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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.01.2023, RV/5100097/2022

Eine Erkrankung des Geschäftsführers schließt ein Verschulden nicht aus

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Rechtsanwälte Estermann & Partner OG, Stadtplatz 6, 5230 Mattighofen, über die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid des ***FA*** vom , Steuernummer ***4***, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben und die Haftungsinanspruchnahme auf folgende Abgabenschulden im Gesamtbetrag von 6.830,94 € eingeschränkt:


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag
davon 85,529265 % (lt. BVE)
davon 50 %
Umsatzsteuer
1/2019
4.888,94
4.181,47
2.090,74
Umsatzsteuer
4/2019
7.811,80
6.681,38
3.340,69
Lohnsteuer
5/2019
1.686,48
1.442,43
721,22
Lohnsteuer
6/2019
1.060,58
907,11
453,56
Lohnsteuer
7/2019
381,13
325,98
162,99
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
5/2019
54,68
46,77
23,39
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
6/2019
89,67
76,69
38,35
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
7/2019
26,31
22,50
0
Summe
15.999,59
13.684,33
6.830,94

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt:

Mit Schreiben vom teilte das Finanzamt dem Beschwerdeführer (in der Folge kurz: Bf) mit, dass die Vertreter juristischer Personen alle Pflichten des Vertretenen zu erfüllen und insbesondere dafür zu sorgen hätten, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalteten, vorschriftsmäßig entrichtet würden.

Treffe den Vertreter ein Verschulden an der Nichtentrichtung dieser Abgaben - bereits leichte Fahrlässigkeit gelte als Verschulden - hafte er mit seinem persönlichen Einkommen und Vermögen für unentrichtet gebliebene Abgaben des Vertretenen.

Das Finanzamt wies den Bf auf die dort detailliert aufgegliederten, offen gebliebenen und uneinbringlichen Abgaben der Fa. ***1*** GmbH (in der Folge kurz: Primärschuldnerin) in Höhe von 35.472,09 € hin.

Laut Firmenbuchauszug sei der Bf seit als Vertreter der Primärschuldnerin bestellt.

Die angeführten Abgaben seien bei der Primärschuldnerin während seiner Vertretungsperiode fällig geworden bzw. nicht entrichtet worden. Da über das Vermögen der Primärschuldnerin am das Konkursverfahren eröffnet worden sei, seien die genannten Beträge als uneinbringlich anzusehen.

Sofern die Primärschuldnerin bereits zu den jeweiligen Fälligkeitstagen der Abgaben nicht mehr über ausreichend liquide Mittel zur (vollen) Bezahlung aller Verbindlichkeiten verfügt habe, werde der Bf ersucht, dies durch eine Auflistung sämtlicher Gläubiger mit zum Zeitpunkt der Abgabenfälligkeiten gleichzeitig oder früher fällig gewordenen Forderungen darzulegen. In dieser Aufstellung müssten alle damaligen Gläubiger der Primärschuldnerin, auch die zur Gänze bezahlten, sowie auf einzelne Verbindlichkeiten (Gläubiger) geleistete Zahlungen (Quoten) enthalten sein. Außerdem seien alle verfügbar gewesenen liquiden Mittel (Bargeld und offene Forderungen) anzugeben bzw. gegenüberzustellen.

Dem Bf stehe offen, diesen Nachweis auch auf andere Art und Weise zu erbringen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes obliege es dem Bf als Vertreter, den Nachweis zu erbringen, wieviel Zahlungsmittel zur Verfügung gestanden seien und in welchem Ausmaß die übrigen Gläubiger der Primärschuldnerin noch Befriedigung erlangt hätten. Werde der geforderte Nachweis nicht erbracht, müsse das Finanzamt davon ausgehen, dass er seine Verpflichtungen verletzt habe und diese Pflichtverletzung auch ursächlich für den Abgabenausfall gewesen sei. Unter diesen Umständen hafte der Bf für die uneinbringlichen Abgabenschulden in vollem Ausmaß ().

Werde der Nachweis der Gläubigergleichbehandlung nicht in nachvollziehbarer Weise erbracht, liege es im Ermessen des Finanzamtes, die Haftung für die genannten Abgabenschulden auszusprechen.

Da der öffentliche Auftrag zur Ergreifung aller Mittel, vollstreckbare Abgaben einzubringen, bei einer vorzuwerfenden Pflichtverletzung allfällige Einzelinteressen verdränge (z.B. ), sehe sich das Finanzamt veranlasst, die gesetzliche Vertreterhaftung geltend zu machen.

In seiner Stellungnahme vom verwies der Bf durch seine anwaltliche Vertretung im Wesentlichen darauf, dass die maßgeblichen Stichtage zwischen und lägen und die Fälligkeitszeitpunkte zur Vereinfachung vom bis zusammengefasst würden. In der Folge listete der Bf die Zahlungen (brutto) der Primärschuldnerin zwischen und auf. Laut dieser Aufstellung wurden in diesem Zeitraum Zahlungen in Höhe von 107.260,40 € geleistet.

Bei den Zahlungen an den Steuerberater habe es sich um Zug-um-Zug-Leistungen gehandelt, um die abgabenrechtlichen Verpflichtungen zur Einreichung der Steuererklärungen erfüllen zu können.

