Pfändungsbescheid; qualifizierte Mahnung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch ***RA***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Beschwerde vom
I. gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Pfändung einer Geldforderung, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Der Gesamtbetrag der im angefochtenen Bescheid angeführten Abgabenschuldigkeiten wird von € 15.051,25 auf € 4.221,56 (Abgabe einschließlich Nebengebühren in Höhe von € 4.066,30 und Pfändungsgebühren samt Barauslagen in Höhe von € 155,26) eingeschränkt.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
II. gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Verfügungsverbot beschlossen:
Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Am wurde wegen vollstreckbarer Abgabenschuldigkeiten der Beschwerdeführerin (in weiterer Folge Bf.) iHv € 14.754,09 ein Rückstandsausweis ausgefertigt.
Am wurde die Bf. unter Verweis auf das Sanierungsverfahren ***Zahl*** aufgefordert, unter Hinweis auf die Verzugsfolgen von § 156a Insolvenzordnung innerhalb einer Nachfrist von 14 Tagen nach Zustellung der Mahnung den Quotenbetrag für die ESt 2017 iHv € 2.875,56 zur Einzahlung zu bringen.
Am fertigte das Finanzamt wegen vollstreckbaren Abgabenschuldigkeiten der Bf. einen Rückstandasuweis iHv € 14.895,99 aus.
Mit Bescheid vom pfändete das Finanzamt angebliche Forderungen der Bf. gegen die ***B*** im Ausmaß von € 15.051,25 (Abgabenschulden einschließlich Nebengebühren iHv € 14.895,99 und Gebühren und Barauslagen für die Pfändung iHv € 155,26).
Gleichzeitig erließ das Finanzamt ein Verfügungsverbot an die Bf.
Gegen die Bescheide brachte die Bf. am Beschwerden ein und begründete diese im Wesentlichen damit, dass sie fristgerecht am ein Ratenansuchen eingebracht habe. Sie habe sich darauf verlassen, vor Fälligstellung der Abgabennachforderung (bzw. Eintritt des § 156a IO) zumindest eine Abweisung ihres Ratenansuchens zu erhalten. Im Falle einer Ablehnung des Ratenansuchens hätte die Bf. - wenn auch fremdfinanziert - die Forderung in Höhe von EUR 4.063,81 begleichen können und wäre somit der wesentliche gravierenderen Fälligstellung der EUR 15.051,25 entgangen. Ratenansuchen unterlägen der Entscheidungspflicht der Abgabenbehörde nach § 85a BAO.
Am ersuchte das Finanzamt die Bf. einen Nachweis über das eingebrachte Ratenansuchen vom zu erbringen.
Mit Schreiben vom legte die Bf. dar, dass sie das Ratenansuchen am in der Postfiliale 3542 Gföhl, Lagerhaus mit "normalen" Brief eingeworfen/abgegeben habe. Sie habe das Ratenansuchen nicht via Einschreiben an das Finanzamt versendet, daher gebe es keinen Aufgabeschein für den Posteinwurf. Im Übrigen sei es auch völlig unüblich, dass natürliche Personen mit dem Finanzamt "per Eischreiben" kommunizieren. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass es äußerst unwahrscheinlich sein, dass eine Zustellung mit "normalen" Brief unterbleibe.
Als Nachweis für die fristgerechte Postaufgabe legte die Bf. eidesstattliche Erklärungen von sich und ihrem im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehemann bei.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde gegen den Pfändungsbescheid als unbegründet ab und die Beschwerde gegen den Bescheid über das Verfügungsverbot als unzulässig zurück. Begründend führte es im Wesentlichen aus, dass nach der Judikatur der Absender die Beweislast für das Einlangen eines Schriftstückes bei der Behörde treffe. Der Beweis der Postaufgabe reiche hierfür nicht aus.
Darüber hinaus seien die vom Pfändungsbescheid erfassten Abgaben (ESt 2017, Anspruchszinsen und Säumniszuschlag) bereits am (Tag der Ausstellung eines diesbezüglichen Rückstandsausweises) fällig und vollstreckbar gewesen, sodass im Zeitpunkt der angeblichen Postaufgabe des Ratenansuchens die zwingende Vollstreckungshemmungswirkung mangels Anwendbarkeit des § 230 Abs. 3 BAO nicht gegeben war.
