Maßnahmenbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.02.2023, RM/7300002/2023

Maßnahmenbeschwerde gegen die Beschlagnahme von Schmuck bei der Einreise am Flughafen bei Verwendung des Grünkanals

Entscheidungstext

Im Namen der Republik

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard Groschedl in der Finanzstrafsache gegen Frau ***Bf1***, geb., ***Bf1-Adr*** vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Markiyan Otava, Taborstraße 24a/5/5, 1020 Wien, wegen des Verdachts des Finanzvergehens des Schmuggels gemäß § 35 Abs. 1 lit. a des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) über die Beschwerde der Beschuldigten vom gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe des Zollamtes Österreich am an der Zollstelle Flughafen Wien Reisendenabfertigung in Form der Beschlagnahme von näher bezeichnetem Schmuck gemäß § 89 Abs. 2 FinStrG zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Laut vorliegender Tatbeschreibung des Zollamtes Österreich, Zollstelle Flughafen Wien Reisendenabfertigung, reiste Frau ***Bf1*** (in weiterer Folge: Beschwerdeführerin) am am Flughafen Wien in das Zollgebiet der Europäischen Union ein. Bei der Kontrolle wurden im Handgepäckskoffer 2 weiß verpackte Geschenkspäckchen mit roter Schleife mit der Aufschrift "***A***" vorgefunden. Des Weiteren wurde eine Rechnung mit 2 Positionen von ***A*** aus Dubai über 24.450 AED und zwei Zertifikate von ***A*** vorgefunden.

Daraufhin wurde die Amtshandlung ins Zollamt verlegt. Nach Öffnung der Geschenkspakete wurde ein Armreif und ein Paar Ohrringe von ***A*** vorgefunden, die mit der Seriennummer mit der Rechnung übereinstimmen. Bei weiteren Abfragen im Finanzstrafregister und im System der Firma DEV (Mehrwertsteuerrückvergütung am Flughafen Wien) wurde festgestellt, dass die Beschwerdeführerin im November 2022 einen Verstoß gegen die Anmeldepflicht von Barmittel beging und im August 2022 versuchte, sich die Mehrwertsteuer für in Österreich gekaufte Waren von über 35.000 Euro rückerstatten zu lassen. Dies wurde ihr aufgrund ihres Wohnsitzes in Österreich verweigert.

Auf Wunsch der Beschwerdeführerin wurde Herr ***Z1*** ***geb2*** als Unterstützung zur Amtshandlung hinzugezogen.

Aufgrund von Verständigungsschwierigkeiten wurde eine amtsbekannte Dolmetscherin zur Amtshandlung beigezogen. (Dolmetscherin verständigt: 14 Uhr. Eingetroffen: 14:50 Uhr.)

Die Rechtsmittelbelehrung wurde gelesen, verstanden und unterschrieben. Es kam zu keinen Verständigungsschwierigkeiten.

Die ZOFA (***ZB1***) wurde vom Vorfall in Kenntnis gesetzt. Die Angaben in Punkt A wurden nach Rücksprache mit der ZOFA gemacht.

Beschlagnahmt zur Sicherung des Verfalls (Tatgegenstände, Umschließungen, Taschen, Koffer, Beförderungsmittel) und als Beweismittel:

[...]

Die Abgabenberechnung des Armreifs und der Ohrringe ergab einen Betrag von € 160,01 an Zoll und € 1.312,11 an Einfuhrumsatzsteuer.

Gründe für die Beschlagnahme laut Tatbeschreibung:
"Die umseits angeführten Gegenstände sind gem. § 17 iVm. § 35 Abs. 4 FinStrG (Schmuggel, Hinterziehung) vom Verfall bedroht und/oder kommen im Finanzstrafverfahren als Beweismittel in Betracht. Ihre Beschlagnahme war gem. § 89 Abs. 1 FinStrG zur Sicherung des Verfalls und/oder zur Beweissicherung geboten. Insbesondere liegen folgende Gründe vor:
Identitätssicherung und jederzeitlicher behördlicher Zugriff.

