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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 20.02.2023, RV/6100410/2022

Doppelte Haushaltsführung, Familienheimfahrten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Erich Schwaiger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerden vom und gegen die Bescheide des Finanzamtes St. Johann Tamsweg Zell am See (nunmehr Finanzamt Österreich) vom sowie des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2019 und 2020 zu Recht erkannt:

I.
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

II.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerden fallen in die Zuständigkeit des Fachgebietes FE 2 und damit in die Zuteilungsgruppe 7002. Auf Basis der gültigen Geschäftsverteilung wurden sie der Gerichtsabteilung 7013 zur Entscheidung zugewiesen.

Gem. § 323b Abs. 1 BAO trat das Finanzamt Österreich für seinen Zuständigkeitsbereich am an die Stelle des davor zuständig gewesenen Finanzamtes St. Johann Tamsweg Zell am See.

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (kurz Bf.) ist Fliesenleger, alleinstehend und verfügt über die kroatische Staatsbürgerschaft. Er hatte seinen Nebenwohnsitz laut Zentralem Melderegister von bis in ***Ort A***, ***X_Straße 1*** und von bis in der ***X_Straße 2***. Von bis war er dort mit Hauptwohnsitz gemeldet.

Das Finanzamt stellte alle Schriftsätze und Erledigungen via FinanzOnline an den Bf. zu. Auch seine Antworten erstattete er weitgehend elektronisch.

Der Bf. beantragte jeweils die Anerkennung von Familienheimfahrten (EUR 3.672,00 pro Jahr; kurz FHF) und Kosten für doppelte Haushaltsführung (jeweils EUR 2.640,00; kurz DHF) als Werbungskosten.

Das Finanzamt (kurz FA) forderte den Bf. vorerst mit Vorhalt vom zur Einkommensteuer 2019 zur Beantwortung der folgenden Fragen und zur Vorlage der folgenden Nachweis auf:

  1. Wie ist die Anschrift Ihres Familienwohnsitzes? Nachweis: Meldezettel

  2. Wie viele Kilometer ist Ihr Familienwohnsitz von der Arbeitsstätte entfernt?

  3. Welches Verkehrsmittel benutzen Sie für die Fahrten zwischen Arbeitsort und Familienwohnsitz? Nachweis: Aufstellung z. B. über Treibstoffkosten, Fahrtenbuch, Fahrscheine, Beiträge für Mitfahrgelegenheiten

  4. Haben Sie am Beschäftigungsort eine Wohn- oder Schlafmöglichkeit? Nachweis: Mietvertrag inkl. Angabe über Größe der Wohnung und Zahlungsbelege oder Bestätigung des Arbeitgebers über die Zurverfügungstellung einer Schlafstelle

  5. Hat Ihr Arbeitgeber Fahrtkosten steuerfrei vergütet? Dann geben Sie uns bitte die Höhe bekannt

  6. Aus welchem Grund kann der Familienwohnsitz nicht in die Nähe der Arbeitsstätte verlegt werden?

  7. Für den Fall, dass die Partnerin/der Partner keinen inländischen Wohnsitz hat, bitte um Bekanntgabe der Einkünfte der Partnerin/des Partners und Vorlage des Formulars E9

Am reichte der Bf. daraufhin ohne weiteren Kommentar eine Bestätigung einer Pension vom über die Zahlung von EUR 2.640,00 für Miete und Betriebskosten im Jahr 2019 ein.

Am erließ das FA den Einkommensteuerbescheid 2019 und verweigerte den Abzug der FHF und DHF. Es führte aus, die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort sei beispielsweise in folgenden Fällen unzumutbar:

  1. bei ständig wechselnder Arbeitsstätte

  2. wenn von vornherein mit Gewissheit anzunehmen ist, dass die auswärtige Tätigkeit mit vier bis fünf Jahren befristet ist

  3. bei Unzumutbarkeit der (Mit)Übersiedlung von pflegebedürftigen Angehörigen (die am Familienwohnsitz wohnen)

  4. solange aufgrund fremdenrechtlicher Bestimmungen ein Familiennachzug nicht möglich ist

  5. wenn im gemeinsamen Haushalt am Familienwohnsitz unterhaltsberechtigte und betreuungsbedürftige Kinder wohnen und eine (Mit)Übersiedlung der gesamten Familie aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist.

