Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 02.03.2023, RV/6100320/2021

Die Aufhebung des Rechtsgeschäftes und das Unterbleiben seiner Ausführung heben die entstandene Gebührenschuld nicht auf.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rechtsgeschäftsgebühr, Steuernummer ***BF1StNr1***, Erfassungsnummer 10-2020, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Vertrag

Mit Schriftsatz vom wurden von der Bank-GmbH mehrere Leasingverträge beim Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel zur Anzeige gebracht.

Darunter ein von der L-GmbH, als Leasinggeber, mit der Beschwerdeführerin (kurz: Bf), FN-h, damals noch mit dem Firmennamen K-GmbH, als Leasingnehmer, abgeschlossener Leasingvertrag.

Der Vertrag wurde am 08.03./ unterzeichnet. Leasingobjekt laut Punkt A. des Vertrages war ein Büroobjekt ob der Liegenschaft EZ-1, Gst.-Nr. XY, GB-3. Der Leasingvertrag wurde auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Als monatliches Leasingentgelt wurde ein Betrag von € 7.064,68 vereinbart. In Punkt B. "I. NEBENKOSTEN" verpflichtete sich die Leasingnehmerin die im Vertrag näher bezeichneten Kosten zu begleichen. Weiters sind die Parteien in VP. A. III. Abs. (7) übereingekommen, dass die Leasingnehmerin zur Abdeckung der internen Kosten des Leasinggebers eine einmalige Bearbeitungsgebühr in Höhe von € 12.875,00 zu entrichten hat.

Bescheid

Unter Zugrundelegung der oben dargestellten Parameter (Vertrag auf unbestimmte Zeit, mtl. Leasingentgelt + geschätzte Nebenkosten zuzüglich einmalige Bearbeitungsgebühr) ermittelte das Finanzamt eine Bemessungsgrundlage in Höhe von € 292.636,40 und setzte die Gebühr gemäß § 33 TP 5 Abs. 1 Z 1 GebG mit € 2.926,36 'vorläufig' fest.

Die Festsetzung erfolgte gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig, da der Umfang der Abgabepflicht noch ungewiss sei.

Beschwerde

Dagegen wurde mit Schriftsatz vom (Postaufgabedatum: ) Beschwerde erhoben und vorgebracht:

Der Bescheid sei erst am zugegangen. Der gegenständliche Leasingvertrag sei bis dato nicht zustande gekommen, da sich der geplante Ankauf der Liegenschaft verzögert hat. Es sei nicht abzusehen, ob der Kauf der Immobilie und in weiterer Folge der Leasingvertrag überhaupt noch zu Stande kommen wird.

Beschwerdevorentscheidung

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung ab und begründete dies im Wesentlichen mit § 17 Abs. 4 und Abs. 5 GebG. Die vorläufige Festsetzung wurde bestätigt, da die Kosten noch ungewiss seien.

Vorlageantrag

Innerhalb offener Frist wurde dagegen Rechtsmittel erhoben und vorgebracht, dass der Leasingvertrag mit beiliegendem Aufhebungsvertrag vom aufgehoben worden sei. Es werde daher ersucht, den gegenständlichen Bescheid zu stornieren.

Vorlage an das Verwaltungsgericht

Mit Bericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde und die Teile des Verwaltungsaktes laut Aktenverzeichnis an das Bundesfinanzgericht vor.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Am 08.03./ unterzeichneten die Leasinggeberin und die Bf den beschwerdegegenständlichen Leasingvertrag.

Der Kaufvertrag über die Liegenschaft wurde nicht unterfertigt. Das Leasingprojekt wurde nicht umgesetzt. Der Leasingvertrag wurde zu den im Aufhebungsvertrag vom vereinbarten Bedingungen aufgehoben.

2. Beweiswürdigung

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind aktenkundig und ergeben sich insbesondere aus dem vorliegenden Leasing- sowie Aufhebungsvertrag und sind insoweit unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Strittig ist im vorliegenden Verfahren ausschließlich die Beantwortung der Frage, ob das Unterbleiben der Ausführung des Leasingvertrages oder die spätere Aufhebung dessen einen Einfluss auf die Vertragsgebühr haben.

Den Rechtsgebühren (III. Abschnitt) unterliegen die im Tarif des § 33 GebG aufgezählten Rechtsgeschäfte. Nach § 15 Abs. 1 GebG sind solche Rechtsgeschäfte grundsätzlich nur dann gebührenpflichtig, wenn über sie eine Urkunde verfasst wird. Die Gebührenpflicht setzt also voraus, dass über das Rechtsgeschäft zu Beweiszwecken eine Schrift, eine (förmliche) Urkunde errichtet wird (vgl. Zl. 93/16/0014). Ist der Inhalt der Schrift geeignet, über ein abgeschlossenes Rechtsgeschäft Beweis zu machen, wird die Gebührenpflicht ausgelöst (vgl. Zl. 2006/16/0163, mwN).

Gemäß § 33 Tarifpost 5 (Bestandverträge) des Gebührengesetzes 1957 (GebG) unterliegen Bestandverträge (§§ 1090 ff ABGB) und sonstige Verträge, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält, einer Rechtsgebühr von 1 vH nach dem Wert.

Gemäß § 16 Abs. 1 Z 1 lit. a) GebG entsteht die Gebührenschuld, wenn die Urkunde über das Rechtsgeschäft im Inland errichtet wird, bei zweiseitig verbindlichen Rechtsgeschäften, wenn die Urkunde von den Vertragsteilen unterzeichnet wird, im Zeitpunkte der Unterzeichnung.

§ 17 GebG hat folgenden Wortlaut:

" (1) Für die Festsetzung der Gebühren ist der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgebend. Zum Urkundeninhalt zählt auch der Inhalt von Schriften, der durch Bezugnahme zum rechtsgeschäftlichen Inhalt gemacht wird.

