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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 19.01.2022, RV/7500679/2021

Aufhebung einer Vollstreckungsverfügung mangels unbehandelter Beschwerde gegen den Titelbescheid

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R über die Beschwerde des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, Deutschland, vom , gegen die Vollstreckungsverfügung des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6, vom , Zahl MA67/Zahl/2020, in Zusammenhang mit der Verwaltungsübertretung gemäß § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung, ABl. der Stadt Wien Nr. 51/2005 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006, LGBl. für Wien Nr. 9/2006, idF. LGBl. für Wien Nr. 71/2018, zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde stattgegeben und die Vollstreckungsverfügung aufgehoben.

II. Eine Revision durch die beschwerdeführende Partei wegen Verletzung in Rechten nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG kraft Gesetzes nicht zulässig.
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine ordentliche Revision durch die belangte Behörde nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Dem Beschwerdeführer (Bf.) wurde mit Strafverfügung des Magistrats der Stadt Wien, MA 67-Parkraumüberwachung, vom , Zahl MA67/Zahl/2020, angelastet, er habe das mehrspurige Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen 123 (D) am um 20:00 Uhr in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone in 1020 Wien, Ferdinandstraße 32 ggü, abgestellt, ohne für seine Kennzeichnung mit einem für den Beanstandungszeitpunkt gültigen Parkschein gesorgt zu haben. Demnach habe er die Parkometerabgabe fahrlässig verkürzt.

Auf Grund der Verletzung der Rechtsvorschriften des § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz wurde über den Bf. eine Geldstrafe in der Höhe von 60,00 Euro, im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Stunden, verhängt.

In der Rechtsmittelbelehrung der Strafverfügung ist ausgeführt: "Sie haben das Recht gegen diese Strafverfügung Einspruch zu erheben. Der Einspruch ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Strafverfügung schriftlich oder mündlich bei der Magistratsabteilung 67, 1200 Wien, Dresdner Straße 81-85 einzubringen. … Sie können sich im Einspruch rechtfertigen und die Ihrer Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. …"

Gemäß vorliegender Zustellungsurkunde wurde die Strafverfügung unter Hinweis auf den Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen vom , kundgemacht mit dem Bundesgesetz vom , Nr. 526, am durch Einlegen in den zur Wohnung des Bf. gehörenden Briefkasten (oder ähnliche Vorrichtung) zugestellt.

Am (eingelangt bei der belangten Behörde) machte der Bf. einen unbegründeten Einspruch gegen die Strafverfügung vom .

Mit Schreiben an die Stadtkasse Stadt (D-PLZ) vom , Zahl MA67/Zahl/2020, ersuchte die belangte Behörde um Vollstreckung einer öffentlich-rechtlichen Geldforderung gemäß dem Gesetz über den Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich vom über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Abgabensachen (Deutsches Bundesgesetzblatt 1955, Teil II, Seite 833). Der Bf. sei mit Strafverfügung vom , GZ. MA67/Zahl/2020, rechtskräftig bestraft worden.
Die Forderung beruhe auf folgender gesetzlicher Bestimmung:
§ 5 Abs. 2 Parkometerabgabeverordnung, ABI. der Stadt Wien Nr. 51/2005, in der geltenden Fassung, in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Parkometergesetz 2006, LGBI. für Wien Nr. 9/2006, in der geltenden Fassung.
Da trotz Zahlungserinnerung der aushaftende Strafbetrag bis dato nicht habe verbucht werden können, werde um eine zwangsweise Eintreibung des Geldbetrages ersucht.
Geforderter Geldbetrag: € 65,00. Eintritt der Vollstreckungsverjährung gemäß § 31 Abs. 3 des österreichischen Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG: .

Gemäß aktenkundigem Schreiben "Der Bürgermeister, Wallfahrtsstadt Stadt" vom an die belangte Behörde sei der Bf. mit Datum zur Zahlung der Forderung (gemäß dem Schreiben vom ) aufgefordert worden, jedoch habe der Bf. mit Schreiben vom Einwände gegen die Rechtmäßigkeit der Forderung erhoben. Daher werde das Schreiben der belangten Behörde (Ersuchen) und jenes des Bf. (Einwände) an die belangte Behörde retourniert, wo es am einlangte.

Gemäß Beschwerdevorlage wurde das Datum des Einlangens () vom vorgenannten Schreiben von der belangten Behörde als Datum der hier gegenständlichen Beschwerde gegen die Vollstreckungsverfügung vom gewertet.