Gründe für die Annahme von Gefahr im Verzug

Die Beschlagnahme erfolgte ohne bescheidmäßige Beschlagnahmeanordnung, weil zu besorgen war, dass ein Zuwarten bis zur Beibringung eines von der zuständigen Finanzstrafbehörde zu erlassenden schriftlichen Bescheides den Zweck der Maßnahme gefährdet hätte. Insbesondere liegen folgende Gründe vor:

Es war zu besorgen, dass die Gegenstände dem staatlichen Zugriff entzogen werden. Darüber hinaus kommen die Gegenstände als Beweismittel in einem Finanzstrafverfahren in Betracht.

Aussage der Beschuldigten: Ich bin bereit, ohne Rechtsbeistand auszusagen. […] Ich bin mit der Dolmetscherin einverstanden.

F: Kennen sie die Reisefreigrenze für Waren die einen Wert von über 430 Euro aufweisen?
A: Das habe ich nicht gewusst.

F: Sie reisen sehr viel. Haben sie sich nie über die gesetzlichen Bestimmungen informiert?
A: Ich bin früher immer nur aus der Ukraine aus gereist. Die ukrainischen Bestimmungen kenne ich.

F: Haben sie schon öfters Waren für mehr als 430 Euro in die europäische Union eingeführt, seit sie über einen Wohnsitz in Österreich verfügen?
A: Nein.

F: Sie haben Kinder. Wo leben diese?
A: Mit mir in Österreich. Meine Eltern leben in Dubai, mein Vater wird momentan in der Türkei medizinisch behandelt und ich reise daher öfters mit ihm gemeinsam von Dubai in die Türkei. [… ]

F: Sie haben bereits versucht, sich die Mehrwertsteuer für in Österreich gekaufte Waren rückerstatten zu lassen, obwohl sie einen Wohnsitz in Wien haben. Dies wurde ihnen verweigert. Sie müssten also eigentlich wissen, dass sie auch in Österreich steuerpflichtig sind. Was sagen sie dazu?
A: Ich bin als Flüchtling nach Österreich gekommen. Ich wurde im Juni im Geschäft so beraten, dass es für mich als Vertriebene möglich wäre TaxFree zu beantragen. Am Flughafen wurde mir gesagt, dass es für mich nicht möglich sei, da sich die gesetzlichen Grundlagen bezgl. der Gleichstellung von Vertriebenen geändert haben. Seitdem habe ich es auch nicht mehr versucht, mir die Steuer erstatten zu lassen.

F: Im November wurden sie nach Paragraph 48b FinStrG wegen eines Verstoßes gegen die Bargeldanmeldepflicht mittels vereinfachter Strafverfügung nach Paragraph 146 FinStrG gestraft. Sie wussten also, dass es zollrechtliche Bestimmungen gibt. Weshalb haben sie sich nicht über die Ein- und Ausreisebestimmungen informiert?
A: Nach diesem Zwischenfall weiß ich, dass ich nicht mehr als 10.000 Euro ohne Anmeldung ausführen darf. Ich habe bei der Kontrolle auch gleich gesagt, wie viel Geld ich mit mir führe und dass ich dieses Geld für die medizinische Behandlung meines Vaters in der Türkei benötige.

F: Warum haben sie das nicht angegeben, als ich sie nach Vorstrafen gefragt habe?
A: Ich wusste nicht, dass das als Vorstrafe gilt.

F: Möchten sie noch etwas zu dem Vorfall sagen?
A: Ich hatte keine Ahnung, dass ich die Waren hätte deklarieren müssen. Also ich wusste nicht, ob ich das in Dubai oder hier hätte machen müssen. Ich dachte, wenn man Bargeld ab 10.000 Euro deklarieren muss, dann gilt diese Grenze auch für Waren ab diesem Betrag. So etwas wird nicht wieder vorkommen. Ich werde mich über die österreichischen Gesetze informieren.

Ich ersuche, die Beschlagnahme des (der) aufzuheben und mir diesen Gegenstand - diese Gegenstände - gegen Erlag eines dem Wert entsprechenden Geldbetrages zu belassen.