(2) Wenn aus der Urkunde die Art oder Beschaffenheit eines Rechtsgeschäftes oder andere für die Festsetzung der Gebühren bedeutsame Umstände nicht deutlich zu entnehmen sind, so wird bis zum Gegenbeweise der Tatbestand vermutet, der die Gebührenschuld begründet oder die höhere Gebühr zur Folge hat.

(3) Der Umstand, dass die Urkunde nicht in der zu ihrer Beweiskraft erforderlichen Förmlichkeit errichtet wurde, ist für die Gebührenpflicht ohne Belang.

(4) Auf die Entstehung der Gebührenschuld ist es ohne Einfluss, ob die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäftes von einer Bedingung oder von der Genehmigung eines der Beteiligten abhängt.

(5) Die Vernichtung der Urkunde, die Aufhebung des Rechtsgeschäftes oder das Unterbleiben seiner Ausführung heben die entstandene Gebührenschuld nicht auf. "

Als wesentlicher Grundsatz des Gebührenrechts ist im § 17 Abs. 1 GebG bestimmt, dass für die Festsetzung der Gebühren der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgebend ist (vgl. zB , vom , 83/15/0181, 0182, vom , 84/15/0161, vom , 85/15/0130, vom , 85/15/0155, vom , 86/15/0138, vom , 87/15/0071, 0072, vom , 88/15/0171, vom , 89/15/0140, vom , 90/15/0101 vom , 95/16/0278, vom , 2004/16/0254, vom , 2004/16/0165, vom , 2009/16/0257, und vom , Ro 2016/16/0011; vgl. Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band I, § 17 GebG Rz 1).

Im Abs. 1 des § 17 GebG ist damit als Prinzip - Urkundenprinzip - festgelegt, dass für die Beurteilung der Gebührenschuld der schriftlich festgelegte Inhalt der Urkunde maßgebend ist (vgl. ; , vom , 92/16/0159, vom , 94/16/0112, vom , 2006/16/0112, und vom , 2009/16/0257; vgl. Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band I, § 17 GebG Rz 2).

Im § 17 Abs. 5 GebG 1957 ist angeordnet, dass die Aufhebung des Rechtsgeschäftes oder das Unterbleiben seiner Ausführung die entstandene Gebührenschuld nicht aufhebt (vgl. , und vom , 89/15/0140).

Die entstandene Gebührenschuld kann also durch nachträgliche Ereignisse grundsätzlich nicht mehr beseitigt werden. Dabei ist es gleichgültig, ob die Ausführung des Rechtsgeschäftes stillschweigend oder als Folge einer vertraglichen Abänderung oder Aufhebung unterblieben ist.

In der Vorschrift des § 17 Abs. 5 GebG kommt der für die Verkehrsteuern geltende Grundsatz zum Ausdruck, dass die einmal entstandene Gebührenpflicht durch nachträgliche Ereignisse nicht wieder beseitigt werden kann (, vom , 92/16/0160, vom , 2001/16/0490, 0516, und vom , 2007/16/0230; vgl. Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band I, § 17 GebG Rz 36).

Die mit der Unterzeichnung oder Aushändigung der Urkunde entstandene Gebührenschuld kann somit nachträglich nicht mehr beseitigt werden. Grundsätzlich können spätere Änderungen eine bereits entstandene Steuerschuld nur dann wegfallen lassen, wenn sie einen steuervernichtenden Tatbestand erfüllen (, 15/1307/80); ein solcher steuervernichtender Tatbestand ist dem Gebührenrecht nicht nur fremd, aus § 17 Abs. 5 GebG ergibt sich vielmehr ausdrücklich, dass spätere Änderungen nicht zu berücksichtigen sind.

Es ist unmaßgeblich, ob das beurkundete Rechtsgeschäft in weiterer Folge aufrechterhalten und ob oder wie es ausgeführt wird (, vom , 90/15/0101, vom , 91/15/0140, vom , 92/16/0159, vom , 94/16/0045, 0104, und vom , 2001/16/0606).

Eine nachträgliche Aufhebung oder das Unterbleiben der Ausführung eines bereits zustandegekommenen (abgeschlossenen) Rechtsgeschäftes vermag die Gebührenschuld nicht aufzuheben. Die nachträgliche vertragliche Beseitigung der durch den Vertragsabschluss begründeten Rechte und Pflichten der Vertragsparteien ist gebührenrechtlich unbeachtlich ().

Der Umstand, dass das Bestandobjekt nicht übergeben wurde, kann an der entstandenen Gebührenschuld nichts ändern (vgl. ; ; vgl. Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band I, § 17 GebG Rz 37).

Im gegenständlichen Beschwerdefall wurde der Leasingvertrag von beiden Vertragsparteien unterzeichnet. Damit ist gemäß § 16 Abs. 1 Z 1 lit. a) GebG die Gebührenschuld für das Rechtsgeschäft entstanden.

Aus den oben zitierten einschlägigen Rechtsprechung ergibt sich, dass die spätere Nichtumsetzung des Leasingvertrages und auch die vertraglich dokumentierte Aufhebung der Leasingvereinbarung eine einmal entstandene Gebührenschuld nachträglich nicht aufheben können.

Der angefochtene Bescheid (vorläufige Festsetzung) entspricht daher der Rechtslage, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine ordentliche Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG unzulässig, da sich das Bundesfinanzgericht bei der Lösung der anstehenden Rechtsfragen auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut und auf die im Erkenntnis zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützen konnte.

Im Revisionsfall liegt somit bereits aus diesem Grund eine klare bzw. geklärte Rechtslage vor.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.6100320.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at