Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.01.2023, RV/7102951/2022

Anspruch auf den Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung desjenigen, der Anspruch auf den Grundbetrag hat

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Regina Vogt in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Heinisch Weber Rechtsanwälte OG, Reisnerstraße 7 Tür 16-18, 1030 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung für den Zeitraum März 2017 bis November 2021, SVNr. : ***5***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Vorauszuschicken ist, dass der Vater des anspruchsbegründenden Kindes- ***3***- im November 2021 verstorben ist und bis dahin die Familienbeihilfe bezogen hat.

Dem Sohn der Beschwerdeführerin (Bf.), ***1***, geb. am ***2***, wurde mit Gutachten des Sozialministeriumservice vom ein Grad der Behinderung von 50% rückwirkend mit Juli 2016 bescheinigt.

Die Bf. stellte am mit dem Formular Beih 1 den Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für ihren Sohn.

Am erging eine Mitteilung an die "Verlassenschaft nach ***3***", wonach das Anspruchsende November 2021 sei.

Lt. Mitteilung der belangten Behörde an die Bf. vom habe sie Anspruch auf die Familienbeihilfe ab Dezember 2021 bis April 2026.

Am stellte die Verlassenschaft nach ***3*** den Antrag auf Gewährung von "erhöhter Familienbeihilfe" Juli 2016 bis November 2021. Unter dieses Schreiben ist handschriftlich der Name der Bf.-***4***-gesetzt.

Am stellte die Bf. mit dem Formular Beih 3 den Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe für den Zeitraum Juli 2016 bis November 2021..

Weiters wurde ausgeführt:

"Für folgendes Kind haben wir für den angeführten Zeitraum eine erhebliche Behinderung

festgestellt. Sie erhalten daher zusätzlich den Erhöhungsbetrag wegen erheblicher

Behinderung, wenn Ihnen die allgemeine Familienbeihilfe zusteht.

…….***1***, ***2***, Juli 2016-Jän. 2025.

Mit Bescheid vom wurde der Antrag der Bf. vom für den Zeitraum März 2017 bis November 2021 als unbegründet abgewiesen.

Die Begründung lautete:

"Der Erhöhungsbetrag wegen einer erheblichen Behinderung wird als Zuschlag zur

allgemeinen Familienbeihilfe gewährt.

Da für Ihr Kind die allgemeine Familienbeihilfe nicht zusteht, kann auch der Erhöhungsbetrag

nicht ausgezahlt werden.

Da Sie im beantragten Zeitraum keinen Anspruch auf den Grundbetrag der Familienbeihilfe

hatten, ist Ihr Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe für oben angeführten Zeitraum

abzuweisen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde vom , in der die nunmehr vertretene Bf. als Begründung folgendes vorbringt:

Der Ehemann der Bf. habe bis zu seinem Tod für den erheblich behinderten Sohn die Familienbeihilfe nicht aber den Erhöhungsbetrag bezogen, weil er damals noch nicht gewusst habe, dass er ihm zustehe. Sie habe für den ruhenden Nachlass den Antrag auf den Erhöhungsbetrag rückwirkend stellen wollen, habe aber von der belangten Behörde erfahren, dass dies nicht gehe. Daher habe sie am den Antrag gestellt. Nach dem Tod des Kindesvaters am stehe ihr die Familienbeihilfe zu. Sie lebe seit vielen Jahren rechtmäßig in Österreich und habe sowohl auf die Familienbeihilfe als auch auf den Erhöhungsbetrag Anspruch und zwar auf letzteren rückwirkend ab März 2017. Für den Fall, dass der Beschwerde nicht stattgegeben werde, beantrage sie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Am erging eine abweisende Beschwerdevorentscheidung mit folgender Begründung:

"Sie haben am die erhöhte Familienbeihilfe für das am ***2*** geborene Kind

***1*** für den Zeitraum von März 2017 bis November 2021 beantragt. Sie beziehen seit

Dezember 2021 Familienbeihilfe für Ihren Sohn, davor wurde die Familienbeihilfe an den

Vater ausbezahlt.

Daher wurde Ihr Antrag für den Zeitraum von März 2017 bis November 2021 abgewiesen.

Gesetzliche Grundlagen:

Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes erheblich behinderte

Kind.

Würdigung:

Voraussetzung für den Bezug des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe ist, dass der

Anspruch auf den Grundbetrag gegeben ist.

Da Sie von März 2017 bis November 2021 keinen Grundbetrag der Familienbeihilfe bezogen

haben, besteht auch kein Anspruch auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur

Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung."

Gegen diesen Bescheid richtet sich der nicht näher begründete Vorlageantrag vom .

