Lenkerauskunftsersuchen, unter Verweis auf Art. 6 EMRK keine konkrete Person angegeben, Grunddelikt (nicht erwiesene Parkscheinmanipulation) ist bei der Strafbemessung nicht zu berücksichtigen
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Verwaltungsstrafsache gegen ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, wegen der Verwaltungsübertretung gemäß § 5 Abs. 2 Parkometerabgabeverordnung iVm § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006, über die Beschwerde des Beschuldigten vom , gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom , GZ. MA67/Zahl/2022, zu Recht erkannt:
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde insoweit teilweise stattgegeben, als die von der belangten Behörde mit € 140,00 verhängte Geldstrafe auf € 60,00 und die für den Fall der Uneinbringlichkeit mit 1 Tag und 9 Stunden verhängte Ersatzfreiheitsstrafe auf 14 Stunden herabgesetzt wird.
Im Übrigen wird das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.
II. Die Kosten für das behördliche Verfahren sind gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG mit dem Betrag von 10 Euro festzusetzen.
III. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu bezahlen.
IV. Der Magistrat der Stadt Wien wird gemäß § 25 Abs. 2 BFGG als Vollstreckungsbehörde bestimmt.
Die Geldstrafe von € 60,00 ist gemeinsam mit dem Beitrag zu den Kosten der belangten Behörde von € 10,00 (§ 64 VStG 1991), insgesamt somit € 70,00, binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Erkenntnisses an den Magistrat der Stadt Wien zu entrichten.
V. Eine Revision durch die beschwerdeführende Partei wegen Verletzung in Rechten nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG kraft Gesetzes nicht zulässig.
VI. Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine ordentliche Revision durch die belangte Behörde nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang:
Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, lastete dem Beschwerdeführer (Bf.) zunächst mit Strafverfügung vom an, er habe das mehrspurige Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen Vienna (D) am in der gebührenpflichtigen Kurzparkzone in 1010 Wien, Mahlerstraße 9, ohne einen für den Beanstandungszeitpunkt 17:43 Uhr gültigen Parknachweis abgestellt, da der Parkschein Nr. 000 Spuren von entfernten Entwertungen aufgewiesen habe. Demnach habe er die Parkometerabgabe hinterzogen.
Wegen der Verletzung der Rechtsvorschriften des § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabe-verordnung iVm § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006 wurde über den Bf. eine Geldstrafe iHv 140,00 € verhängt und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Tag und 9 Stunden festgesetzt.
In seinem dagegen erhobenen Einspruch bestritt der Bf., dass der Parkschein manipuliert worden sei. Er habe die ihm angelastete Verwaltungsübertretung nicht begangen, da er sich zur Tatzeit nachweislich in Deutschland aufgehalten habe.
Die Magistratsabteilung 67 übermittelte dem Bf. mit Schreiben vom ("Aufforderung zur Rechtfertigung") die Anzeigefotos und räumte ihm die Möglichkeit zu einer mündlichen oder schriftlichen Stellungnahme binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens ein.
Der Bf. brachte in seiner Stellungnahme (E-Mail vom bzw. mit Fax vom ) erneut vor, dass er am Beanstandungstag in Deutschland gewesen sei. Er habe das Auto verliehen gehabt. Die Parkscheinmanipulation werde bestritten.
Mit Schreiben vom wurde der Bf. gemäß § 2 Wiener Parkometergesetz 2006 unter Anführung der erforderlichen Daten zur Lenkerauskunft binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens aufgefordert.
Das Auskunftsersuchen enthielt den Hinweis, dass die Nichterteilung, bzw. die unrichtige, unvollständige oder nicht fristgerechte Erteilung dieser Lenkerauskunft nach § 2 Wiener Parkometergesetz 2006 (Verletzung der Auskunftspflicht) strafbar sei.
Der Bf. teilte der Behörde mit E-Mail vom mit, dass eine Angabe zur Person des Fahrzeuglenkers unter Bezugnahme auf das Auskunftsverweigerungsrecht des Unterzeichners in Bezug auf Familienangehörige nicht in Betracht komme und hielt neuerlich fest, dass es keinerlei Anhaltspunkte für eine Manipulation des Parkscheines gebe. Die ihm übersandten Kopien würden nicht ansatzweise eine Manipulation erkennen lassen.
Mit Strafverfügung vom wurde dem Bf. vom Magistrat der Stadt Wien, MA 67, angelastet, er habe als Zulassungsbesitzer des mehrspurigen Kraftfahrzeuges mit dem behördlichen Kennzeichen Vienna dem ordnungsgemäß zugestellten Verlangen der MA 67 vom , innerhalb von zwei Wochen Auskunft zu geben, wem er dieses Fahrzeug am um 17:43 Uhr überlassen habe, sodass dieses in 1010 Wien, Mahlerstraße 9, stand, nicht entsprochen.
Wegen der Verletzung der Rechtsvorschriften des § 2 iVm § 4 Abs. 2 Wiener Parkometergesetz wurde über den Bf. eine Geldstrafe von 140,00 € verhängt und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Tag und 9 Stunden festgesetzt.
