Geschäftsführerhaftung für Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe: keine schuldhafte Pflichtverletzung des Beschwerdeführers
Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2023/13/0040. Mit Erkenntnis vom wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden Mag. Gerhard Groschedl, die Richterin Mag. Mirha Karahodzic MA sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. FH Oliver Bruckner und Mag. Ulrike Richter in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Andreas Urban, Oskar-Jascha-Gasse 69, 1130 Wien, über die Beschwerde des Haftungspflichtigen vom gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien Referat Landes- und Gemeindeabgaben vom , MA 6/ARL- 884210/18E, betreffend Haftung für Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe samt Nebenansprüchen der ***GmbH*** nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit des Haftungspflichtigen, seines Vertreters, der Vertreter der belangten Behörde ***V1*** und ***V2*** sowie der Schriftführerin Petra Rauherz zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos aufgehoben.
II. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Strittig ist, ob der Beschwerdeführer mit Haftungsbescheid vom zu Recht für den Rückstand an Kommunalsteuer samt Nebenansprüchen iHv 3.899,75 Euro sowie Dienstgeberabgabe samt Nebenansprüchen iHv 673,20 Euro der ***GmbH*** für den Zeitraum Jänner 2016 bis August 2018 zur Haftung herangezogen wurde.
Dem Haftungsbescheid ist ein umfassendes Haftungsvorhalteverfahren vorangegangen, das sich wie folgt darstellt:
Der Beschwerdeführer wurde mit Schreiben vom aufgefordert, zur beabsichtigten Haftungsinanspruchnahme durch die belangte Behörde und den darin dargestellten Rückständen Stellung zu nehmen.
Mit Schreiben vom teilte der Beschwerdeführer zum Zeitraum Jänner bis Dezember 2016 und zum Rückstand von Kommunalsteuer zzgl. Säumniszuschlag iHv 593,10 Euro mit, der Rückstand resultiere daraus, dass die seinerzeitige Lohnverrechnerin Frau S. übersehen habe, spezielle PKW-Sachbezugswerte in Ansatz zu bringen, was im Rahmen der GPLA-Prüfung vom analysiert und für das Kalenderjahr 2016 nachverrechnet worden sei. Da es sich um ein Übersehen durch eine qualifizierte Fachkraft/Lohnverrechnerin gehandelt habe, könne eine schuldhafte Verletzung der der Geschäftsführung auferlegten Pflichten ausgeschlossen werden. Auch die Rückstände betreffend den Zeitraum Jänner bis Dezember 2017 resultierten aus diesem Umstand. Hinsichtlich des Zeitraumes Jänner bis Juni 2018 und des Rückstandes in Höhe von gesamt 3.135,92 Euro werde darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer den Gläubiger-Gleichbehandlungsnachweis entsprechend eingehalten habe.
Mit weiterem Schreiben vom wurde dem Beschwerdeführer Parteiengehör eingeräumt und dieser - unter detaillierter Erklärung - aufgefordert, eine monatliche Aufschlüsselung der Abgabenbeträge an Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe für den Zeitraum Jänner 2016 bis Juni 2018 sowie eine gegliederte Liquiditätsaufstellung für denselben Zeitraum vorzulegen. Zum Vorbringen hinsichtlich fehlender schuldhafter Pflichtverletzung auf Grund des Übersehens von Steuerpflichten wurde dem Beschwerdeführer vorgehalten, "dass einerseits die Regelungen bzgl. PKW nicht strittig sind, sondern langjährige Praxis darstellen, und die Nichtberücksichtigung von PKW Sachbezügen daher eine schuldhafte Pflichtverletzung darstellt und andererseits die Löhne und Gehälter in den Monaten Jänner bis Mai 2018 vollständig ausbezahlt wurden, die damit einhergehende Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe jedoch nicht entrichtet wurde, was eindeutig einer Pflichtverletzung entspricht." Der Zeitpunkt, ab dem zu beurteilen sei, ob der Geschäftsführer seinen abgabenrechtlichen Pflichten nachgekommen sei und die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel gehabt habe, bestimme sich bei Abgaben, welche der Abgabenschuldner selbst zu berechnen und abzuführen habe, danach, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären, und nicht danach, wann die Nachforderungen anlässlich einer Prüfung festgestellt worden seien. Abschließend teilte die Behörde mit, dass ein Zuwarten auf die Bekanntgabe einer Konkursquote nicht verlangt werden könne.
In seiner Stellungnahme vom ersuchte der Beschwerdeführer um Mitteilung, auf welche konkreten Monate mit dazugehörigen Fälligkeiten sich die rückständigen Kommunalsteuer- und Dienstgeberabgabensachverhalte bezögen.
Auf Grund eines Vertreterwechsels kam es am zu einer weiteren Stellungnahme des Beschwerdeführers und Übermittlung einer Aufrechnungserklärung. Die Stadt Wien habe die Möglichkeit, die offenen Abgabenschuldigkeiten gegenüber der GmbH aufzurechnen gehabt; die Einbringung sei für die Stadt ohne Probleme möglich gewesen, weshalb eine Haftung des Beschwerdeführers ausscheide.