Ich nehme zur Kenntnis, dass meinem obigen Ersuchen nicht entsprochen wird. […]

Mir wird namens des Zollamtes Österreich, Zollstelle Flughafen Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz bekannt gegeben, dass ich wegen der gegenständlichen Verfehlung eine Bestrafung wegen der (des) Finanzvergehen(s)
• (FinStrG 35 01) Schmuggel gem § 35 Abs 1 FinStrG mittels Strafverfügung zu erwarten habe. In Aussicht genommen wird gem.
§ 35 Abs 4 FinStrG
eine
• § 17 iVm. § 35 Abs. 4 FinStrG (Schmuggel, Hinterziehung)
der Verfall von
1 Stk. Rechnung ***A*** Rechnungsnummer 6990255
2 Stk. Echtheitszertifikate von ***A*** Nummer bezgl. Serialnummer ROT 604 / SPG 175
1 Paar Ohrringe ***A*** goldfarbig Serialnummer SPG 175 samt Verpackung (***A*** Box rot)
1 Stk. Armreif ***A*** goldfarbig Serialnummer ROT 604 samt goldfarbenen Schraubenzieher und Verpackung (***A*** Box rot),
und § 185 FinStrG ein Kostenersatz in Höhe von EUR 100,00.

Nach Belehrung über das Einspruchsrecht erkläre ich ausdrücklich, auf einen Einspruch gegen diese zu erwartende Strafverfügung wegen Schmuggels gem § 35 Abs 1 FinStrG (Geldstrafe von EUR 1.000,00, im Nichteinbringlichungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Tagen, Kosten von EUR 100,00 sowie Verfall der näher bezeichneten Schmuckstücke) zu verzichten. Ich werde darüber belehrt, dass ich diese Verzichtserklärung, da sie nicht im Beisein eines berufsmäßigen Parteienvertreters abgegeben wurde, binnen drei Tagen schriftlich oder zur Niederschrift widerrufen kann.

Ich bestätige, dass mir
eine Ausfertigung dieser Niederschrift
für die beschlagnahmten Gegenstände die Quittung FStr37, Block Nr. 11077 Blatt-Nr. 02 ausgefolgt wurde."

Mit Eingabe vom hat die Beschwerdeführerin durch ihren ausgewiesenen Vertreter binnen offener Frist gegen die in Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe des Zollamtes Österreich verfügte Beschlagnahme Beschwerde erhoben wie folgt ausgeführt:

"2. Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin, ukrainische Staatsbürgerin, reiste am am Flughafen Wien Schwechat nach Österreich und damit ins Zollgebiet der Europäischen Union ein. Bei der Einreise wurde die Beschwerdeführerin einer Kontrolle von den Organen der Zollbehörden unterzogen. Bei der Kontrolle gab die Beschwerdeführerin gab die Beschwerdeführerin freiwillig an, dass sie von ihren Eltern, welche in Dubai wohnhaft sind, Geschenke in Form von Schmuck - ein Armreif und Ohrringe mit der Warennummer 7113190000 - der bekannten Marke "***A***" erhalten hat und diese in ihrem Handgepäck einführt. Sie gab an, dass diese einen Wert von rund 24.450 AED, dh. rund EUR 6.400, haben und zeigte die Rechnung sowie die Echtheitszertifikate von ***A*** den Organen der Zollbehörde vor. Die Schmuckstücke waren in Geschenkspäckchen verpackt und haben sich im Handgepäck befunden.

Die Beschwerdeführerin hat den Organen der Zollbehörde dargelegt, dass sie die Reisefreigrenze für Waren von über EUR 430 nicht gekannt hat, da sie zum ersten Mal ein Geschenk im Wert von über EUR 430 in die Europäische Union eingeführt hat, seit sie ihren Wohnsitz in Österreich hat. Sie reist oft zu ihren Eltern, welche in Dubai leben, insbesondere zu ihrem Vater, welchen sie zu medizinischen Behandlungen von Dubai in die Türkei begleitet. Ihr waren die Einfuhrbestimmungen in Verhältnis Dubai zur Ukraine, nicht jedoch in Bezug auf Österreich bzw. die EU bekannt. Sie hat daher nicht gewusst, dass sie die Geschenke ihrer Eltern hätte deklarieren müssen. Die Einfuhr der Geschenke sei jedenfalls nicht mit dem Vorsatz gewesen, die österreichischen Gesetze über die Einfuhr von Waren zu verletzten, sondern weil sie davon ausgegangen sei, dass Waren erst ab einem Wertäquivalent von über EUR 10.000 deklariert werden müssen.