Da das strittige Ratenansuchen beim Finanzamt nicht eingelangt sei, hätte auch die Kann-Bestimmung des § 230 Abs. 4 BAO nicht zur Anwendung gelangen können.
Da am ein vollstreckbarer Abgabenrückstand am Abgabenkonto der Bf. bestanden habe, für dessen Einbringung keine Hemmungswirkung gegeben war, erweise sich die Beschwerde gegen den Pfändungsbescheid als unbegründet.
Betreffend Verfügungsverbot führte das Finanzamt aus, dass gemäß § 77 Abs. 1 Z 1 BAO (gemeint wohl AbgEO) ein Rechtsmittel gegen Bescheide, welche dem Abgabenschuldner nach der Pfändung die Verfügung über das gepfändete Recht und das für die gepfändete Forderung bestellte Pfand untersagen.
Am brachte die Bf. einen Vorlageantrag ein und brachte ergänzend zur Beschwerde vor, dass es richtig sei, dass die Gefahr für das Einlangen von Schriftstücken nach der Judikatur des VwGH grundsätzlich denjenigen treffe, der sie versendet. Die Bf. habe allerdings früher, als sie noch selbständig tätig war, laufend mit dem Finanzamt kommunizieren müssen und habe dies immer mit "normalen Brief" getan. Bisher habe dies noch nie zu (Zustell)Problemen geführt.
Vielmehr sei sie gar nicht auf die Idee gekommen sich eines "Einschreibens" zu bedienen, versende das Finanzamt ihre Schreiben doch auch nur mit "normalen Brief" und setzte bei Fristenablauf umgehend Maßnahmen losgelöst davon, ob das versendet Schreiben überhaupt ordnungsgemäß zugestellt wurde.
In der am durchgeführten mündlichen Verhandlung brachte der Vertreter der Bf. im Wesentlichen ergänzend vor, dass die Mahnung vom nicht gesetzeskonform ergangen sei, weil das quotenmäßige Wiederaufleben der gesamten Forderung nicht explizit angedroht worden sei, sondern nur ein allgemeiner Verweis auf § 156a IO. Insofern hätte nur der Quotenbetrag der Pfändung zugrunde gelegt werden dürfen.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Über die Bf. wurde im Dezember 2017 das Sanierungsverfahren eröffnet, welches mit einer Sanierungsplanquote von 22% aufgehoben wurde.
Am wurde der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2017 mit einer Abgabenforderung von € 14.754,09 erlassen.
Am wurde wegen vollstreckbarer Abgabenschuldigkeiten der Bf. iHv € 14.754,09 (Einkommensteuer 2017 iHv € 14.190,16, Anspruchszinsen iHv € 280,13 und Säumniszuschlag iHv € 283,80) ein Rückstandsausweis ausgefertigt.
Am wurde die Bf. unter Verweis auf das Sanierungsverfahren ***Zahl*** aufgefordert, innerhalb einer Nachfrist von 14 Tagen nach Zustellung der Mahnung den Quotenbetrag für die ESt 2017 iHv € 2.875,56 zur Einzahlung zu bringen.
Die Mahnung hatte folgenden Wortlaut:
"Aufgrund des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2017 vom ergibt sich eine Abgabennachforderung in Höhe von EUR 14.259,00.
Da am ***Datum 1*** ein Sanierungsverfahren eröffnet wurde, ist diese Nachforderung aufgrund der insolvenzrechtlichen Bestimmungen in Konkurs- und Masseforderungen aufzuteilen.
Berechnung
EUR 14.259,00 : 12 x 11 = Konkursforderung EUR 13.070,75
EUR 14.259,00 : 12 x 1 = Masseforderung EUR 1.188,25
Die Konkursforderung ist nur in der Höhe der Sanierungsplanquote von 22% zu entrichten:
EUR 13.070,75 x 22% = EUR 2.875,56
Dieser Betrag war bereits am fällig. Unter Hinweis auf die Verzugsfolgen von §§ 156a Insolvenzordnung werden Sie aufgefordert, die noch aushaftende und bereits fällige
Quote in Höhe von 2.875,56 Euro
innerhalb einer Nachfrist von 14 Tagen nach Zustellung dieser Mahnung zur Einzahlung zu bringen."
Die Bf. zahlte den Quotenbetrag nicht ein.