Mit angefochtenem Haftungsbescheid vom wurde der Beschwerdeführer sodann für den Rückstand an Kommunalsteuer samt Nebenansprüchen in der Höhe von 3.899,75 Euro sowie an Dienstgeberabgabe samt Nebenansprüchen in Höhe von 673,20 Euro der ***GmbH*** für den Zeitraum Jänner 2016 bis August 2018 zur Haftung herangezogen.
In der dagegen eingebrachten Beschwerde (AS 109-111) wird die Durchführung einer mündlichen Senatsverhandlung beantragt sowie ausgeführt, die der Haftung zugrundeliegenden Abgabenbescheide seien dem Beschwerdeführer nicht übermittelt worden, was einen nicht sanierbaren Mangel darstelle. Auch ein erst anlässlich der Beschwerde(vor)entscheidung übermittelter Abgabenbescheid ändere nichts daran. Außerdem seien die auf Grund der Feststellungen des GPLA-Prüfungsberichtes vom entstandenen Nachforderungen nicht auf eine schuldhafte Pflichtverletzung des Beschwerdeführers zurückzuführen, da sich dieser einer fachkundigen Personalverrechnerin bedient habe. Weiters sei der im Haftungsbescheid ausgewiesene Rückstand nicht nachvollziehbar, da die Angaben nicht mit dem genannten Prüfbericht übereinstimmten.
Als Reaktion auf dieses Schreiben teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, dass die Zeiträume und Rückstände bereits im Schreiben vom mitgeteilt worden seien und verwies auch auf ihren Vorhalt vom . Weiters teilte sie mit, dass die Übermittlung aufbewahrungspflichtiger Jahreslohnkonten mit monatlicher Aufteilung, die üblicherweise in elektronischer Form vorlägen, und auf denen auch die Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe ersichtlich seien, ausreichend sei.
Im Rahmen weiterer Ermittlungen erfolgte am ein neuerlicher Haftungsvorhalt (AS 124) an den Beschwerdeführer, in dem festgestellt wurde, dass dem Beschwerdeführer der GPLA-Bericht und die Niederschrift über die Schlussbesprechung unbestritten bekannt gewesen seien und die Primärschuldnerin mittlerweile mangels Vermögens im Firmenbuch gelöscht worden sei. Des Weiteren wurden die Beträge wörtlich wie folgt dargestellt:
"Die Kommunalsteuer für das Jahr 2016 setzt sich aus der selbst gelegten Jahreserklärung in Höhe von 50.800,11 Euro und der Nachforderung aus der gemeinsamen Prüfung der lohnabhängigen Abgaben für das Jahr 2016 in Höhe von 581,28 Euro zusammen. Insgesamt beträgt die Kommunalsteuer für das Jahr 2016 somit 51.381,39 Euro. Für das Jahr 2016 wurden bis dato für die Kommunalsteuer Zahlungen in Höhe von 51.022,27 Euro geleistet und eine Quote aus dem Konkursverfahren von 56,13 Euro (1,46%) angerechnet. Für das Jahr 2016 besteht derzeit ein Kommunalsteuerrückstand von 303,18 Euro. Der Haftungsbetrag ist für das Jahr 2016 daher von 581,47 Euro auf 303,18 Euro zu reduzieren, der Säumniszuschlag von 11,63 Euro gilt als entrichtet.
Die Kommunalsteuer für das Jahr 2017 setzt sich aus der Jahreserklärung in Höhe von 81.554,19 Euro und der Nachforderung aus der gemeinsamen Prüfung der lohnabhängigen Abgaben für das Jahr 2017 in Höhe von 703,74 Euro zusammen. Insgesamt beträgt die Kommunalsteuer für das Jahr 2017 somit 82.257,93 Euro. Für das Jahr 2017 wurden für die Kommunalsteuer Zahlungen in Höhe von 81.554,19 Euro geleistet. Für das Jahr 2017 besteht ein Kommunalsteuerrückstand von 703,74 Euro. Der Haftungsbetrag an Kommunalsteuer ist daher von 827,38 Euro auf 703,74 Euro zu reduzieren.
Die Kommunalsteuer für Jänner bis Juni 2018 setzt sich laut der gemeinsamen Prüfung der lohnabhängigen Abgaben aus den Berechnungen der ausbezahlten Löhne und Gehälter laut Lohnkonten in Höhe von 24.250,52 Euro und den Nachforderungen für die Kommunalsteuer in Höhe von 403,20 Euro aus der gemeinsamen Prüfung der lohnabhängigen Abgaben für das Jahr 2018 zusammen. Insgesamt beträgt die Kommunalsteuer für den Zeitraum Jänner bis Juni 2018 somit 24.653,72 Euro. Für den Zeitraum Jänner bis Juni 2018 wurden für die Kommunalsteuer Zahlungen in Höhe von 22.115,64 Euro geleistet. Für den Zeitraum Jänner bis Juni 2018 besteht daher ein Kommunalsteuerrückstand in Höhe von 2.538,08 Euro. Der Haftungsbetrag an Kommunalsteuer ist daher auf 2.538,08 Euro zu erhöhen. Die Erhöhung ergibt sich durch eine Richtigstellung der GPLA Nachforderungen 2017 und 2018. Um 123,65 Euro wurde die Nachforderung im Jahr 2017 verringert und um 123,65 Euro im Jahr 2018 erhöht."
