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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.03.2023, RV/6100215/2021

Freiwillige Abfertigung gemäß § 67 Abs. 6 EStG 1988

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2023/15/0033.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Rupert Karl, Kopplerstraße 59, 5321 Koppl, gegen den von dem belangten Behörde Finanzamt Österreich zu Steuernummer ***BF1StNr1*** am ausgefertigten Bescheid betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2019 zu Recht erkannt:

I. Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 Abs. 1 BAO abgeändert. Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruchs dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Die belangte Behörde hat mit dem am ausgefertigten Bescheid die Einkommensteuer für das Jahr 2019 mit € 30.401,00 festgesetzt.

2. Die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers hat mit Schreiben vom dagegen das Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde erhoben und Folgendes vorgebracht (kursive Schreibweise im Original):

DARSTELLUNG DES SACHVERHALTES

Der dem Bescheid zugrundeliegende Sachverhalt stellt sich folgendermaßen dar:

  1. Herr ***Bf1*** ist mit März 2019 nach Österreich zugezogen und seit in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig.

  2. Herr ***Bf1*** erzielt Einkünfte aus einer deutschen Rente sowie aus einer österreichischen Pension. Daneben erhielt Herr ***Bf1*** im August 2019 eine Austrittsvergütung seines letzten Arbeitgebers, der ***GmbH1***, Berlin. Dieses Dienstverhältnis wurde mit beendet.

  3. Wie aus den dargestellten Einkünften bereits erkennbar ist. war Herr ***Bf1*** bei verschiedenen Dienstgebern in Österreich und Deutschland tätig.

  4. Unstrittig ist die Besteuerung der inländischen Pension, die Erfassung der deutschen Rente unter Progressionsvorbehalt (Besteuerungsrecht in Deutschland gem. Art 18 (2) DBA Österreich - Deutschland) sowie das österreichische Besteuerungsrecht für die Austrittsvergütung.

  5. Bei der Austrittsvergütung handelt es sich eine arbeitsvertragliche Vereinbarung, die vorsieht,dass bei Beendigung des Dienstverhältnisses eine Vergütung geleistet wird. AlsAuszahlungszeitpunkt wurde das Erreichen des 63. Lebensjahr vereinbart. Dies war dererstmögliche Zeitpunkt für einen Pensionsantritt Herrn ***Bf1***.Die Vergütung wurde in der Form gestaltet, dass je nach Betriebszugehörigkeit einzeitanteiliger Anspruch erworben wurde. Die Höhe der Leistung war also abhängig von derFirmenzugehörigkeit.

  6. Diese Austrittsvergütung wurde mit Tarif versteuert, obwohl es sich um eine freiwillige Abfertigung gem. § 67 (6) EStG handelt und diese begünstigt zu besteuern ist.

BEGRÜNDUNG

In folgenden Punkten wird gegen den oben angeführten Bescheid berufen:

Bei der Austrittsvergütung handelt es sich um eine freiwillige Abfertigung gem. § 67 (6) EStG,welche nicht nach Tarif sondern begünstigt zu besteuern ist. Dies wird folgendermaßenbegründet:

  1. Die Austrittsvereinbarung war als eine den gesamten Firmenzugehörigkeitszeitraumabdeckende Leistung vorgesehen. Somit erfüllte sie die Voraussetzung für das Vorliegen vonsonstigen Bezügen iSd § 67 EStG, nämlich dass eine eindeutige Abgrenzung von den laufendenBezügen möglich ist und somit eine aus äußeren Merkmalen ersichtliche Zahlung zusätzlichzum laufenden Bezug erfolgt und mehrere Lohnzahlungszeiträume abgegolten werden, vgl. Jakom EStG, § 67 Rz 2.

  2. Das Vorliegen von ausländischen Einkünften bietet keine Grundlage für eine unterschiedlicheBehandlung zu inländischen Einkünften, vgl. Jakom EStG, § 67 Rz 2.

