Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.02.2023, RV/7100221/2020

Liebhaberei einer ärztlichen Wahlarztordination, deren Fixkosten die Einnahmen regelmäßig übersteigen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK


Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterR in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Thomas Rudolf Schallhart MSc, Stadtplatz 15, 5230 Mattinghofen, über die Beschwerde vom , gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg, vom betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2004 bis 2012, Steuernummer ***BF1StNr1***

- zu Recht beschlossen:

Die Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide der Jahre 2004 bis 2010 wird gemäß § 256 BAO i.V.m. § 278 BAO als gegenstandslos erklärt.

- zu Recht erkannt:

Die Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide der Jahre 2011 und 2012 wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.


Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

***Bf1*** (Beschwerdeführer, in der Folge Bf.) ist in Österreich als Arzt für Augenheilkunde tätig.
Bis September 2010 war er in als Oberarzt im Krankenhaus Wien H und danach bis dato als Primarius des Krankenhauses B unselbstständig beschäftigt.
Daneben erzielte er erklärungsgemäß Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit als Wahlarzt in Wien (D ,V') sowie aus Vermietung und Verpachtung. Eine abgabenrechtliche Prüfung der Jahre 2004 bis 2012 führte zu mehreren Feststellungen, wobei beschwerdegegenständlich relevant, die vom Bf. erklärten Einkünfte aus der in Wien betriebenen Ordination für den Zeitraum 2011 und 2012 als steuerlich unbeachtliche Liebhaberei beurteilt und die daraus resultierenden Einkünfte aus den Bemessungsgrundlagen ausgeschieden wurden.

Das Finanzamt Wien 9/18/19 Klosterneuburg erließ am im wiederaufgenommenen Verfahren u.a. Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2004 bis 2011 sowie einen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2012.
In den Wiederaufnahmebescheiden bzw. dem Einkommensteuerbescheid 2012 wird in der Begründung auf die Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung und die darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. den Prüfungsbericht verwiesen.

Die Behörde traf darin folgende, verfahrensgegenständlich bedeutsame Feststellungen:
Der Bf. habe u.a. Einkünfte aus seiner Ordination in der V sowie solche aus Sonderklassehonoraren erzielt, die ihm bis Oktober 2010 aus seiner Tätigkeit als Oberarzt im Krankenhaus H und danach als Primararzt des Krankenhauses L zustehen würden. Die Einkünfte seien in einer gemeinsamen Einnahmen-/Ausgabenrechnung erfasst worden, wobei nicht ersichtlich gewesen sei, welches Ergebnis auf die Ordination fallen würde.
Das Prüfungsorgan habe eine getrennte Einnahmen-/Ausgabenrechnung erstellt.
Durch den neuen Arbeitsplatz in L sei die Ordination in Wien einerseits in eingeschränkterem Umfang betrieben worden, andererseits würden die dabei anfallenden Kilometergelder bzw. die bestehenden Fixkosten dazu führen, dass sie in den Einnahmen keine Deckung finden würden.
Die in Wien betriebene ärztliche Praxis stelle sich nach Beurteilung des Sachverhaltes ab dem Jahr 2011 als steuerlich unbeachtliche Liebhaberei gemäß § 1 Abs. 1 Liebhabereiverordnung (i.d.F. LVO) dar, da eine objektiv nicht ertragsfähige Einkunftsquelle vorliege.

