Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 02.03.2023, RV/7104512/2019

(un-)bestimmte Vertragsdauer - schrankenloses Kündigungsrecht - § 33 TP 5 Abs. 3 2. Satz GebG

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2023/16/0059.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Festsetzung der Gebühr nach § 33 TP 5 GebG 1957 zu Mietvertrag vom mit der ***1*** als Mieterin, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert. Die Gebühr wird gemäß § 33 TP 5 Abs. 1 Z 1 GebG iHv € 19.168,87 festgesetzt.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid vom (adressiert an die "***2*** als RNF der ***3*** und der ***4***") setzte die belangte Behörde gemäß § 201 BAO die Gebühr nach § 33 TP 5 Abs. 1 Z 1 GebG 1957 betreffend den Mietvertrag mit ***1*** als Mieterin vom iHv € 55.706,60 fest. Als Bemessungsgrundlage wurde die jährliche Miete iHv € 306.586,08 inkl. Betriebskosten plus € 2.895,04 Versicherung herangezogen (in Summe sohin € 309.481,12 jährlich). Nach Ansicht der Abgabenbehörde läge ein Mietvertrag auf die (bestimmte) Dauer von 10 Jahren vor, wobei dem Mieter die Option auf Verlängerung um weitere 10 Jahre eingeräumt worden sei. Demzufolge sei die Bemessungsgrundlage mit dem 18-fachen des Jahreswertes zu vervielfachen.

Dagegen brachte die Beschwerdeführerin (in weiterer Folge Bf.) mit Schreiben vom Beschwerde ein. Begründend wurde ausgeführt, dass entgegen der Ansicht der belangten Behörde zunächst eine bestimmte Mietvertragsdauer von 3 Jahren und anschließend eine unbestimmte Dauer vorläge. Demzufolge sei die Bemessungsgrundlage das 6-fache Jahresentgelt.
Gemäß § 262 BAO wurde auf die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung verzichtet.

Die belangte Behörde legte den Akt innerhalb der vom Gesetz geforderten Frist am dem Bundesfinanzgericht vor.

Mit Schreiben vom nahm die Beschwerdeführerin den Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zurück

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Mit Datum wurde der Mietvertrag zwischen der ***4*** (***FN***), ***Adr V***, als Vermieterin und der ***1*** (***FN 1***), ***Adr 1***, als Mieterin abgeschlossen.

Die ***4*** wurde am aus dem Firmenbuch gelöscht, da sie gemäß § 142 UGB durch die ***3*** (***FN 3***) übernommen wurde.

Die ***3*** wurde mit Vertrag vom als übertragende Firma mit der ***2*** (***FN 2***) als übernehmende Gesellschaft verschmolzen.

Der Gebührenbescheid vom erging an die ***2*** als RNF der ***3*** und der ***4***.

Mit Generalversammlungsbeschluss vom wurde die ***2*** in ***Bf1*** umbenannt.

Der Mietvertrag lautet auszugsweise:

II.
Mietobiekt

1. 1.1 Gegenstand dieses Mietvertrages ist

a) das ausschließliche Nutzungsrecht an den in den Plänen Beilage A./l dargestellten Büroflächen mit insgesamt ca. 1.059,00 in- auf Ebene 06 (Kern 8+10);

b) [entfällt]

c) das Recht des Mieters, 22 PKW (im Folgenden: "Fahrzeuge") in der Garage des Bauabschnitts 1 abzustellen.

Hiervon sind 15 Abstellplätze auf Ebene UG 2 für die ausschließliche Nutzung durch den Mieter reserviert und entsprechend gekennzeichnet. Hinsichtlich der übrigen sieben Abstellberechtigungen besteht das bloße Recht der Mieters, die Fahrzeuge auf einem beliebigen freien PKW-Abstellplatz, nicht jedoch auf einem ausdrücklich als reserviert (z.B. für Einsatzfahrzeuge, Behinderte, etc.) gekennzeichneten Abstellplatz abzustellen; ein Recht, diese Fahrzeuge auf einem bestimmten Abstellplatz abzustellen, besteht daher nicht. Auf zwei der reservierten Abstellplätze können auf Kosten des Mieters E-Ladestellen für Elektroautos installiert werden.