Bei den Zahlungen an die Lieferanten, den Kosten für die Betankung der im Einsatz befindlichen Fahrzeuge oder den ausbezahlten Löhnen habe es sich ebenfalls um Zug-um-Zug-Leistungen gehandelt. Durch diese Zahlungen hätten noch Baustellen fertiggestellt werden können. Der Werklohn dieser Baustellen sei dem Girokonto der Primärschuldnerin zugeflossen, womit wiederum weitere Zahlungen, insbesondere auch an das Finanzamt, geleistet worden seien.

Im haftungsrelevanten Zeitraum seien der Insolvenzschuldnerin aus abgerechneten Bauleistungen insgesamt 159.964,37 € zugeflossen. Damit sei evident, dass der Bf seine Mittel so verwaltet habe, dass ihm kein Verschulden an der Nichtentrichtung der Abgaben angelastet werden könne.

Zug-um-Zug-Leistungen erfüllten nicht den Haftungsanspruch nach § 9 BAO.

Per sei über das Vermögen der Primärschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet worden, sodass die Nichtzahlung von Abgaben nach diesem Zeitpunkt dem Vertreter ohnedies nicht anzulasten sei.

Durch den Zufluss des Werklohns und die Fertigstellung von einzelnen Baustellen hätten noch erhebliche Zahlungen von 19.321,45 € an das Finanzamt geleistet werden können.

Dem Konto sei im fraglichen Zeitraum bis August 2019 aus Abrechnungen mit den Kunden und Fertigstellung der Baustellen ein Betrag von 159.964,37 € zugeführt worden.

Mit Bescheid vom wurde der Bf als Haftungspflichtiger gemäß §§ 9, 80 ff BAO für nachstehende aushaftende Abgabenschulden der in Liquidation befindlichen Primärschuldnerin im Ausmaß von 15.999,59 € in Anspruch genommen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeitstag
Betrag
Umsatzsteuer
1/2019
4.888,94
Umsatzsteuer
4/2019
7.811,80
Lohnsteuer
5/2019
1.686,48
Lohnsteuer
6/2019
1.060,58
Lohnsteuer
7/2019
381,13
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
5/2019
54,68
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
6/2019
89,67
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
7/2019
26,31
Summe
15.999,59

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO hafteten die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden könnten. Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehöre insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben entrichtet würden.

Die im Spruch angeführten Abgabenschulden seien bei der Primärschuldnerin uneinbringlich, da das Insolvenzverfahren nach Verteilung des Massevermögens aufgehoben worden sei.

Aufgrund der getroffenen Feststellungen (Bezahlung Miete, Lieferanten, Telekom) sei davon auszugehen, dass zwar Gesellschaftsmittel vorhanden gewesen seien, diese aber nicht zur (anteiligen) Entrichtung der Abgabenschulden verwendet worden seien. Da bei Tilgung der Schulden der Gesellschaft die Abgabenschulden schlechter als die übrigen Verbindlichkeiten behandelt worden seien, sei von einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes auszugehen.

Die haftungsgegenständliche Lohnsteuer sei vom Gleichbehandlungsgebot ausgenommen. Nach § 78 Abs. 3 EStG 1988 habe der Arbeitgeber, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohns ausreichten, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten.

Bei Einhaltung des Gleichbehandlungsgebotes bzw. der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1988 wäre es nicht zum Abgabenausfall gekommen; vielmehr hätten die Abgabenschulden zumindest teilweise getilgt werden können. Da nicht dargelegt worden sei, in welchem Ausmaß die Abgabenschulden bei Einhaltung des Gleichbehandlungsgebotes entrichtet worden wären, bestehe die Haftung zur Gänze. Die Verletzung der Pflicht nach § 78 Abs. 3 EStG 1988 führe zur Uneinbringlichkeit der Lohnsteuer.

Die Geltendmachung der Haftung stelle die einzige Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruchs dar. Weiters könne aufgrund der festgestellten wirtschaftlichen Verhältnisse bzw. der künftigen Erwerbsmöglichkeiten (z.B. Ausbildung und Alter des Haftungspflichtigen) nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass die Haftungsschulden auch beim Haftungspflichtigen uneinbringlich seien. Der Haftungspflichtige habe im Zusammenhang mit der Wahrnehmung seiner Pflichten auffallend sorglos gehandelt. Aus diesen Gründen sei die Geltendmachung der Haftung geboten.

Mit Schreiben vom erhob der Bf durch seine anwaltliche Vertretung Beschwerde gegen den Haftungsbescheid und focht diesen zur Gänze an.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Abgabenschuld in Höhe von 15.999,59 € bei der Primärschuldnerin nicht zur Gänze uneinbringlich sei. Über deren Vermögen sei das Insolvenzverfahren eröffnet und dieses mit Beschluss vom aufgehoben worden. An die Gläubiger der allgemeinen Klasse sei eine Quote von 14,470734 % verteilt worden. Diese Quote habe der Insolvenzverwalter an die Abgabenbehörde überwiesen.

Tatsächlich sei daher die Forderung lediglich im Betrag von 13.684,33 € uneinbringlich. Insoweit sei der angefochtene Bescheid daher hinsichtlich der Höhe der Haftung verfehlt.

Die Insolvenzschuldnerin habe ihre Zahlungen mit (gemeint offenbar: ) eingestellt. Zu diesem Zeitpunkt sei jedenfalls damit begonnen worden, den Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorzubereiten. Dem Bf als Geschäftsführer der Primärschuldnerin sei daher geraten worden, die Zahlungen einzustellen. Eine Ungleichbehandlung mit denjenigen Zahlungen, die am erfolgt seien, habe daher nicht erfolgen können, da sämtliche Zahlungen eingestellt worden seien. Dies ergebe sich auch aus der Auflistung der Zahlungen bis in der Stellungnahme des Rechtsvertreters des Bf.