In einer ergänzenden Stellungnahme vom per E-Mail wird vom Vertreter unter Hinweis auf Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG2, § 8 Rz 17f mwN und zunächst argumentiert, dass der Anspruch auf den Grundbetrag kindbezogen zu überprüfen sei, und nicht auf einen bestimmten Elternteil bezogen.

Weiteres vertrete Reinalter in Lenneis/Wanke, FLAG2, § 10 Rz 7 mwN die Auffassung, dass im Fall eines verstorbenen Familienbehilfebeziehers, der die erhöhte Familienbeihilfe vor seinem Ableben noch nicht beantragt hat, die Antragslegitimation auf den/die Rechtsnachfolger übergehe. Aus diesem Grund haben die Erben (gemeinsam) auch zwischenzeitig den Antrag auf rückwirkende Zuerkennung der erhöhten Familienbeihilfe als Rechtsnachfolger des Vaters gestellt.

Vorsichtshalber bleibe die Beschwerdeführerin daher dabei, dass auch Sie für die begehrte Familienbeihilfe im Sinne einer kinderbezogenen Beurteilung aktivlegitimiert sei, dies auch im Sinne der Rechtsauskunft durch die belangte Behörde, wonach eben die Mutter den Antrag zu stellen habe (im eigenen Namen und nicht als Rechtsnachfolgerin, sei es auch gemeinsam mit den anderen Erben).

Sollte das Gericht weiterhin davon ausgehen, dass die Beschwerde keine Berechtigung finde, werde erbeten, dass das Gericht im Sinne einer prozessökonomischen Vorgangsweise obiter die Aktivlegitimation der Erben im Sinne der Kommentierung von Reinalter in Lenneis/Wanke, FLAG2, § 10 Rz 7 mwN behandeln möge. So könnte ein weiteres Beschwerdeverfahren möglicherweise hintangehalten werden.

Es wurde der Beweisantrag auf Einvernahme der Bf. gestellt.

Die Stellungnahem wurde der belangten Behörde per E-Mail vom zur Kenntnis gebracht.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Bf. ist Mutter des Kindes ***1***, geb. am ***2***.

Der Kindesvater ***3*** bezog für ***1*** die Familienbeihilfe bis November 2021. Er ist im November 2021 verstorben.

Mit Gutachten des Sozialministeriumservice vom wurde für ***1*** ein Grad der Behinderung von 50% rückwirkend mit Juli 2016 bescheinigt.

Lt. Mitteilung der belangten Behörde vom an die Bf. wurde der Anspruch der Bf. auf Familienbeihilfe ab Dezember 2021 bis April 2026 festgestellt.

Am stellte sie den Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe rückwirkend für den Zeitraum März 2017 bis November 2021.

2. Beweiswürdigung

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

Das Kind ***1***, für das die Bf. die Familienbeihilfe und den Erhöhungsbetrag beantragte, wurde am ***2*** geboren und war somit im Zeitpunkt der Gewährung der Familienbeihilfe an die Bf. ab Dezember 2021 13 Jahre alt und damit minderjährig.

Gem. § 2 Abs. 1 FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

a) für minderjährige Kinder………………..

Gem. § 8 Abs. 4 FLAG erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes Kind, das erheblich behindert ist.

Als erheblich behindert gilt gem. Abs. 5 leg.cit. ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muß mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Gemäß § 10 Abs. 1 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe nur auf Antrag gewährt; die Erhöhung der Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind ist dabei besonders zu beantragen. In einem antragsgebundenen Verfahren ist es Sache des Antragstellers, das Vorliegen der anspruchsbegründenden Umstände zu behaupten ( ).

Gem. Abs. 2 wird die Familienbeihilfe wird vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchs­voraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Als Sache des Beschwerdeverfahrens, somit als Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, ist jene Angelegenheit anzusehen, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde gebildet hat (vgl für viele etwa oder , 2012/15/0030, sowie auch , sowie , RV/7100093/2016.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom , mit dem der Antrag der Bf. vom auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe für den Zeitraum März 2ß17 bis November 2021 abgewiesen wurde.

Zu beurteilen war daher bereits von der belangten Behörde und nunmehr vom Bundesfinanzgericht, ob der Bf. der Erhöhungsbetrag für den von ihr beantragten Zeitraum zusteht. Anspruch auf den Erhöhungsbetrag für ein minderjähriges Kind hat nämlich nur derjenige Antragsteller, der auch Anspruch auf den Grundbetrag für dieses Kind hat (siehe Tz 18 zu § 8 , FLAG Komm., 2. Aufl.). Aus dem von der Bf. ins Treffen geführten Erkenntnis des ist für den gegenständlichen Fall nichts zu gewinnen, vermeint die Bf. doch, die Voraussetzungen, ob ein Erhöhungsbetrag zusteht seien "kindbezogen" zu prüfen. Dies trifft nur insofern zu, als das Vorliegen einer erheblichen Behinderung i.S. des § 8 Abs. 5 FLAG bei dem anspruchsbegründenden Kind zu prüfen ist, die allgemeinen Voraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe, somit für den Grundbetrag müssen jedoch beim Antragsteller/der Antragstellerin vorliegen.