1.2 [entfällt]

1.3 Zwischenwände gemäß Beilage A./l sind vereinbarter Vertragsgegenstand.

1.4 Dieses Mietobjekt hat sohin gemäß den in den vorgenannten Plänen Beilage A./l ausgewiesenen Maßen eine Gesamtfläche von 1.059,00 m2.

[…]

III.
Vertragsdauer

1. Das Mietverhältnis beginnt mit dem Entstehen der Übernahmeverpflichtung des Mieters gemäß Punkt IV.5.

2. 2.1. Das Mietverhältnis wird auf bestimmte Zeit abgeschlossen. Es endet am , ohne dass es einer gesonderten Aufkündigung bedarf.

2.2 Dem Mieter wird die Option eingeräumt, das Mietverhältnis einmalig um weitere zehn Jahre, sohin bis zum , zu verlängern. Diese Option kann vom Mieter (ausschließlich) durch Abgabe einer einseitigen, schriftlichen, firmenmäßig unterfertigten und eingeschrieben oder per Boten zu übermittelnden Erklärung, in der ausdrücklich datumsmäßig der Endtermin der verlängerten Vertragsdauer anzuführen ist, ausgeübt werden. Die vorgenannte Erklärung ist dem Vermieter - bei sonstigem Verlust der Option - bis spätestens zuzustellen.

3. 3.1. Ungeachtet dieser Befristung ist der Vermieter berechtigt, den Mietvertrag nur bei Vorliegen eines der Kündigungsgründe der §§ 30, 31 MRG unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist zu jedem Monatsletzten aufzukündigen, wobei ein wichtiger Grund gemäß § 30 Abs 2 Z 13 MRG auch dann vorliegt, wenn (i) die Kaution gemäß Punkt VI. nicht oder nicht rechtzeitig erlegt wird, diese nach Inanspruchnahme nicht oder nicht rechtzeitig ergänzt wird, oder diese nicht gemäß Punkt V.(10) aufgestockt wird.

3.2. Ungeachtet dieser Befristung ist der Mieter berechtigt, den Mietvertrag unter Einhaltung einer zwölfmonatigen Kündigungsfrist

a) gegen Leistung einer Kündigungsentschädigung von € 60.000,00 - zahlbar binnen 14 Tagen nach Abgabe der Kündigungserklärung - mit Wirkung zum
oder

b) ohne Leistung einer Kündigungsentschädigung mit Wirkung zum und zum bzw. - im Falle der Inanspruchnahme der Verlängerungsoption - zum , zum und zum aufzukündigen.

4. Das Recht der Vertragsparteien zur Auflösung des Mietvertrages gemäß §§ 1117, 1118 ABGB bleibt unberührt

[…]

Beginn des Mietverhältnisses war der .

Die Miete beträgt monatlich inkl. der PKW Abstellplätze € 17.266,50 netto, sohin € 20.719,80 brutto. Die Betriebskosten betragen monatlich inkl. Strom, Heizung und Kühlung € 4.024,20 netto, sohin € 4.829,04 brutto.

Die Gesamtmiete inkl. Betriebskosten beträgt sohin monatlich € 25.548,84.

Die jährliche Versicherungsprämie beläuft sich auf € 2.895,04.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ist insoweit unstrittig und ergibt sich aus dem vorgelegten Mietvertrag und Verwaltungsakten, zu denen auch die Bescheidbeschwerde und der Vorlagebericht gehören.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Gemäß § 33 TP 5 Abs. 1 Z. 1 GebG ist für Bestandverträge und sonstige Verträge, wodurch jemand den Gebrauch einer verbrauchbaren Sachen auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält, nach dem Wert im Allgemeinen eine Gebühr von 1 v.H. zu entrichten.