  3. Der begünstigten Besteuerung gern. § 67 (6) Z I u 2 EStG unterliegen jene Bezüge, die bei odernach Beendigung des Dienstverhältnisses anfallen. Dies ist jedenfalls gegeben, da dieAuszahlung nach Austritt aus dem Dienstverhältnis erfolgte. Das Dienstverhältnis endete mit, wohingegen die Zahlung erst mit August 2019 durchgeführt wurde. Dass dieZahlung innerhalb von zwölf Monaten nach Beendigung des Dienstverhältnisses zu erfolgenhätte, wie von den LStR 2002 Rz 1087 gefordert, findet im Gesetz keine Deckung,vgl. Kirchmayr/Schaunig in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn (Hrsg), Kommentar zum EStG (19.Lfg 2017) Sonstige Bezüge bei Beendigung des Dienstverhältnisses, freiwillige Abfertigungen(§ 67 Abs 6) Rz 71.

  4. Die Austrittsvergütung wurde zeitanteilig vereinbart. Das bedeutet, dass bei einer maximalenFirmenzugehörigkeit von 13 Jahren (bis Pensionsantritt und jedenfalls vorgesehenemAusscheiden) eine Vergütung von EUR 100.000,00 zu leisten gewesen wäre. Bei einemvorzeitigen Ausscheiden Herrn ***Bf1*** reduziert sich der Betrag nach Jahren derBetriebszugehörigkeit in aliquotem Ausmaß. Da das Dienstverhältnis schlussendlich vorzeitigbeendet wurde, beläuft sich der Anspruch aufEUR 68.349,80. Die Höhe sowie die Auszahlungdes Anspruchs war an das Ende des Dienstverhältnisses gebunden. Damit handelt es sich beider Austrittsvergütung um einen beendigungskausalen Bezug.

  5. Da die Intention Herrn ***Bf1*** bei der Vertragsverhandlung und -abschluss jene war, einen derösterreichischen Abfertigung nachgebildeten Anspruch zum Pensionsantritt zu erwerben unddie Vereinbarung in dieser Form festgelegt wurde, handelt es sich bei der Zahlung um einenanlässlich der Auflösung eines Dienstverhältnisses typischen Bezug.

  6. Da es sich um Bezüge eines nicht dem BMSVG unterliegenden Dienstverhältnisses handelt, liegtkeine Anwartschaft gegenüber einer BV Kasse vor, sodass § 67 (6) Z 7 EStG keine Anwendungfindet. Sind nämlich die Bestimmungen des BMSVG nicht anzuwenden, steht die Begünstigungdes § 67 Abs. 6 EStG zu, vgl. auch LStR 2002, Rz 1087j.

  7. Bei der geleisteten Austrittsvergütung handelt es sich auch nicht um eine sogenannteAustritts-/ Abgangsentschädigung. Es werden keine offenen Urlaube.Kündigungsentschädigungen oder ähnliches abgegolten. Wie aus dem Beschluss desArbeitsgerichts Berlin vom ersichtlich ist, wurden diese Positionen gesondertabgerechnet.

Gemäß den obigen Ausführungen stelle ich folgende Anträge

  1. Daher beantrage ich die Veranlagung der Bezüge aus der Austrittsvergütung als freiwilligeAbfertigung unter Berücksichtigung der begünstigten Besteuerung gem. §67 (6) Z I u 2 EStG.Die laufenden Bezüge der letzten zwölf Monate des Dienstverhältnisses sind aus demBeschluss des Arbeitsgerichtes Berlin, vom ersichtlich und betragen monatlichEUR 11.550,00.

2. Mit der am ausgefertigten Beschwerdevorentscheidung hat die belangte Behörde die Bescheidbeschwerde als unbegründet abgewiesen und dies wie folgt begründet (kursive Schreibweise im Original):

Es trifft zu, dass die in Rz 1087 LStR verankerte 12 Monatsfrist keine explizite gesetzliche Deckungfindet, jedoch gibt es im gegenständlich Fall auch keinen beendigungskausalen Zusammenhang zumDienstverhältnis (mehr). Der Zufluss aus der nach Beendigung des Dienstverhältnisses vomDienstgeber als Vergleichsergebnis ***1*** weiterhin bedienten RückdeckungsversicherungNr. ***2*** als Grundlage der indexgebundenen Austrittsvergütung (DV § 10/3vom ), war nach Beendigung des Dienstverhältnisses zur Fa. ***GmbH1*** nämlich nurnoch vom Erreichen des 63. Lebensjahres des Abgabepflichtigen abhängig und damit gerade NICHTvon der Beendigung des Dienstverhältnisses. Folglich ist die Begünstigung des § 67 Abs. 6 EStG -unabhängig vom tatsächlichen Vorliegen einer freiwilligen Abfertigung - nicht anwendbar.

