Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 01.03.2023, RV/2100091/2023

Zurückweisung des Vorlageantrages wegen Verspätung

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Martin Christoph Wittmann in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, betreffend Beschwerde vom gegen die Bescheide des ***FA*** jeweils vom betreffend Abweisung der Anträge gemäß § 303 Abs. 1 BAO jeweils vom auf Wiederaufnahme der mit Einkommensteuerbescheiden betreffend die Jahre 2016 bis 2019 abgeschlossenen Verfahren, Steuernummer ***BF1StNr1***, beschlossen:

Der Vorlageantrag wird gemäß § 264 Abs. 4 lit. e BAO iVm § 260 Abs. 1 lit. b BAO als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Verfahrensgang

Mit Bescheiden des Finanzamtes Österreich jeweils vom wurden die Anträge gem § 303 Abs 1 BAO jeweils vom auf Wiederaufnahme der mit Einkommensteuerbescheiden betreffend die Jahre 2016 bis 2019 abgeschlossenen Verfahren abgewiesen.

Dagegen wurde fristgerecht mit Eingabe vom Beschwerde eingebracht.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom , elektronisch zugestellt am selben Tag über die Databox von FinanzOnline (im Folgenden: FOn), hat das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Dagegen wurde mit Eingabe vom ein Vorlageantrag eingebracht.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht (im Folgenden: BFG) vor und verwies dabei ua auf die verspätete Einbringung des Vorlageantrages durch den Bf.

Mit Schreiben vom forderte das BFG die Verfahrensbetreuung JVP auf, diverse Fragen betreffend die elektronische Zustellung via FOn im Beschwerdefall zu beantworten.

Am wurde dieser Vorhalt wie folgt beantwortet:

"1. die Zustimmung zur elektronischen Zustellung war in folgenden Zeiträumen aktiviert:

von 2012-03-09 13:18 Uhr bis 2021-11-08 09:27 Uhr

von 2021-11-09 11:23 Uhr bis aktuell laufend

2. Der Bf. war im o.a. Zeitraum Fon-Teilnehmer (seit , zuletzt zurückgesetzt am )

3. Die BVE ("Sonstiges Schriftstück" von GDV) wurde an SID ***1*** am 2022-06-21 um 08:58 Uhr in die Nachrichten (ehemals Databox) zugestellt.

4. Die BVE wurde am 2022-06-22 um 08:09 Uhr gelesen."

Über die Beschwerde wurde erwogen

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) war bzw ist - ununterbrochen - von , 13:18 h, bis , 9:27 h, sowie von , 11:23 h, bis dato FOn-Teilnehmer und hat einer elektronischen Zustellung von rechtsverbindlichen Schriftstücken des Finanzamtes wie Bescheiden, Beschwerdevorentscheidungen, etc via FOn zugestimmt (Aktivierung elektronische Zustellung).

Die bekämpfte Beschwerdevorentscheidung vom wurde dem Bf am selben Tag elektronisch und amtssigniert in die Databox seines FOn-Kontos zugestellt.

Die einmonatige Frist zur Einbringungen eines Vorlageantrages begann daher am zu laufen und endete mit .

Der Bf hat zudem die Beschwerdevorentscheidung am , also am folgenden Tag, um 8:09 h im FOn abgerufen (ausgelesen).

Der Bf stellte am per Fax einen Vorlageantrag, der am selben Tag bei der belangten Behörde einlangte.

Beweiswürdigung

Die getroffenen Sachverhaltsfeststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt sowie aus der Vorhaltsbeantwortung der Verfahrensbetreuung JVP des Finanzamtes Österreich vom .

Dass die Beschwerdevorentscheidung nicht ordnungsgemäß an den Bf zugestellt worden ist, wurde nicht behauptet. Der Umstand der Verspätung wurde dem Bf durch Übermittlung des Vorlageberichtes bekannt, worin die belangte Behörde - unter Anführung der maßgeblichen Umstände - die Zurückweisung des Vorlageantrages beantragt hat. Dem Vorlagebericht kommt Vorhaltscharakter zu (vgl bereits Stoll, BAO, 2713, samt Judikaturnachweisen und zB ). Hält der Bf die Feststellung der verspäteten Einbringung für unzutreffend, hätte er sich zeitgerecht dazu äußern können. Eine derartige Äußerung ist aber nicht erfolgt, obwohl die belangte Behörde ausdrücklich auf die Versäumung der Frist hingewiesen hat.

Vor diesem Hintergrund nahm das Bundesfinanzgericht den oben festgestellten Sachverhalt gem § 167 Abs 2 BAO als erwiesen an.

Rechtsgrundlagen

Gem § 264 Abs 1 BAO kann gegen eine Beschwerdevorentscheidung innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag).

Gem § 264 Abs 4 lit e BAO ist § 260 Abs 1 BAO sinngemäß anzuwenden.

Gem § 260 Abs 1 lit b BAO ist eine Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie nicht fristgerecht eingebracht wurde.

Die Zurückweisung nicht fristgerecht eingebrachter Vorlageanträge obliegt gem § 264 Abs 5 BAO dem Verwaltungsgericht.

Erledigungen werden gem § 97 Abs 1 BAO dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt gem § 97 Abs 1 lit a leg cit bei schriftlichen Erledigungen, wenn nicht in besonderen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen vorgesehen ist, durch Zustellung. An Stelle der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung einer behördlichen Erledigung kann durch Verordnung des Bundesministers für Finanzen die Mitteilung des Inhalts von Erledigungen auch im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise vorgesehen werden (Abs 3 leg cit).

