aus, weil die jährlichen Gesellschafterzuschüsse immer erst im Zuge der Abschlussbuchungen und damit nach Ende des betreffenden Jahres eingebucht wurden und erst im Rahmen der Genehmigung des Jahresabschlusses beschlossen wurden.

Als letzter Ausweg käme noch ein Vorteilsausgleich in Betracht zwischen der Finanzierung des Liegenschaftserwerbes durch die G und ihrer anschließenden Nutzung der Wohnung. Wird einer an sich als verdeckte Gewinnausschüttung zu beurteilenden Vorteilsgewährung einer Kapitalgesellschaft an einen ihrer Gesellschafter eine Vorteilsgewährung des Gesellschafters an die Gesellschaft entgegengehalten (sogenannter Vorteilsausgleich), so führt dies für sich allein noch nicht dazu, das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung zu verneinen. Vielmehr muss eine innere Beziehung der Rechtsgeschäfte, innerhalb derer der Vorteilsausgleich erfolgen soll, bestehen und es ist auch grundsätzlich erforderlich, dass eine ausdrückliche (eindeutige) wechselseitige Vereinbarung über den Vorteilsausgleich getroffen wird (; , 96/15/0015). Damit scheitert auch ein Vorteilsausgleich, weil es keine diesbezügliche eindeutige Vereinbarung gibt.

Eine der Voraussetzungen der verdeckten Ausschüttung ist eine subjektive, auf Vorteilsgewährung gerichtete Willensentscheidung der Körperschaft. Dabei sieht es der Verwaltungsgerichtshof als zulässig an, aus den Umständen des betreffenden Falles, zumeist aus der offenkundigen tatsächlichen Vorteilsgewährung, auf die Absicht der Vorteilsgewährung zu schließen ( mwN; vgl zuletzt
Ra 2017/15/0039 mwN).

Aufgrund des bis Oktober 2019 völligen Fehlens von Hinweisen, dass die jährliche Abdeckung des Bilanzverlustes eigentlich den Vorteil aus der seit 2015 bestehenden Wohnungsnutzung abdecken sollte, wegen des nach dem Gesellschafterbeschluss über die Bilanz 2018 wiederum fehlenden Hinweises und aufgrund der auch sonst weder außenwirksam noch fremdüblich gestalteten Vertragsbeziehungen ist davon auszugehen, dass der im Beschluss vom punktuell behauptete Konnex im gesamten Zeitraum nicht gegeben war. Aufgrund des Gesamtbildes dieser Verhältnisse war daher regelmäßig davon auszugehen, dass die Gesellschaft ihre Gesellschafterin mit der Wohnungsüberlassung bereichern wollte.

Ein im Verfahren nicht releviertes Aufgehen des Vorteils in der "Gesamtausstattung" eines Geschäftsführerbezuges erscheint dem Bundesfinanzgericht auch nicht amtswegig prüfenswürdig, weil die Bf im weitaus überwiegenden Teil des Streitzeitraumes keine wirtschaftliche Aktivität entfaltet hat. Damit erschiene ein jährlicher Vorteil von 29.118 Euro einen allenfalls gebührenden fremdüblichen Geschäftsführerbezug derart deutlich zu übersteigen, dass darauf nicht näher einzugehen war.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Aufgrund der reichhaltigen zitierten Judikatur, in deren Rahmen sich das Erkenntnis bewegt, war die Revision nicht zuzulassen, zumal die Frage des Bereicherungswillens auf Ebene der Beweiswürdigung zu lösen war und damit keine Rechtsfrage darstellt.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7101109.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at