Wie bereits in der ausführlichen Stellungnahme vom dargelegt, handle es sich bei den Zahlungen im Zeitraum zwischen und (gemeint offenbar: ) um Zug-um-Zug-Leistungen der Primärschuldnerin, die jedenfalls im Hinblick auf die am und fällig gewesene Umsatzsteuer zu keiner Ungleichbehandlung geführt hätten. Ab seien insbesondere mehrere Rechnungen der Steuerberatung bezahlt worden, um das Insolvenzverfahren vorbereiten zu können; selbstverständlich handle es sich auch hier um Zug-um-Zug-Leistungen.

Auch die Auszahlung an die in der Beschwerde namentlich genannten sechs Personen seien Zug-um-Zug-Leistungen, da die Mitarbeiter der Insolvenzschuldnerin ihre Löhne erst nach Erbringung der Arbeitsleistungen ausbezahlt bekommen hätten. Unter Zug-um-Zug-Leistungen seien Leistungen zu verstehen, bei denen der Schuldner dem Gläubiger nicht unbedingt verpflichtet sei, sondern der gegen ihn gerichtete Anspruch seinerseits von einer Leistung des Gläubigers abhängig sei. Bei Zug-um-Zug-Leistungen seien Gläubiger und Schuldner eines Schuldverhältnisses jeweils nur dann zur Leistungserbringung verpflichtet, wenn auch die Gegenseite das Erforderliche tue. Die Mitarbeiter der Insolvenzschuldnerin arbeiteten nur dann, wenn sie ihren Lohn erhielten, auch der Steuerberater erstelle nur dann die Steuererklärungen, wenn er dafür eine Entlohnung erhalte. Entgegen der Rechtsmeinung des Finanzamtes seien die Gesellschaftsmittel nicht lediglich dazu verwendet worden, Miete, Lieferanten und Telekom zu bezahlen, sondern habe der Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin die vorhandenen Mittel dazu aufgebracht, um Zug-um-Zug-Leistungen zu bezahlen und den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten und die notwendigen Kosten für die Vorbereitung des Insolvenzverfahrens bezahlen zu können. Da Zug-um-Zug-Leistungen von der Haftung des Geschäftsführers ausgenommen seien, sei auch in diesem Umfang die Inanspruchnahme des Geschäftsführers der Insolvenzschuldnerin zu Unrecht erfolgt.

Bekämpft werde weiters die Feststellung, dass der geltend gemachte Anspruch beim Sekundärschuldner einbringlich wäre und er bei der Wahrnehmung seiner Pflichten auffallend sorglos gehandelt hätte. Ob jemand auffallend sorglos handle, sei insbesondere auch danach zu beurteilen, welche Sorgfalt demjenigen nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbar sei. Wie aus dem Haftungsbescheid zu entnehmen sei, habe der Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin nach jahrelanger Geschäftstätigkeit lediglich für zwei Monate die Umsatzsteuer und für drei Monate die Lohnsteuer nicht bezahlt, sodass sicherlich nicht von auffallender Sorglosigkeit ausgegangen werden könne. Der Geschäftsführer sei seit April 2019 im Krankenstand gewesen. Aufgrund einer Depression und eines schweren Arbeitsunfalls, gepaart mit Vorerkrankungen in der Lenden- und Brustwirbelsäule, habe er seine Tätigkeit nicht mehr ausüben können. Der Bf sei insbesondere einer der wichtigsten Mitarbeiter auf den Baustellen gewesen, sodass durch seinen Ausfall nicht nur die Baustellen nicht mehr hätten fertiggestellt werden können, sondern auch die Geschäftsführung weggefallen sei. Aufgrund dieser Erkrankungen habe der Geschäftsführer nicht mehr arbeiten können und vorerst lediglich Krankengeld bezogen, in der Folge, nachdem der Masseverwalter das Unternehmen geschlossen habe, Reha-Geld. Aufgrund seiner Krankheit sei dem Bf kein Verschulden, schon gar keine auffallende Sorglosigkeit, an der Verletzung der Abgabepflichten anzulasten. Der Bf sei gesundheitlich schwer angeschlagen, da er zwischenzeitig auch an Diabetes erkrankt sei. Er sei am ***2*** geboren und zwischenzeitig 60 Jahre alt. Aufgrund seiner Erkrankungen sei er nicht mehr in den Arbeitsmarkt einzugliedern.

Beantragt werde daher, den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben.

Mit undatierter, dem Bf am zugestellter Beschwerdevorentscheidung wurde der Beschwerde teilweise stattgegeben und wurden die Haftungsschulden auf 13.684,33 € reduziert.

Mit Beschluss vom sei über das Vermögen der Primärschuldnerin das Konkursverfahren eröffnet und in der Folge mit Beschluss vom die Schließung des Unternehmens angeordnet worden.

Am sei die auf die belangte Behörde entfallende Verteilungsquote überwiesen worden. Mit Beschluss vom sei der Konkurs aufgehoben worden.

Die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenschulden stehe somit im Ausmaß von 82,529265 % (richtig wohl: 85,529265 %) fest. Die vorgeschriebenen Haftungsbeträge seien um die entrichtete Quote von 14,470735 % vermindert worden.