Der Bf. erhob gegen die Strafverfügung Einspruch und verwies, wie schon im Schreiben vom , auf sein Auskunftsverweigerungsrecht. Er könne nicht verpflichtet werden, an der Verfolgung von Familienangehörigen mitzuwirken. Weiters verwies der Bf. erneut darauf, dass die ihm übersandten Fotos (Kopien) keine Manipulation erkennen lassen würden. Letztlich werfe ihm die Behörde nunmehr eine Tat vor, die er auch nach den eigenen Ausführungen der Behörde nicht in Österreich begangen habe. Hier dürfte dem Magistrat der Stadt Wien bereits die Zuständigkeit fehlen. Die Strafverfügung sei somit aus drei unabhängig voneinander eingreifenden Gründen rechtswidrig.
Der Magistrat der Stadt Wien, MA 67, befand den Bf. mit Straferkenntnis vom für schuldig, dass er als Zulassungsbesitzer des bereits näher bezeichneten Kraftfahrzeuges dem ordnungsgemäß zugestellten Verlangen der MA 67 vom , innerhalb von zwei Wochen Auskunft zu geben, wem er dieses Fahrzeug am um 17:43 Uhr überlassen habe, sodass dieses in 1010 Wien, Mahlerstraße 9, stand, nicht entsprochen habe.
Wegen Verletzung der Rechtsvorschriften des § 2 iVm § 4 Abs. 2 Wiener Parkometergesetz 2006 wurde über den Bf. eine Geldstrafe iHv 140,00 € verhängt und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Tag und 9 Stunden festgesetzt. Zudem wurde gemäß § 64 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) ein Betrag von 14,00 € als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens auferlegt.
Begründend stellte die Behörde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und des Einspruchsvorbringens sowie unter Hinweis auf die Bestimmungen des § 2 Abs. 1 und 2 Wiener Parkometergesetz 2006 fest, dass der Verwaltungsgerichtshof durch einen verstärkten Senat ausgesprochen habe, dass Erfüllungsort der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Lenkerbekanntgabe der Sitz der anfragenden Behörde sei.
Dieser Ort sei somit auch Tatort der Unterlassung der Erteilung einer richtigen und rechtzeitigen Auskunft. Auf Grund dessen sei daher bei Nichterteilung der Lenkerauskunft im Ausland der Tatort immer Sitz der anfragenden inländischen Behörde und habe dies zur Folge, dass die Tat daher als im Inland begangen anzusehen und somit nach österreichischem Recht strafbar sei.
Artikel II der Novelle zum FAG 1985, BGBl. 384/1986 vom (Verfassungsbestimmung) bestimme, dass Rechte auf Auskunftsverweigerung gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, zurücktreten, wenn die Länder bei der Regelung der Erhebung von Abgaben für das Abstellen von Kraftfahrzeugen den (die) Zulassungsbesitzer und weiters jeden, der einer dritten Person die Verwendung eines Fahrzeuges oder das Lenken eines Kraftfahrzeuges überlasse, verpflichten, über Verlangen der Behörde darüber Auskunft zu geben, wem er (sie) das Kraftfahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt überlassen habe.
Dadurch, dass innerhalb der gesetzlichen zweiwöchigen Auskunftsfrist keine konkrete Person als Lenker angegeben worden sei, habe der Bf. der Verpflichtung gemäß § 2 Parkometergesetz 2006 nicht entsprochen.
Nach näheren Erläuterungen zum Ungehorsamsdelikt stellte die Behörde fest, dass der Bf. keine Gründe vorgebracht habe, um sein mangelndes Verschulden darzutun und es seien auch aus der Aktenlage keine Umstände ersichtlich gewesen, dass ihn an der Begehung der Verwaltungsübertretung kein Verschulden treffe, weshalb von zumindest fahrlässigem Verhalten auszugehen gewesen sei.
Somit seien sowohl die objektiven als auch subjektiven Voraussetzungen der Strafbarkeit als erwiesen anzusehen.
Weiters enthält das Straferkenntnis die maßgeblichen Bestimmungen für die Strafbemessung (§ 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006, § 19 Abs. 1 und 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991), erläutert diese näher und führt die für den vorliegenden Fall maßgeblichen Strafzumessungsgründe an.
Der Bf. erhob gegen das Straferkenntnis binnen der Rechtsmittelfrist Beschwerde (Fax vom ) und bringt vor, dass er von dem in der Menschenrechtskonvention verbrieften Recht Gebrauch mache, die Auskunft zu verweigern, soweit sie zur Verfolgung seiner Familienangehörigen führen könnte. Immerhin habe die Behörde dem Fahrzeugführer eine Urkundenfälschung vorgeworfen, für die es keinerlei Beweise gebe. Die diesbezüglich eingesehene Akte lasse, wie bereits dargelegt, nicht ansatzweise erkennen, dass eine Manipulation an dem Parkschein vorgenommen worden sei. Die Beschuldigung sei deshalb haltlos und das Verfahren sei zu Recht eingestellt worden. Wenn ihn die Behörde jetzt verfolge, obgleich er seine Familienangehörigen lediglich vor unrechtmäßiger Verfolgung geschützt und deshalb die Auskunft verweigert habe, erscheine dies unverständlich. Soweit die Behörde sich darauf berufe, dass ihre Fiskalinteressen den Menschenrechten vorgehen würden, erscheine das noch unverständlicher. Er habe das Fahrzeug im Übrigen nur zur Verwendung in Bayern überlassen. Mit der Möglichkeit, dass das Fahrzeug nach Österreich verbracht werde, habe er nicht gerechnet und habe es dafür auch keinerlei Anhaltspunkte gegeben.