Bei unbestimmter Vertragsdauer sind gemäß Abs. 3 leg.cit. die wiederkehrenden Leistungen mit dem dreifachen des Jahreswertes zu berechnen, bei bestimmter Vertragsdauer mit dem dieser Vertragsdauer entsprechend vervielfachten Jahreswert, höchstens jedoch mit dem 18-fachen des Jahreswertes.

Zunächst ist festzuhalten, dass der Mietvertrag gemäß Punkt III. (Vertragsdauer) am beginnt und am endet, ohne dass es einer gesonderten Aufkündigung bedarf. Darüber hinaus wurde dem Mieter die einmalige Option eingeräumt um weitere zehn Jahre bis zum zu verlängern.

Wie im Vorlagebericht und auch in der Beschwerde einhellig dargelegt, hat in den Fällen von Vertragsverlängerungen durch Optionsausübung der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen, dass dies im Ergebnis nichts anderes als die Beifügung einer Potestativbedingung bedeutet, bei deren Eintritt sich die Geltungsdauer des Vertrages verlängert und dass eine solche Bedingung nach § 26 GebG zu behandeln ist (vgl. mwN).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist jedoch nicht die von den Parteien gewählte Bezeichnung des Vertrages (etwa als auf bestimmte Dauer abgeschlossen), sondern der gesamte Vertragsinhalt maßgeblich (zB mwN).

Das Unterscheidungsmerkmal zwischen auf bestimmte Zeit und auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Bestandverträgen besteht darin, ob nach dem erklärten Vertragswillen beide Vertragsteile durch eine bestimmte Zeit Vertrag gebunden sein sollen oder nicht.

Der vorliegende Mietvertrag wurde zunächst auf die bestimmte Dauer von 10 Jahre abgeschlossen (vgl. Punkt III 2. des Mietvertrages) und begann gemäß Punkt III. am und endet am , ohne dass es einer gesonderten Aufkündigung bedarf. Vereinbart wurde zusätzlich die einmalige Option auf das Mietverhältnis um weitere 10 Jahre bis zum zu verlängern.

Darüber hinaus wurden diverse Kündigungsmöglichkeiten seitens der Vermieterin und er Mieterin vereinbart.

Unbestritten von beiden Parteien ist, dass die Vereinbarung aller Kündigungsgründe nach § 30 Abs. 2 MRG keine ausreichende Beschränkung der Kündigungsmöglichkeiten darstellt (vgl. zB mwN).

Strittig ist im vorliegenden Fall, ob der Mieterin ein uneingeschränktes Kündigungsrecht zusteht, und somit (zunächst) ein Vertrag auf bestimmte Zeit vorliegt.

Ist die Vertragsdauer bestimmt (hier laut Vertrag 10 Jahre), aber der Vorbehalt des Rechtes einer früheren Aufkündigung gemacht, so bleibt gemäß § 33 TP 5 Abs. 3 2. Satz GebG 1957 dieser Vorbehalt für die Gebührenermittlung außer Betracht.

Soll die Anwendung dieser Gesetzesstelle nicht zu offenbar unvernünftigen und dem Willen der Parteien widersprechenden Ergebnissen führen, muss der Sinn dieser Gesetzesstelle dahin verstanden werden, dass nicht jede vorbehaltene schrankenlose Kündigungsmöglichkeit es der Behörde erlaubt, einen Bestandvertrag dennoch, wenn in ihm auch ein Endzeitpunkt angegeben ist, als einen Vertrag auf bestimmte Zeit zu werten, sondern dass dies nur zulässig ist, wenn die Möglichkeit der Kündigung für einzelne im Vertrag ausdrücklich bezeichnete Fälle vorgesehen ist (vgl. VwGH verstSen , 840/62).

Der Mietvertrag ist laut Punkt 3.2 unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 12 Monaten vom Mieter bereits mit Wirkung zum gegen Leistung einer Kündigungsentschädigung von € 60.000,00 kündbar.