Mit (hier gegenständlicher) Beschwerde vom brachte der Bf. folgendermaßen vor:

"Hiermit widerspreche ich dem Vollzug der angekündigten Vollstreckung da diese unrechtsmäßig ist. Es handelt sich bei der Forderung um ein angebliches Parkvergehen in Wien. Korrekt ist, dass ich der Halter des Fahrzeuges bin. Jedoch befand ich mich am nachweislich nicht in Wien. Dies habe ich dem Magistrat der Stadt Wien bereits mitgeteilt. Leider gibt es in Österreich kein hier zutreffendes Auskunftsverweigerungsrecht. Da Sie die Forderung in Deutschland vollstrecken möchten ist hier jedoch die deutsche Rechtslage maßgeblich. Das Finanzgericht Hamburg hat in einem Rechtsschutzverfahren (1 V 289/09) eindeutig entschieden, dass eine Vollstreckung österreichischer Geldbußen wegen Nichtbenennung des Fahrers in der Bundesrepublik Deutschland unzulässig ist.Genauer:
Die Vollstreckung des österreichischen Straferkenntnisses in der Bundesrepublik Deutschland verstößt gegen wesentliche Rechtsgrundsätze der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland und ist deshalb unzulässig.
Denn mit dem Straferkenntnis aus Österreich soll der Halter eines Fahrzeuges allein dafür sanktioniert werden, dass er als Halter keine Auskunft über Namen und Anschrift der Personen gibt, denen er das Kraftfahrzeug zu bestimmten Zeitpunkten überlassen hat. Die Vollstreckung eines solchen Straferkenntnisses verstößt gegen das Verbot des Zwangs zur Selbstbezichtigung und gegen das Schweigerecht des Angeklagten. Daher fordere ich Sie hiermit auf die Forderung als in Deutschland uneinbringlich und unrechtsmäßig an die Stadt Wien zurückzugeben. Das Schweigerecht im Strafverfahren ist eines der wesentlichen Elemente des Rechtsstaates hierzulande. Würde hier also eine Vollstreckung des Bußgeldes ermöglicht, würde die Bundesrepublik Deutschland fremdstaatliches Recht durchsetzen und damit gegen elementare Grundsätze des eigenen Rechtsstaates verstoßen, denn die Umsetzung des Rahmenbeschlusses zur Vollstreckung innerhalb der EU schreibt ebenfalls die vorrangige Geltung des nationalen Rechts vor.

Die Magistratsabteilung 67 legte die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor (Datum des Einlangens: ).

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gesetzliche Grundlagen:

§ 3 Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991, (VVG), lautet:

"Eintreibung von Geldleistungen

§ 3 (1) Die Verpflichtung zu einer Geldleistung ist in der Weise zu vollstrecken, daß die Vollstreckungsbehörde durch das zuständige Gericht nach den für das gerichtliche Exekutionsverfahren geltenden Vorschriften die Eintreibung veranlaßt. In diesem Fall schreitet die Vollstreckungsbehörde namens des Berechtigten als betreibenden Gläubigers ein. Die Vollstreckungsbehörde kann die Eintreibung unter sinngemäßer Anwendung der Vorschriften über die Einbringung und Sicherung der öffentlichen Abgaben selbst vornehmen, wenn dies im Interesse der Raschheit und der Kostenersparnis gelegen ist.

(2) Der Vollstreckungstitel muss mit einer Bestätigung der Stelle, von der er ausgegangen ist, oder der Vollstreckungsbehörde versehen sein, dass er einem die Vollstreckbarkeit hemmenden Rechtszug nicht mehr unterliegt (Vollstreckbarkeitsbestätigung). Einwendungen gegen den Anspruch im Sinne des § 35 der Exekutionsordnung - EO, RGBl. Nr. 79/1896, sind bei der Stelle zu erheben, von der der Vollstreckungstitel ausgegangen ist.

(3) Natürliche Personen, juristische Personen des Privatrechts sowie der Bund, die Länder und die Gemeinden können die Eintreibung einer Geldleistung unmittelbar beim zuständigen Gericht beantragen. Andere juristische Personen des öffentlichen Rechts können dies nur, soweit ihnen zur Eintreibung einer Geldleistung die Einbringung im Verwaltungsweg (politische Exekution) gewährt ist."