Nach dieser Berechnung betrage die Haftungssumme für Kommunalstuer derzeit 3.545,00 Euro zzgl. 64,84 Euro Säumniszuschläge, insgesamt sohin 3.609,84 Euro. Der Haftungsbetrag an Dienstgeberabgabe bleibe unverändert bei 660,00 Euro zzgl. 13,20 Euro Säumniszuschläge. Der gesamte Haftungsbetrag verringere sich um 289,91 Euro.
In einer Stellungnahme vom nimmt der Beschwerdeführer wie bereits in der Beschwerde auf die fehlende Zusendung der Grundlagenbescheide anlässlich der Erlassung des Haftungsbescheides unter Hinweis auf , Bezug.
In einem weiteren Haftungsvorhaltvom wurde dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde eine monatliche Aufteilung der Steuerbeträge an Kommunalsteuer aus den Nachforderungen und der verbleibende Rückstand für den Zeitraum Jänner 2016 bis Juni 2018 für Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe übermittelt und ausgeführt, die Nachforderungen resultierten aus der gemeinsamen Prüfung der lohnabhängigen Abgaben (GPLA) für diesen Zeitraum bzw. die Unterlagen der durch das Finanzamt durchgeführten GPLA dem Beschwerdeführer sehr wohl bekannt gewesen seien, da dieser bereits in seiner Beschwerde vom konkret auf die Höhe der Nachforderungen der GPLA eingegangen sei. Der Beschwerdeführer wurde nochmals auf die Möglichkeit der Erbringung eines Nachweises der Gläubigergleichbehandlung hingewiesen.
Mit Schreiben vom replizierte der Beschwerdeführer, dass ihn die fehlende Zusendung der Grundlagenbescheide daran gehindert habe, sich Kenntnis über den haftungsgegenständlichen Abgabenanspruch zu verschaffen und dies im weiteren Verfahren nicht nachgeholt werden könne.
Am erließ die belangte Behörde die Beschwerdevorentscheidung (AS 146 ff), mit der der Beschwerde teilweise stattgegeben und der angefochtene Haftungsbescheid dahingehend abgeändert wurde, dass der Beschwerdeführer für den Zeitraum Jänner 2016 bis Juni 2018 hinsichtlich Kommunalsteuer samt Nebenansprüchen iHv 3.621,47 Euro sowie hinsichtlich Dienstgeberabgabe samt Nebenansprüchen iHv 662,89 Euro in Anspruch genommen wurde. Im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Am ersuchte der steuerlich vertretene Beschwerdeführer um Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht, ersuchte neuerlich um Durchführung einer mündlichen Verhandlung und verwies auf seine bisherigen Eingaben (AS 152). Am erfolgte die Vorlage an das Bundesfinanzgericht. Am fand die beantragte mündliche Senatsverhandlung vor dem Bundesfinanzgericht statt.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Beschwerdeführer war von bis zur Bestellung des Masseverwalters ***1*** und Eröffnung des Insolvenzverfahrens am (vgl. Beschluss HG Wien , ***2***) Geschäftsführer der im Jahr 1995 gegründeten ***GmbH*** (im Folgenden: Primärschuldnerin). Der Konkurs wurde am nach Schlussverteilung von einer Quote von 1,46% aufgehoben (Beschluss HG Wien , ***2*** S; AS 137). Die amtswegige Löschung der Firma erfolgte am ***3***2020 im Firmenbuch.
In der mit Bericht vom (AS 61-69) abgeschlossenen GPLA-Prüfung bei der Primärschuldnerin betreffend Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag sowie Abzugsteuer für den Zeitraum bis erfolgten pauschale Nachverrechnungen der genannten Abgaben durch das Finanzamt 1/23. Grund dafür waren folgende Feststellungen (AS 4-5):
Für das Jahr 2016:
"Den Geschäftsführern Herrn ***Bf*** (Beteiligung am Stammkapital der GmbH 50%) und Herrn ***Gf*** (Beteiligung am Stammkapital der GmbH 50%) wurden PKW auch für die Privatfahrten zur Verfügung gestellt. Dabei wurde jedoch übersehen, dass die Sachbezugswerte in die DB, DZ und KOMM Bemessung einzubeziehen waren. BG Herr ***Bf*** (wesentl. Bet. ab 6/2016 - vorher Dienstnehmer) 6.720,- und Herr ***Gf*** 11.520,-. (…)
In den Jahren 2016 und 2016 (gemeint: 2017) wurden Verkehrsstrafen und andere Strafen vom Dienstnehmer übernommen. Dies stellt einen steuerpflichtigen Vorteil aus dem Dienstverhältnis dar. Die Nachversteuerung erfolgt mit einem durchschnittlichen Lohnsteuerprozentsatz von 25%.
Die Firma befindet sich mit Beschluss vom in Konkurs. Bezüge wurden zur Gänze bis incl. 5/2018 ausbezahlt. Im Juni 2018 wurden nur mehr A-Konto Zahlungen in Höhe von 62.000,- geleistet.
Bemessungsgrundlagen der letzten 3 Monate: 3/2018 178.599,88, 4/2018 211.591,51, 5/2018 226.598,75 und 6/2018 62.000,00".