Die Beschwerdeführerin hat weiters zu Beginn der Amtshandlung angegeben, dass sie einen festen Wohnsitz in Österreich in **Wien** habe, wo sie gemeinsam mit ihren zwei minderjährigen Kindern lebe. Weiters hat sie angegeben, dass sie Eigentümerin eines Beratungsunternehmens in Wien sei.

Die Beschwerdeführerin hat gegenüber den Organen der Zollbehörde sofort die Bereitschaft erklärt, die entsprechenden Steuern- und Abgaben für die Geschenke abzuführen und ersucht, von einer Beschlagnahme der Wertgegenstände abzusehen, insbesondere da diese Geschenke ihrer Eltern sind, und zwar gegen Erlag eines dem Wert der Gegenstände entsprechenden Geldbetrages. Diesem Ersuchen wurde seitens des Organs der Zollbehörde ohne nähere Begründung nicht entsprochen.

In weiterer Folge wurde die Beschwerdeführerin im Beisein einer beigezogenen Dolmetscherin und einer Vertrauensperson, da die Beschwerdeführerin der deutschen Sprache in einem für den Anlass ausreichenden Maß nicht mächtig gewesen ist, zu den Vorwürfen einvernommen und wurde gegen Sie namens des Zollamtes Österreich, Zollstelle Flughafen Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz ein Verfahren wegen Schmuggel gemäß § 35 Abs 1 FinStrG eingeleitet.

Die Beschwerdeführerin hat keinerlei Verzichtserklärungen vor Ort gegenüber den Organen der Behörde abgegeben, sondern im Beisein der Dolmetscherin und der Vertrauensperson ersucht, das ordentliche Verfahren einzuleiten. Ihr wurde mitgeteilt, dass nach Einleitung des Verfahrens in rund 2 Wochen mit einer Verständigung der Finanzstrafbehörde erster Instanz zu rechnen sei. Bis dato hat die Beschwerdeführerin keine Verständigung erhalten.

Der Beschwerdeführerin wurde eine Ausfertigung der Niederschrift sowie eine Quittung für die beschlagnahmten Gegenstände ausgehändigt. Die Entgegennahme der Zahlung der Abgaben und Steuern wurde abgelehnt

Im Zuge der Amtshandlung hat das handelnde Organ, durch den Leiter der Amtshandlung, die Beschlagnahme des "***A***" Armreifes und der "***A***" Ohrringe verfügt und ohne bescheidmäßige Beschlagnahmeanordnung vollzogen.

BEWEISE: PV, der Beschwerdeführerin p.A. ***Bf1-Adr***
Protokoll der Amtshandlung vom (Beilage 71)
Quittung über die beschlagnahmten Gegenstände (Beilage 72)
ZV, Herr ***Z1***, per Anschrift ***Wien1*** […]

4. Rechtswidrigkeit

Die Beschlagnahme wurde im Wesentlichen nur damit begründet, dass ein Zuwarten für die Beibringung eines von der zuständigen Finanzstrafbehörde zu erlassenden schriftlichen Bescheides den Zweck der Maßnahme gefährdet hätte. Und zwar seien insbesondere der Grund zu besorgen vorgelegen, dass die Gegenstände dem staatlichen Zugriff entzogen werden und dass die Gegenstände als Beweismittel in einem Finanzstrafverfahren in Betracht kommen.

Die angenommenen Gefahrengründe lagen nicht vor, da die Beschwerdeführerin in seit ihrer Flucht vor dem Krieg in der Ukraine im Jahr 2022 über einen ständigen Wohnsitz in **Wien** gemeinsam mit ihren zwei minderjährigen Kindern verfügt, die Eigentümerin eines neu gegründeten Unternehmens in ***Wien2*** ist und daher einer selbständigen Tätigkeit im Inland nachgeht und einen ordentlichen Lebenswandel führt. Weiters da die Beschwerdeführerin einer Sicherheitsleistung in Form eines Geldbetrages in Äquivalenz zum Wert der beschlagnahmten Gegenstände angeboten hat, es sich bei den Wertgegenständen nachweislich um echte Schmuckgegenstände der Marke "***A***" handelt, sodass keine Anzeichen für eine Gefahr, dass die Gegenstände dem staatlichen Zugriff entzogen werden, bestanden hat.