Am wurde ein weiterer Rückstandsausweis wegen vollstreckbarer Abgabenschuldigkeiten der Bf. iHv € 14.895,99 ausgefertigt (Einkommensteuer 2017 iHv € 14.190,16, Anspruchszinsen iHv € 280,13, Säumniszuschlag 1 iHv € 283,80 und Säumniszuschlag 2 iHv € 141,90).
Mit Bescheid vom pfändete das Finanzamt angebliche Forderungen der Bf. gegen die Arbeitgeberin ***B*** im Ausmaß von € 15.051,25 (Abgabenschulden einschließlich Nebengebühren iHv € 14.895,99 und Gebühren und Barauslagen iHv € 155,26).
Ebenfalls am erging an die Bf. ein Bescheid, mit dem ihr gemäß § 65 Abs. 1 AbgEO jede Verfügung über die gepfändete Forderungen sowie die Einziehung der Forderungen untersagt wurde (Verfügungsverbot).
Das Einlangen des Ratenansuchens der Bf. vom beim Finanzamt vor Erlassung des Pfändungsbescheides konnte nicht festgestellt werden.
2. Beweiswürdigung
Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf die im vorgelegten Verwaltungsakt enthaltenen Rückstandsausweise, Mahnschreiben vom und Pfändungsbescheid vom und sind insoweit unstrittig.
Die Feststellung, dass der Quotenbetrag nicht einbezahlt wurde, gründet sich aus dem Verwaltungsakt und dem Vorbringen der Bf. und ist unstrittig.
Die Bf. brachte vor, dass sie am ein Ratenansuchen, die Sanierungsquote iHv € 2.875,56 und die Masseforderung iHv € 1.188,25 (gesamt € 4.063,81) auf 12 Raten zu begleichen, konzipiert und dieses bei der ***Poststelle*** mit "normalen" Brief eingeworfen/aufgegeben habe. Als Beweis legte sie eidesstattliche Erklärungen von sich und ihrem Ehemann vor.
Das Finanzamt legte dar, dass das Ratenansuchen nicht eingelangt sei.
Mit den eidesstattlichen Erklärungen der Bf. und deren Ehemann, dass sie das Ratenansuchen am gemeinsam entworfen und die Bf. dieses am bei der Post mit "normalen" Brief aufgegeben habe, kann jedoch nicht nachgewiesen werden, dass das Ratenansuchen beim Finanzamt einlangte.
3. Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I.: Beschwerde gegen Bescheid betreffend Pfändung einer Geldforderung:
Gemäß § 229 BAO ist als Grundlage für die Erhebung über die vollstreckbar gewordenen Abgabenschuldigkeiten ein Rückstandsausweis elektronisch oder in Papierform auszustellen. Dieser hat Namen und Anschrift des Abgabepflichtigen, den Betrag der Abgabenschuld, zergliedert nach Abgabenschuldigkeiten, und den Vermerk zu enthalten, dass die Abgabenschuld vollstreckbar geworden ist (Vollstreckbarkeitsklausel). Der Rückstandsausweis ist Exekutionstitel für das finanzbehördliche und gerichtliche Vollstreckungsverfahren.
Gemäß § 4 AbgEO kommen die über Abgaben ausgestellten Rückstandsausweise als Exekutionstitel für die Vollstreckung von Abgabenansprüchen in Betracht.
§ 65 AbgEO lautet:
"(1) Die Vollstreckung auf Geldforderungen des Abgabenschuldners erfolgt mittels Pfändung derselben. Im Pfändungsbescheid sind die Höhe der Abgabenschuld und der Gebühren und Auslagenersätze (§ 26) anzugeben. Sofern nicht die Bestimmung des § 67 zur Anwendung kommt, geschieht die Pfändung dadurch, daß die Abgabenbehörde dem Drittschuldner verbietet, an den Abgabenschuldner zu bezahlen. Zugleich ist dem Abgabenschuldner selbst jede Verfügung über seine Forderung sowie über das für dieselbe etwa bestellte Pfand und insbesondere die Einziehung der Forderung zu untersagen. Ihm ist aufzutragen, bei beschränkt pfändbaren Geldforderungen unverzüglich dem Drittschuldner allfällige Unterhaltspflichten und das Einkommen der Unterhaltsberechtigten bekanntzugeben.