Für das Jahr 2017:
"Den Geschäftsführern Herrn ***Bf*** (Beteiligung am Stammkapital der GmbH 50%) und Herrn ***Gf*** (Beteiligung am Stammkapital der GmbH 50%) wurden PKW auch für die Privatfahrten zur Verfügung gestellt. Dabei wurde jedoch übersehen, dass die Sachbezugswerte in die DB, DZ und KOMM Bemessung einzubeziehen waren. BG Herr ***Bf*** 11.520,- und Herr ***Gf*** 11.520,-. (…)
In den Jahren 2016 und 2016 (gemeint: 2017) wurden Verkehrsstrafen und andere Strafen vom Dienstnehmer übernommen. Dies stellt einen steuerpflichtigen Vorteil aus dem Dienstverhältnis dar. Die Nachversteuerung erfolgt mit einem durchschnittlichen Lohnsteuerprozentsatz von 25%.
Die Firma befindet sich mit Beschluss vom in Konkurs. Bezüge wurden zur Gänze bis incl. 5/2018 ausbezahlt. Im Juni 2018 wurden nur mehr A-Konto Zahlungen in Höhe von 62.000,- geleistet.
Bemessungsgrundlagen der letzten 3 Monate: 3/2018 178.599,88, 4/2018 211.591,51, 5/2018 226.598,75 und 6/2018 62.000,00".
Für das Jahr 2018:
"Den Geschäftsführerm Herrn ***Bf*** (Beteiligung am Stammkapital der GmbH 50%) und Herrn ***Gf*** (Beteiligung am Stammkapital der GmbH 50%) wurden PKW auch für die Privatfahrten zur Verfügung gestellt. Dabei wurde jedoch übersehen, dass die Sachbezugswerte in die DB, DZ und KOMM Bemessung einzubeziehen waren. BG Herr ***Bf*** 6.720,- und Herr ***Gf*** 6.720,-. Herr ***Gf*** war ab 4/2016 auf Grund der Abgabe seiner Anteile an der GmbH Dienstnehmer - die Lohnsteuer für den Sachbezug wurde ab 4/2018 nachverrechnet.
Die Firma befindet sich mit Beschluss vom in Konkurs. Bezüge wurden zur Gänze bis incl. 5/2018 ausbezahlt. Im Juni 2018 wurden nur mehr A-Konto Zahlungen in Höhe von 62.000,- geleistet.
Bemessungsgrundlagen der letzten 3 Monate: 3/2018 178.599,88, 4/2018 211.591,51, 5/2018 226.598,75 und 6/2018 62.000,00".
Der GPLA-Bericht und die Niederschrift darüber wurden dem Masseverwalter zugestellt, da es sich um eine Konkursprüfung gehandelt hat. Beschwerde wurde dagegen nicht erhoben. Die Unterlagen der GPLA-Prüfung waren dem Beschwerdeführer bekannt.
Mit Schreiben vom (AS 124-125) wurde dem Beschwerdeführer die Höhe der von ihm als Geschäftsführer selbst gelegten Jahreserklärungen und der Nachforderung aus der GPLA-Prüfung für den Zeitraum Jänner 2016 bis Juni 2018 mitgeteilt.
Mit Schreiben vom (AS 140-142) wurde ihm darüber hinaus die monatliche Aufteilung der Steuerbeträge an Kommunalsteuer aus den Nachforderungen und der verbleibende Rückstand für den Zeitraum Jänner 2016 bis Juni 2018 für Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe detailliert bekannt gegeben. Weiters wurde dem Beschwerdeführer damit erneut die Möglichkeit eingeräumt, einen Nachweis der Gläubigergleichbehandlung anzutreten. Einen solchen Nachweis hat der Beschwerdeführer im gesamten Verfahren nicht vorgelegt.
Die aushaftenden Beträge stellen sich wie folgt dar:
Die gegenständlichen Abgaben sind bei der Primärschuldnerin uneinbringlich.
Es kann nicht festgestellt werden, dass die belangte Behörde zu den gegenständlichen Abgaben Säumniszuschlage bescheidmäßig erlassen hat.
Der Beschwerdeführer hat sich als Geschäftsführer einer namentlich näher genannten Lohnverrechnerin bedient, die von Anfang an bei der Primärschuldnerin tätig gewesen ist. Sie war über alle Vorgänge informiert, auch über die Versteuerung von Sachbezügen. Bis zum Jahr 2016 gab es damit auch keine Probleme. Der Beschwerdeführer ist seinen Kontrollpflichten als Geschäftsführer in ausreichender Weise nachgekommen.
2. Beweiswürdigung
Diese Feststellungen ergeben sich - soweit nicht im Folgenden ausgeführt - aus den genannten oder in Klammer angeführten Unterlagen und somit aus dem Verwaltungsakt. Die Feststellungen zur Geschäftsführertätigkeit des Beschwerdeführers, zur Primärschuldnerin und zu den Nachverrechnungen ergeben sich aus dem Akt der belangten Behörde sowie aus dem Firmenbuch. Dass eine Verteilungsquote von 1,46% beschlossen wurde, ergibt sich ebenso aus dem Verwaltungsakt.
Die Feststellung zu Höhe und Abgabenart der Haftungsbeträge sowie der selbst erklärten und gezahlten Beträge ergibt sich aus dem genannten Bericht des prüfenden Finanzamtes im Rahmen der GPLA-Prüfung und aus dem Schreiben der belangten Behörde vom , das dem Beschwerdeführer die monatliche Aufteilung der Steuerbeträge an Kommunalsteuer aus den Nachforderungen und den verbleibende Rückstand für den Zeitraum Jänner 2016 bis Juni 2018 für Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe detailliert bekannt gegeben hat.
