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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 14.03.2023, RV/7102775/2017

Verspätete Einbringung eines Fristverlängerungsantrages

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R.*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch "CURA" Treuhand- und Revisions- gesellschaft m.b.H., Gumpendorfer Straße 26, 1060 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ehemaligen Finanzamtes Wien 1/23, nunmehr Finanzamt Österreich, vom betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Fristverlängerung zur Einbringung einer Bescheidbeschwerde, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid vom wurde der nunmehrige Beschwerdeführer (in der Folge kurz Bf. genannt) als Haftungspflichtiger gemäß § 9 i.V.m. § 80 Bundesabgabenordnung (BAO) für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Firma X GmbH in Liquidation im Ausmaß von € 23.893,93 in Anspruch genommen und aufgefordert, diesen Betrag innerhalb eines Monats ab Zustellung dieses Bescheides zu entrichten.

Der Bescheid wurde mit RSa-Brief versendet, der nach erfolglosem Zustellversuch vom beim Postamt hinterlegt wurde. Beginn das Abholfrist war der .

Am brachte die steuerliche Vertretung des Bf. über FinanzOnline folgenden Antrag ein:

"Namens und auftrags unseres Mandanten beantragen wir innerhalb Monatsfrist ab Erhalt des Haftungsbescheid vom die Verlängerung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen diesen bis zum . Zur Begründung bringen wir vor, dass die Zusammenstellung der Unterlagen, welche die Gleichbehandlung der Gläubiger belegen, noch zusätzliche Zeit erfordern."

Mit Bescheid vom wies das ehemalige Finanzamt Wien 1/23 den Antrag als verspätet eingebracht zurück.

Dagegen wurde am über FinanzOnline fristgerecht Beschwerde erhoben und ausgeführt:

"Gegen den Zuückweisungsbescheid vom , mit welchem der Antrag auf Fristverlängerung zur Einbringung einer Beschwerde gegen den Haftungsbescheid vom zurückgewiesen wurde, erheben wir hiemit das Rechtsmittel der Beschwerde und beantragen dessen Aufhebung und die antragsgemäß stattgebende Erledigung des gestellten Fristverlängerungsantrags.

Zur Begründung bringen wir vor, dass Herr -Bf- sich vom bis zum zwecks Besuchs seiner Kinder in Kärnten aufgehalten hat. Zum Beleg des Aufenthalts unseres Mandanten in Kärnten finden Sie anbei die uns gegenüber per Mails erfolgte Bestätigung des Kärntenbesuchs wie auch entsprechende Belegstücke (Tankrechnung, Parkticket).

Der Bf. war zum Zeitpunkt der Hinterlegung somit iSd § 17 Abs 3 ZustellG von der Abgabestelle abwesend, die Zustellung ist nicht mit Tag der Hinterlegung anzusetzen. Vielmehr verweist das ZustellG in solchen Fällen auf die Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag, dies wäre der . Infolge tatsächlicher umgehender Behebung des Schriftstücks am , dem Tag der Rückkehr nach Wien, ist die Zustellung als mit diesem Tag wirksam erfolgt zu erachten."

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab und führte aus:

Mit Bescheid vom wurde ***Bf1*** für rückständige Abgaben der Firma X GmbH in Liquidation im Ausmaß von € 23.893,93 zur Haftung herangezogen. Dieser Haftungsbescheid wurde dem Haftenden an dessen Wohnungsanschrift in ***Adresse1***, mit RSa-Brief (Zustellung zu eigenen Händen, vgl. § 21 ZustG) am durch Hinterlegung beim zuständigen Postamt 1060 (§ 17 Abs. 1 und 3 ZustG) zugestellt.

Mit Bescheid vom hat das Finanzamt das Ansuchen vom betreffend Verlängerung der Beschwerdefrist gegen den Haftungsbescheid vom zurückgewiesen. Gegen diesen Zurückweisungsbescheid vom richtet sich die vorliegende Beschwerde vom .