Die Vereinbarung des von der Mieterin bei Kündigung zum zu leistenden Kündigungsentschädigung stellt für die Realisierung der rechtlichen Kündigungsmöglichkeit im gegebenen Fall eine wirtschaftliche Erschwernis dar. Dies ändert aber nichts daran, dass die Mieterin ohne Angaben von Kündigungsgründen den Vertrag zu diesem Termin aufkündigen kann (vgl. dazu ).

Im konkreten Fall liegt nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts kein - wie vom Verwaltungsgerichtshof gefordert - ausdrücklich bezeichneter Fall vor, kann doch die Mieterin ohne Anführung eines Grundes unter Einhaltung einer vertraglich vorgesehenen Frist bereits zum den Vertrag auflösen.

Der Mieter kann somit uneingeschränkt (ohne eine spezielle Beschränkung) bereits mit Wirkung zum kündigen. Der Vertragswille beider Parteien war somit zunächst auf eine Vertragsdauer von zumindest 3 Jahren gerichtet.

Aufgrund des oben gesagten liegt daher zunächst ein Vertrag auf bestimmte Dauer von 3 Jahren vor. Im Anschluss kann die Mieterin mehrmals kündigen, nämlich zum und zum und im Fall der Inanspruchnahme einer Verlängerungsoption zum , zum und zum ohne Leistung einer Kündigungsentschädigung.

Die Regel, wonach sich die Vertragsdauer nach den Kündigungsmöglichkeiten einer oder beider Parteien richtet, sowie die Regel betreffend die Kombination von bestimmter und unbestimmter Dauer sind nebeneinander anzuwenden (vgl. dazu ).

Es liegen im Rahmen des Vertrages zwei unterschiedliche Komponenten der Vertragsdauer vor: Zunächst eine Begrenzung auf bestimmte Zeit und danach, kraft ausdrücklicher Vereinbarung, das Element unbestimmter Vertragsdauer. Jedenfalls sind in die Bemessungsgrundlage die Jahresentgelte, die während der bestimmten Dauer des Vertragsverhältnisses zu entrichten sind, einzubeziehen, vermehrt um das dreifache Jahresentgelt für die unbestimmte Dauer ().

Somit liegt im vorliegenden Fall eine Kombination von bestimmter und unbestimmter Dauer vor. Demzufolge ist die Bemessungsgrundlage das 6-fache des Jahresentgeltes.

In die Bemessungsgrundlage sind alle Leistungen einzubeziehen, die zur Einräumung des Benützungsrechts geleistet werden müsse (vgl. zB ). Dazu zählen alle wiederkehrenden und einmalige Leistungen.

Die monatliche Miete inkl. Betriebskosten beträgt € 25.548,84. Die jährliche Miete inkl. Betriebskosten beträgt somit € 306.586,08 zuzüglich einer jährlichen Versicherungsprämie iHv € 2.895,04.

Das Jahresentgelt beträgt € 309.481,12.

Die Bemessungsgrundlage ist das 6-fache des Jahresentgeltes und beträgt € 1.856.886,69.

Auch einmalige Leistungen sind in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Eine einmalige Leistung liegt aber nicht nur vor, wenn die Rückerstattung einer - vorweg erbrachten - Leistung vereinbarungsgemäß unterbleibt, sondern auch dann, wenn bei vorzeitiger Beendigung (wegen der vorzeitigen Beendigung) vom Mieter eine Leistung zu erbringen ist (vgl. ).

Die vom Mieter zu leistenden Kündigungsentschädigung iHv € 60.000,00 ist als einmalige Leistung in die Bemessungsgrundlage mit einzubeziehen.

Die Bemessungsgrundlage beträgt sohin in Summe € 1.916.886,69.
Die Rechtsgeschäftsgebühr ist 1% der Bemessungsgrundlage und beträgt € 19.168,87.

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 33 TP 5 GebG. Ein Abweichen der Judikatur ist nicht erfolgt. Demzufolge liegt keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 33 TP 5 Abs. 1 Z 1 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7104512.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at