Laut Beschwerde seien die Zahlungen mit eingestellt worden, das heiße, dass bis zu diesem Zeitpunkt fällige Zahlungen entrichtet worden seien. Bei Selbstbemessungsabgaben (z.B. Umsatzsteuer) sei maßgebend, wann die Abgabe bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung zu entrichten oder abzuführen gewesen wäre. Maßgebend sei daher ausschließlich der Zeitpunkt der Fälligkeit, und dieser sei vor dem gewesen.

Hinsichtlich der Lohnsteuer ergebe sich aus § 78 Abs. 3 EStG 1988, dass der Arbeitgeber, wenn die Mittel nicht zur Zahlung des vollen vereinbarten Bruttoarbeitslohnes ausreichten, die Lohnsteuer vom tatsächlich zur Auszahlung gelangten Betrag zu berechnen und einzubehalten habe. Werde die Lohnsteuer nicht einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, sei nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - ungeachtet wirtschaftlicher Schwierigkeiten der Primärschuldnerin - von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Geschäftsführers auszugehen.

In der Beschwerde werde vorgebracht, dass es sich bei den im haftungsgegenständlichen Zeitraum getätigten Zahlungen lediglich um Zug-um-Zug-Geschäfte gehandelt habe, die zur Aufrechterhaltung des Betriebes und zur Vorbereitung des Insolvenzverfahrens notwendig gewesen seien.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausführe, könne im Fall der Befriedigung betriebsnotwendiger Forderungen von einer anteiligen Begleichung aller Verbindlichkeiten keine Rede sein.

Die Geltendmachung der Haftung stelle die letzte Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruchs dar. Die derzeit angespannten finanziellen Verhältnisse des Bf stünden einer Haftungsinanspruchnahme nicht entgegen. Auch wenn eine Abgabenschuld bei einem haftenden Vertreter zum Zeitpunkt der Geltendmachung der Haftung uneinbringlich sei, könne diese zweckmäßig sein, weil eine allfällige Uneinbringlichkeit zum Zeitpunkt der Geltendmachung der Haftung nicht ausschließe, dass künftig neu hervorgekommenes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen könnten. Die wirtschaftliche Lage des Haftungspflichtigen, dessen Vermögenslosigkeit oder das Fehlen von Einkünften stünden somit für sich allein noch in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund sei die Haftungsinanspruchnahme des Bf nicht rechtswidrig.

Mit Schreiben vom stellte der Bf durch die ihn vertretenden Rechtsanwälte fristgerecht einen Vorlageantrag. Ein neues Sachvorbringen wurde nicht erstattet.

Am richtete das Bundesfinanzgericht nachstehendes Ergänzungsersuchen an den Bf:

"1) In Ihrem Schreiben vom führten Sie sämtliche Zahlungen an, welche die ***1*** GmbH zwischen und geleistet hatte.

Da das Insolvenzverfahren erst rund einen Monat später, nämlich am eröffnet wurde, stellen sich folgende Fragen:

a) Ab welchem Zeitpunkt leistete die GmbH tatsächlich keine Zahlungen mehr?

b) War das Fehlen von liquiden Mitteln oder waren andere Gründe für die Zahlungseinstellung ausschlaggebend?

c) Wann erfolgte die tatsächliche Unternehmensschließung?

2) Laut der in Ihrem Schreiben vom enthaltenen Aufstellung der zwischen und geleisteten Zahlungen waren im Juli 2019 keine Lohnzahlungen mehr enthalten.

Sollten keine Löhne mehr bezahlt worden sein - aus welchem Grund wurden dem Finanzamt am Lohnabgaben für den Monat Juli 2019 gemeldet?

3) Entscheidend für den Umfang der Geschäftsführerhaftung ist die Gleichbehandlung des Abgabengläubigers im Verhältnis zu den übrigen Gläubigern (Gläubigergleichbehandlung).

Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestanden sind, nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten. Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt dem Vertreter; diesem und nicht der Behörde obliegt die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote. Vermag der Vertreter nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden.

Eine Ausnahme vom Gleichbehandlungsgrundsatz gilt für Lohnsteuer (nicht aber für Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag).

Der im Hinblick auf die Gläubigergleichbehandlung zu beurteilende Zeitraum beginnt mit der ältesten Fälligkeit (im vorliegenden Fall: ) und endet spätestens mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens; er endet bereits früher mit der Beendigung der Vertreterstellung oder auch mit einer früheren allgemeinen Zahlungseinstellung.

Maßgeblich ist daher die Gläubigergleichbehandlung bzw. Nichtbenachteiligung des Abgabengläubigers in diesem Zeitraum.

Zur Berechnung wären alle Verbindlichkeiten der Fa. ***1*** GmbH, die zu Beginn des Beurteilungszeitraums bereits fällig waren oder bis zum Ende des Beurteilungszeitraums fällig geworden sind, unter Einschluss der Abgabenverbindlichkeiten zu addieren.

Auch alle in diesem Zeitraum auf diese Verbindlichkeiten geleisteten Zahlungen wären zu addieren und der Summe der fälligen bzw. fällig gewordenen Gesamtverbindlichkeiten gegenüberzustellen.

Durch Gegenüberstellung der beiden Summen ergäbe sich das Verhältnis, zu dem Verbindlichkeiten der Primärschuldnerin im Beurteilungszeitraum durchschnittlich getilgt worden sind ("allgemeine Zahlungsquote").

Eine gleichartige Berechnung wäre isoliert für die Abgabenverbindlichkeiten anzustellen. Die im haftungsrelevanten Zeitraum getätigten Zahlungen an die Abgabenbehörde wären den insgesamt zu Beginn dieses Zeitraums fälligen samt den in diesem Zeitraum fällig gewordenen Abgabenverbindlichkeiten gegenüberzustellen ("Finanzamts-Zahlungsquote").