3. Die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers hat mit Schreiben vom die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht beantragt und dazu ausgeführt (kursive Schreibweise im Original).

Inhaltlich wird zum einen aufdie Ausführungen der Beschwerde vom verwiesen.Zu den in der Beschwerdevorentscheidung angeführten Gründen der Abweisung ist folgendes noch ergänzend anzumerken:

  1. Wie aus dem Arbeitsvertrag mit der Firma ***GmbH1*** ersichtlich ist, (DV§11/5 vom 21,03.2006 sowie DV §10/3 vom ) war die Austrittsvergütung vonBeginn an in der Form konzipiert und vereinbart, dassdiese aufdie Betriebszugehörigkeitabstellt und daher bei vorzeitigem Ausscheiden nur zeitanteilig gewährt wird. Aus diesemGrund ist diese eben genau von der Beendigung des Dienstverhältnisses abhängig undnicht vom Erreichen eines gewissen Alters.

  2. Die Vereinbarung, dass bei einem Ausscheiden mit dem 63. Lebensjahr die Vergütung zu100% zusteht soll nur den Regelfall abbilden. Dieser wird im Folgepunkt jeweilseingeschränkt aufdie. Firmenzugehörigkeit, Mit Ausscheiden aus dem Betrieb entstehenbis zur Erreichung des 63 Lebensjahres keine neuen Ansprüche mehr.

  3. Der Verweis in der Beschwerdevorentscheidung auf den Vergleichsbeschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom geht ebenfalls ins Leere, denn hier wurde nur festgehalten, dass die vertraglich vereinbarte Austrittsvergütung von der Firma ***GmbH1*** GmbH an Herrn ***Bf1*** zu leisten ist und dass bis zum Auszahlungszeitpunkt der erworbene Anspruch wertzusichern ist. Eine Weiterzahlung im Sinne von neu erworbenen Ansprüchen für den Zeitraum ab Beendigung des Dienstverhältnisses bis zum Erreichen des 63. Lebensjahres wird hier genau nicht festgelegt, sondern nur die Rechtsposition Herrn ***Bf1***, die sich aus dem Dienstvertrag ergibt, bestätigt, dass dieser beendigungskausale Ansprüche gegen seinen bisherigenArbeitgeber hat.

  4. In der Folge wurde von der Firma ***GmbH1*** GmbH auch der zum Ausscheidenszeitpunkt erworbene Anspruch von EUR 60.884,43 (Punkt 6., Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom ) angepasst um die verbrauchpreisindexgestützteErhöhung ausbezahlt.

4. Die belangte Behörde hat die Bescheidbeschwerde mit Bericht vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Sachverhalt

Folgender Sachverhalt ist für das Bundesfinanzgericht entscheidungswesentlich und erwiesen:

1. Der Beschwerdeführer ist im März 2019 nach Österreich zugezogen in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig. Er erzielt Einkünfte aus einer deutschen Rente und aus einer österreichischen Pension.

2. Im Jahr 2019 erhielt der Beschwerdeführer den Anspruch aus einer mit seinem letzten Arbeitgeber, der ***GmbH1***, Berlin, vereinbarten Austrittsvergütung in Höhe von € 68.349,80 ausbezahlt. Das Dienstverhältnis zu dieser Firma hat am begonnen und wurde am beendet.

3. Die Austrittsvergütung war in dem mit dem Arbeitgeber am abgeschlossenen (provisorischen) Einzelarbeitsvertrag gemäß § 11 Z 5 wie folgt vereinbart:

5.1.Herr ***Bf1*** erhält eine Austrittsvergütung in Höhe von € 100.000,-, die mit dem 63. Lebensjahr ausgezahlt wird.