Dass die Unterlagen der GPLA-Prüfung dem Beschwerdeführer bekannt waren, ergibt sich für das Bundesfinanzgericht aus den Ausführungen des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme im Rahmen des Haftungsverfahrens. Damit hatte der Beschwerdeführer schon vor Erlassung des gegenständlichen Haftungsbescheides Kenntnis vom Inhalt der GPLA-Prüfung. Auch in der Beschwerde wurde konkret auf den Bericht Bezug genommen, insbesondere auf die Höhe der Nachforderungen der GPLA und worauf sich diese gründeten.
Die Feststellung, dass die Beträge bei der Primärschuldnerin uneinbringlich sind, ergibt sich aus dem Konkursverfahren und aus dem Umstand, dass die Primärschuldnerin mittlerweile im Firmenbuch gelöscht wurde.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer keine Unterlagen betreffend Nachweis der Gläubigergleichbehandlung vorgelegt hat, ergibt sich aus dem Verfahrensverlauf und den Eingaben des Beschwerdeführers.
Dass die Buchhaltung der Primärschuldnerin im Hinblick auf die Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe im Zeitraum vor 2016 korrekt war, ergibt sich aus den übereinstimmenden Aussagen der Parteien in der mündlichen Verhandlung sowie aus dem Umstand, dass das Bundesfinanzgericht dazu keine anderslautenden GPLA-Berichte amtswegig aufgefunden hat.
Die Nichtfeststellung betreffend Säumniszuschlagsbescheide ergibt sich zum einen aus den widersprüchlichen Angaben der belangten Behörde in ihren Vorhalten (zB galt der Säumniszuschlag 2016 als entrichtet, war dann aber in den Haftungsbeträgen enthalten) und zum anderen aus dem Umstand, dass die belangte Behörde das in der mündlichen Verhandlung weder ausschließen noch bestätigen konnte.
Dass der Beschwerdeführer seinen Kontrollpflichten als Geschäftsführer in ausreichender Weise nachgekommen ergibt sich für den erkennenden Senat auf Grund der nachstehenden Überlegungen: Der Beschwerdeführer hat sich im gesamten Verfahren dahingehend verantwortet, dass die Buchhaltung von seiner langjährigen Lohnverrechnerin durchgeführt wurde und auch vom Masseverwalter eine Gläubigerungleichbehandlung nicht erkannt werden konnte. Der Beschwerdeführer konnte in der Befragung durch den Vorsitzenden die Vorgänge rund um die gegenständlichen Abgaben glaubhaft schildern; insbesondere ist glaubhaft, dass er nicht hinsichtlich der gegenständlichen Abgaben jeden einzelnen Betrag bis ins Detail nachgerechnet hat, den ihm seine Lohnverrechnerin zur Unterschrift vorgelegt hat. Ungereimtheiten konnten ihm nicht auffallen, da es sich bei der Primärschuldnerin um ein mittelgroßes Unternehmen gehandelt hat, das monatlich Abgaben in Höhe von mehreren zehntausenden Euro abführen musste und die hier gegenständlichen Beträge auf Grund ihres geringen Betrages pro Monat nicht aufgefallen wären. Die Kontrolle des Beschwerdeführers bezog sich dabei auf die jeweilige Summe, und nicht auf die Zusammensetzung der Beträge.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)
3.1.1. Rechtsgrundlagen
zur Kommunalsteuer
Gemäß § 9 KommStG 1993 beträgt die Steuer 3% der Bemessungsgrundlage. Übersteigt bei einem Unternehmen die Bemessungsgrundlage im Kalendermonat nicht 1.460 Euro, wird von ihr 1.095 Euro abgezogen.
Gemäß § 11 Abs. 2 KommStG 1993 ist die Kommunalsteuer vom Unternehmer für jeden Kalendermonat selbst zu berechnen und bis zum 15. des darauffolgenden Monats (Fälligkeitstag) an die Gemeinde zu entrichten.
zur Dienstgeberabgabe
Gemäß § 5 DGAG beträgt die Abgabe für jeden Dienstnehmer und für jede angefangene Woche eines bestehenden Dienstverhältnisses 2 Euro.
Gemäß § 6 Abs. 1 DGAG hat der Abgabepflichtige bis zum 15. Tag jedes Monates die im Vormonat entstandene Abgabenschuld zu entrichten.
Soweit Personen auf die Erfüllung der Pflichten der Abgabepflichtigen und der in §§ 80 ff Bundesabgabenordnung - BAO bezeichneten Vertreter tatsächlich Einfluss nehmen, haben sie diesen Einfluss dahingehend auszuüben, dass diese Pflichten erfüllt werden
zum Säumniszuschlag
Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d), nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind gemäß § 217 Abs. 1 BAO nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Säumniszuschläge zu entrichten. Der erste Säumniszuschlag beträgt 2% des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages (Abs. 2).
zur Haftungsinanspruchnahme
Die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter haften gemäß § 6a KommStG 1993 neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. § 9 Abs. 2 BAO gilt sinngemäß.
Die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter haften gemäß § 6a Wiener Dienstgeberabgabegesetz (DGAG), LGBl. für Wien 17/1970 idF LGBl. für Wien 25/2012, neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Dienstgeberabgabe insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung. § 9 Abs. 2 BAO gilt sinngemäß.