Da der Bf. keine Gründe nachgewiesen habe, die eine Verlegung des Familienwohnsitzes unzumutbar machen, hätten die beantragten Kosten für doppelte Haushaltsführung bzw. Familienheimfahrten nicht gewährt werden können.

Dies bekämpfte der Bf. mit Beschwerde vom und verlangte die Berücksichtigung dieser Werbungskosten. Als Beilage findet sich

  1. die erste Seite eines unbestätigten Formulars "Beih 103" (Familienstandsbescheinigung für die Gewährung von Familienbeihilfe an Arbeitnehmer, deren Kinder in Kroatien wohnen), in dem der Bf. als Arbeitnehmer und eine Fr. ***JK*** (geb. ) als Ehegattin bezeichnet werden.. Bei beiden findet sich die Adressangabe "***Anschrift Kroatien 1***".

  2. Dazu legte der Bf. die erste (von zwei) Seiten einer Bestätigung des kroatischen Finanzministeriums über Einkünfte der Fr. ***Name Partnerin*** für 2019

  3. sowie eine schlecht leserliche Kopie des kroatischen Zulassungsscheines für einen Skoda mit dem kroatischen Kennzeichen ***XX###YY*** vor. Auf diesem Zulassungsschein scheint die Zulassungsadresse "***Anschrift Kroatien 2***" auf.

Die beiden genannten Anschriften liegen lt. Google.maps in etwa 15 Kilometer voneinander entfernt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das FA die Beschwerde 2019 als unbegründet ab. Trotz Setzens einer langen Nachfrist seien die Unterlagen betreffend Familienwohnsitz nicht nachgereicht worden, weshalb die Kosten für Familienheimfahrten von der Wohnung am Arbeitsort zum Familienwohnsitz nicht als Werbungskosten berücksichtigt worden seien. Dafür sei ausschlaggebend:

  1. Eine Wohnsitzverlegung könne zugemutet werden.

  2. Bei verheirateten oder in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Personen gebe es eine zeitliche Begrenzung von 2 Jahren für die Berücksichtigung der doppelten Haushaltsführung.

Am beantragte der Bf. die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Er habe die Meldebestätigung von ihm und seiner Lebensgefährtin gesendet, den Einkommensnachweis, seine Wohnungszahlungen und seinen Zulassungsschein. Sie seien nicht verheiratet, wohnten aber zusammen. Seien Partnerin sei berufstätig und darum sei ein Umzug nach Österreich nicht zumutbar. Er habe in Österreich keine eigene Wohnung, sondern wohne in einer Arbeiterpension. Deshalb ersuche er um Berücksichtigung seiner beantragten Kosten für Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung.

Am reichte der Bf. die Erklärung über die Arbeitnehmerveranlagung 2020 ein und beantragte auch für dieses Jahr wieder die FHF und DHF. Schon am selben Tag versendete das FA auch ein Ergänzungsansuchen zu diesem Jahr und stellte dieselben Fragen wie schon zu 2019.

Mit legte der Bf. ohne weiteren Kommentar wieder das schon oben erwähnte und nicht bestätigte Formular Beih 103, eine kroatische Einkommensbestätigung für Fr. ***Name Partnerin*** für 2020, die Kopie des selben Zulassungsscheines und eine Bestätigung über die Miete und Betriebskosten für 2020 vor. Zusätzlich findet sich nun eine monatweise Aufstellung über insgesamt 41 Fahrten mit dem PKW von Schwarzach nach ***Ort Kroatien 1*** á 368 Kilometer. Das daraus errechnete Kilometergeld ist mit insgesamt EUR 6.336,96 ausgewiesen.

Mit forderte das FA daraufhin (noch einmal) unter Bezugnahme auf 2019 und 2020 einen Meldezettel für den Bf. sowie seine Partnerin und ein ausgefülltes Formular E9 für die Partnerin an. Dieser legte nun noch einmal die schon bekannten Unterlagen vor.