Zur Zustellung des Haftungsbescheides:

Die Bestimmung des gemäß § 98 Abs. 1 BAO auch im Abgabenverfahren anzuwendenden § 17 Abs. 3 ZustG lautet:

Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte."

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. , mwN) wird die durch den dritten Satz des § 17 Abs. 3 ZustG normierte Zustellwirkung der Hinterlegung nicht durch die Abwesenheit von der Abgabestelle schlechthin, sondern nur durch eine solche Abwesenheit von der Abgabestelle ausgeschlossen, die bewirkt, dass der Empfänger wegen seiner Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte.

"Rechtzeitig" im Sinne des § 17 Abs. 3 vierter Satz ZustG ist dahingehend zu verstehen, dass dem Empfänger noch jener Zeitraum für ein Rechtsmittel zur Verfügung steht, der ihm auch im Falle einer vom Gesetz tolerierten Ersatzzustellung üblicherweise zur Verfügung gestanden wäre. Wenn daher der Empfänger durch den Zustellvorgang nicht erst später die Möglichkeit erlangt hat, in den Besitz der Sendung zu kommen, als dies bei einem großen Teil der Bevölkerung infolge ihrer Berufstätigkeit der Fall gewesen wäre, so muss die Zustellung durch Hinterlegung als ordnungsgemäß angesehen werden (, mwN). Wird durch die Zustellung der Beginn einer Rechtsmittelfrist ausgelöst, so erlangt der Empfänger noch "rechtzeitig" vom Zustellvorgang Kenntnis, wenn ihm ein für die Einbringung des Rechtsmittels angemessener Zeitraum verbleibt. Es ist nicht erforderlich, dass dem Empfänger in den Fällen einer Zustellung durch Hinterlegung stets die volle Frist für die Erhebung eines allfälligen Rechtsmittels zur Verfügung stehen muss (; , 2006/13/0178, mwN).

Ob jemand vom Zustellvorgang "rechtzeitig" Kenntnis erlangt hat, ist nach den Verhältnissen des Einzelfalles zu beurteilen. In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wurde beispielsweise noch keine unzulässige Verkürzung der Rechtsmittelfrist bei einer Rückkehr vier Tage nach dem Beginn der Abholfrist () und bei einer Behebung drei Tage nach der Hinterlegung () sowie bei einer verbleibenden Dauer zur Ausführung des Rechtsmittels von zehn Tagen (bei einer Rechtsmittelfrist von zwei Wochen) angenommen (; , 2000/02/0027).

Dem Vorbringen in der Beschwerde folgend ist der Haftende und nunmehrige Beschwerdeführer (Bf.) zwei Tage nach Beginn der Abholfrist an die Abgabestelle zurückgekehrt und hat am den gegenständlichen Haftungsbescheid behoben.

Ein signifikanter Unterschied zu Berufstätigen, welche am Tag der Hinterlegung selbst von der Hinterlegung erfahren und bedingt durch die Berufstätigkeit die Sendung einige Tage später beheben, ist daher nicht erkennbar.

Die am beginnende Beschwerdefrist endete am . Angesichts der Frist von einem Monat für die Einbringung einer Beschwerde stand dem Bf. bei einer Verkürzung von zwei Tagen jedenfalls noch ein angemessener Zeitraum für die Einbringung eines Rechtsmittels oder Fristverlängerungsansuchens zur Verfügung.

Das am eingebrachte Fristverlängerungsansuchen wurde verspätet eingebracht, sodass der Zurückweisungsbescheid vom zu Recht erging. Die Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid war daher spruchgemäß abzuweisen."

Dagegen wurde durch die steuerliche Vertretung mit Schriftsatz vom ein Vorlageantrag mit folgendem Inhalt eingebracht:

"Zur Begründung des Antrags auf Vorlage der vorstehend bezeichneten Beschwerde an das Bundesfinanzgericht verweisen wir einerseits darauf, dass die hiemit außer Kraft gesetzte Beschwerdevorentscheidung der eingebrachten Beschwerde nicht stattgegeben hat.

Weiters weisen wir darauf hin, dass der Entscheidung des Finanzamts eine falsche Auslegung des Begriffes "rechtzeitig" im Sinne des § 17 Abs. 3 ZustG zugrunde gelegt wurde.