Persönliche Haftungen erstrecken sich gemäß § 7 Abs. 2 BAO auch auf Nebenansprüche im Sinne des § 3 Abs. 1 und 2. Zu diesen Nebenansprüchen gehören gemäß § 3 Abs. 2 lit. d insbesondere die Nebengebühren der Abgaben, wie die Stundungs- und Aussetzungszinsen, der Säumniszuschlag und die Kosten (Gebühren und Auslagenersätze) des Vollstreckungs- und Sicherungsverfahrens, worunter gemäß § 26 AbgEO insbesondere Pfändungsgebühren und die durch die Vollstreckungsmaßnahmen verursachten Barauslagen (somit auch Postgebühren) fallen.
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Gemäß § 224 Abs. 1 BAO werden die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.
Gemäß § 224 Abs. 3 BAO ist die erstmalige Geltendmachung eines Abgabenanspruches anlässlich der Erlassung eines Haftungsbescheides gemäß Abs. 1 nach Eintritt der Verjährung des Rechtes zur Festsetzung der Abgabe nicht mehr zulässig.
Gemäß § 248 BAO kann der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 224 Abs. 1) innerhalb der für die Einbringung der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerde einbringen. Beantragt der Haftungspflichtige die Mitteilung des ihm noch nicht zur Kenntnis gebrachten Abgabenanspruches, so gilt § 245 Abs. 2, 4 und 5 sinngemäß.
3.1.2. Nach der im Folgenden näher dargestellten, ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Geltendmachung der Haftung im vorliegenden Fall voraus, dass
1. eine Abgabenforderung gegen die vertretene Gesellschaft besteht (Abgabenforderung),
2. die als haftungspflichtige in Frage kommende Person zum Personenkreis der §§ 80 ff. BAO gehört (Vertreterstellung),
3. eine erschwerte Einbringlichkeit der Abgabenforderung iSd §§ 6a KommStG 1993 und 6a DGAG besteht (erschwerte Einbringlichkeit),
4. ein Verschulden des Vertreters an der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten des Vertretenen vorliegt (Verschulden) und
5. die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (Kausalität).
3.1.2.1. Zum Bestehen einer Abgabenforderung
Die gegenständliche Abgabenforderung ergibt sich aus der Differenz der durch die Primärschuldnerin selbsterklärten Beträge und der Nachverrechnung im Rahmen der GPLA-Prüfung.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Geltendmachung einer abgabenrechtlichen Haftung zwar das Bestehen einer Abgabenschuld (§ 4 BAO) voraus, nicht jedoch, dass die Abgabe gegenüber dem Erstschuldner auch bereits mit(Abgaben-) Bescheid geltend gemacht wurde. Gemäß § 4 BAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft, somit unabhängig von einer behördlichen Tätigkeit und auch unabhängig von einer diesbezüglichen Bescheiderlassung. Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten. Durch § 248 BAO ist dem Haftenden ein Rechtszug gegen den Abgabenbescheid eingeräumt. Geht der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung kein Abgabenbescheid voran, so gibt es eine solche Bindung nicht. Ob ein Abgabenanspruch gegeben ist, ist in diesem Fall als Vorfrage im Haftungsverfahren von dem für die Entscheidung über die Haftung zuständigen Organ zu entscheiden. Diese Beurteilung kann mit Beschwerde und auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpft werden, womit dem zur Haftung Herangezogenen der Rechtsschutzgewahrt bleibt (; ).
Die Kommunalsteuern und Dienstgeberabgaben der Jahre 2016 bis 2018 wurden von der Primärschuldnerin selbst berechnet und mit jeweiligen Jahreserklärungen festgesetzt. Die in der Haftung befindlichen Beträge ergeben sich aus Nachforderungen auf Grund der GPLA-Prüfung vom . Da diese Abgabenbeträge vom Masseverwalter der Primärschuldnerin anerkannt und auch vom Magistrat der Stadt Wien für richtig befunden wurden, wurden diese Nachforderungen nicht bescheidmäßig festgesetzt, sondern als zusammengefasste Abgaben gemäß § 224 Abs. 1 und 3 BAO im Haftungsbescheid erstmals geltend gemacht.