Am erließ das FA den Einkommensteuerbescheid 2020 und verweigerte die Werbungskosten mit der Begründung, trotz Aufforderung habe es nicht alle Unterlagen erhalten (Meldezettel der Bf. und seiner Partnerin). Daher hätten nur die nachgewiesenen Aufwendungen berücksichtigt werden können.

Diesen Bescheid bekämpfte der Bf. mit Beschwerde vom und führte aus, seine Verlobte lebe in Kroatien und sei berufstätig. Sie habe während der Corona-Krise ihre Arbeit verloren, sei aber wieder eingestellt worden. In Österreich habe er keine eigene Wohnung, sondern nur eine Arbeiterunterkunft und fahre deshalb, wenn er nicht arbeite nach Hause. Ein Umzug nach Österreich sei daher nicht zumutbar. Als Beilage legte er noch einmal dieselben Bestätigungen vor.

Am forderte das FA den Bf. neuerlich zu einer Ergänzung auf. Er solle folgende Unterlagen mit deutscher Übersetzung vorlegen:

1. Meldebestätigung der kroatischen Behörde über den Wohnsitz in Kroatien

2. Meldebestätigung der kroatischen Behörde der Partnerin

3. Nachweis, dass ein gemeinsamer Familienwohnsitz in Kroatien vorliegt: zum Beispiel Mietvertrag, Betriebskostenzahlungen, Strom, Nachweis über die Grundsteuer bei eigenem Haus/Wohnung

4. Aufklärung, wer welche Kosten für die Wohnung in Kroatien trägt? Nachweise

5. Formular "E9" der Partnerin --> Link "Formulare" auf der Homepage des Finanzministerium und "E9" auswählen.

Der Bf. reagierte darauf vorerst nicht, woraufhin das FA mit die Beschwerdevorentscheidung 2020 erließ und die Beschwerde als unbegründet abwies. Trotz Aufforderung habe der Bf. die zum Nachweis der Doppelten Haushaltsführung erforderlichen Unterlagen nicht in deutscher Übersetzung vorgelegt (Meldebestätigung der kroatischen Behörde über Wohnsitz in Kroatien, Meldebestätigung der kroatischen Behörde zur Partnerin, Nachweis, dass ein gemeinsamer Familienwohnsitz in Kroatien vorliegt: zum Beispiel Mietvertrag, Betriebskostenzahlungen, Strom, Nachweis über die Grundsteuer bei eigenem Haus/Wohnung, Nachweis über die Kostentragung der Wohnung in Kroatien, Formular "E9" für Partnerin). Somit hätten die beantragten Kosten der Doppelten Haushaltsführung nicht anerkannt werden können.

Dies bekämpfte der Bf. mit Vorlageantrag vom und gab an, er sende noch seine Stromrechnungen aus Kroatien, aus denen ersichtlich sei, dass er in dieser Wohnung lebe. Meldezettel mit seiner Lebensgefährtin, ihr Einkommen und Wohnungskosten aus Österreich habe er bereits gesendet. Dazu legte er neun Monats-Stromrechnungen aus 2020 vor. Alle lauten auf ihn und beziehen sich auf die Anschrift ***Anschrift Kroatien 2***.

[...]

Am forderte das FA unter Bezugnahme auf die Vorlageanträge noch einmal zur Nachreichung diverser Unterlagen auf. Es sei nach wie vor nicht eindeutig geklärt, ob der Bf. und Frau ***Name Partnerin*** in den Jahren 2019 und 2020 einen gemeinsamen Familienwohnsitz geführt haben. Dazu solle er die folgenden Unterlagen vorlegen.

1. Meldebestätigung der kroatischen Behörde über seinen Wohnsitz in Kroatien (potvrda registracije iz općinskog ureda za 2019/2020 - ***Bf1***)

2. Meldebestätigung der kroatischen Behörde seiner Partnerin (potvrda registracije iz općinskog ureda za 2019/2020 - ***JK***). Das Formular "Fotvrda o obiteljakom statusu", dass er zugesendet habe, sei nicht durch die Gemeinde in Kroatien bestätigt und enthalte kein Datum.