Das Finanzamt leitet aus dem nach Rückkehr zum Wohnort und Behebung des Schriftstücks noch verbliebenen Teil der Frist ab, dass vom Zustellvorgang noch rechtzeitig Kenntnis erlangt worden sei und vermischt damit die rechtliche Würdigung zweier gesondert und auf Basis unterschiedlicher Rechtsgrundlage zu beurteilender Fragestellungen: jeder des Fristbeginns gemäß ZustellG und der Bemessung der Frist (konkret BAO).

Das ZustellG sieht in § 17 Abs. 3 keineswegs eine Abhängigkeit der Auslegung des Begriffes "rechtzeitig" von Art Dauer oder Rechtsgrundlage der nachgelagerten Frist vor.

Vielmehr verweisen Judikatur, Literatur und Verwaltung darauf, dass Rechtzeitigkeit nicht vorliege, wenn es zu einer "Verkürzung in größerem Umfang, als dies beim Großteil der Berufstätigen der Fall ist", komme.

Eine solche Verkürzung vermag - wie vom Finanzministerium explizit klargestellt - bereits eine nur einen Tage spätere Behebung des Schriftstücks auszulösen.

Wir erlauben uns zu diesem Zweck einen betreffenden Erlass des BMF zu zitieren und verweisen insbesondere auf die von uns fett hinterlegten Stellen:

, 05 0901/l-IV/5/03 gültig ab Auslegung des Begriffes "rechtzeitig" im § 17 Abs. 3 letzter Satz ZustellG

"Bei Hinterlegung ist die Kenntniserlangung im Sinn des § 17 Abs. 3 ZustellG nur dann rechtzeitig, wenn die durch die Zustellung ausgelöste Frist durch die spätere Rückkehr an die Abgabestelle nicht in größerem Umfang verkürzt wird, als dies bei einem Großteil der Berufstätigen der Fall ist.

Nach § 17 Abs. 3 ZustellG gelten (rechtmäßig) hinterlegte Sendungen mit dem Tag, an dem sie erstmals zur Abholung bereitgehalten werden (das ist der erste Tag der Abholfrist), als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinn des § 13 Abs. 3 ZustellG wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte.

Zum Begriff der Rechtzeitigkeit vertreten in Bezug auf Fristen (insbesondere Rechtsmittelfristen), die durch Zustellung der Sendung ausgelöst werden, der VwGH und der OGH (vgl. zB 7 Ob 511/84, SZ 57/34; 88/06/0140, ZfVB 1990/3/1357; 91/16/0091) übereinstimmend folgende Auffassung:

Grundsätzlich ist die Kenntniserlangung vom Zustellvorgang nur dann rechtzeitig im Sinn des § 17 Abs. 3 ZustellG, wenn die durch die Zustellung ausgelöste Frist durch die spätere Rückkehr an die Abgabestelle nicht in größerem Umfang verkürzt wird, als dies bei einem Großteil der Berufstätigen der Fall ist. Insbesondere vom Gesetzgeber festgesetzte Rechtsmittelfristen sollen der Partei grundsätzlich ungekürzt zustehen. Somit hat im Fall der Hinterlegung jeder Empfänger solche Verkürzungen von Fristen in Kauf zu nehmen, die auch ein Großteil der Berufstätigen in Kauf nehmen muss, die berufsbedingt an der Abgabestelle (Wohnung) nicht anzutreffen sind und so spät in die Wohnung zurückkehren, dass sie die Sendung am ersten Tag der Abholfrist nicht mehr bei der Post beheben können, sodass sie die hinterlegte Sendung erst am nächsten Tag, an dem deren Behebung möglich ist, abholen können.

