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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.02.2023, RV/7103071/2022

Keine Familienbeihilfe bei Beendigung des Lehrverhältnisses - trotz Berufsschulbesuch

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Regina Vogt in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung von Familienbeihilfe ab Jänner 2022, SVNr. ***4***, Steuernummer ***5***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf.) beantragte am die (Weiter-)Gewährung von Familienbeihilfe für ihren Sohn ***1***, geb. am ***3***, da sich dieser weiterhin in Berufsausbildung befinde und zwar für den Zeitraum Juni 2021 bis Juli 2022. Angefügt war die Schulbesuchsbestätigung der Berufsschule ***6***, ausgestellt am , wonach ***1*** von bis die Klasse 3FA der Schule besuche.

Mit Ergänzungsersuchen vom wurde die Bf. ersucht, den Lehrvertrag vorzulegen. Dieses blieb unbeantwortet.

Lt. Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe vom wurde diese der Bf. bis Dezember 2021 gewährt.

Mit Bescheid vom wurde ihr Antrag ab Jänner 2022 abgewiesen.

Die Begründung lautet:

"Was ist eine Berufsausbildung?

Das Kind verwendet seine überwiegende Zeit dazu, praktisches und theoretisches

Fachwissen zu erlernen und schließt diese Ausbildung mit einer Abschlussprüfung ab. Die

Ausbildung hat eine angemessene Unterrichtsdauer und ist nicht auf Allgemeinbildung wie

zum Beispiel Sprachkurse ausgerichtet."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom in der die Bf. darauf hinweist, dass ihr Sohn noch immer weiterhin die Berufsschule für seine Berufsausbildung besuche. Er verwende seine überwiegende Zeit dazu, praktisches und theoretisches Fachwissen zu erlernen und werde diese Ausbildung mit einer Abschlussprüfung abschließen.

Beigelegt waren erneut die bereits erwähnte Schulbesuchsbestätigung sowieeine Art Formular der WKO Wien/Lehrlingsstelle übertitelt:

"Vereinbarung Berufsschule".

Ausgestellt wurde diese vom Lehrherrn des Sohnes am und besagt, dass ***1*** im Zeitraum bis während der Arbeitszeit unter Fortzahlung des Entgeltes die Berufsschule besuchen darf.

Am Ende der Vereinbarung findet sich folgender Satz:

"Diese Vereinbarung wird durch die Verkürzung der Lehrzeit nach § 28 Abs. 3 BAG und die dadurch entstehende Differenz zwischen Lehrzeit und Berufsschulzeit notwendig.

Als Zeitraum tragen Sie bitte die die Lehrzeit übersteigende Berufsschulzeit ein."

Mit einem weiteren Ergänzungsersuchen vom wurde die Bf. um Vorlage folgender Unterlagen ersucht:

Bestätigung der Berufsschule, aus der ersichtlich wird wie viele Tage pro Woche die Berufsschule besucht wird,

Bestätigung der Wirtschaftskammer über den Zeitpunkt der Anmeldung zur

Lehrabschlussprüfung, falls bereits vorhanden.

Lehrabschlussprüfungszeugnis oder Schreiben der Kammer bezüglich Prüfungstermin, falls bereits vorhanden

Auch dieses Ergänzungsersuchen blieb unbeantwortet.

In der Folge wurde die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom abgewiesen und als Begründung folgendes ausgeführt:

"Ihr Sohn ***1*** war im Zeitraum - als Lehrling bei der Firma

***2*** gemeldet.

Im Schuljahr 2021/2022 besucht er noch die dritte Klasse der Berufsschule ***6***.

Dieser Besuch der Berufsschule findet offensichtlich nur 1 Mal wöchentlich

statt. Eine genaue Bestätigung haben Sie trotz Aufforderung nicht vorgelegt.

Da Ihr Sohn aber seit bereits beschäftigt ist, kann nicht angenommen werden,

dass er die überwiegende Zeit für die Berufsausbildung verwendet."

Die belangte Behörde stützte die abweisende Entscheidung offenbar auf eine dem Bundesfinanzgericht vorgelegte Abfrage bezüglich der Versicherungsdaten von ***1***,

wonach er von bis Angestelltenlehrling war und ab Angestellter.

Im Vorlageantrag vom verwies die Bf. erneut auf die bereits vorgelegte Schulbesuchsbestätigung sowie darauf, dass im letzten Lehrjahr ein Schulbesuch nurmehr 1x pro Woche vorgesehen sei und legte ergänzend die Anmeldung und die Einzahlungsbestätigung für den Besuch des Lehrabschlussvorbereitungskurses vor.

Dort wurden folgende Kurszeiten angeführt:

26.04., 03.05., 10.05. jeweils von 16:40 - 19:20 Uh

Die Schulleitung teilte der belangten Behörde per E-Mail vom mit, dass die Schule erfolgreich abgeschlossen worden sei.

Mit Vorhalt des Bundesfinanzgerichtes vom wurde die Bf. ersucht, innerhalb von drei Wochen ab Zustellung folgende Unterlagen vorzulegen:

  1. den Lehrvertrag mit Beginn und Ende des Lehrverhältnisses,

  2. der Arbeitsvertrag mit Beginn des Angestelltenverhältnisses,

  3. das Lehrabschlussprüfungszeugnis.

Die Zustellung dieses Schreibens erfolgte durch Hinterlegung am (erster Tag der Abholfrist), die Frist, an deren Ende eine Beantwortung spätestens zur Post gegeben hätte werden müssen, endete daher am .