3. Nachweis, dass ein gemeinsamer Familienwohnsitz in Kroatien vorliegt: zum Beispiel Mietvertrag, Betriebskostenzahlungen, Nachweis über die Grundsteuer bei eigenem Haus/Wohnung (ugovor o najmu)

4. Wer trägt welche Kosten für die Wohnung in Kroatien? Nachweise
Das FA habe bisher nur Stromrechnungen erhalten.

5. Warum hat er am seinen Nebenwohnsitz in ***Ort A*** im ***1*** zu seinem Hauptwohnsitz umgemeldet?

6. Er habe seinen Hauptwohnsitz am abgemeldet und wurde gefragt, wo er seither seinen Wohnsitz hat.

Darauf antwortete er am via FinanzOnline:

"Ich weiß nicht mehr was sie alles noch wissen wollen, Wie oft ich mit meiner Freundin schlafe, was wir essen oder welches Parfüm sie verwendet? Ich habe Ihnen geschickt das wir zusammen leben und was sie macht und wie oft ich nach Hause fahre. Ich glaube nicht das ich Ihnen mein ganzes Privatleben offenbaren muss."

Eine Abfrage des FA vom ergab, dass der Bf. seit in Österreich nicht mehr sozialversichert ist. Eine telefonische Nachfrage beim ehemaligen Dienstgeber ergab nur, dass der Bf. angeblich nach Kroatien verzogen ist, ohne dass eine dortige Anschrift bekannt wäre. Am selben Tag forderte das FA den Bf. via FinanzOnline auf, eine Zustell- bzw. Meldeadresse bekannt zu geben. Darauf reagierte er nicht.

Am legte nun das FA die beiden Beschwerden an das Bundesfinanzgericht vor.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts basiert auf folgendem Sachverhalt, der in den Akten der Abgabenbehörde sowie des Gerichtes abgebildet und soweit nicht gesondert angeführt unbestritten ist.

1. Beweiswürdigung

Gem. § 167 Abs. 2 BAO haben die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Nach der ständigen Judikatur des VwGH zu § 167 Abs. 2 BAO genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt. Daran hat sich durch die Verwaltungsgerichtsbarkeitsreform nichts geändert (vgl. unter Hinweis auf ; , Ro 2014/13/0025 und Ro 2014/13/0044).

Das Bundesfinanzgericht hat - wie auch das Finanzamt - die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Den Parteien ist Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben (§ 115 BAO in Verbindung mit § 2a BAO).

Eine in der Begründung des bekämpften Bescheides sowie einer Beschwerdevorentscheidung getroffene Feststellung des Finanzamtes wirkt wie ein Vorhalt und es obliegt dem Abgabepflichtigen, die vom Finanzamt in der Begründung der Beschwerdevorentscheidung getroffene Feststellung zu widerlegen bzw. zumindest deren Unrichtigkeit zu behaupten (vgl. etc.).

Mit BGBl. I Nr. 136/2017 wurde in Umsetzung der bisherigen Judikatur gesetzlich verankert, dass die Ermittlungspflicht durch eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen, wie beispielsweise bei Auslandssachverhalten, eingeschränkt wird. Nach den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 1660 BlgNR 25. GP 24) trifft dies etwa dann zu, wenn durch faktische Gegebenheiten oder rechtliche Schranken die amtswegige Ermittlung des Sachverhaltes eingeschränkt oder verhindert ist. Dies gilt grundsätzlich bei Auslandssachverhalten und wenn nach der Lage des Falles nur der Abgabepflichtige Angaben zum Sachverhalt machen kann oder wenn der Abgabepflichtige zur Mitwirkung an der Wahrheitsfindung nicht bereit ist bzw. eine solche unterlässt. In Fällen der erhöhten Mitwirkungspflicht liegt es etwa am Abgabepflichtigen, Beweise für die Aufhellung auslandsbezogener Sachverhaltselemente beizuschaffen, im Ausland lebende Zeugen zu kontaktieren und stellig zu machen und alle relevanten Sachverhaltselemente so zu dokumentieren, dass sie für die Abgabenbehörde nachvollziehbar sind.

Eine Verletzung der erhöhten Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen hat zur Folge, dass die Verpflichtung der Abgabenbehörde endet, den Sachverhalt über das von ihr aufgrund einer ordentlich durchgeführten Ermittlung zu prüfen und sie den so ermittelten Sachverhalt als erwiesen annehmen darf.