Unstrittig ist, dass der Bf. die Familienbeihilfe als Grundbetrag ab Dezember 2021 gewährt wurde und zwar nicht etwa auf Grund der Weitergeltung eines bereits bestehenden Anspruches des Kindesvaters, sondern auf Grund ihres eigenen Antrages (vom ). Dies geht aus der Mitteilung vom an die Bf. hervor, wonach die Überprüfung ihres Anspruches die Gewährung der Familienbeihilfe ab Dezember 2021 ergeben habe.

Ein "Fortdauern" des Anspruchs auf Familienbeihilfe, falls die Voraussetzungen dafür zu einem bestimmten Zeitpunkt gegeben waren, ist dem FLAG fremd. Aus § 10 Abs 2 FLAG ergibt sich vielmehr, dass die Anspruchsvoraussetzungen für jeden Kalendermonat erfüllt sein müssen (vgl. ).

Da der Bf. erst ab Dezember 2021 der Grundbetrag an Familienbeihilfe zusteht, ist damit auch der Anspruch auf den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe verknüpft.

Der Antrag der Bf. auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe war daher für den beantragten Zeitraum März 2017 bis November 2021 abzuweisen.

Die von der Bf. aufgeworfene Frage, ob sie als Vertreterin des Nachlasses ihres verstorbenen Gatten-dem die Familienbeihilfe zu Lebzeiten bereits gewährt worden war-hinsichtlich der rückwirkenden Gewährung des Erhöhungsbetrages antragslegitimiert ist, ist nicht verfahrensgegenständlich.

Die Bf. stützt sich dabei auf das Erkenntnis des Unabhängigen Finanzsenates vom , RV/0348-G/09. Im FLAG Kommentar, 2. Aufl. wird dazu in Rz 7 zu § 10 wird dazu wörtlich folgendes ausgeführt:

"Wenn der verstorbene FB-Bezieher die FB beantragt hat und der Erhöhungsbetrag noch nicht beantragt wurde, geht im Zuge der Gesamtrechtsnachfolge die Antragslegitimation auf den Rechtsnachfolger über.

Nach § 19 BAO gehen bei der Gesamtrechtsnachfolge die sich aus Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über. Für den Umfang der Inanspruchnahme des Rechtsnachfolgers gelten die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes. Bei der Gesamtrechtsnachfolge gehen somit alle Rechtspositionen eines Rechtssubjektes auf den Rechtsnachfolger über ( ). Dies betrifft nicht nur die Rechte und Pflichten, die sich aus dem Abgabenschuld­verhältnis (§ 4) ergeben, sondern auch die Rechte und Pflichten aus dem Abgaben­pflichtverhältnis (so zB Taucher, Erbschaften und Ertrag­steuern, 26; vgl auch , wonach der Gesamtrechtsnachfolger in materiell- und in verfahrensrechtlicher Hinsicht bezüglich aller Rechte und Pflichten in die gesamte Rechts­stellung des Rechtsvorgängers tritt) (siehe hiezu -G/09 sowie § 4 Abs 7 Rz 16)."

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Antrag der Verlassenschaft nach ***3*** vom , offenbar vertreten durch die Bf., da von dieser unterschrieben bis dato nicht erledigt zu sein scheint.

Der Antrag auf Einvernahme der Bf. zum vorliegenden Sachverhalt wird mit der Begründung abgelehnt, dass der Sachverhalt so vollständig feststeht, dass sich das Gericht auf Grund der bisher vorliegenden Beweise ein klares Bild über die maßgebenden Sachverhaltselemente machen konnte.

Gemäß § 274 Abs.1 BAO hat über die Beschwerde eine mündliche Verhandlung stattzufinden, wenn eine solche in der Beschwerde oder im Vorlageantrag beantragt wird. Die Bf. hat die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung für den Fall gestellt, "dass der Beschwerde nicht stattgegeben werden sollte." Sie hat somit den Antrag unter der Bedingung gestellt, dass ihrem Begehren auf Stattgabe der Beschwerde nicht Rechnung getragen werde. Die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung sehen bedingte Verhandlungsanträge nicht vor, der Antrag der Bf. war daher unwirksam (siehe z.B. unter Hinweis auf ) und eine mündliche Verhandlung nicht durchzuführen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Bei der Frage nach dem Verfahrensgegenstand handelte es sich nicht um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Dass der Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfedemjenigen zusteht, der Anspruch auf den grundbetrag hat, ergibt sich unmittelbar aus der gesetzlichen Vorschrift des § 8 FLAG 1967.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7102951.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at