Der Bf. erhob mit Eingabe vom u.a. Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide der Jahre 2004 bis 2012 und erläuterte diese in einer am nachgereichten Begründung (soweit verfahrensgegenständlich bedeutsam) wie folgt:
Aufgrund der Tätigkeit des Bf. im Krankenhaus L seien die Umsätze in der Ordination der V in Wien, die einmal wöchentlich aufgesucht werde, erheblich gesunken. Sie würden im Jahr 2011 ca. € 7.400,- bzw. 2012 ca. € 11.300,- betragen.
Die Ordination werde aufrecht erhalten, da der Bf. davon ausgehe, nach seiner Tätigkeit in L wieder nach Wien zurückzukehren und seiner ärztliche Tätigkeit in dieser Ordination zu intensivieren.
Kleinere Behandlungen würden derzeit in der Wiener Ordination durchgeführt, bei größeren Eingriffen versuche der Bf., die Patienten zu einer Behandlung in L zu veranlassen.
Die Aufrechterhaltung des Ordinationsbetriebes sei zudem notwendig um Kontakte mit ÄrztekollegInnen aufrecht zu erhalten und solcherart Einnahmen nach Ende der Beschäftigung in L zu sichern.
Auch wenn in den Jahren 2011 und 2012 keine Gewinne erzielt worden seien, sei der mit erheblichem Zeitaufwand verbundene Arbeitseinsatz des Bf. zur Sicherung einer nachhaltigen Einkunftsquelle anzusehen.
Eine Stillegung der Praxis und ein allfälliger Neustart in der V sei, wenn überhaupt möglich, nach Verlust der jetzigen Arbeitsstelle mit höheren Kosten sowie einem Verlust des Kassenvertrages verbunden.
Es sei von einem nachhaltigen und subjektiven Ertragsstreben auszugehen.
Gegenständlich seien lediglich Verluste in geringfügiger Höhe festgestellt worden, wobei die Betrachtung des Prüfungsorganes zur Feststellung der Möglichkeit der Erzielung eines Gesamtüberschusses über zwei Jahre hinausgehen müsse.

Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidungen vom und gesondert ergangener Begründung vom als unbegründet abgewiesen.
Die von dem Prüfungsorgan getroffenen Feststellungen betreffend die Ordination in Wien wurden darin im Wesentlichen wiederholt.

Der Bf. beantragte mit Eingabe vom die Vorlage der Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2004 bis 2012 zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht (BFG) u.zw. konkret die Behandlung ,jedenfalls hinsichtlich des Punktes "ad.e. Feststellung, dass der Betrieb der Ordination des Beschwerdeführers Liebhaberei darstellt (Nichtanerkannung der Verluste aus der selbstständigen Tätigkeit in den Jahren 2011 bis 2012)".
In Ergänzung zur Begründung in der Beschwerde vom erläuterte der Bf., dass seine Anstellung in L nur als vorübergehend anzusehen sei und er bestrebt sei, seinen beruflichen und privaten Lebensmittelpunkt in spätestens zwei Jahren nach Wien zu verlegen, da sein Kind dann in die Volksschule komme und aufgrund des Umstandes, dass die Kindesmutter berufstätig und eine Betreuung und Unterstützung durch die Großeltern in Wien erforderlich sei.
Neben der Behandlung der Patienten sei der Weiterbetrieb der Ordination zur Sicherstellung der Aufrechterhaltung der Ordinationsräumlichkeiten in der V erforderlich.
Die Einnahmen der Ordination hätten sich im Zeitraum 2007 bis 2012 wie folgt entwickelt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
2007
17.589,18
2008
11.346,64
2009
12.838,34
2010
25.930,54
(Gewinn 13.673,11)
2011
4.220,60
2012
4.171,26


Es handle sich demnach um eine typisch erwerbswirtschaftliche Betätigung, die mit der Absicht betrieben werde, objektiv einen Gesamtüberschuss zu erzielen. Die in den Jahren 2011 und 2012 erwirtschafteten Verluste würden durch spätere Überschüsse ausgeglichen werden.
Zur Untermauerung seiner Darstellung, wonach er bestrebt sei, seinen beruflichen Lebensmittelpunkt nach Wien zu verlegen, wurde der Eingabe eine Bewerbung des Bf. als Leiter der C des Sanatoriums Y vom beigelegt.
Zudem wurde darauf verwiesen, dass kurzfristige, minimale Verluste noch keine fehlende Gewinnerzielungsabsicht begründen würden und auf die diesbezügliche Rechtsprechung des VwGH (, Zl. 93/14/0036) verwiesen.