Bis dato ist keine Antwort beim Bundesfinanzgericht eingelangt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Sohn der Bf. ***1***, geb. ***3***, war von bis Angestelltenlehrling bei der ***2***.

Seit ist er Angestellter ebendort.

Von bis besuchte er die Klasse 3FA der Berufsschule ***6***. Die Berufsschule wurde somit noch nach Abschluss der Lehrzeit besucht.

Der Besuch der Berufsschule wurde erfolgreich abgeschlossen.

2. Beweiswürdigung

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Judikatur wiederholt betont, dass die Partei bei Begünstigungsbestimmungen eine erhöhte Mitwirkungs- bzw. Offenlegungspflicht trifft. So tritt u.a. bei Begünstigungstatbeständen die Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund. Derjenige, der eine abgabenrechtliche Begünstigung in Anspruch nimmt, hat selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen all jener Umstände darzulegen, auf welche die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (vgl. z.B. , , u.a.; siehe dazu auch Ritz BAO5 § 115 Tz 12 mit Hinweis auf weitere Judikatur).

Gemäß § 167 Abs 2 BAO hat das BFG unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Da entsprechende Unterlagen trotz Aufforderung nicht vorgelegt wurden, war der o.a. Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde zu legen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

§ 2 FLAG 1967 idgF lautet:

(1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

a)………………..

b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

……………..

Das österreichische duale Lehrlingsausbildungssystem sieht eine Kombination aus praktischer Ausbildung in einem Betrieb im Rahmen eines Lehrverhältnisses und aus schulischer Ausbildung an einer Berufsschule vor. Die Lehrausbildung in einem gesetzlich anerkannten Lehrverhältnis stellt im Allgemeinen unstrittig eine Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 dar (vgl. Lenneis in Csazar/Lenneis/Wanke [Hrsg], FLAG § 2 Rz 45 Stichwort "Lehrausbildung" und ).

Gemäß § 12 FLAG 1967 hat das Finanzamt bei Entstehen oder Wegfall eines Anspruches auf Familienbeihilfe eine Mitteilung auszustellen. Eine Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe ist auch über begründetes Ersuchen der die Familienbeihilfe beziehenden Person auszustellen. Wird die Auszahlung der Familienbeihilfe eingestellt, ist die Person, die bislang die Familienbeihilfe bezogen hat, zu verständigen.

Über Anträge auf Gewährung der Familienbeihilfe hat das Finanzamt zu entscheiden. Insoweit einem Antrag nicht oder nicht vollinhaltlich stattzugeben ist, ist ein Bescheid zu erlassen (§ 13 FLAG 1967).

Da dem Antrag der Bf. teilweise entsprochen wurde, war über diesen nur hinsichtlich des Zeitraumes ab Jänner 2022 bis Juni 2022 zu entscheiden.

Die Bf. legte weder der belangten Behörde noch dem Bundesfinanzgericht abverlangte Unterlagen vor, aus denen die Dauer des Lehrverhältnisses und der Beginn des Angestelltenverhältnisses hervorgingen.

Sie legte allerdings im Zuge des Vorlageantrages die o.a. Vereinbarung vor, in der §28 BAG zitiert wird, vor.

In § 28 BAG (Berufsausbildungsgesetz) wird der Ersatz bzw. die Anrechnung von Lehrzeiten auf Grund schulmäßiger Berufsausbildung geregelt.

Aus der mit dem Vorlageantrag vorgelegten Vereinbarung geht eindeutig hervor, dass sich die Lehrzeit des Sohnes verkürzte, er aber weiterhin über die Lehrzeit hinaus die Berufsschule besuchte und dafür unter Weiterbezahlung des Entgeltes vom Arbeitgeber freigestellt wurde.

Wenn auch in der Vereinbarung die gesamte Dauer des Berufsschulbesuches, nämlich von bis , angeführt ist und nicht nur der die Lehrzeit übersteigende Berufsschulbesuch, so wie dies in dem Formular verlangt wird, so geht das Bundesfinanzgericht in Zusammenhang mit dem Sozialversicherungsdatenauszug davon aus, dass das Lehrverhältnis nur bis bestand, wenn auch darüber hinaus noch bis (lt. Schulbesuchsbestätigung) die Berufsschule besucht wurde. Es ist weiters davon auszugehen, dass der Sohn bereits ein Gehalt als Angestellter bezog.

Im Übrigen judizierte das Bundesfinanzgericht im Erkenntnis vom , RV/7103720/2019, dass der Berufsschulbesuch allein, nach Beendigung eines Lehrverhältnisses keine Berufsausbildung darstellt, wenn dieser nicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nimmt. Dies ist im gegenständlichen Fall bei Berufstätigkeit einerseits und Berufsschulbesuch einmal pro Woche (; ), selbst bei ernsthafter Vorbereitung auf die Lehrabschlussprüfung (teilweise wohl im Selbststudium als auch durch Besuch eines Kurses inges. dreimal je ca. 2 1/2 Stunden), andererseits, auszuschließen.

Der Sohn der Bf. befand sich daher, unabhängig davon, ob und wie oft die Berufsschule besucht wurde, ab nicht mehr in Berufsausbildung. Die Familienbeihilfe steht daher ab nicht mehr zu, sodass der Antrag der Bf. zu Recht insoweit abzuweisen war.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da das Erkenntnis nicht von der gängigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, war die ordentliche Revision auszuschließen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7103071.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at