Die Differenz der beiden Quoten ergäbe die Differenzquote.

Zur Einbeziehung auch von Zug-um-Zug-Geschäften in diese Berechnung ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen (vgl. Ritz/Koran, BAO7 (2021), § 9 Rz 11a, mit Hinweis auf die dort angeführte umfangreiche Judikatur).

Das bisher erstattete Vorbringen reicht als Nachweis einer Gleichbehandlung des Finanzamtes mit den übrigen Gläubigern nicht aus.

4) Stellen Sie Ihre Krankengeschichte chronologisch dar und untermauern Sie diese, soweit vorhanden, durch entsprechende Befunde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , 2000/15/0018, dargelegt, dass das Vorbringen eines Geschäftsführers, durch Krankheit an der Erfüllung seiner Verpflichtungen gehindert gewesen zu sein, ein Verschulden an der Verletzung seiner Pflichten nicht ausschließt, da der Geschäftsführer - wie auch in anderen Fällen, in denen er nicht in der Lage ist, die Geschäftsführerfunktion ordnungsgemäß auszuüben - dazu verhalten ist, diese Funktion zurückzulegen. Welcher Zeitraum zwischen dem Erkennen der Behinderung bzw. der Ergebnislosigkeit der Bemühungen, diese zu beseitigen und dem Rücktritt haftungsrelevant ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab.

Nach dieser Rechtsprechung besteht ein haftungsrelevantes Verschulden auch darin, dass die Geschäftsführerfunktion trotz erheblicher gesundheitlicher Einschränkungen nicht zurückgelegt wird.

Da für die Geltendmachung der Haftung eine bestimmte Schuldform nicht gefordert wird, genügt auch leichte Fahrlässigkeit. Im Rahmen der Ermessensübung kann das Ausmaß des Verschuldens jedoch Berücksichtigung finden und unter Umständen eine Einschränkung der Haftungsinanspruchnahme ausgesprochen werden."

Dieses Ergänzungsersuchen beantwortete der Bf nicht.

Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vom Finanzamt vorgelegten Aktenteilen, dem Vorbringen des Bf, der Abfrage des Abgabenkontos der Primärschuldnerin, den Eintragungen im Firmenbuch, der Ediktsdatei sowie dem Abgabeninformationssystem der Finanzverwaltung, insbesondere dem so genannten "b-Verfahren".

Rechtslage:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden (§ 80 Abs. 1 BAO).

Nach der Judikatur sind eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, die Stellung als Vertreter, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit Voraussetzung für die Haftung.

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung. Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden. Nach Abschluss des Konkurses und allfälliger Auszahlung einer Konkursquote ist mangels gegenteiliger Anhaltspunkte davon auszugehen, dass der in der Konkursquote nicht mehr Deckung findende Teil der Abgabenforderungen bei der Gesellschaft uneinbringlich ist, weil kein Gesellschaftsvermögen mehr vorhanden ist, welches zur Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben herangezogen werden könnte.

Für die Haftung nach § 9 BAO ist ausschließlich die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten von Bedeutung.

Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob der Vertretene die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel hatte, bestimmt sich danach, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären.

Bei Abgaben, die die GmbH selbst zu berechnen, einzubehalten und abzuführen hat (z.B. Umsatzsteuer, Lohnsteuer) ist maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung (Einbehaltung) abzuführen gewesen wären.

Führt ein Geschäftsführer als Vertreter der Gesellschaft geschuldete Abgaben nicht spätestens zum Fälligkeitstag ab, liegt eine objektive Verletzung der den Geschäftsführer treffenden abgabenrechtlichen Pflichten vor. Haftungsbegründend kann sich diese Pflichtverletzung (unter der Voraussetzung der erschwerten Einbringlichkeit beim Abgabenschuldner) allerdings nur dann auswirken, wenn dem Geschäftsführer an der Pflichtverletzung auch ein Verschulden in Form eines vorsätzlichen oder fahrlässigen Handelns oder Unterlassens anzulasten ist.

Da § 9 BAO keine bestimmte Schuldform fordert, genügt für die Haftungsinanspruchnahme - bei Vorliegen aller übrigen Voraussetzungen - leichte Fahrlässigkeit (vgl. ).

Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung ursächlich für die Uneinbringlichkeit war.

Verfügt der Vertretene über (wenn auch nicht ausreichende) Mittel, so darf der Vertreter bei der Entrichtung von Schulden Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als die übrigen Schulden (Gleichbehandlungsgrundsatz).

Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt dem Vertreter; dieser und nicht die Behörde hat eine entsprechende Quote zu berechnen. Vermag der Vertreter nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden ().

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist bei Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes grundsätzlich auf den jeweiligen Fälligkeitstermin abzustellen. Der Unabhängige Finanzsenat bzw. das Bundesfinanzgericht haben dagegen wiederholt eine Zeitraumbetrachtung zugelassen, da eine auf einzelne Fälligkeitstage abgestellte Betrachtung in der Praxis oft nur schwer möglich ist und auch zu Verzerrungen führen könnte (etwa bei Zahlungsverzügen). So würde bei einer isolierten Betrachtung der Zahlungen nur an einem bestimmten Tag eines Monats (Fälligkeitstag; bei Selbstbemessungsabgaben in der Regel der 15. eines Monats) eine massive Bevorzugung anderer Gläubiger im Zeitraum vor oder nach diesem Stichtag außer Betracht bleiben, sodass eine Zeitraumbetrachtung nicht nur praktikabler ist, sondern auch zu sachgerechteren Ergebnissen führt (vgl. Ritz/Koran, BAO7 (2021), § 9 Rz 27).