Des Weiteren ist die Beschlagnahme zu Beweiszwecken im Finanzstrafverfahren nicht erforderlich gewesen, da der Beweiszweck bereits durch Aufnahme des Beweises seitens der Behörde bei der Amtshandlung am Flughafen, Erfassung im Protokoll erfolgt ist sowie andernfalls durch gelindere Mittel, wie die Aufnahme von Aussagen der Zeugen, die Anfertigung von Lichtbildern oder Sicherstellung der Rechnung oder in anderer geeigneter Form hätte erfolgen können.

5. Anträge

Daher stellt die Beschwerdeführerin nachfolgende Anträge,

1 . der Beschwerde stattzugeben, den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären und die sichergestellten Gegenstände herauszugeben
in eventu
2. die sichergestellten Gegenstände gegen Erlag eines dem Wert entsprechenden Geldbetrages (Sicherheitsleistung) herauszugeben.

Festgehalten wird, dass eine mündliche Verhandlung explizit nicht beantragt wurde. Hätte der einschreitende Rechtsanwalt eine mündliche Verhandlung beantragen wollen, wäre wohl auch ein entsprechender Antrag gestellt worden.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Rechtslage:

Gemäß § 35 Abs. 1 lit. a FinStrG macht sich des Schmuggels schuldig, wer eingangsabgabepflichtige Waren vorsätzlich vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Union verbringt oder der zollamtlichen Überwachung entzieht.

Gemäß § 8 Abs. 1 FinStrG handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, daß der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet.

Gemäß § 98 Abs. 3 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Verfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache erwiesen ist oder nicht; bleiben Zweifel bestehen, so darf die Tatsache nicht zum Nachteil des Beschuldigten oder der Nebenbeteiligten als erwiesen angenommen werden.

Nach Artikel 79 Abs. 1 Buchstabe a 1. Alternative UZK entsteht für einfuhrabgabepflichtige Waren eine Einfuhrzollschuld, wenn eine der in den zollrechtlichen Vorschriften festgelegten Verpflichtungen in Bezug auf das Verbringen von Nicht-Unionswaren in das Zollgebiet der Union, nicht erfüllt ist.

Gemäß Artikel 138 Buchstabe a UZK-DA gelten Waren, die zu nichtkommerziellen Zwecken im persönlichen Gepäck von Reisenden, die gemäß Artikel 41 der Verordnung (EG) Nr. 1186/2009 oder als Rückwaren von den Einfuhrabgaben befreit sind, sofern sie nicht mit anderen Mitteln angemeldet werden, als zur Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr gemäß Artikel 141 angemeldet.

Gemäß Artikel 141 Abs. 1 Buchstabe a UZK-DA gilt für die in Artikel 138 Buchstabe a bis d, Artikel 139 und Artikel 140 Absatz 1 genannten Waren die Benutzung des grünen Ausgangs "Anmeldefrei Waren", sofern bei der betreffenden Zollstelle getrennte Kontrollausgänge vorhanden sind, als Zollanmeldung.

Nach Art. 41 der Zollbefreiungsverordnung iVm der Richtlinie 2007/74/EG des Rates vom sind Waren im persönlichen Gepäck von aus Drittländern kommenden Reisenden im Flugverkehr von den Einfuhrabgaben grundsätzlich bis zu einem Wert von € 430.- befreit.

Artikel 218 der Durchführungsverordnung (EU) 2015/2447 der Kommission vom (UZK-IA) fingiert die Beförderung der Waren gemäß Artikel 135 UZK, die Gestellung der Waren gemäß Artikel 139 UZK sowie auch die Annahme der Zollanmeldung nach Artikel 172 UZK als auch die Überlassung der Waren gemäß Artikel 194 UZK, wenn die Zollanmeldung in konkludenter Form gemäß Artikel 141 UZK-DA abgegeben worden ist.