Mit Ersuchen um Ergänzung vom forderte die Behörde den Bf. auf, eine detaillierte Einnahmen-/Ausgabenrechnung betreffend die Ordination in der V, 1080 Wien, für die Jahre 2013 bis 2018 nachzureichen.
Es sei darzulegen, ob der Bf. die Ordination in Wien trotz der am erfolgten Kassenpraxiseröffnung in M, X weiter betreibe.
Falls sich der Bf. seit seiner Bewerbung vom März 2018 für eine weitere Leitungsfunktion einer C beworben habe, sei dies anhand von Unterlagen zu nachzuweisen.

In Beantwortung des Ersuchens übermittelte der Bf. die Einnahmen-/Ausgabenrechnungen der Jahre 2013 bis 2018. Er erklärte, die Ordination in Wien weiter zu betreiben, wobei sich der Präsenztermin ab dem Jahr 2019 auf einmal monatlich verringern werde. Der Bf. habe sich für keine weiteren Anstellungen in einem Wiener Spital beworben.

Das BFG ersuchte den Bf. mit Schreiben vom ob der unklaren Formulierung des Vorlageantrages darzulegen, ob sich dieser auch auf einen weiteren, der Beschwerde zu entnehmenden Beschwerdepunkt, der Feststellung der Liebhaberei aus den erklärten Einkünften aus Vermietung und Verpachtung beziehe. Dies u.a. deshalb, da sich der Vorlageantrag auf die Jahre 2004 bis 2012 erstrecke und die Feststellungen zur Liebhaberei der Ordination in Wien lediglich den Zeitraum 2011 und 2012 betreffe.
Der Bf. wurde ersucht zu erläutern, ob er bis dato noch im Krankenhaus B unselbstständig beschäftigt sei bzw. die mit eröffnete Kassenpraxis in M noch betreibe.
Um Vorlage der Einnahmen-/Ausgabenrechnug für die Jahre 2019 bis 2021 wurde ebenso ersucht wie um Vorlage eines Fahrtenbuches für den Zeitraum 2013 bis 2021.
Weitere Fragen standen im Zusammenhang mit seinen in der Beschwerde bzw. im Vorlageantrag getroffenen Darstellungen.

In Beantwortung des Vorhaltes mit Eingabe vom erläuterte der Bf., dass sich seine Beschwerde auf die Feststellung der Liebhaberei betreffend seine Ordination in Wien beschränke.
Die Beschwerde betreffend die Jahre 2004 bis 2010 werde zurückgenommen.
Er sei bis dato im Krankenhaus B unselbstständig tätig, habe sein Beschäftigungsverhältnis dort aber auf eine Arbeitszeit von 18 Stunden reduziert.
Seine Praxis in M werde nach wie vor in einem zeitlichen Ausmaß von 20 Stunden betrieben.
Die vorläufigen Einnahmen-/Ausgabenrechnungen für 2019 bis 2021 wurden übermittelt wobei dazu ausgeführt wurde, dass die Umsätze dieser Jahre auf Grund der Corona-Epidemie nicht erheblich gesteigert werden konnten.
Die Umsätze des Jahres 2022 würden über € 5.000,-, betragen und zu einem Gewinn führen. Die Prognose für das Jahr 2023 läge noch darüber und es werde in jedem Fall ein Gewinn erzielt. Bei der Ordination in Wien handle es sich um eine Wahlarztordination.
Sein Sohn habe die Volkschule in L verlassen und besuche nun eine Schule in Wien, weshalb sich sein Lebensmittelpunkt in Zukunft nach Wien verlagern werde. Seine letzte Bewerbung in Wien stamme aus dem Jahr 2018. In den letzten 4 Jahren sei keine Anstellung als Primararzt in Wien ausgeschrieben worden und eine Bewerbung aus diesem Grund nicht möglich gewesen. Die bislang angefallenen Verluste i.H.v. € 64.000,- (lt. Darstellung im Vorhalt des BFG) seien zutreffend ermittelt worden, nach Eröffnung der Ordination in Wien sei jedoch zu erwarten, dass diese binnen eines oder max. 2 Jahren egalisiert werden könnten.
Die Miete in Wien sei strukturverbessernd von einer fixen auf eine ,patientenbezogene Miete' umgestellt worden, weshalb kein Verlust mehr erzielt werden könne. Ein Fahrtenbuch werde nicht geführt.
Ergänzend erläuterte der Bf., dass die Ergebnisse allesamt seiner selbstständigen Tätigkeit als Arzt entstammen würden. Verluste aus einem Standort seien mit Gewinnen aus einem anderen Standort gegenzuverrechnen. Selbst für den Fall, dass er nicht nach Wien wechseln könne, erziele er nach wie vor Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit in Wien.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:


§ 1 Abs. 1 und 3 Liebhabereiverordnung (LVO i.d.F. BGBl. Nr. 33/1993 geändert durch BGBl. II Nr. 358/1997) lautet:
(1) Einkünfte liegen vor bei einer Betätigung (einer Tätigkeit oder einem Rechtsverhältnis), die
- durch die Absicht veranlaßt ist, einen Gesamtgewinn oder einen Gesamtüberschuß der Einnahmen über die Werbungskosten (§ 3) zu erzielen, und
- nicht unter Abs. 2 fällt.
Voraussetzung ist, daß die Absicht anhand objektiver Umstände (§ 2 Abs. 1 und 3) nachvollziehbar ist. Das Vorliegen einer derartigen Absicht ist für jede organisatorisch in sich geschlossene und mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattete Einheit gesondert zu beurteilen.

(3) Liebhaberei liegt nicht vor, wenn eine Betätigung bei einer einzelnen Einheit im Sinn des Abs. 1 vorletzter Satz, die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit weiteren Einheiten steht, aus Gründen der Gesamtrentabilität, der Marktpräsenz oder der wirtschaftlichen Verflechtung aufrechterhalten wird.

§ 2 Abs. 1 Liebhabereiverordnung lautet:
Fallen bei Betätigungen im Sinn des § 1 Abs. 1 Verluste an, so ist das Vorliegen der Absicht, einen Gesamtgewinn oder Gesamtüberschuß der Einnahmen über die Werbungskosten (§ 3) zu erzielen, insbesondere anhand folgender Umstände zu beurteilen:
1. Ausmaß und Entwicklung der Verluste,
2. Verhältnis der Verluste zu den Gewinnen oder Überschüssen,
3. Ursachen, auf Grund deren im Gegensatz zu vergleichbaren Betrieben, Tätigkeiten oder Rechtsverhältnissen kein Gewinn oder Überschuß erzielt wird,
4. marktgerechtes Verhalten im Hinblick auf angebotene Leistungen,
5. marktgerechtes Verhalten im Hinblick auf die Preisgestaltung,
6. Art und Ausmaß der Bemühungen zur Verbesserung der Ertragslage durch strukturverbessernde Maßnahmen (zB Rationalisierungsmaßnahmen).

§ 256 Abs. 1 und 3 BAO lautet:
(1) Beschwerden können bis zur Bekanntgabe (§ 97) der Entscheidung über die Beschwerde zurückgenommen werden. Die Zurücknahme ist schriftlich oder mündlich zu erklären.

(3) Wurde eine Beschwerde zurückgenommen (Abs. 1), so ist sie mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) als gegenstandslos zu erklären.

Einkommensteuerbescheide 2004-2010
Die Beschwerde gegen die Körperschaftsteuerbescheide der Jahre 2004 bis 2010 wurde mit Eingabe des Bf. vom zurückgenommen.
Die Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide dieser Jahre war somit gemäß § 256 Abs. 3 BAO als gegenstandslos zu erklären.