Jüngst stellte der VwGH fest, dass es für den Nachweis der Gläubigergleichbehandlung nicht nur auf die liquiden Mittel zum Fälligkeitstag ankomme, die den an diesem einen Tag jeweilig fälligen Verbindlichkeiten gegenüberzustellen seien, weil eine derartige Betrachtung für nur einen einzigen Tag im Monat ohne Berücksichtigung der vorhandenen liquiden Mittel für die Zeiträume nach der Fälligkeit der Abgaben keinen Nachweis über eine Gläubigergleichbehandlung geben könne ().

Der Verwaltungsgerichtshof anerkannte auch eine überschlägige Ermittlung der Quote, weil Sorgfalts- und Mitwirkungspflichten nicht über das Maß des Möglichen und Zumutbaren hinaus überspannt werden dürften ().

Wird eine Abgabe nicht entrichtet, weil der Vertretene überhaupt keine liquiden Mittel hat, so verletzt der Vertreter dadurch keine abgabenrechtliche Pflicht (Ritz/Koran, aaO, § 9 Rz 10).

Darüber hinaus kann sich nach der Judikatur eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht nur bei der Tilgung bereits bestehender Verbindlichkeiten, sondern auch bei sogenannten Zug-um-Zug-Geschäften ergeben, weil sich der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung auch auf Zahlungen bezieht, die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes erforderlich sind. Demnach kann eine Bevorzugung von Gläubigern auch in der Barzahlung von Wirtschaftsgütern oder Dienstleistungen in Form von sogenannten Zug-um-Zug-Geschäften bestehen. Der vom Vertreter zu erbringende Nachweis der Gleichbehandlung aller Gläubiger hat somit auch die von der Gesellschaft getätigten Zug-um-Zug-Geschäfte zu erfassen (vgl. ; ebenso , wonach der Geschäftsführer einer GmbH schuldhaft abgabenrechtliche Pflichten verletzt, wenn er zur Vermeidung der Einstellung des Geschäftsbetriebes der GmbH und der Anmeldung des Konkurses Löhne und Materiallieferungen bezahlt, nicht aber auch Abgaben).

Der im Hinblick auf die Gläubigergleichbehandlung zu beurteilende Zeitraum endet spätestens mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens; er endet bereits früher mit der Beendigung der Vertreterstellung oder auch mit einer früheren allgemeinen Zahlungseinstellung ().

Ausnahmen vom Gleichbehandlungsgrundsatz gelten für Abfuhrabgaben, insbesondere für Lohnsteuer. Die Verpflichtung eines Vertreters nach § 80 BAO geht hinsichtlich der Lohnsteuer über das Gebot der gleichmäßigen Behandlung aller Schulden hinaus (Ritz/Koran, aaO, § 9 Rz 11d, mit Verweis auf die dort angeführte Judikatur). Die Lohnsteuer ist daher - ungeachtet des Grundsatzes der Gleichbehandlung aller andrängenden Gläubiger - zur Gänze zu entrichten. Die Nichtabfuhr von Lohnsteuer, die auf den ausbezahlten Arbeitslohn entfällt, kann nicht mit dem Fehlen ausreichender Mittel gerechtfertigt werden.

Wird Lohnsteuer nicht einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, ist ungeachtet wirtschaftlicher Schwierigkeiten der GmbH von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Geschäftsführers auszugehen; es fällt ihm als Verschulden zur Last, wenn er Löhne ausbezahlt, die darauf entfallende Lohnsteuer aber nicht an das Finanzamt entrichtet ().

Nach § 78 Abs. 3 EStG 1988 hat nämlich der Arbeitgeber, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes ausreichen, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten.

§ 78 EStG 1988 verpflichtet den Arbeitgeber, bei jeder Lohnzahlung, also im Zeitpunkt des Zuflusses an den Arbeitnehmer, Lohnsteuer einzubehalten (Lenneis in Jakom, EStG, 14. Aufl. (2021), § 78 Rz 1, mit Verweis auf ).

Die einbehaltene Lohnsteuer ist zur Gänze zur späteren Abfuhr zu verwenden.

Jede vom Geschäftsführer einer GmbH vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne stellt eine schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflicht mit den Rechtsfolgen des § 9 Abs. 1 BAO dar, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichen ().

Die Auszahlung von Löhnen ohne korrekte Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer stellt daher in jedem Fall eine Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten dar ().

Wendet ein Geschäftsführer ein, er sei durch Krankheit an der Erfüllung seiner Verpflichtung gehindert worden, so schließt dies ein Verschulden an der Verletzung seiner Pflichten nicht aus, da der Geschäftsführer - wie auch in anderen Fällen, in denen er nicht in der Lage ist, die Geschäftsführerfunktion ordnungsgemäß auszuüben bzw. die Umstände, welche zu der Behinderung führen, zu beseitigen - dazu verhalten ist, diese Funktion zurückzulegen ().

Nach ständiger Rechtsprechung hat der Vertreter darzulegen, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich war, widrigenfalls angenommen wird, dass die Pflichtverletzung schuldhaft war.

Die Geltendmachung der Haftung liegt im Ermessen der Abgabenbehörde, das sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen (§ 20 BAO) zu halten hat. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben mit allen gesetzlich vorgesehenen Mitteln und Möglichkeiten" beizumessen.