Schon bisher wies Ritz zu Recht darauf hin (Ritz, BAO5, § 115 Tz 13), dass den Bf. auch dann eine erhöhte Mitwirkungspflicht trifft, wenn ungewöhnliche Verhältnisse vorliegen (vgl. ; , 99/15/0250; , 2002/13/0091; , 2004/17/0105), die nur er aufklären kann, oder wenn seine Behauptungen mit den Erfahrungen des täglichen Lebens in Widerspruch stehen (; , 95/15/0049; , 2004/16/0061). Dies trifft auch dann zu, wenn typische Aufwendungen der privaten Lebensführung steuerlich verwertet werden sollen. Im Hinblick auf seine eigene Nähe zum Beweisthema hat hier der Beschwerdeführer von sich aus nachzuweisen oder zumindest glaubhaft zu machen, dass sie - entgegen allgemeinen Lebenserfahrung - die betriebliche oder berufliche Sphäre betreffen (vgl. etwa ). Bei im Ausland lebenden Personen ist es nach der Rechtsprechung des VwGH Aufgabe des Abgabepflichtigen, Personen, die als Zeugen vernommen werden sollen, stellig zu machen (vgl. mit weiteren Nachweisen).

Im Übrigen befreit der Grundsatz der Amtswegigkeit des Verfahrens den Revisionswerber nicht von seiner Verpflichtung, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen (vgl. mit weiteren Nachweisen).

2. Sachverhalt

Strittig ist ausschließlich die Anerkennung von Familienheimfahrten nach Kroatien (EUR 3.672,00 pro Jahr; kurz FHF) und Kosten für die doppelte Haushaltsführung in Österreich (jeweils EUR 2.640,00; kurz DHF) als Werbungskosten.

Fest steht, dass der Bf. im Streitzeitraum 2019 und 2020 in Österreich beschäftigt und seit (und damit mehr als ein halbes Jahr vor dem Streitzeitraum) in Österreich mit Nebenwohnsitz (bis ) bzw. Hauptwohnsitz (bis ) gemeldet war. Aus den Akten ergeben sich keine Hinweise darauf, dass der Bf. Kinder hatte.

Als Beweismittel für Familienheimfahrten liegen nur

  1. die erste Seite eines unbestätigten Formulars über eine "Familienstandsbescheinigung für die Gewährung von Familienbeihilfe an Arbeitnehmer, deren Kinder in Kroatien wohnen,

  2. je die erste Seite einer Bestätigung des kroatischen Finanzministeriums über Einkünfte von ***JK*** für 2019 und 2020

  3. sowie eine schlecht leserliche Kopie des kroatischen Zulassungsscheines für einen Skoda mit dem kroatischen Kennzeichen ***XX###YY*** vor.

Auf diesem Zulassungsschein scheint die Zulassungsadresse "***Anschrift Kroatien 2***" auf, die sich nicht mit der im Formular Beih 103 angegebenen Anschrift (***Anschrift Kroatien 1***) deckt. Auf der ersten Seite dieses unbestätigten Formulars scheint ***JK*** (geb. ) als Ehegattin auf, obwohl der Bf. später angab, dass er nicht verheiratet ist.

Für 2020 liegt weiters eine Beilage vor, in der die Anzahl der Fahrten mit 41 und die Anzahl der Kilometer pro Strecke mit 368 Kilometern angegeben wurde. Exakte Datumsangaben fehlen.

3. Rechtsgrundlagen und rechtliche Beurteilung

3.1. Familienheimfahrten sowie doppelte Haushaltsführung

Die Regeln zur steuerlich relevanten doppelten Haushaltsführung und zu Familienheimfahrten basieren auf dem allgemeinen Werbungskostenbegriff.

Von einer doppelten Haushaltsführung wird gesprochen, wenn aus beruflichen Gründen ein Wohnsitz am Familienwohnort (Familienwohnsitz) und einer am Beschäftigungsort (Berufswohnsitz) unterhalten werden.