Verdacht eines Finanzvergehens:

Bei der Prüfung, ob tatsächlich genügend Verdachtsgründe für ein Finanzvergehen bestehen, geht es nicht darum, schon die Ergebnisse des förmlichen Finanzstrafverfahrens vorwegzunehmen, sondern lediglich darum, ob die bisher der Finanzstrafbehörde zugekommenen Mitteilungen oder die in deren Besitz befindlichen Unterlagen nach Maßgabe der von dieser durchgeführten Vorerhebungen für einen Verdacht ausreichen ().

Verdacht ist mehr als eine bloße Vermutung. Es ist die Kenntnis von Tatsachen, aus denen nach der Lebenserfahrung auf ein Finanzvergehen geschlossen werden kann (für viele: - ÖStZB 1998, 459).

Ein Verdacht kann immer nur auf Grund einer Schlussfolgerung aus Tatsachen entstehen. Ein Verdacht besteht, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von bestimmten Umständen rechtfertigen (vgl. VwGH - ÖStZB 2002/444).

Für das Bundesfinanzgericht steht unzweifelhaft fest, dass die Beschwerdeführerin mit Betreten des "Grünkanals" für sich eine konkludente Anmeldung abgeben hat, keine eingangsabgabepflichtigen Waren mit sich zu führen. Bei einer Kontrolle wurden die Schmuckstücke entdeckt.

Angesichts der Reisepassdaten, aus denen zahlreiche Reisebewegungen auch in Drittländer zu ersehen ist, sowie der Tatsache, dass sie selbst bestätigte, dass sie die "ukrainischen Bestimmungen" kennt, andererseits ist sie Gesellschafterin der ***O*** GmbH, die unter anderem einen Migrationsdienst anbietet samt Beratung in allen Phasen des Umzugs nach Österreich inklusive Rechtsberatung, wobei gerade bei Umzügen aus einem Drittland nach Österreich die Zollbestimmungen ein wichtiges Thema sind, besteht der Verdacht, dass die Beschwerdeführerin entgegen ihrer Darstellung in Kenntnis der Einreisebestimmungen für Waren aus Drittländern in die Europäische Union ist.

Laut Internet (https://www.bezahlen.net/ratgeber/zollbestimmungen-ukraine/#Roter_oder_gruener_Ausgang) gelten bei der Einreise in die Ukraine folgende Bestimmungen:

"Personen, die als Touristen in die Ukraine einreisen, dürfen persönliche Gegenstände (z.B. gebrauchte Kleidung, Schuhe und Körperpflegeartikel) selbstverständlich in einer der Reisedauer angemessenen Menge ohne zusätzliche Zollkosten in die Ukraine mitbringen. Neue, unbenutzte Schmuckstücke und Wertgegenstände sind jedoch deklarationspflichtig und werden nicht zu den Gegenständen des persönlichen Bedarfs gezählt.

Werden allein Artikel des persönlichen Bedarfs mitgeführt, keine anmeldepflichtigen Gegenstände transportiert und die unten aufgeführten Einfuhrgüter außerdem nur im Rahmen der festgelegten Mengengrenzen eingeführt, dürfen Reisende am Flughafen den grünen Ausgang benutzen."

Auch nach den der Beschwerdeführerin laut eigener Aussage bekannten Einreisebestimmungen in die Ukraine sind neue Schmuckstücke deklarationspflichtig, d.h. sie hätte angesichts dieses Wissens nicht den "Grünkanal" verwenden würfen. Sie hätte vielmehr die im Drittland gekauften, an sie geschenkten Schmuckstücke bei der Einreise verzollen müssen.

Laut von der Beschwerdeführerin übermittelten Tatbeschreibung hat sie am bei der Zollstelle Flughafen Wien unter anderem ausgesagt:

"Nach diesem Zwischenfall weiß ich, dass ich nicht mehr als 10.000 Euro ohne Anmeldung ausführen darf. Ich habe bei der Kontrolle auch gleich gesagt, wie viel Geld ich mit mir führe und dass ich dieses Geld für die medizinische Behandlung meines Vaters in der Türkei benötige."