5.2.Bei einem Ausscheiden vor dem 63. Lebensjahr erhält Herr ***Bf1*** einezeitanteilige Austrittsvergütung, wobei 100 % einer Firmenzugehörigkeit von 13 Jahren entspricht.

5.3.Der Anspruch für die Leistungen gemäß Punkten 5.1. und 5.2. entsteht nacheiner Firmenzugehörigkeit von 2 Jahren

Der in weiterer Folge mit dem Arbeitgeber abgeschlossene (endgültige) Einzelarbeitsvertag vom enthält in § 10 Z 3. eine inhaltsgleiche Regelung.

4. Mit Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom , GZ ***1***, wurde das Zustandekommen folgenden Vergleichs zwischen dem Beschwerdeführer als Kläger und der ***GmbH1*** als Beklagte festgestellt:

1.Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen Ihnen bestehende Arbeitsverhältnisaufgrund ordentlicher arbeitgeberseitiger betriebsbedingter Kündigung mit Schreiben vom mit Ablauf des enden wird.

2.Die Beklagte rechnet das Arbeitsverhältnis bis zu seinem Beendigungszeitpunkt entsprechendZiffer 1 auf Basis eines jeweiligen monatlichen Bruttogehaltes in Höhe von 11.550,00 EUR (elftausendfünfhundertfünfzig) ordnungsgemäß ab und zahlt die sich jeweils ergebendenmonatlichen Nettobeträge an den Kläger aus.

3.Als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes zahlt der Beklagte an den Kläger eine einmaligeAbfindung im Sinne der §§ 9, 10 KSchG in Höhe von 69.300,00 EUR(neunundsechzigtausenddreihundert) brutto, die am fällig ist.

4.Der Kläger wird bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Fortzahlung der Vergütung undunter Anrechnung sämtlicher Resturlaubsansprüche unwiderruflich von seiner Pflicht zurArbeitsleistung freigestellt. Es besteht Einigkeit darüber, dass damit sämtliche Urlaubsansprücheerledigt sind und bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses kein Urlaubsabgeltungsanspruch desKlägers mehr besteht.

5.Die Beklagte erteilt dem Kläger am ein wohlwollendes, qualifiziertes Arbeitszeugnis mitder Benotung "gut- sehr gut" und mit einer Schlussformulierung, die dieser Gesamtnoteentspricht. Die Beklagte stellt dem Kläger auf seinen Wunsch zuvor ein entsprechendesZwischenzeugnis aus. Der Kläger ist berechtigt, einen Entwurf für ein Zwischen- und Endzeugnisvorzulegen, von dem die Beklagte nur aus wichtigem Grund abweichen darf.

6.Es besteht Einigkeit darüber, dass dem Kläger gem. § 10 Nr. 3 des Anstellungsvertrages vom eine indexgebundene Austrittsvergütung zusteht, die mit Vollendung des 63. Lebensjahres fällig ist. Zur Absicherung der Ansprüche des Klägers hat die Beklagte eineRückdeckungsversicherung bei der ***Versicherung1***, mit der Versicherungs-Nummer. ***2***, abgeschlossen. Als Auszahlungsbetrag erhält der Kläger mit dem 63. Lebensjahr densogenannten "m/n-tel"-Anspruch (in Höhe von 60.884,43 EUR) unter weiterer Berücksichtigung derVerbraucherpreisindexentwicklung seit 2008 bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres. Insoweitverpflichtet sich die Beklagte, die Beiträge zu der zu diesem Zwecke abgeschlossenenRückdeckungsversicherung in ausreichender Höhe weiter zu bezahlen, um den vorbezeichnetenAuszahlungsanspruch unter Berücksichtigung der Preisindexentwicklung zu gewehrleisten. DieBeklagte schließt darüber hinaus bis spätestens zum zur Absicherung der klägerischenAnsprüche eine Verpfändungsvereinbarung zu Gunsten des Klägers ab, die ihn auch im Falle derInsolvenz der Beklagten im Hinblick auf seine Ansprüche mit Vollendung des 63. Lebensjahresabsichert.