Familienwohnsitz ist jener Ort, an dem der Steuerpflichtige mit seinem Ehegatten bzw. Lebensgefährten einen gemeinsamen Hausstand unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen bildet (Doralt in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG 11 , § 4 Tz 349 unter Hinweis auf ). Im Wesentlichen im Einklang mit der Judikatur definiert § 4 Pendlerverordnung (BGBl II 276/2013) den Begriff des Familienwohnsitzes. Der ist dort, wo ein Steuerpflichtiger seine engsten persönlichen Beziehungen (z.B. Familie, Freundeskreis) und einen eigenen Hausstand hat, dessen Einrichtung seinen Lebensbedürfnissen entspricht.

Nur dann, wenn sowohl am Familienwohnsitz wie auch am Beschäftigungsort eine Wohnung unterhalten wird, weil die tägliche Heimkehr zum Familienwohnsitz nicht zumutbar ist, stehen daraus resultierenden Werbungskosten zu.

Im Einkommensteuergesetz (EStG 1988) findet sich dazu nur eine betragsmäßige Beschränkung, nicht aber eine Definition. Die Kosten der Fahrten zwischen dem Wohnsitz am Arbeits- bzw. Tätigkeitsort und dem Familienwohnsitz (Familienheimfahrten) dürfen bei den einzelnen Einkünften nämlich nicht abgezogen werden, soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d EStG 1988 angeführten Betrag übersteigen (§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988).

Zu klären ist deshalb eingangs, wo sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Bf. befand. In Anlehnung an das zwischenstaatliche Steuerrecht hat der VwGH den Begriff Mittelpunkt der Lebensinteressen so definiert, dass darunter der Ort zu verstehen ist, zu dem der Steuerpflichtige die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Bindungen hat ( etc.). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann eine Person zwar mehrere Wohnsitze, jedoch nur einen Mittelpunkt der Lebensverhältnisse haben. Dieser ist durch eine zusammenfassende Wertung aller Umstände zu ermitteln, wobei die Beurteilung anhand objektiv feststellbarer Umstände vorzunehmen ist (vgl. mit weiteren Nachweisen).

Wirtschaftliche Bindungen gehen vor allem von örtlich gebundenen Tätigkeiten und von Vermögensgegenständen in Form von Einnahmequellen aus. Dabei ist insbesondere die Höhe der Einkünfte ausschlaggebend. Bei zwei Wohnsitzen und Erwerbstätigkeit an beiden Orten sind die Aufwendungen für die Wohnung an dem Ort, an dem die Haupttätigkeit ausgeübt wird, nicht abzugsfähige Kosten der Lebensführung. Relevant dabei ist das zeitliche Ausmaß der Betätigung und der Verdienst (vgl. Jakom/Baldauf, EStG, 2015, § 16 Tz 56 Stichwort "Doppelte Haushaltsführung", unter Verweis auf -G/09).

Besondere Bedeutung kommt bei dieser Beurteilung den persönlichen Beziehungen und dort wiederum der Gestaltung des Familienlebens zu (vgl. ; , 98/14/0026; , 95/14/0145 und Fuchs in Hofstätter/Reichel, EStG 45 , § 1 Tz 9). Nach den Erfahrungen des täglichen Lebens bestehen im Regelfall die stärksten persönlichen Beziehungen zu dem Ort, an dem man regelmäßig und Tag für Tag mit seiner Familie lebt. Daraus folgt, dass der Mittelpunkt der Lebensverhältnisse einer verheirateten Person oder einer in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Person regelmäßig am Ort des Aufenthaltes des Paares zu finden sein wird (). Die auf die Wohnsitze entfallenden Aufenthaltszeiten sind dabei ein bedeutsames quantitatives Kriterium (). Demgegenüber treten andere persönliche Beziehungen wie zur restlichen Familie oder zu Freunden in den Hintergrund.

Für die Beurteilung sind die nach außen hin objektiv erkennbaren Umstände heranzuziehen. Nicht von Relevanz sind im Allgemeinen eine bloß gefühlsmäßige Heimatverbundenheit, der Wunsch, später an einen bestimmten Ort zurückzukehren oder die Frage, wo Eltern und andere Verwandte leben ( Zl 82/13/0012; , 1080/77).