Dieses Ermessen umfasst auch das Ausmaß der Heranziehung zur Haftung (z.B. ).

Die Geltendmachung der Haftung stellt die letzte Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruchs dar. Der öffentliche Auftrag zur Ergreifung aller Mittel, vollstreckbare Abgaben einzubringen, überwiegt bei einer vorzuwerfenden Pflichtverletzung meist auch allfällige Billigkeitsgründe, die für eine Abstandnahme von der Heranziehung zur Haftung ins Treffen geführt werden.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stehen Vermögenslosigkeit oder das Fehlen von Einkünften des Haftungspflichtigen in keinem Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung (, mit Verweis auf ). Die Geltendmachung der Haftung kann auch dann zweckmäßig sein, wenn die Haftungsschuld im Zeitpunkt der Geltendmachung uneinbringlich ist, da dies nicht ausschließt, dass künftig neu hervorgekommenes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen können ().

Die Haftung darf daher nicht nur bis zur Höhe der aktuellen Einkünfte bzw. des aktuellen Vermögens des Haftungspflichtigen geltend gemacht werden ().

Erwägungen:

Laut Firmenbuchauszug war der Bf seit selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der am errichteten Primärschuldnerin. Er war auch deren alleiniger Gesellschafter.

Das Unternehmen war im Wesentlichen im Bereich Fassadenbau und Fassadengestaltung tätig (2. Bericht des Masseverwalters vom ).

Mit Beschluss vom wurde über das Vermögen der Primärschuldnerin das Konkursverfahren eröffnet.

Zu den Ursachen der Zahlungsunfähigkeit ist in Punkt 2. des genannten Berichts u.a. angeführt, dass es im Jahr 2014/2015 aufgrund eines Konkursverfahrens zu massiven Forderungsausfällen gekommen sei, wobei das Unternehmen durch Privateinlagen habe weitergeführt werden können. Der Bf habe sich stets persönlich auf den Baustellen engagiert und diese neben der von ihm ausgeübten Bürotätigkeit betreut. Diese Arbeitsbelastung habe im Jahr 2019 schließlich zu einer Nervenkrankheit geführt, welche durch eine Zuckerkrankheit und Fußprobleme begleitet worden sei. Der Bf befinde sich seit im Krankenstand. Er sei nicht mehr in der Lage gewesen, das Unternehmen zu leiten; sogar bestehende Aufträge hätten nicht abschließend abgewickelt werden können.

Bei Konkurseröffnung sei das schuldnerische Unternehmen bereits geschlossen und seien sämtliche Dienstverhältnisse aufgelöst gewesen.

In einer Eingabe vom an das Landesgericht ***3*** u.a. wegen eines Antrags auf Bewilligung der Schließung des schuldnerischen Unternehmens ist in Punkt 3. angeführt, dass bereits vor Konkurseröffnung sämtliche Dienstverhältnisse aufgelöst worden seien und das Unternehmen geschlossen worden sei. Angesichts der Erkrankung des Geschäftsführers, welcher seine Arbeitskraft maßgeblich in das Unternehmen eingebracht habe, seien zuletzt keine weiteren Aufträge angenommen worden. Dem Geschäftsführer selbst sei nicht mehr möglich gewesen, Arbeitsleistungen zu erbringen. Das ohnedies bereits faktisch geschlossene Unternehmen habe daher geschlossen zu bleiben.

Nach einem im vorgelegten Akt befindlichen Arztbrief vom wurde der Bf am mit hausärztlicher Einweisung wegen neu diagnostiziertem Diabetes mellitus Typ 2, Gewichtsverlustes sowie Peroneusparese rechts stationär im Krankenhaus aufgenommen. Festgestellt wurde u.a. eine mittelgradige reaktive depressive Episode.

Mit Beschluss vom wurde der Konkurs nach Schlussverteilung aufgehoben. Die Quote betrug 14,470735 %.

Dem Beschwerdeeinwand, der Bf habe die Zahlungen am eingestellt (gemeint ist im Hinblick auf die Zahlungsaufstellung im Schreiben vom wohl der ), weshalb eine Ungleichbehandlung mit den Zahlungen, die am erfolgt seien (gemeint sind wohl die Abgaben, die am fällig gewesen, aber nicht mehr entrichtet worden sind), nicht möglich sei, weil sämtliche Zahlungen eingestellt gewesen seien, ist zu entgegnen, dass die Lohnsteuer, wie o.a., vom Gleichbehandlungsgrundsatz ausgenommen ist und diese bei Auszahlung der Löhne für Juli 2019 jedenfalls einzubehalten und abzuführen gewesen wäre. Da der Bf die Frage, ob die Löhne 7/2019 noch ausbezahlt worden seien, nicht beantwortet hat und sich aus der Aktenlage keine verlässlichen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Löhne 7/2019 nicht mehr bezahlt worden sind, besteht die für die Lohnsteuer 7/2019 geltend gemacht Haftung zu Recht.

Für den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag gilt die Ausnahme vom Gleichbehandlungsgebot nicht. Da der Bf glaubhaft versichert hat, sämtliche Zahlungen mit eingestellt zu haben und sich aus der Aktenlage nichts Gegenteiliges ergibt, ist der am fällige Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 7/2019 aus dem Haftungsbetrag auszuscheiden.

Sowohl in der Beschwerdevorentscheidung als auch im Ergänzungsersuchen vom wurde darauf verwiesen, dass sich nach der Judikatur eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht nur bei Abzahlung bereits bestehender Verbindlichkeiten ergeben kann, sondern auch bei Zug-um-Zug-Geschäften, die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes erforderlich sind. Darauf wird, um Wiederholungen zu vermeiden, verwiesen.