Beispiel:

Erfolgt eine rechtmäßige Hinterlegung eines rechtsmittelfähigen Bescheides am Freitag undbeginnt die Abholfrist auch am Freitag, so gilt die Zustellung am Freitag als bewirkt, auch wenn der Empfänger etwa erst am Sonntag (oder falls der Montag ein gesetzlicher Feiertag ist, am Montag) an die Abgabestelle zurückkehrt. Bei dieser Konstellation wäre auch der Großteil der täglich an die Abgabestelle zurückkehrenden Berufstätigen in aller Regel nichtin der Lage, die hinterlegte Sendung noch am Freitag abzuholen. Kehrt hingegen der Empfänger erst am Montag (zweiter Tag der Abholfrist) an die Abgabestelle zurück, so gilt dem §17 Abs. 3 letzter Satz ZustellG zufolge die Sendung erst an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag, an dem die Sendung behoben werden könnte (also in der Regel am Dienstag), als zustellt. Diesfalls würde die Berufungsfrist also erst an diesem Tag beginnen.

Dieser Erlass wird im AÖF verlautbart.

Für den Bundesminister: Dr. Bibus "

Bei der reisebedingten Abwesenheit unseres Mandanten ist daher unzweifelhaft eine über das den normalen Berufstätigen treffende Ausmaß hinausgehende Verzögerung der Kenntnisnahme im Sinne obiger Auslegung eingetreten, womit der auf die Abholung

folgende Tag - und damit korrekterweise der - als Beginn der Rechtsmittelfrist anzusetzen ist.

Die nachgelagerte und für den Fristbeginn irrelevante Frage der Dauer der Rechtsmittelfrist ist als wohl unstrittig anzusehen (Monatsfrist), womit die mit eingebrachte Beschwerde als rechtzeitig eingebracht zu erachten ist.

Die Anbringen und Ausführungen der Beschwerde vom halten wir vollinhaltlich aufrecht.

Wir behalten uns vor, dem BFG als nunmehr zuständiger Instanz einen ergänzenden Schriftsatz zur Rechtswidrigkeit des gegenständlichen Abweisungsbescheids vorzulegen.

IV. Im Zuge des Vorlageantrags beantragen wir gemäß § 274 BAO die Durchführung einer mündlichen Verhandlung."

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Das BFG geht von folgendem Sachverhalt aus:

Der Haftungsbescheid vom wurde mit RSa-Brief versendet, der nach erfolglosem Zustellversuch vom beim Postamt hinterlegt wurde. Beginn das Abholfrist war der .

Am brachte die steuerliche Vertretung des Bf. über FinanzOnline einen Antrag auf Verlängerung der Beschwerdefrist ein, der mit Bescheid vom als verspätet eingebracht zurückgewiesen wurde.

In der dagegen eingebrachten und hier gegenständlichen Beschwerde wird vorgebracht, dass der Bf. vom bis zum in Kärnten gewesen, am an die Abgabestelle zurückgekehrt und den Bescheid noch an diesem Tag behoben habe.

Rechtliche Beurteilung:

Rechtsgrundlagen:

§ 245 BAO:

Abs. 1: Die Beschwerdefrist beträgt einen Monat. Enthält ein Bescheid die Ankündigung, dass noch eine Begründung zum Bescheid ergehen wird, so wird die Beschwerdefrist nicht vor Bekanntgabe der fehlenden Begründung oder der Mitteilung, dass die Ankündigung als gegenstandslos zu betrachten ist, in Lauf gesetzt. Dies gilt sinngemäß, wenn ein Bescheid auf einen Bericht (§ 150) verweist.

Abs. 3: Die Beschwerdefrist ist auf Antrag von der Abgabenbehörde aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erforderlichenfalls auch wiederholt, zu verlängern. Durch einen Antrag auf Fristverlängerung wird der Lauf der Beschwerdefrist gehemmt.

§ 17 ZustG:

(1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

Der Verwaltungsgerichtshof führt in seinem Beschluss vom , Ra 2022/04/0114 wortwörtlich aus:

"Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , mit welchem dieses unter anderem die Beschwerde des Revisionswerbers gegen zwei Bescheide der belangten Behörde abwies, wurde für diesen nach einem erfolglosen Zustellversuch ab zur Abholung bereitgehalten. Eine entsprechende Hinterlegungsanzeige wurde am an der Zustelladresse eingelegt.