§ 35 Abs. 1 der Exekutionsordnung (EO) lautet:

"Gegen den Anspruch, zu dessen Gunsten Execution bewilligt wurde, können im Zuge des Executionsverfahrens nur insofern Einwendungen erhoben werden, als diese auf den Anspruch aufhebenden oder hemmenden Thatsachen beruhen, die erst nach Entstehung des diesem Verfahren zugrunde liegenden Executionstitels eingetreten sind. Falls jedoch dieser Executionstitel in einer gerichtlichen Entscheidung besteht, ist der Zeitpunkt maßgebend, bis zu welchem der Verpflichtete von den bezüglichen Thatsachen im vorausgegangenen gerichtlichen Verfahren wirksam Gebrauch machen konnte."

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind die Voraussetzungen für die rechtmäßige Erlassung einer Vollstreckungsverfügung unter den nachstehend angeführten Voraussetzungen gegeben:

• Der Vollstreckungsverfügung muss ein entsprechender zu vollstreckender Bescheid (Titelbescheid) zu Grunde liegen (vgl. zB , ).

• Der Bescheid muss gegenüber dem Verpflichteten wirksam ergangen sein (vgl. zB VwGH25.03.2010, 2009/05/0098, ).

• Der Verpflichtete ist seiner Verpflichtung innerhalb der festgesetzten Frist und bis zur Einleitung des Vollstreckungsverfahrens nicht nachgekommen (vgl. zB , ).

• Die Leistung im Titelbescheid muss mit dem zu vollstreckenden Bescheid übereinstimmen (). Verweist die Vollstreckungsverfügung auf den Titelbescheid, so ist sie eindeutig. Einer weiteren Konkretisierung bedarf es nicht, wenn der Titelbescheid so bestimmt ist, dass sein Spruch Titel einer Vollstreckungsverfügung sein kann (vgl. zB ).

Der zu vollstreckende Bescheid muss darüber hinaus bereits in Rechtskraft erwachsen sein und die Vollstreckungsverfügung mit dem zu vollstreckenden Bescheid übereinstimmen (vgl § 3 Abs. 2 VVG).

Die Vollstreckungsbehörde hat nur zu prüfen, ob ein exekutierbarer Titel vorliegt und die Vollstreckung zulässig ist (vgl. zB , ).

§ 13 Abs. 3 AVG lautet:
Mängel schriftlicher Anbringen ermächtigen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.

Aus dem Verwaltungsstrafakt ergibt sich folgender Sachverhalt:

Im zu beurteilenden Fall wurde die, der verfahrensgegenständlichen Vollstreckungsverfügung zugrundeliegende, Strafverfügung (=Titelbescheid) vom unter Hinweis auf den Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen vom , kundgemacht mit dem Bundesgesetz vom , Nr. 526, am durch Einlegen in den zur Wohnung des Bf. gehörenden Briefkasten (oder ähnliche Vorrichtung) zugestellt.

Am (eingelangt bei der belangten Behörde) machte der Bf., somit fristgerecht (binnen der zweiwöchigen Einspruchsfrist ab Zustellung), durch Rücksendung der Strafverfügung einen erkennbar unbegründeten Einspruch gegen die Strafverfügung vom .

Der VwGH hat mit Erkenntnis vom Gz. 2011/08/0072 erwogen: ,Auch beim Fehlen eines begründeten Einspruchsantrages handelt es sich nach § 13 Abs. 3 AVG seit der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 nicht mehr um einen unheilbaren Inhaltsmangel, sondern um einen verbesserungsfähigen Mangel (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/18/0200, uam.), wobei diese Norm die Behörde verhält, von Amts wegen unverzüglich die Behebung des Mangels zu veranlassen.'

Gemäß Aktenlage beließ die belangte Behörde den fristgerechten Einspruch vom (gegen die Strafverfügung vom , zugestellt am ) jedoch unbehandelt.

Daher konnte die Strafverfügung vom nicht in Rechtskraft erwachsen.

Es liegt somit der angefochtenen Vollstreckungsverfügung vom kein entsprechender Titelbescheid zu Grunde, weshalb nicht sämtliche Voraussetzungen für die Vollstreckung erfüllt waren, und spruchgemäß zu entscheiden war.

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Mit dem vorliegenden Erkenntnis weicht das Bundesfinanzgericht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, sondern folgt der in den oben angeführten Erkenntnissen zum Ausdruck gebrachten Judikaturlinie.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Verwaltungsstrafsachen Wien
betroffene Normen
§ 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006, LGBl. Nr. 09/2006
§ 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung, ABl. Nr. 51/2005
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7500679.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at