(2) Sowohl dem Drittschuldner wie dem Abgabenschuldner ist hiebei mitzuteilen, daß die Republik Österreich an der betreffenden Forderung ein Pfandrecht erworben hat. Das Zahlungsverbot ist mit Zustellnachweis zuzustellen, wobei die Zustellung an einen Ersatzempfänger zulässig ist.
(3) Die Pfändung ist mit Zustellung des Zahlungsverbotes an den Drittschuldner als bewirkt anzusehen.
(4) Der Drittschuldner kann das Zahlungsverbot anfechten oder bei der Abgabenbehörde die Unzulässigkeit der Vollstreckung nach den darüber bestehenden Vorschriften geltend machen.
(5) Ein für die gepfändete Forderung bestelltes Handpfand kann in Verwahrung genommen werden."
§ 230 BAO lautet:
" (1) Wenn eine vollstreckbar gewordene Abgabenschuldigkeit gemäß § 227 eingemahnt werden muß, dürfen Einbringungsmaßnahmen erst nach ungenütztem Ablauf der Mahnfrist eingeleitet werden. Ferner dürfen, wenn die Abgabenbehörde eine Abgabenschuldigkeit einmahnt, ohne daß dies erforderlich gewesen wäre, innerhalb der Mahnfrist Einbringungsmaßnahmen weder eingeleitet noch fortgesetzt werden.
(2) Während einer gesetzlich zustehenden oder durch Bescheid zuerkannten Zahlungsfrist dürfen Einbringungsmaßnahmen nicht eingeleitet oder fortgesetzt werden.
(3) Wurde ein Ansuchen um Zahlungserleichterungen (§ 212 Abs. 1) vor dem Ablauf der für die Entrichtung einer Abgabe zur Verfügung stehenden Frist oder während der Dauer eines diese Abgabe betreffenden Zahlungsaufschubes im Sinn des § 212 Abs. 2 zweiter Satz eingebracht, so dürfen Einbringungsmaßnahmen bis zur Erledigung des Ansuchens nicht eingeleitet werden; dies gilt nicht, wenn es sich bei der Zahlungsfrist um eine Nachfrist gemäß § 212 Abs. 3 erster oder zweiter Satz handelt.
(4) Wurde ein Ansuchen um Zahlungserleichterungen nach dem im Abs. 3 bezeichneten Zeitpunkt eingebracht, so kann die Abgabenbehörde dem Ansuchen aufschiebende Wirkung hinsichtlich der Maßnahmen zur Einbringung zuerkennen; das gleiche gilt für einen Antrag gemäß § 214 Abs. 5.
(5) Wurden Zahlungserleichterungen bewilligt, so dürfen Einbringungsmaßnahmen während der Dauer des Zahlungsaufschubes weder eingeleitet noch fortgesetzt werden. Erlischt eine bewilligte Zahlungserleichterung infolge Nichteinhaltung eines Zahlungstermines oder infolge Nichterfüllung einer in den Bewilligungsbescheid aufgenommenen Bedingung (Terminverlust), so sind Einbringungsmaßnahmen hinsichtlich der gesamten vom Terminverlust betroffenen Abgabenschuld zulässig. Ist ein Terminverlust auf andere Gründe als die Nichteinhaltung eines in der Bewilligung von Zahlungserleichterungen vorgesehenen Zahlungstermines zurückzuführen, so darf ein Rückstandsausweis frühestens zwei Wochen nach Verständigung des Abgabepflichtigen vom Eintritt des Terminverlustes ausgestellt werden.
(6) Wurde ein Antrag auf Aussetzung der Einhebung gestellt, so dürfen Einbringungsmaßnahmen hinsichtlich der davon nach Maßgabe des § 212 a Abs. 1, 2 lit. b, 2a und 3 letzter Satz betroffenen Abgaben bis zu seiner Erledigung weder eingeleitet noch fortgesetzt werden.
(7) Kommen während der Zeit, in der gemäß Abs. 1 bis 6 Einbringungsmaßnahmen nicht eingeleitet oder fortgesetzt werden dürfen Umstände hervor die die Einbringung einer Abgabe gefährden oder zu erschweren drohen, so dürfen Einbringungsmaßnahmen durchgeführt werden, wenn spätestens bei Vornahme der Vollstreckungshandlung ein Bescheid zugestellt wird, der die Gründe der Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung anzugeben hat (Vollstreckungsbescheid). Mit der Zustellung dieses Bescheides treten bewilligte Zahlungserleichterungen außer Kraft."