Der Revisionswerber behob das Dokument am persönlich.

Am brachte der Revisionswerber per ERV eine "(Außer-)Ordentliche Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom ein.

Mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofs vom wurde dem Revisionswerber die Möglichkeit zur Stellungnahme zum Vorhalt eingeräumt, dass sich die von ihm erhobene Revision angesichts der Zustellung am als verspätet eingebracht erweise.

Hierzu nahm der Revisionswerber dahingehend Stellung, er habe erst am Tage der Abholung - am gegen Mittag - von der Hinterlegung Kenntnis erlangt und persönlich das Poststück entgegengenommen. Die Frist für die Erhebung der Revision könne daher erst ab diesem Zeitpunkt zu laufen beginnen.

2. Ausgehend von diesem Sachverhalt ergibt sich in rechtlicher Hinsicht:

2.1. Aus dem Rückschein betreffend die Zustellung des anzufechtenden Erkenntnisses ergibt sich, dass dieses durch Hinterlegung gemäß § 17 ZustG zugestellt wurde, wobei das zuzustellende Dokument ab zur Abholung bereitgehalten wurde. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag der Abholfrist als zugestellt (vgl. § 17 Abs. 3 ZustG).

Ausgehend von diesen aktenkundigen Tatsachen endete die sechswöchige Frist zur Erhebung der Revision am , weshalb sich die am eingebrachte Revision als verspätet erweist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird die durch den dritten Satz des § 17 Abs. 3 ZustG normierte Zustellwirkung der Hinterlegung nicht durch die Abwesenheit von der Abgabestelle schlechthin, sondern nur durch eine solche Abwesenheit von der Abgabestelle ausgeschlossen, die bewirkt, dass der Empfänger wegen seiner Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte (vgl. Ra 2020/09/0071; Ro 2014/07/0107, jeweils mwN). "Rechtzeitig" im Sinne des § 17 Abs. 3 vierter Satz ZustG ist dahingehend zu verstehen, dass dem Empfänger noch jener Zeitraum für ein Rechtsmittel zur Verfügung steht, der ihm auch im Falle einer vom Gesetz tolerierten Ersatzzustellung üblicherweise zur Verfügung gestanden wäre. Wenn daher der Empfänger durch den Zustellvorgang nicht erst später die Möglichkeit erlangt hat, in den Besitz der Sendung zu kommen, als dies bei einem großen Teil der Bevölkerung infolge ihrer Berufstätigkeit der Fall gewesen wäre, so muss die Zustellung durch Hinterlegung als ordnungsgemäß angesehen werden (vgl. Ra 2020/14/0023, mwN).

Wird durch die Zustellung der Beginn einer Rechtsmittelfrist ausgelöst, so erlangt der Empfänger noch "rechtzeitig" vom Zustellvorgang Kenntnis, wenn ihm ein für die Einbringung des Rechtsmittels angemessener Zeitraum verbleibt. Es ist nicht erforderlich, dass dem Empfänger in den Fällen einer Zustellung durch Hinterlegung stets die volle Frist für die Erhebung eines allfälligen Rechtsmittels zur Verfügung steht (vgl. Ra 2016/16/0094, mwN).

Ob jemand vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung vom Zustellvorgang "rechtzeitig" Kenntnis erlangt hat, ist nach den Verhältnissen des Einzelfalles zu beurteilen. In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wurde etwa eine unzulässige Verkürzung der Rechtsmittelfrist bei einer Rückkehr vier Tage nach Beginn der Abholfrist verneint (vgl. 2006/13/0178, mwN). Auch ging der Verwaltungsgerichtshof im Fall eines "Wochenpendlers", der wegen seiner grundsätzlichen Abwesenheit von Montag bis Freitag von seinem Wohnort, an dem zugestellt worden sei, erst am Freitag von der zwei Tage zuvor am Mittwoch erfolgten Hinterlegung einer Strafverfügung Kenntnis erlangt habe und dem die Behebung erst am darauffolgenden Montag möglich gewesen sei, davon aus, dass dieser rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis nehmen habe können, weil ihm für die Erhebung seines Einspruches noch zehn Tage zur Verfügung gestanden seien (vgl. 2013/03/0055, mwN, zur Rechtzeitigkeit der Kenntnisnahme eines Zustellvorganges bei einer verbleibenden Dauer zur Ausführung eines Rechtsmittels von zehn Tagen bei einer Rechtsmittelfrist von zwei Wochen).