Ist ein Abgabenbescheid dem Abgabenschuldner gegenüber nicht ergangen, dann muss aber sichergestellt sein, dass dem in Anspruch genommenen Haftungspflichtigen, wenn schon nicht vom "Bescheid über den Abgabenanspruch", so doch von den Voraussetzungen, Inhalten und Gründen, die ein Bescheid über den Abgabenanspruch hätte, Kenntnis verschafft wird. Mitteilungen über den Haftungsgegenstand (Anspruch, Art, Höhe, Grund) müssen in dem Maß gemacht werden, dass der Haftende zumindest den Kenntnisstand gewinnen kann, den er einnehmen könnte, wäre ihm der Abgabenbescheid zugeleitet worden. Um den Rechtsschutzgedanken des § 248 BAO voll wirksam Rechnung zu tragen, muss dem Haftungspflichtigen von der Behörde über den haftungsgegenständlichen Abgabenanspruch Kenntnis in einer Weise verschafft werden, dass die Prüfung der Richtigkeit der Abgabenfestsetzung möglich ist und die Positionen der Rechtsverteidigung des herangezogenen Haftenden gegen den Anspruch nicht schwächer sind als diejenigen, die der Abgabepflichtige gegen den Abgabenbescheid einzunehmen in der Lage ist (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2553 und 2554; ; ). Dies ist im vorliegenden Fall als gegeben anzusehen, weil sich der maßgebende Sachverhalt aus dem GPLA-Bericht und der Niederschrift über die Schlussbesprechung ergibt. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang behauptet, er habe die dem Haftungsbescheid zugrundeliegenden Abgabenbescheide nie erhalten, weshalb eine Haftungsinanspruchnahme schon deshalb ausgeschlossen sei, ist ihm Folgendes entgegenzuhalten:
Die gegenständlichen Abgaben beruhen auf der Differenz, die sich aus den jeweils selbst gelegten Jahreserklärungen und den Nachforderungen aus der GPLA-Prüfung ergeben hat sowie der bis zur Haftungsinanspruchnahme von der belangten Behörde berücksichtigten Quoten, Zahlungen und Aufrechnungen. Zwar ergingen der GPLA-Bericht und die Niederschrift darüber vom an den damaligen Masseverwalter. Der Inhalt des GPLA-Berichtes war dem Beschwerdeführer jedoch bekannt, schließlich hat er durch seinen (damaligen) steuerlichen Vertreter in Beantwortung des ersten Haftungsvorhaltes in seiner Stellungnahme vom darauf Bezug genommen - somit noch vor Erlassung des angefochtenen Haftungsbescheides. In seiner Beschwerde vom hat der steuerlich vertretene Beschwerdeführer sogar Auszüge des GPLA-Berichtes zitiert. Entsprechende Abgabenbescheide, die dem Haftungsbescheid nach Ansicht des Beschwerdeführers beigelegt werden hätten sollen, gab es nicht.
3.1.2.2. Zur Vertreterstellung
Der Beschwerdeführer war im haftungsrelevanten Zeitraum wie festgestellt alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführerin der Primärschuldnerin und gehörte damit zum Personenkreis der §§ 80 ff. BAO iVm §§ 6a KommStG und 6a DGAG.
Zu seinen Pflichten als Geschäftsführer der GmbH gehörte es daher, die abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft wahrzunehmen und für die Entrichtung der Abgaben aus den verwalteten Mitteln zu sorgen (siehe zB , , 2006/13/0121, , 2008/15/0085).
Die abgabenrechtlichen Verpflichtungen bestanden u.a. in der Pflicht zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen sowie deren Aufbewahrung, in der Erfüllung der Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten der Gesellschaft, in der Abgabenerklärungspflicht sowie in der Verpflichtung, die vom Vertretenen geschuldeten Abgaben zu entrichten.
3.1.2.3. Zur erschwerten Einbringlichkeit der Abgaben
Die Konkurseröffnung nach den Bestimmungen des KommStG und des DienstgeberabgabeG ist als typischer Fall einer erschwerten bzw. unmöglichen Einbringung anzusehen.
Im vorliegenden Fall steht nicht nur die gemäß §§ 6a KommStG und 6a DGAG geforderte erschwerte, sondern die objektive Uneinbringlichkeit der verfahrensgegenständlichen Abgaben zweifelsfrei fest, da die Primärschuldnerin aufgelöst, das Konkursverfahren aufgehoben und die Firma mittlerweile im Firmenbuch gelöscht wurde. Eine (auch nur teilweise) Einbringlichmachung der noch aushaftenden Abgabenverbindlichkeiten bei der nicht mehr existenten Gesellschaft ist daher nicht möglich.
3.1.2.4. Zum Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung (Verschulden)
Die Haftung nach §§ 6a KommStG und 6a DGAG ist eine verschuldensabhängige Haftung. Voraussetzung ist daher ein Verschulden des Vertreters an der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten der vertretenen Gesellschaft.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf der Vertreter bei der Entrichtung von Schulden die Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als andere Schulden; er hat die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen (Gleichbehandlungsgrundsatz). Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes kann sich nicht nur bei der Tilgung bereits bestehender Verbindlichkeiten, sondern auch bei sogenannten Zug-um-Zug-Geschäften ergeben ().
Was die haftungsgegenständlichen Abgaben betrifft, erstreckt sich die Haftung des Vertreters, wenn die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden gereicht haben und der Vertreter nur deswegen haftet, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und somit die Abgabengläubiger benachteiligt hat, nur auf jenen Betrag, um den bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger die Abgabenbehörde mehr erlangt hätte, als sie infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich bekommen hat ().
Der Vertreter erfährt somit nur dann eine Einschränkung der Haftung, wenn er den Nachweis erbringt, welcher konkrete Abgabenbetrag auch bei einer gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger uneinbringlich geworden wäre ().
Hat der Geschäftsführer aber nicht dargetan, weshalb er für die rechtzeitige Entrichtung der bei der Gesellschaft angefallenen Abgaben gesorgt hat, darf die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen (siehe nochmals ). Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, oblag dem Beschwerdeführer und nicht der Abgabenbehörde (vgl. zB sowie zuletzt ).
