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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 01.03.2023, RV/3300001/2023

Notwendigkeit der Bezeichnung der Behörde „als Finanzstrafbehörde“

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2023/16/0010. Mit Erk. v. wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben.

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/3300001/2023-RS1
Erlässt das Amt für Betrugsbekämpfung im Finanzstrafverfahren eine Entscheidung, ohne der Behördenbezeichnung „als Finanzstrafbehörde“ anzufügen, so ist diese Entscheidung von einer unzuständigen Behörde erlassen und daher aufzuheben.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. David Hell LL.B. LL.M. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch RA Univ.-Doz. Dr. Thomas Erwin Walzel-Wiesentreu, Museumstraße 28/IV, 6020 Innsbruck, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Amtes für Betrugsbekämpfung vom über die teilweise Verweigerung einer Akteneinsicht zu Recht erkannt:

I. Der angefochtene Bescheid wird wegen Unzuständigkeit der Behörde aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

1. Verfahrensgang / Sachverhalt

Mit Schriftsatz vom beantragte die Beschwerdeführerin (Bf.) Akteneinsicht in den Strafakt ***GZ***. Das bezughabende Strafverfahren ist bereits rechtskräftig abgeschlossen.

Mit Bescheid vom wurde der Antrag teilweise hinsichtlich näher bezeichneter Dokumente abgewiesen. Im Kopf dieses Bescheides ist die bescheiderlassende Behörde wie folgt bezeichnet:

Amt für Betrugsbekämpfung
Bereich Finanzstrafsachen
Standort: Reichsstraße 154
6800 Feldkirch

Weder im Kopf, noch im Spruch des Bescheides wird die bescheiderlassende Behörde als Finanzstrafbehörde bezeichnet. Das Wort "Finanzstrafbehörde" wird im angefochtenen Bescheid nur in der Begründung, und zwar ausschließlich im Rahmen der Wiedergabe der Rechtslage (§ 79 Abs. 1 FinStrG) verwendet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die rechtzeitige und näher begründete Beschwerde der Bf. vom , die am unter Anschluss des Aktes sowie des Vorlageberichtes dem Bundesfinanzgericht vorgelegt wurde.

Im mit dem Vorlagebericht übermittelten Anschreiben sowie im Kopf des Vorlageberichtes wird die vorlegende Behörde wie folgt bezeichnet:

Amt für Betrugsbekämpfung
Amt für Betrugsbekämpfung - Bereich Finanzstrafsachen
Standort Feldkirch (FA37)
als Finanzstrafbehörde
1000 Wien, Postfach 252

Im Feld "Belangte Behörde" des Vorlageberichtes wird die Behörde wie folgt bezeichnet:

Amt für Betrugsbekämpfung
Amt für Betrugsbekämpfung - Bereich Finanzstrafsachen
Standort Feldkirch (FA37)
1000 Wien, Postfach 252

(Die jeweilige Wiederholung der Wortfolge "Amt für Betrugsbekämpfung" ist kein Schreibfehler des Gerichts)

Elektronisch signiert wurde der Vorlagebericht vom "Amt für Betrugsbekämpfung (ABB)".

2. Beweiswürdigung

Der dargestellte Verfahrensgang / Sachverhalt ergibt sich unmittelbar aus dem Inhalt der angeführten Dokumente aus dem vorgelegten Beschwerdeakt. Es liegen dem Gericht keine Beweismittel vor, die in Widerspruch zum dargestellten Sachverhalt stehen würden.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Aufhebung)

Gemäß § 58 Abs. 1 lit. b FinStrG ist "das Amt für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde" für die Durchführung des Finanzstrafverfahrens zuständig.

Gemäß § 79 Abs. 1 FinStrG hat "[d]ie Finanzstrafbehörde […] dem Beschuldigten und den Nebenbeteiligten in jeder Lage des Verfahrens und auch nach dessen Abschluß die Einsicht und Abschriftnahme der Akten oder Aktenteile zu gestatten […]".

Vor der Finanzorganisationsreform war allgemein anerkannt, dass die Gewährung der Akteneinsicht im Zusammenhang mit einem Finanzstrafverfahren nicht den Finanzämtern schlechthin, sondern den Finanzämtern als Finanzstrafbehörden oblag. § 265 Abs. 2 lit. a FinStrG zufolge trat im Zuge der Finanzorganisationsreform das "Amt für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde" an die Stelle der Finanzämter als Finanzstrafbehörden. Daraus ist nach Ansicht des Gerichts zu schließen, dass die zuständige Behörde für die Gewährung von Akteneinsicht im gegenständlichen Fall das Amt für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde ist. Aus der expliziten Anführung des Zusatzes "als Finanzstrafbehörde" in der angeführten Übergangsbestimmung schließt das Gericht, dass dieser Zusatz mit der Reform keinesfalls obsolet geworden ist.

Die Angabe des Bereichs Finanzstrafsachen ersetzt nach Ansicht des erkennenden Gerichts nicht den Hinweis auf die funktionelle Zuständigkeit "als Finanzstrafbehörde", da die Bestimmung, welche die Unterteilung in Geschäftsbereiche vorsieht (§ 2 Abs. 2 ABBG), letztlich lediglich eine organisatorische Vorschrift darstellt und die Zuordnung eines Rechtsaktes zu einem dieser Geschäftsbereiche noch nicht eindeutig zum Ausdruck bringt, dass die Behörde als Finanzstrafbehörde im Sinne des FinStrG tätig wurde, zumal die Aufzählung der Zuständigkeiten der einzelnen Geschäftsbereiche in § 3 ABBG nur demonstrativer Natur ist ("Dem Amt für Betrugsbekämpfung obliegt insbesondere […]"). Erst recht nicht anzunehmen ist folglich, dass das Amt für Betrugsbekämpfung in seiner Gesamtheit eine Finanzstrafbehörde wäre (vgl. auch Lehner, SWK 2021, 887).

Zuständig für die Gewährung der Akteneinsicht ist somit im vorliegenden Fall nicht das "Amt für Betrugsbekämpfung" schlechthin, sondern das "Amt für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde". Der angefochtene Bescheid wurde sohin von einer unzuständigen Behörde erlassen und war bereits deshalb ohne inhaltliche Prüfung aufzuheben. Gemäß § 160 Abs. 1 FinStrG konnte auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Die zuständige Behörde wird nun über den Antrag bescheidmäßig absprechen müssen, wobei es zweckmäßig sein wird, auch auf das Vorbringen in der hier gegenständlichen Beschwerde einzugehen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da - soweit für das Bundesfinanzgericht ersichtlich - Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Bedeutung des Zusatzes "als Finanzstrafbehörde" seit der Finanzorganisationsreform fehlt, war die Revision zuzulassen.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Zitiert/besprochen in
Eber in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.3300001.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at