7.Die Beklagte erteilt eine den inhaltlichen Vereinbarungen dieses Vergleichs entsprechendeArbeitsbescheinigung gern. § 312 SGB III. Sie erhält insbesondere die im Rahmen der anhängigenRechtsstreitigkeiten gegenüber dem Kläger erhobenen Vorwürfe aus heutiger Sicht nicht mehraufrecht.

8.Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum und der Umsetzung dieses Vergleichessind sämtliche zwischen den Parteien bestehenden Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis undseiner Beendigung, ob bekannt oder unbekannt, insbesondere sämtliche finanziellen Ansprüchezwischen den Parteien, abgegolten.

9.Damit sind sämtliche beim Arbeitsgericht Berlin zwischen den Parteien anhängigeRechtsstreitigkeiten erledigt (***1***, ***3*** und ***4***).

III. Beweiswürdigung

Der unter Punkt II. dargestellte Sachlage ergibt sich aus der Aktenlage, vornehmlich aus den angeführten Dokumenten (Einzelarbeitsvertrag, Gerichtsbeschluss). Sie ist unbestritten.

IV. Rechtliche Beurteilung

1. Gemäß § 67 Abs. 6 EStG 1988 sind sonstige Bezüge, die bei oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses anfallen (wie zum Beispiel freiwillige Abfertigungen und Abfindungen, ausgenommen von BV-Kassen ausbezahlte Abfertigungen und Zahlungen für den Verzicht auf Arbeitsleistung für künftige Lohnzahlungszeiträume), nach Maßgabe folgender Bestimmungen mit dem Steuersatz von 6% zu versteuern:

1. Der Steuersatz von 6% ist auf ein Viertel der laufenden Bezüge der letzten zwölf Monate, höchstens aber auf den Betrag anzuwenden, der dem Neunfachen der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 ASVG entspricht.

2. Über das Ausmaß der Z 1 hinaus ist bei freiwilligen Abfertigungen der Steuersatz von 6% auf einen Betrag anzuwenden, der von der nachgewiesenen Dienstzeit abhängt. Bei einer nachgewiesenen
Dienstzeit von […] 5 Jahren […] ist ein Betrag von […] 3/12 der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate […]

mit dem Steuersatz von 6% zu versteuern. Ergibt sich jedoch bei Anwendung der dreifachen monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 ASVG auf die der Berechnung zu Grunde zu legende Anzahl der laufenden Bezüge ein niedrigerer Betrag, ist nur dieser mit 6% zu versteuern.

3. […]

7. Die vorstehenden Bestimmungen gelten nur für Zeiträume, für die keine Anwartschaften gegenüber einer BV-Kasse bestehen.

Bei der vom Beschwerdeführer mit seinem Arbeitgeber vereinbarten Austrittsvergütung handelt es sich nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts um einen gemäß § 67 Abs. 6 EStG1988 begünstigt zu besteuernden sonstigen Bezug. Es liegt eine freiwillige Abfertigung vor, die zwingend an die Auflösung des Dienstverhältnisses gebunden war. Entscheidend ist, dass sie durch die Beendigung des Dienstverhältnisses ausgelöst wurde bzw mit der Auflösung des Dienstverhältnisses in ursächlichem Zusammenhang steht. Dies ist mit Punkt 6. des Beschlusses des Arbeitsgerichts Berlin vom , GZ ***1***, und § 10 Z 3 des vom Beschwerdeführer mit der ***GmbH1*** abgeschlossenen Einzelarbeitsvertrags vom (inhaltsgleich mit § 11 Z 3. des am abgeschlossenen provisorischen Einzelarbeitsvertrags) belegt. Die Tatsache, dass die Austrittsvergütung erst mit Erreichen des 63. Lebensjahres ausbezahlt wurde ist nicht relevant. Entscheidend ist der ursächliche Zusammenhang mit der Auflösung des Dienstverhältnisses, nicht der Auszahlungszeitpunkt. Da für den Beschwerdeführer in den Jahren 2006 bis 2014 keine Anwartschaften gegenüber einer BV-Kasse iSd § 67 Abs. 6 Z 7 EStG 1988 bestanden, liegen die Voraussetzungen für eine begünstigte Besteuerung nach Maßgabe des § 67 Abs. 6 Z 1 und 2 EStG 1988 vor.