Die Vorlage einer Aufstellung der vom Bf zwischen und geleisteten Zahlungen lässt keinen Schluss darauf zu, dass der Bf bei der Entrichtung von Schulden Abgabenschulden nicht schlechter als die übrigen Schulden behandelt hat. Einen Nachweis - wie im Ergänzungsersuchen vom gefordert -, welche Beträge bei Gleichbehandlung aller Gläubiger an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wären, hat der Bf nicht erbracht.

Eine Einsicht in das Abgabenkonto der Primärschuldnerin zeigt etwa, dass die letzte Überweisung am erfolgt ist, wogegen andere Schulden nach der vorgelegten Aufstellung in den Monaten Juni und Juli 2019 noch beglichen worden sind.

Dem weiteren Einwand, dass der Bf nicht auffallend sorglos gehandelt habe, ist zu entgegnen, dass für die Geltendmachung der Haftung bereits leichte Fahrlässigkeit genügt.

Zur - unbestrittenen - Erkrankung des Bf ist auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die Behauptung, durch Krankheit an der Erfüllung der Verpflichtungen gehindert gewesen zu sein, ein Verschulden an der Pflichtverletzung nicht ausschließt (), weil der Bf, wenn er nicht in der Lage gewesen ist, seine Funktion als Geschäftsführer ordnungsgemäß auszuüben, dazu verhalten gewesen wäre, diese zurückzulegen. Nur eine Erkrankung, die zu seiner Handlungsunfähigkeit geführt hätte, hätte bewirkt, dass ihm eine schuldhafte Pflichtverletzung nicht angelastet werden könnte, weil Handlungsunfähigkeit den Vertreter auch unfähig macht, seine Geschäftsführerfunktion niederzulegen (vgl. auch Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3 § 9 E 211b und E 212, Stand , rdb.at).

Eine Schwere der Erkrankung, welche zur Handlungsunfähigkeit des Bf geführt hätte, ist im vorliegenden Fall aus der Aktenlage aber nicht abzuleiten und wurde auch nicht vorgebracht.

Der Bf hat keine Gründe aufgezeigt, die der termingerechten, zumindest anteiligen, dem Gleichbehandlungsgrundsatz entsprechenden Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben bzw. einer krankheitsbedingten Zurücklegung der Geschäftsführerfunktion entgegengestanden wären, sodass das Finanzamt vom Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung im Sinne des § 9 BAO ausgehen durfte.

Im Fall des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung spricht, wie o.a., die Vermutung für eine Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem Abgabenausfall. Gründe, die Anhaltspunkte für einen Ausschluss des Kausal- bzw. Rechtswidrigkeitszusammenhanges bieten würden, brachte der Bf nicht vor.

Die Geltendmachung der Haftung erfolgte aufgrund Erfüllung der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 9 BAO daher dem Grunde nach zu Recht.

Im Rahmen der Ermessensübung kann der Grad des Verschuldens des Vertreters bei der Bestimmung des Haftungsumfangs berücksichtigt werden.

Die Dauer und Schwere der Erkrankung führten laut den vorliegenden Unterlagen dazu, dass der Bf, der seine Arbeitskraft neben der ebenfalls von ihm ausgeübten Bürotätigkeit wesentlich in die von ihm gegründete Primärschuldnerin eingebracht hatte, nicht nur keine neuen Aufträge mehr annehmen, sondern auch bestehende Aufträge nicht mehr abarbeiten konnte. Laut dem 2. Bericht des Masseverwalters führte diese Arbeitsbelastung im Jahr 2019 zu einer Nervenkrankheit, welche durch einen neu auftretenden Diabetes mellitus, Fußprobleme und erheblichen Gewichtsverlust begleitet wurde und welche den Bf ab zu einem Krankenstand zwang.

Laut einer Sozialversicherungsabfrage bezieht der am ***2*** geborene Bf ab eine Erwerbsunfähigkeitspension.

Dem Bf kann zugute gehalten werden, aufgrund seiner Erkrankung überfordert gewesen zu sein.

Zu berücksichtigen ist ferner, dass der Haftungszeitraum fünf Monate umfasst und der Bf seine abgabenrechtlichen Pflichten daher innerhalb eines verhältnismäßig kurzen Zeitraumes nicht mehr erfüllt hat. Die haftungsgegenständliche Umsatzsteuer 01/2019 war am fällig, die Fälligkeiten der übrigen Haftungsschulden liegen innerhalb eines Zeitraums von zwei Monaten.

Unter Berücksichtigung dieser ermessensrelevanten Umstände ist dem Bf nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts nur ein minderer Grad des Verschuldens vorwerfbar und ist sachgerecht, die Haftungssumme um 50 %, in Summe daher auf 6.830,94 €, zu reduzieren, weshalb spruchgemäß zu entscheiden ist.

Anzumerken ist, dass die Haftungsschuld bereits entrichtet worden und die Geltendmachung der Haftung jedenfalls zweckmäßig gewesen ist.

Diese Zahlung ändert aber nichts an dem grundsätzlich im Haftungsbescheid aufzuerlegenden Umfang der Haftungspflicht ().

Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig, da die im gegenständlichen Verfahren zu klärenden Rechtsfragen bereits ausreichend durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, von der die gegenständliche Entscheidung nicht abweicht, geklärt sind.

Linz, am

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