§ 156a IO lautet:
" (1) Der Nachlass und die sonstigen Begünstigungen, die der Sanierungsplan gewährt, werden für diejenigen Gläubiger hinfällig, gegenüber welchen der Schuldner mit der Erfüllung des Sanierungsplans in Verzug gerät.
(2) Ein solcher Verzug ist erst anzunehmen, wenn der Schuldner eine fällige Verbindlichkeit trotz einer vom Gläubiger unter Einräumung einer mindestens vierzehntägigen Nachfrist an ihn gerichteten schriftlichen Mahnung nicht gezahlt hat. Ist der Schuldner eine natürliche Person, die kein Unternehmen betreibt, und ist die Sanierungsplanquote in Raten zu zahlen, deren Laufzeit ein Jahr übersteigt, so ist ein Verzug erst dann anzunehmen, wenn er eine seit mindestens sechs Wochen fällige Verbindlichkeit trotz einer vom Gläubiger unter Einräumung einer mindestens vierzehntägigen Nachfrist an ihn gerichteten schriftlichen Mahnung nicht gezahlt hat.
(3) Die Wirkung des Wiederauflebens erstreckt sich nicht auf Forderungen, die zur Zeit der eingetretenen Säumnis mit dem im Sanierungsplan festgesetzten Betrag voll befriedigt waren; andere Forderungen sind mit dem Bruchteile als getilgt anzusehen, der dem Verhältnis des bezahlten Betrags zu dem nach dem Sanierungsplan zu zahlenden Betrag entspricht. Die Rechte, die der Sanierungsplan den Gläubigern gegenüber dem Schuldner oder dritten Personen einräumt, bleiben unberührt.
(4) Im Sanierungsplan kann von Abs. 1 bis 3 nicht zum Nachteil des Schuldners abgewichen werden, von Abs. 3 erster Satz kann jedoch abgewichen werden, wenn in den letzten fünf Jahren vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Sanierungsplan abgeschlossen worden ist."
Ein Rückstandsausweis, der mit einer Vollstreckbarkeitsklausel versehen ist, ist Exekutionstitel und damit zwingende Voraussetzung im Einbringungsverfahren. Grundsätzlich ist Gegenstand des Beschwerdeverfahrens gegen einen Pfändungsbescheid gemäß § 65 AbgEO die Frage, ob ein Exekutionstitel (Rückstandsausweis) vorliegt (vgl. Liebeg, AbgEO2, § 65 Tz 28 mit Hinweis auf ).
Im gegenständlichen Fall wurden vom Finanzamt am und am ein Rückstandsausweis ausgefertigt, welche dem Pfändungsbescheid vom zugrunde liegen.
In der mündlichen Verhandlung legte der Vertreter der Bf. einen Auszug aus dem Kommentar von Koller/Lovrek/Spitzer, IO-Insolvenzordnung zu § 156 a IO und Pfandl/Schmidt, Insolvenzrecht für die Praxis vor und führte aus, dass die Mahnung vom nicht gesetzeskonform ergangen sei, weil das quotenmäßige Wiederaufleben der gesamten Forderung nicht explizit angedroht worden sei, sondern nur ein allgemeiner Verweis auf § 156a IO. Insofern hätte nur der Quotenbetrag der Pfändung zugrunde gelegt werden dürfen. Eine qualifizierte Mahnung sei unabdingbare Voraussetzung für den Eintritt der Säumnisfolgen und liege eine solche eben nicht vor. Die Rückstandsausweise seien daher als unrichtig zu erachten, da diese den Gesamtbetrag enthielten.
Der Vertreter des Finanzamtes hielt entgegen, dass zum einem in der Mahnung explizit auf die Verzugsfolgen von § 156a IO hingewiesen worden sei und sich aus den gesetzlichen Bestimmungen eindeutig die Rechtsfolgen sich ergäben. Damit werde den Rechtsmeinungen der vorgelegten Kommentare entsprochen. Zum anderen sei die Folge der Nichteinhaltung der Nachfrist im Gesetz enthalten und sei ein Verweis auf die gesetzlichen Bestimmungen für das Eintreten der Verzugsfolgen nicht notwendig. Selbst wenn den Ausführungen der Bf. gefolgt werden würde, sei der Rückstandsausweis aus dem November 2021 richtig ergangen, da zu diesem Zeitpunkt die Wirkungen der Abgabenfestsetzung (Einkommensteuerbescheid 2017) gegeben waren.