2. Die monatliche Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 ASVG beträgt im Beschwerdejahr € 5.220,00 (gemäß BGBl. II 329/2018 für den Kalendertag).

3. Nach Art. 15 Abs. 1 DBA-Deutschland (Abkommen vom zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, BGBl. III Nr. 182/2002) dürfen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, die Arbeit wird im anderen Vertragsstaat ausgeübt. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so dürfen die dafür bezogenen Vergütungen im anderen Staat besteuert werden. Art. 15 Abs. 1 DBA-Deutschland ordnet dem Ansässigkeitsstaat grundsätzlich das ausschließliche Besteuerungsrecht für Vergütungen für unselbständige Arbeit zu. Diese Zuordnung des Besteuerungsrechts wird aber dann durchbrochen, wenn die unselbständige Tätigkeit im anderen Staat ausgeübt wird. Entscheidend für ein Besteuerungsrecht des Quellenstaates ist somit, dass die Arbeit dort ausgeübt wird. Die Zuordnung des Besteuerungsrechts hinsichtlich einzelner konkreter Zahlungen erfolgt dabei nach kausalen Gesichtspunkten. Die Zahlungen müssen ihren Grund in der im Quellenstaat ausgeübten Tätigkeit haben. Es ist jedoch nicht maßgebend, zu welchem Zeitpunkt oder in welcher Form oder unter welcher Bezeichnung einzelne Zahlungen für eine im Quellenstaat ausgeübte Tätigkeit erfolgen (; ). Die im Jahr 2019 an den Beschwerdeführer bezahlten Austrittsvergütung von € 68.349,80 ist nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts der Tätigkeit des Beschwerdeführers bei der ***GmbH1*** kausal zuzuordnen, sie ist gleichsam als letzter Akt des Dienstverhältnisses anzusehen. Dies ergibt sich aus Punkt 6. des Beschlusses des Arbeitsgerichts Berlin vom , GZ ***1***, und § 10 Z 3 des vom Beschwerdeführer mit der ***GmbH1*** abgeschlossenen Einzelarbeitsvertrags vom (inhaltsgleich mit § 11 Z 3. des am abgeschlossenen provisorischen Einzelarbeitsvertrags). Das Besteuerungsrecht für die Austrittsvergütung wird nach Art. 15 Abs. 1 DBA-Deutschland daher Deutschland zugeordnet.

4. Nach Art. 15 Abs. 4 DBA-Deutschland gilt für Zwecke dieses Artikels die Arbeit im anderen Vertragsstaat nur dann als ausgeübt, wenn die Vergütungen in Übereinstimmung mit diesem Abkommen im anderen Vertragsstaat besteuert worden sind. Eine Besteuerung der Austrittsvergütung ist im Tätigkeitsstaat Deutschland unterblieben (Erläuterungen zu den Festsetzungen dem am vom deutschen Finanzamt ***5*** zu Steuernummer ***6*** ausgefertigten Bescheid für 2019 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag). Im Beschwerdefall greift daher die Rückfallklausel nach Art. 15 Abs. 4 DBA-Deutschland, sodass Österreich das Besteuerungsrecht für die Abfertigungszahlung zusteht.

5. Somit war spruchgemäß zu entscheiden. Der angefochtene Bescheid war gemäß § 279 Abs. 1 BAO abzuändern.

V. Bemessungsgrundlagen und Höhe der festgesetzten Abgabe

Die Bemessungsgrundlage und Höhe der festgesetzten Einkommensteuer für das Jahr 2019 betragen:

VI. Zulässigkeit einer Revision

Nach Art 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes die Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt vor Allem dann vor, wenn das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung waren im Beschwerdefall nicht entscheidend, die Rechtslage ist mit der zitierten Judikatur ausreichend geklärt. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist demzufolge nicht zulässig. Zur außerordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof siehe nachstehende Rechtsbelehrung.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Art. 15 Abs. 4 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
§ 67 Abs. 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 67 Abs. 6 Z 7 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 108 ASVG, Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 189/1955
Art. 15 Abs. 1 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
§ 67 Abs. 6 Z 1 und 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.6100215.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at