Einkommensteuerbescheide 2011-2012
Der gegenständlichen Entscheidung wird folgender Sachverhalt zu Grunde gelegt:
Der Bf. war bis Oktober 2010 Oberarzt des Krankenhauses H und danach als Primararzt im Krankenhaus B L tätig. Aus dieser Tätigkeit erzielte er in den berufungsverfangenen Jahren 2011 und 2012 nach den (unbekämpft gebliebenen) Feststellungen der Außenprüfung (in der Folge Ap.) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (2011 € 111.683,15; 2012 € 120.748,51), sowie damit zusammenhängend als Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit zu qualifizierende Sonderklassehonorare i.H.v. 2011 € 26.333,27 bzw. 2012 € 27.675,78.
Daneben führte der Bf. eine Wiener Wahlarztpraxis in der D ,V', bedingt durch den neuen Arbeitsplatz in L, in eingeschränktem Umfang weiter.
Ab ist der Bf. zudem als Kassenarzt am Standort M, X (zuletzt mit einem Beschäftigungsausmaß von 20 Stunden) tätig.
Die Einkünfte aus seiner selbstständigen Tätigkeit in der D i.H.v. 2011 € - 7.382,48 bzw. 2012 € - 11.297,40 wurden von der Ap. unter Anwendung der Liebhabereirichtlinien aus den erklärten Einkünften ausgeschieden.

Für das Bundesfinanzgericht besteht kein Zweifel darüber, dass Betrieb der Wahlarztordination durch den Bf. auf keine besondere, in der Lebensführung begründete Neigung zurückzuführen ist (vgl. § 1 Abs. 2 Z 2 LVO), weshalb die von der Ap. angestellte Liebhabereibetrachtung zu Recht in Anwendung des § 1 Abs. 1 LVO erfolgte.

Der Bf. wendet in seiner Eingabe vom ein, dass er (mit Ausnahme der als Liebhaberei qualifizierten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung) ausschließlich Ergebnisse seiner selbstständigen Tätigkeit als Arzt erzielt und aus einem Standort erwirtschaftete Verluste mit Gewinnen eines weiteren Standortes jedenfalls aufzurechnen sind.
Damit wird erkennbar auf die Bestimmung von § 1 Abs. 3 LVO Bezug genommen, der zufolge dann, wenn ,eine Betätigung bei einer einzelnen Einheit im Sinn des Abs. 1 vorletzter Satz, die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit weiteren Einheiten steht, aus Gründen der Gesamtrentabilität, der Marktpräsenz oder der wirtschaftlichen Verflechtung aufrechterhalten wird', keine Liebhaberei vorliegt.

Inhalt des Betriebes der Wahlarztordination in Wien ist die Erbringung ärztlicher Leistungen. Als solche stellt dieser Betrieb, aufgrund der weitgehend gleichzusetzenden, wenngleich im Rahmen eines Dienstverhältnisses zu erbringenden ärztlichen Tätigkeiten als Primararzt in L eine einzelne Einheit i.S.d. § 1 Abs. 3 LVO dar.
Ein unter Liebhabereigesichtspunkten zu beachtender wirtschaftlicher Zusammenhang mit der Wiener Wahlarztordination würde nach der VO dann vorliegen, wenn sie im Zusammenspiel mit seiner Tätigkeit als Primararzt in L zum Zweck der Erhöhung der Gesamtrentabilität oder der Marktpräsenz aufrecht erhalten würde.
Die aus nichtselbstständiger Tätigkeit erzielten Einkünfte spielen bei dieser Betrachtung, fallen sie doch auch ohne Beibehaltung der Wahlarztpraxis in Wien in gleicher Höhe an, eine untergeordnete Rolle.