Dem eingangs festgestellten Sachverhalt zufolge hat der Revisionswerber bereits spätestens am vierten Tag nach Beginn der Abholfrist die Hinterlegungsanzeige erhalten, sodass es ihm möglich war, das angefochtene Erkenntnis an diesem Tag persönlich zu beheben. Vor dem Hintergrund der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist fallbezogen ein signifikanter Unterschied zu Berufstätigen, welche am Tag der Hinterlegung selbst von der Hinterlegung erfahren und bedingt durch die Berufstätigkeit die Sendung einige Tage später beheben, nicht erkennbar. Zudem stand dem Revisionswerber ausgehend von der sechswöchigen Revisionsfrist ein angemessener Zeitraum von mehr als fünf Wochen zur Erhebung der Revision zur Verfügung. Somit wäre auch ausgehend von der vorgebrachten Abwesenheit des Revisionswerbers diese nicht als eine solche zu qualifizieren, die bewirkt, dass der Empfänger wegen seiner Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte (vgl. erneut Ra 2020/09/0071, mwN)."

Im gegenständlichen Fall ergibt sich aus dem Rückschein betreffend die Zustellung des Haftungsbescheides, dass dieser durch Hinterlegung gemäß § 17 ZustG zugestellt wurde, wobei das zuzustellende Dokument ab zur Abholung bereitgehalten wurde. Da hinterlegte Dokumente mit dem ersten Tag der Abholfrist als zugestellt gelten (vgl. § 17 Abs. 3 ZustG), endete die einmonatige Frist zur Erhebung der Beschwerde bzw. zur Einbringung des Fristverlängerungsansuchens am Dienstag, . Der am eingebrachte Fristverlängerungsantrag erweist sich daher als verspätet eingebracht.

Dem eingangs festgestellten Sachverhalt zufolge hat der Bf. bereits spätestens am 2. Tag nach Beginn der Abholfrist die Hinterlegungsanzeige erhalten.

Die belangte Behörde ist im vorliegenden Fall bei ihrer Beurteilung der Rechtzeitigkeit nicht von der dazu ergangenen - und oben zitierten - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.

Soferne der Bf. Bezug auf den , 05 0901/l-IV/5/03, veröffentlicht in AÖF nimmt, ist dem entgegenzuhalten, dass der zitierte Erlass niemals im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde. Er stellt deshalb keine beachtliche Rechtsquelle für das Bundesfinanzgericht dar. Er begründet weder Rechte noch Pflichten von Steuerpflichtigen weshalb auf die nähere Diskussion der darin enthaltenen Ausführungen verzichtet werden kann (siehe etwa und ).

Zum Antrag der Bf. auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist zu bemerken, dass der Bf. durch das Unterbleiben einer mündlichen Berufungsverhandlung nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () zwar in ihrem aus § 284 Abs. 1 BAO erfließenden Verfahrensrecht verletzt wird. Ein Verfahrensmangel führt jedoch nur dann zur Aufhebung eines Bescheides, wenn die Behörde bei Vermeidung dieses Mangels zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können (). Auf Grund des zu beachtenden Gebotes der Verwaltungsökonomie (vgl. Ritz, ÖStZ 1996, 70) wurde jedoch im Hinblick darauf, dass der vom Bf. vorgetragene Sachverhalt nicht in Zweifel gezogen wurde, er somit feststand und ausgeschlossen werden kann, dass es bei Vermeidung dieses Mangels (Durchführung einer mündlichen Verhandlung) zu einem anderen Erkenntnis gekommen wäre, von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

1.1. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Erkenntnis folgt der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb eine Revision nicht zuzulassen war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 245 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 17 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
Verweise









ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7102775.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at