Nach der Rechtsprechung des OGH (vgl. ) hat die qualifizierte Mahnung nach § 156 Abs. 4 KO (nunmehr § 156a IO) den Zweck, den Schuldner darauf aufmerksam zu machen, dass er die ihm für die Begleichung der Ausgleichsrate offenstehende Zahlungsfrist nicht eingehalten hat. Ihm sollen die schwerwiegenden Folgen des Wiederauflebens der Forderung klar und unmissverständlich vor Augen geführt und ihm durch Setzung einer Nachfrist letztmalige Chance zur Erfüllung des Zahlungsplanes eingeräumt werden.
Auch der Verwaltungsgerichtshof (vgl. , ) verweist auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes und hält fest, dass die qualifizierte Mahnung den Zweck hat, den Schuldner eindringlich auf die Folgen seines Verzuges hinzuweisen.
Im konkreten Fall wurde in der Mahnung vom lediglich auf die Norm des § 156a IO verwiesen - nicht einmal der Gesetzeswortlaut wurde angeführt. Dies ist nicht geeignet, dem Schuldner eindringlich auf die Folgen des Verzuges, nämlich das Wiederaufleben der Forderung, hinzuweisen und ihm diese klar und unmissverständlich vor Augen zu führen.
Es war daher insoweit dem Vorbringen der Bf. zu folgen, als die gesamte Forderung mangels einer wirksamen Mahnung nicht wiederaufgelebt ist. Somit war die Differenz zur Quote iHv € 10.829,69 (€ 13.705,25 - € 2.875,56) aus dem Pfändungsbetrag auszuscheiden.
Weiters ist strittig, ob rechtzeitig ein Ratenansuchen betreffend Quotenbetrag und Masseforderung eingebracht wurde und in weiterer Folge der Pfändungbescheid aufgrund Vorliegens einer Einbringungshemmung nicht ergehen hätte dürfen.
In der Beschwerde wird vorgebracht, dass die Bf. rechtzeitig am ein Ratenansuchen eingebracht habe. Weiters bringt die Bf. vor, dass sie früher laufend mit dem Finanzamt kommunizieren musste und dies immer mit "normalen Brief" getan habe. Dies habe bisher noch nie zu (Zustell)Problemen geführt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfolgt die Beförderung einer Sendung durch die Post auf Gefahr des Absenders und trifft diesen die Beweislast für das Einlangen des Schriftstückes bei der Behörde. Auch die Erfahrung, dass üblicherweise der Post übergebene, nicht bescheinigte Briefsendungen den Adressaten erreichen, ersetzt den Beweis des Einlangens nicht (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 108 Tz 10 mit Judikaturnachweisen).
Da die Bf. das Einlangen des Ratenansuchens nicht beweisen und dieses nicht festgestellt werden konnte, war im Zeitpunkt der Erlassung des Pfändungsbescheides am die Einbringung der Abgaben nicht gehemmt.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und der Pfändungsbetrag auf € 4.221,56 einzuschränken (€ 15.051,25 (Abgabenschulden einschließlich Nebengebühren iHv € 14.895,99 und Gebühren und Barauslagen iHv € 155,26) abzüglich der Differenz zur Quote von € 10.829,69 (13.705,25-2.875,56) = € 4.221,56 (Abgabenschulden einschließlich Nebengebühren und Barauslagen iHv € 4.066,30 und Gebühren und Barauslagen iHv € 155,26).
Zu Spruchpunkt II.: Beschwerde gegen Bescheid betreffend Verfügungsverbot
Ein Rechtsmittel gegen Bescheide, welche dem Abgabenschuldner nach der Pfändung die Verfügung über das gepfändete Recht und das für die gepfändete Forderung bestellte Pfand untersagen (§ 65 Abs. 1 und 5), ist gemäß § 77 Abs. 1 Z 1 AbgEO unstatthaft.
Die Beschwerde gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Verfügungsverbot war daher zurückzuweisen.
Zulässigkeit der Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
I. Das Erkenntnis folgt der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Eine Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, liegt somit nicht vor und ist die Revision nicht zulässig.
II. Die Rechtsfolge der Zurückweisung der Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Verfügungsverbot ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Die Revision war daher nicht zuzulassen.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 65 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949 § 156a IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914 § 77 Abs. 1 Z 1 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7102281.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at