Dass die in der Ordination in Wien erzielten Einkünfte zu einer Erhöhung der Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit in L (Sonderklassehonorare) und somit zu einer Erhöhung der Rentabilität geführt haben können wird insoweit nachvollziehbar dargelegt, als der Bf. erläutert, dass er versucht hat, die Wiener Patienten zu einer Behandlung in L zu veranlassen.
Wieweit ihm dies gelungen ist, bzw. ob dies zu einer Erhöhung der in L erfassten Sonderklassenhonorare in dem Maße geführt hat, dass es dadurch zu einer Erhöhung der Gesamtrentabilität des Gesamtbetriebes kam, ist mangels konkretem Nachweis ungewiss und, betrachtet man die Höhe der angefallenen Verluste, nicht glaubhaft.
Eine solche (Gesamtrentabilitätssteigerung) läge nur dann vor, wenn die Verluste der Wiener Wahlarztpraxis durch Einnahmen von aus seiner Tätigkeit in L zugeflossenen Sonderklassehonoraren, soweit diese mit Patienten der Wiener Wahlarztpraxis in unmittelbarem Zusammenhang stehen, überkompensiert würden. Gleiches gilt für die Aufrechterhaltung der Marktpräsenz, die bei vergleichsweise bescheidenen, im Vergleich zu Vorjahren erheblich gesunkenen Einnahmen in Höhe von 2011 € 4.220,60 bzw. 2012 € 4.171,26 bei einer einmal wöchentlich betriebenen Praxis nur von untergeordneter Bedeutung sein konnte. Zudem wurde, wie aus den Fahrtkosten laut vorläufigen Einnahmen-/Ausgabenrechnungen ersichtlich, die Präsenz in der Wahlarztpraxis zumindest seit dem Jahr 2019 (also vor Beginn der Corona-Pandemie) stark eingeschränkt (lt. Darstellung des Bf. ab 2019 monatliche Präsenz, Kilometergeld wurde für jährlich 10 Fahrten nach Wien berechnet).

Mangels nachgewiesener oder glaubhaft gemachter Eignung der Aufrechterhaltung der Wahlarztordination zum Zweck der Erhöhung der Gesamtrentabilität bzw. Aufrechterhaltung der Marktpräsenz erfolgte eine Prüfung nach den Vorgaben des § 1 Abs. 1 LVO.

Voraussetzung für eine ertragsteuerlich anzunehmende Einkunftsquelle ist eine nachvollziehbar darzulegende Absicht der Gesamtgewinnerzielung anhand objektiver Umstände gemäß den in § 2 Abs. 1 LVO benannten Kriterien.

Die Ap. ist davon ausgegangen, dass bei dem Betrieb der Ordination in Wien mit dem Wegzug des Bf. nach L und damit verbunden der geringeren Präsenz vor Ort, bei sich gleichzeitig erhöhenden Fixkosten (Fahrtkosten) die von den Einnahmen nicht abgedeckt wurden, Liebhaberei vorlag.

Bei Beurteilung der Ertragsfähigkeit ist die Abgrenzung der Einkunftsquellen von "Liebhabereien" oft nicht ohne Einschätzung und Beurteilung künftiger Entwicklungen möglich ().
Die Judikatur geht bei einer Prognose vom Erfordernis einer Prognostizierung künftiger Entwicklungen aus: Der Umstand, dass eine Abgrenzung zwischen Einkunftsquelle und Liebhaberei "häufig nicht ohne Einschätzung und Beurteilung künftiger Entwicklungen und Bewertung der sich daraus ergebenden Aussichten möglich ist, bedarf keiner näheren Erklärung" (, 1995, 402).
Der gegenständlichen Entscheidung wurden mangels vorliegender Prognoserechnungen neben den Beschwerdejahren die tatsächlich erzielten Einkünfte der Jahre 2013 bis 2018 sowie die vorläufigen Ergebnisse der Jahre 2019 bis 2021 zu Grunde gelegt. Die Darstellung des Bf. im Schreiben vom , wonach die Umsätze im Jahr 2022 über € 5.000,- liegen und jedenfalls ein Gewinn erzielt wird, geht über die Behauptungsebene nicht hinaus und blieb unberücksichtigt.

Bei der Gesamtgewinnerzielungsabsicht iSd § 2 Abs 1 LVO kommt es nicht auf die Wunschvorstellungen des Steuerpflichtigen an, die Gewinnzone zu erreichen, sondern auf ein Streben, auf das anhand objektiver Umstände geschlossen werden kann (vgl. das Erkenntnis vom , 2006/13/0124, VwSlg 8387/F).