Angesichts der Tatsache, dass die Beschwerdeführerin ihrem Vater im November 2022 rund € 13.000,00 für eine medizinische Behandlung in bar überbringen wollte, bestand durchaus der Verdacht, dass ihr Vater die verfahrensgegenständlichen Geschenke um € 6.500,00 nicht selbst finanzieren konnte, sondern die Beschwerdeführerin die Schmuckstücke selbst finanziert und nach Österreich in den EU-Raum einbringen wollte.

Zwischenzeitig wurde zwar dem Zollamt eine Erklärung von Herrn ***V***, dem Vater der Beschwerdeführerin, vorgelegt, wonach er die Schmuckstücke gekauft habe. Das ändert nichts an der Tatsache, dass die Schmuckstücke aufgrund ihres hohen Warenwertes bei der Einreise in die Europäische Union am Flughafen Wien zu verzollen gewesen wären.

Soweit in der Tatbeschreibung die Aussage der Beschwerdeführerin nachzulesen ist: "Ich hatte keine Ahnung, dass ich die Waren hätte deklarieren müssen. Also ich wusste nicht, ob ich das in Dubai, oder hier hätte machen müssen. Ich dachte, wenn man Bargeld ab 10.000 Euro deklarieren muss, dann gilt diese Grenze auch für Waren ab diesem Betrag. So etwas wird nicht wieder vorkommen. Ich werde mich über die österreichischen Gesetze informieren", ist das im Hinblick auf weltweit ähnliche Zollbestimmungen bei der Einfuhr aus Drittländern völlig unglaubwürdig, dass die Beschwerdeführerin, die - wie aus den Reisepasseintragungen ersichtlich - viele Reisen unternimmt, die Reisefreigrenze von € 430,00 oder eine adäquate Grenze in diesem Euro-Bereich nicht kennt.

Dass sie mit einem Wohnsitz in Österreich nicht in den Genuss von Tax-Free-Bestimmungen kommt, wurde ihr anlässlich eines Versuches der Umsatzsteuerrückvergütung für Waren im Wert von ca. 35.000,00 vor Augen geführt.

Zusammengefasst sind die Ausführungen der Beschuldigten - ohne weitere Untersuchung der subjektiven Tatseite - nur als Schutzbehauptung zu qualifizieren, sodass zum Tatzeitpunkt von einem Verdacht eines Schmuggels auszugehen ist.

Ob das Zollamt als Finanzstrafbehörde noch ein Untersuchungsverfahren durchführen wird, ist nicht vom Bundesfinanzgericht zu entscheiden.

Beschlagnahme bei Gefahr im Verzug:

Gemäß § 89 Abs. 1 erster Satz FinStrG hat die Finanzstrafbehörde mit Bescheid die Beschlagnahme von verfallsbedrohten Gegenständen und von Gegenständen, die als Beweismittel in Betracht kommen, anzuordnen, wenn dies zur Sicherung des Verfalls oder zur Beweissicherung geboten ist.

Gemäß § 89 Abs. 2 FinStrG sind bei Gefahr im Verzug neben den Organen der Finanzstrafbehörden auch die Organe der Abgabenbehörden und des öffentlichen Sicherheitsdienstes berechtigt, die im Abs. 1 bezeichneten Gegenstände auch dann in Beschlag zu nehmen, wenn eine Anordnung der Finanzstrafbehörde nicht vorliegt. In diesem Fall sind dem anwesenden Inhaber die Gründe für die Beschlagnahme und für die Annahme von Gefahr im Verzug mündlich bekanntzugeben und in einer Niederschrift festzuhalten.

Bei der Beschlagnahme von Gegenständen handelt es sich entweder um eine Maßnahme zur Sicherung eines im Gesetz angedrohten Verfalls oder eine Maßnahme zur Bereitstellung von im Strafverfahren benötigten Beweismitteln.

Tatbestandsvoraussetzung für die Zulässigkeit der Beschlagnahme ist ein aufgrund konkreter Umstände hinreichend begründeter Tatverdacht der Begehung eines Finanzvergehens. Dabei handelt es sich um die Kenntnis von Tatsachen, aus denen nach der Lebenserfahrung auf ein Finanzvergehen geschlossen werden kann. Dass hier der Verdacht eines Finanzvergehens gegeben ist wurde bereits festgestellt.