Die FinanzOnline-Verordnung 2006 (im Folgenden: FOnV), BGBl II 2006/97 idF BGBl II 2022/190, ist eine Verordnung iSd § 97 Abs 3 zweiter Satz BAO.

§ 1 Abs 1 FOnV regelt automationsunterstützte Datenübertragungen in Bezug auf Anbringen (§ 86a BAO), Erledigungen (§ 97 Abs 3 BAO), Akteneinsicht (§ 90a BAO) und Entrichtung (§ 211 Abs 5 BAO), soweit nicht eigene Vorschriften bestehen.

Nach § 5b Abs 1 FOnV 2006 haben die Abgabenbehörden nach Maßgabe ihrer technischen Möglichkeiten Zustellungen an Empfänger, die Teilnehmer von FOn sind, elektronisch vorzunehmen. Außerdem hat jeder Teilnehmer in FOn, der an der elektronischen Form der Zustellung über FOn teilnimmt, in FOn eine E-Mailadresse anzugeben, wenn er über die elektronische Zustellung informiert werden möchte. Die Wirksamkeit der Zustellung der Erledigung selbst wird durch die Nichtangabe, durch die Angabe einer nicht dem Teilnehmer zuzurechnenden oder durch die Angabe einer unrichtigen oder ungültigen E-Mailadresse nicht gehindert (§ 5b Abs 2 FOnV 2006).

Gem § 98 Abs 2 BAO gelten elektronisch zugestellte Dokumente als zugestellt, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind.

Rechtliche Beurteilung

"FinanzOnline" ist ein Verfahren für den elektronischen Rechtsverkehr zwischen Parteien (§ 78 BAO) und bestimmten gewillkürten Parteienvertretern (§ 83 BAO) einerseits und Abgabenbehörden (§ 49 BAO) andererseits. Es ermöglicht automationsunterstützte Datenübertragungen in Bezug auf Anbringen (§ 86a BAO), Erledigungen (§ 97 Abs 3 BAO) und Akteneinsicht (§ 90a BAO; vgl Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I3, 2021, § 1 FOnV 2006, Rz 1).

Der Zeitpunkt, an dem die Daten in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind (und damit gem § 98 Abs 2 BAO als zugestellt gelten), ist bei FOn der Zeitpunkt der Einbringung der Daten in die Databox, zu der der Empfänger Zugang hat Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3, § 98, Anm 8; Ritz/Koran, BAO7, § 98, Tz 4; , vgl auch zB jüngst ).

Auf das tatsächliche Einsehen der Databox durch den FOn-Teilnehmer zB durch Öffnen, Lesen oder Ausdrucken eines Bescheides kommt es nicht an (vgl zB jüngst sowie ).

Für den FOn-Teilnehmer besteht die Möglichkeit, die elektronische Zustellung in die Databox abzuwählen und Bescheide mittels Zustellung durch die Post zu erhalten. Durch Aktivierung des Optionsschalters kann die Verständigung mittels E-Mail im Fall einer behördlichen Zustellung in die Nachrichten beantragt werden. Eine E-Mail-Verständigung erfolgt jedoch nur, wenn auch eine E-Mailadresse in den Grunddaten gespeichert ist.

Im Beschwerdefall wurde die Beschwerdevorentscheidung vom dem Bf am selben Tag, nämlich am , in seine Databox des FOn-Kontos zugestellt.

Im Vorlagebericht hat das Finanzamt darauf hingewiesen, dass der Vorlageantrag verspätet ist. Dieser Feststellung wurde vom Bf nicht widersprochen. Dem Vorlagebericht kommt Vorhaltscharakter zu (vgl. zB ; ua.).

Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, ist der Zeitpunkt, an dem die Daten in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind, bei FOn der Zeitpunkt der Einbringung der Daten in die Databox. Mit diesem Tag beginnen auch die Rechtsmittelfristen zu laufen. Die einmonatige Frist für die Einbringung des Vorlageantrages begann daher mit der Zustellung in die Databox am zu laufen und endete am . Der ggst Vorlageantrag wurde vom Bf erst am per Fax eingebracht und war somit verspätet.

Zudem hat auch das BFG Ermittlungen angestellt, um zu überprüfen, ob der eingebrachte Vorlageantrag tatsächlich verspätet war (Antwortschreiben der Verfahrensbetreuung JVP vom ).

Somit ist die Beschwerdevorentscheidung vom in Rechtskraft erwachsen und konnte das beantragte Pendlerpauschale, das der Bf laut eigenen Angaben "irrtümlich vergessen [hatte] zu beantragen" - unpräjudiziell, ob in casu überhaupt ein Wiederaufnahmegrund nach § 303 Abs 1 BAO vorgelegen wäre - nicht berücksichtigt werden.

Wird nämlich ein Rechtsmittel wegen verspäteter Einbringung zurückgewiesen, so ist Beweisthema im Rechtsmittelverfahren ausschließlich die Versäumung der Beschwerdefrist. Auf das materielle Beschwerdevorbringen kann daher nicht eingegangen werden (vgl Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3, § 260, E 64, mit Verweis auf ). Im Falle der verspäteten Einbringung des Vorlageantrages ist es dem BFG folglich verwehrt, eine meritorische Entscheidung zu treffen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Unzulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da sich die Rechtsfolge der Zurückweisung des Vorlageantrages unmittelbar aus den zitierten gesetzlichen Bestimmungen, der FOnV sowie der erwähnten Judikatur des VwGH ergab, lag keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, sodass eine Revision nicht zuzulassen war.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 260 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.2100091.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at