Festzustellen ist, dass die Wiener Ordination seit der Tätigkeit des Bf. als Primar in L (mit Ende 2010) durch stark gesunkene Einnahmen gekennzeichnet ist und durchgehend Verluste erwirtschaftete.
Problematisch war die Ermittlung der genauen Höhe der Verluste weil, wie die Ap. in ihrem Bericht dargelegt hat, die Einkünfte der Sonderklassehonorare die dem Bf. als Primararzt in L zustanden, gemeinsam mit jenen der Ordination in der V erfasst wurden.
Eine Trennung durch die Ap. führte zu dem Ergebnis, dass die angefallenen Kilometergelder, die neben den bereits bestehenden Fixkosten infolge Wohnsitzwechsel anfielen, in den Einnahmen keine Deckung fanden.
Das BFG ist dieser Vorgangsweise für die Folgejahre (ab 2013 bis 2018) gefolgt, wobei sogar für den Fall, dass man den Einnahmen die angefallenen Kosten für Ordinationsmiete bzw. vom BFG vorsichtig geschätzten 80% der geltend gemachten Fahrtkosten (für Fahrten nach Wien) gegenüberstellt, dies zu jährlichen Verlusten i.H.v. rd. € 6.000,- bis € 9.000,- geführt hat.
Die kumulierten Verluste für die Jahre 2011 bis 2018 betrugen solcherart rund € 64.000,- (Anmerkung: lt. Darstellung des Bf. betrugen die Verluste bei vollem Ansatz der Kilometergelder für diesen Zeitraum € 80.961,46).
Verantwortlich dafür war, wie schon von der Ap. festgestellt, die räumliche Distanz zum Dienstort des Bf., die zu einer lediglich wöchentlichen Präsenz in der Wahlarztpraxis, verbunden mit entsprechend geringeren Einnahmen führte und andererseits die damit verbundenen, im Praxisbetrieb anfallenden Fixkosten (insbesondere hohe Fahrtkosten), die, selbst wenn man von einem marktgerechtes Verhalten des Bf. in Bezug auf die angebotenen Leistungen sowie in Hinblick auf die Preisgestaltung ausgeht, keine Gewinne zuließen.

Der VwGH hat in seiner Entscheidung vom , 90/14/0025 erwogen, dass bei der Beurteilung, ob eine Tätigkeit einer bestimmten Einkunftsart zuzuordnen oder als Liebhaberei zu qualifizieren ist, auf jene Umstände zurückgegriffen werden kann, die schon bei einem kurzen Beobachtungszeitraum für eine Liebhaberei sprechen (zB Umsätze decken nicht einmal die Afa, Fixkosten sind höher als die Einnahmen usw.).

Ein Fahrtenbuch wurde nicht geführt. Den, dem BFG vorgelegten vorläufigen Einnahmen-/Ausgabenrechnungen der Jahre 2019 bis 2021 sind Fahrtkosten i.H.v. jeweils € 2.385,- (für 10 Fahrten) zu entnehmen, was einerseits eine erhebliche Reduktion der bis 2018 angefallenen Fahrtkosten i.H.v. jeweils über € 11.000,- darstellt, andererseits aber bedeutet, dass der Bf. seine Praxis in Wien nicht mehr wöchentlich, sondern in weit geringerem Umfang aufgesucht und betrieben hat.

Zu Art und Ausmaß der Bemühungen zur Verbesserung der Ertragslage durch strukturverbessernde Maßnahmen hat der Bf. im Schreiben vom ausgeführt, dass die Ordination von einer fixen Miete auf eine ,patientenbezogene' Miete umgestellt wurde. Ab wann diese Umstellung erfolgt ist, ist dem Schreiben nicht zu entnehmen. Da Mietkosten im Zeitraum 2011 bis 2018 i.H.v. rd. € 1.700,- bis € 2.400,- anfielen und auch für die Folgejahre bis 2021 Mietzahlungen in dieser Höhe ausgewiesen wurden, kann die Umstellung, so sie zu Mietreduktionen geführt haben sollte, erst in Folgejahren wirksam geworden sein.

Substantielle Bemühungen zur Verbesserung der Ertragslage sind für das BFG nicht erkennbar.