Trotz mehrerer Vorhalte hat der Beschwerdeführer keine Unterlagen zum Nachweis der Gläubigergleichbehandlung vorgelegt. Der Beschwerdeführer hatte im Übrigen im gesamten Haftungs- und Beschwerdeverfahren jederzeit die Möglichkeit, zu den Haftungsvoraussetzungen Stellung zu nehmen, ohne dass es dafür einer (weiteren) förmlichen, ausdrücklichen Aufforderung seitens der belangten Behörde bedurft hätte. Die Vorlage eines vorläufigen gerichtlichen Insolvenz-Gläubigeranmeldeverzeichnisses des Primärschuldnerin im Rahmen einer Stellungnahme stellt keinen Nachweis einer Gläubigergleichbehandlung dar.
Der Beschwerdeführer hat es somit unterlassen, durch eine Auflistung sämtlicher Gläubiger mit zum Zeitpunkt der Abgabenfälligkeiten gleichzeitig oder früher fällig gewordener Forderungen darzutun, dass die GmbH bereits zu den jeweiligen Fälligkeitstagen wie behauptet nicht mehr über ausreichend liquide Mittel zur (vollen) Bezahlung aller Verbindlichkeiten verfügte, und so den geforderten Gläubigergleichbehandlungsnachweis zu erbringen. Die bloße Behauptung, sämtliche Gläubiger seien gleich behandelt worden, reicht dazu nicht aus. Der Beschwerdeführer hätte vielmehr alle Gläubiger der Primärschuldnerin sowie die auf einzelne Verbindlichkeiten geleisteten Zahlungen(Quoten) des betreffenden Zeitraumes aufzulisten und alle verfügbar gewesenen liquiden Mittel wie Bargeld und offene Forderungen anzugeben bzw. gegenüber zu stellen gehabt.
Gemäß § 6 Abs. 1 DienstgeberabgabeG hat der Abgabepflichtige bis zum 15. Tag jedes Monates die im Vormonat entstandene Abgabenschuld zu entrichten, während die Kommunalsteuer gemäß § 11 Abs. 2 KommStG vom Unternehmer für jeden Kalendermonat selbst zu berechnen und bis zum 15. des darauffolgenden Monats (Fälligkeitstag) an die Gemeinde zu entrichten ist. Werden laufende und sonstige Bezüge für das Vorjahr nach dem 15. Jänner bis zum 15. Februar ausbezahlt, ist die Kommunalsteuer bis zum 15. Februar abzuführen.
Zwar liegt in der Nichtentrichtung bzw. nicht vollständigen Entrichtung der Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe zu den Fälligkeitstagen ein schuldhaftes Verhalten des Beschwerdeführers vor, da er vor dem Hintergrund der zitierten höchstgerichtlichen Judikatur verpflichtet gewesen wäre, sämtliche Abgaben zu entrichten. Die Nichtentrichtung bzw. nicht vollständige Entrichtung der hier gegenständlichen Abgaben ist ihm aber nicht vorwerfbar, da er nach Ansicht des erkennenden Senates weder vorsätzlich noch fahrlässig gehandelt hat. Mit dem Hinweis auf den Einsatz einer "fachkundigen Personalverrechnerin", der Beschreibung der Vorgänge vor dem Jahr 2016 und auch seiner Vorgangsweise bei der Abzeichnung von zu entrichtenden Beträgen, konnte der Beschwerdeführer glaubhaft dartun, dass er alles Notwendige getan hat, um den ihm obliegenden Pflichten zur Erfüllung der abgabenrechtlichen Vorschriften der Primärschuldnerin nachzukommen. Nimmt der Geschäftsführer die steuerlichen Agenden nicht selbst wahr, sondern überträgt sie an Dritte, wird er dadurch zwar nicht vom Haftungsrisiko befreit. Es treffen ihn aber Auswahl- und Kontrollpflichten, deren Verletzung Haftungsfolgen zeitigen kann ( mwH). Der Beschwerdeführer hat nach Ansicht des erkennenden Senates glaubhaft dargetan, dass er die herangezogene Person insoweit ausreichend überwacht hat, und ihm auch die Zahlungspflichten nicht im Verborgenen geblieben sind. Unregelmäßigkeiten der Lohnverrechnerin vor dem Zeitraum der haftungsgegenständlichen Abgaben oder auch danach sind nicht bekannt, sodass auch keine besondere Überwachungspflicht bestanden hätte.
3.1.3. Ergebnis
Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen und den Besonderheiten des Beschwerdefalles ergibt sich, dass der Beschwerdeführer mangels schuldhafter Pflichtverletzung zu Unrecht von der belangten Behörde zur Haftung herangezogen wurde. Der angefochtene Bescheid war daher ersatzlos aufzuheben.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gegen eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die gegenständliche Entscheidung weicht weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung (vgl. die unter 3.1. zitierte Rechtsprechung). Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Im Übrigen liegen keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der hier auf Ebene der Beweiswürdigung zu lösenden Frage, ob der Beschwerdeführer zu Recht zur Haftung herangezogen wurde, vor.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Landesabgaben Wien |
betroffene Normen | § 9 KommStG 1993, Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993 § 11 Abs. 2 KommStG 1993, Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993 § 217 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 §§ 80 ff BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 6a KommStG 1993, Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993 § 9 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 7 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 224 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 248 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 6a WDGAG, Wr. Dienstgeberabgabegesetz, LGBl. Nr. 17/1970 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7400009.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at