Der Begriff "Gefahr im Verzug" ist im Hinblick auf den mit der Vorschrift des § 89 Abs 2 FinStrG verfolgten Zweck der Hintanhaltung der "Verfalls- oder Beweisgefährdung" dahin zu verstehen, dass eine solche konkrete Gefahr dann anzunehmen ist, wenn durch eine bescheidmäßige Anordnung der Beschlagnahme ein Zeitverlust einträte, der mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Folge haben würde, dass die von der Finanzstrafbehörde grundsätzlich mit Bescheid auszusprechende Beschlagnahme zu spät käme, um ihren Zweck noch zu erreichen ().

Eine "Gefahr im Verzug" Situation liegt vor, wenn die Beschlagnahme von Gegenständen durch die Einholung eines schriftlichen Auftrages der zuständigen Finanzstrafbehörde aus irgend einem Grund gefährdet erscheint; schon die geringste Gefahr reicht zur Beschlagnahme ohne schriftlichen Auftrag aus, weil der Sicherungszweck dominiert (Hinweis Fellner, Finanzstrafgesetz/5, Rz 10 zu § 89 bis § 92 FinStrG; vgl. ). Eine solche Gefahrensituation liegt jedenfalls vor, wenn die Beschlagnahme von Gegenständen durch die Einholung eines schriftlichen Auftrages der zuständigen Finanzstrafbehörde verzögert würde und dadurch gefährdet wäre (z.B. ).

Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes wäre mit der Einholung einer schriftlichen Beschlagnahmeanordnung der Finanzstrafbehörde eine zum Unrechtsgehalt der zur Last gelegten Tat außer Verhältnis stehende lange Anhaltung der Beschwerdeführerin verbunden gewesen. Andererseits würde eine erst in der Folge (nach erstatteter Anzeige an die Finanzstrafbehörde) verfügte schriftliche Beschlagnahme durch die Finanzstrafbehörde und damit verbunden die Belassung des Schmuckstückes in der Gewahrsame der Beschwerdeführerin genau jene Gefahrensituation darstellen, die den gebotenen Zugriff der Behörde auf das Schmuckstück erschweren oder verhindern hätte können.

Die beschlagnahmten Schmuckstücke sind im durchzuführenden Finanzstrafverfahren wegen des Verdachtes der Begehung eines Schmuggels von der Strafe des Verfalls bedroht. Dies ist der Beschwerdeführerin bei Aufnahme der Tatbeschreibung mitgeteilt und in der Niederschrift auch entsprechend festgehalten worden. Als Tatgegenstände sind die Schmuckstücke auch Beweismittel in dem von der Finanzstrafbehörde durchzuführenden Finanzstrafverfahren.

Die Beschlagnahme bei Gefahr im Verzug wegen des Verdachts eines Finanzvergehens des Schmuggels ist somit zum Tatzeitpunkt ohne schriftliche Anordnung der zuständigen Finanzstrafbehörde zu Recht erfolgt.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin am laut Tatbeschreibung mit ihrer Unterschrift einen Verzicht auf den Einspruch gegen eine noch zu erlassende Strafverfügung (deren Inhalt ihr in der Niederschrift mitgeteilt wurde) abgegeben hat. Ein Widerruf dieses Einspruchsverzichts ist nicht aktenkundig.

Die Entscheidung, die sichergestellten Gegenstände gegen Erlag eines dem Wert entsprechenden Geldbetrages freizugeben, obliegt dem Zollamt Österreich als Finanzstrafbehörde.

Informativ wird mitgeteilt, dass über Gnadenmaßnahmen gemäß § 187 FinStrG wie beispielswiese einen Antrag auf Rückkauf für verfallen erklärter Schmuckstücke das Bundesministerium für Finanzen entscheidet.

Auf die Übersetzung der Entscheidung wurde verzichtet.

Zur Unzulässigkeit der Revision:

Darüber hinaus ist gegen diese Entscheidung gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine ungeklärte Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, die in der höchstgerichtlichen Judikatur nicht eindeutig entschieden wäre, liegt nicht vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RM.7300002.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at