Zu den weiteren, vom Bf. vorgebrachten Argumenten ist auszuführen:
- Der Bf. erläutert mehrfach, dass er die Ordination in Wien aufrecht erhält, da er beabsichtigt, nach seiner Tätigkeit inLu wieder nach Wien zurückzukehren und die Arbeit in seiner Wahlarztpraxis zu intensivieren.
Dazu hat er ein Bewerbungsschreiben vorgelegt, demzufolge er sich im Jahr 2018 als Leiter derC des Sanatoriums Y beworben hat.
Nach seinen Darstellungen in der Eingabe vom wurde bis dato keine weitere Stelle in Wien frei und eine weitere Bewerbung damit unmöglich.
Wann es zu einer erneuten Ausschreibung einer Wiener Krankenanstalt (Primararzt,Cg) kommen wird, ist ebenso fraglich wie die Frage, ob der Bf. bei Vergabe dieser Stelle berücksichtigt würde.
Angesichts dessen kommt dem Argument des Bf., wonach sich die Einkünfte der Wahlarztpraxis im Fall des Umzuges zu stark erhöhen und die seit 2011 aufgelaufenen Verluste binnen ein bis zwei Jahren kompensiert würden, sowie angesichts der Tatsache, dass er seit Dezember 2018 eine weitere Kassenarztpraxis in M,X (gegenständlich im Umfang von 20 Stunden) betreibt und seiner Präsenz in der Wiener Ordination daher verringerte, geringe Glaubwürdigkeit zu.
- Die Darstellung des Bf. in der Beschwerde, wonach eine Stilllegung der Praxis und ein allfälliger Neustart in derDt nach Verlust der jetzigen Arbeitsstelle mit höheren Kosten sowie einem Verlust des Kassenvertrages verbunden wäre ist nicht nachvollziehbar, nachdem es sich in Wien um eine Wahlarztpraxis handelt, der Bf. seit über einen Kassenvertrag verfügt und diese Ordination (wenn auch eingeschränkt) betreibt. Dass ein allfälliger Verlust seiner Arbeitsstelle inLu mit einem Verlust seines Kassenvertrages einhergehen würde, ist nicht glaubhaft.
- Die vom Bf. dargestellte Dringlichkeit (vgl. Beschwerde aus 4/2015 bzw. Vorlageantrag aus 6/2019) zur Verlegung des Lebensmittelpunktes nach Wien infolge der privaten Situation ist angesichts der mittlerweile verstrichenen Zeit nicht zu erkennen. Die Aufgabe der Tätigkeit im SpitalLu könnte auch ohne Freiwerden einer Primararztdienststelle in Wien erfolgen und wurde solcherart nicht konsequent betrieben, vielmehr wurde im Gegensatz zu den Darstellungen eine Kassenpraxis (2018) in Oberösterreich übernommen.

Zusammenfassend ergibt sich daraus für das BFG, dass sich der Betrieb der Wahlarztpraxis des Bf. in Wien als Liebhaberei gemäß § 1 Abs. 1 LVO darstellt.

Für den Fall, dass der Bf. seinen Wohnsitz nach Wien (zurück-)verlegt (als strukturverbessernde Maßnahme iSd § 2 Abs 1 Z 6 LVO kann sich laut Erkenntnis des VwGH (, Zl. 92/14/0044) u.a. auch eine Änderung des Standortes darstellen), läge eine geänderte Bewirtschaftung der als wirtschaftliche Einheit zu betrachtenden Wahlarztpraxis vor.
Dies mit der Konsequenz, dass für den Fall, dass die Tätigkeit in einer Form betrieben wird, die objektiv geeignet ist, einen Gesamtgewinn zu erzielen, als (neuerlicher) Beginn einer Betätigung einzustufen ist und damit ein neuer Anlaufzeitraum zu laufen beginnt.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das gegenständliche Erkenntnis ergeht in Anwendung der oben benannten Rechtsprechung des VwGH, weshalb eine Revision als nicht zulässig zu beurteilen ist.

Wien, am

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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7100221.2020

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