Hier wurde der Bf. mehrmals zum Nachweis aufgefordert, dass er tatsächlich mit der behaupteten Partnerin zusammenlebt. Dies war umso mehr gerechtfertigt, als der Bf. zwar den Namen und die Anschrift einer Person bekanntgab, aber keinen Nachweis darüber beibrachte, dass er tatsächlich mit ihr an derselben Anschrift in Kroatien wohnte. Dagegen spricht, dass sich sowohl die Bestätigungen über von ihm geleistete Stromzahlungen wie auch der vorgelegte Zulassungsschein für den PKW auf eine Anschrift beziehen, die nicht mit der Wohnanschrift der vermeintlichen Partnerin identisch ist. Dieser Aufforderung kam der Bf. nicht nach.

Damit ist es in freier Beweiswürdigung erwiesen, dass der Bf. in Kroatien nicht in eheähnlicher Gemeinschaft mit dieser Person lebte. Er hatte im Streitzeitraum keinen Familienwohnsitz in Kroatien.

Es wäre im Rahmen der erhöhten Mitwirkungsverpflichtung an ihm gewesen, das Gegenteil nachzuweisen.

Um Missverständnissen vorzubeugen erlaubt sich das Bundesfinanzgericht den Hinweis, dass hier auch keine Unzumutbarkeit der Verlegung eines allfälligen Familienwohnsitzes nach Österreich zu erkennen ist. Solche Gründe für eine Unzumutbarkeit müssten aus Umständen resultieren, die von erheblichem objektivem Gewicht sind. Momente bloß persönlicher Vorliebe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes reichen nicht aus.

Die Unzumutbarkeit ist aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres und nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen. Dabei ist es die Sache des die Werbungskosten begehrenden Steuerpflichtigen und nicht die der Abgabenbehörde, die Gründe zu nennen, aus denen er das Aufgeben des Familienwohnsitzes als unzumutbar ansieht (vgl. mit weiteren Nachweisen). Relevant sind deshalb nur die vom Bf. vorgetragenen Gründe. Die bloße Betreuung von Liegenschaftsbesitz rechtfertigt die steuerliche Berücksichtigung der Kosten einer doppelten Haushaltsführung nicht (Doralt in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG 11 , § 4 Tz 351). Auch der Besitz eines Eigenheims stellt für sich allein keinen Grund für die Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung an den neuen Arbeitsort dar (vgl. mit weiteren Nachweisen).

Die Beschwerde war damit als unbegründet abzuweisen und der Bescheidspruch war zu bestätigen.

3.2. Zustellung

Gem. § 97 Abs. 1 lit. a BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt bei schriftlichen Erledigungen, wenn nicht in besonderen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen vorgesehen ist, durch Zustellung.
Gem. Abs. 3 leg.cit. kann zwar durch Verordnung des Bundesministers für Finanzen die Mitteilung des Inhalts von Erledigungen auch im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise vorgesehen werden, dies unterblieb aber für Erledigungen des Bundesfinanzgerichts. Solche Zustellungen sind gem. § 98 Abs. 1 BAO in Verbindung mit § 100 Abs. 1 BAO durch dieses Verwaltungsgericht ausschließlich nach dem Zustellgesetz, BGBl. Nr 200/1982, vorzunehmen, wobei der 3. Abschnitt (Elektronische Zustellung) nicht zur Anwendung kommt.

Gem. § 8 Zustellgesetz hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde (bzw. dem Verwaltungsgericht) unverzüglich mitzuteilen. Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.

Das ist hier der Fall. Der Bf. ist laut Zentralem Melderegister mit nach Kroatien verzogen, ohne eine Anschrift zu hinterlassen. Nachforschungen beim ehemaligen Arbeitgeber durch das FA blieben erfolglos und der Bf. reagierte nach Auskunft des FA auch auf dessen Aufforderungen via FinanzOnline zur Bekanntgabe einer Anschrift nicht.

3.3. Revision

Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG).

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG). Dies trifft nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu, wenn die in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig sind (vgl. mit vielen weiteren Nachweisen).

Soweit Rechtsfragen für die hier zu klärenden Fragen entscheidungserheblich sind, sind sie durch höchstgerichtliche Rechtsprechung ausreichend geklärt (siehe oben), nicht von grundsätzlicher Bedeutung oder die anzuwendenden Normen sind klar und eindeutig.

Damit liegt hier kein Grund vor, eine Revision zuzulassen.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.6100410.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at