Die MA 67 legte die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor (Datum des Einlangens: ).
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Feststellungen:
Der in Deutschland wohnhafte Bf. wurde vom Magistrat der Stadt Wien, MA 67, mit Schreiben vom gemäß § 2 Wiener Parkometergesetz 2006 aufgefordert, der Behörde binnen zwei Wochen nach Zustellung des Schreibens Auskunft darüber zu erteilen, wem er das bereits näher bezeichnete Fahrzeug am um 17:43 Uhr überlassen habe, so dass dieses in 1010 Wien, Mahlerstraße 9, stand.
Das Auskunftsersuchen enthielt folgenden Hinweis:
"Ihre Auskunft muss den vollen Namen und die vollständige Anschrift der betreffenden Person enthalten.
Es wird darauf hingewiesen, dass das Nichterteilen bzw. die unrichtige, unvollständige oder nicht fristgerechte Erteilung der Lenkerauskunft als Verwaltungsübertretung strafbar ist. Die Lenkerauskunft ist auch dann zu erteilen, wenn Sie der Meinung sein sollten, das betreffende Delikt nicht begangen oder den Strafbetrag bereits beglichen zu haben."
Der Bf. hat unter Berufung auf Art. 6 EMRK keine konkrete Person genannt, der das Fahrzeug zum Beanstandungszeitpunkt überlassen war.
Dem Lenkerauskunftsersuchen wurde somit nicht entsprochen.
Beweiswürdigung:
Der Sachverhalt ergibt sich aus dem von der Behörde vorgelegten Verwaltungsakt.
Die Feststellung, dass dem Ersuchen um Lenkerauskunft nicht entsprochen wurde, gründet sich auf die Tatsache, dass der Bf. lediglich bekanntgegeben hat, dass das Fahrzeug von einem seiner Familienangehörigen abgestellt worden sei.
Gesetzliche Grundlagen:
§ 2 Wiener Parkometergesetz 2006 lautet:
(1) Der Zulassungsbesitzer und jeder, der einem Dritten das Lenken eines mehrspurigen Kraftfahrzeuges oder die Verwendung eines mehrspurigen Kraftfahrzeuges überlässt, für dessen Abstellen gemäß Verordnung des Wiener Gemeinderates eine Parkometerabgabe zu entrichten war, hat, falls das Kraftfahrzeug in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone gemäß § 25 StVO 1960, BGBl. Nr. 159/1960, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 99/2005, abgestellt war, dem Magistrat darüber Auskunft zu geben, wem er das Kraftfahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt überlassen gehabt hat.
(2) Die Auskunft, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten muss, ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung, zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht erteilt werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen.
Erfüllungsort einer Auskunftspflicht
Erfüllungsort einer Auskunftspflicht ist der Sitz der anfragenden Behörde. Demnach ist der Ort, an dem der Täter hätte handeln sollen, jener, an dem seine öffentlich-rechtliche Verpflichtung zu erfüllen gewesen wäre. Als Tatort ist im Fall des Verstoßes gegen eine Auskunftsverpflichtung sohin der Sitz der anfragenden Behörde anzusehen (vgl. , , ).
Sinn und Zweck der Lenkerauskunft
Nach der ständigen Judikatur des VwGH ist Sinn und Zweck des § 2 Wiener Parkometergesetz 2006, der Behörde die jederzeitige Feststellung des verantwortlichen Lenkers eines Fahrzeuges ohne langwierige und umfangreiche Erhebungen zu ermöglichen (vgl. , , ).
Die Auskunft der Zulassungsbesitzerin/des Zulassungsbesitzers stellt kein Schuldeingeständnis dar (vgl. etwa EGMR , Nr. 38544/97, Weh gg Österreich, EGMR , Nr. 63207/00, Rieg gg Österreich oder EGMR , Nrn. 58452/00 und 61920/00, Lückhof und Spanner gg Österreich). Die Verschuldensfrage wird erst im anschließenden Verwaltungsstrafverfahren geklärt.
Tatbestand der Nichterteilung der Lenkerauskunft nach § 2 iVm § 4 Abs. 2 Parkometergesetz 2006
Nach § 2 Abs. 2 Parkometergesetz 2006 muss die Auskunft den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten und ist die Auskunft unverzüglich, im Fall einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht erteilt werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen.
Der Auskunftspflicht wird nur dann entsprochen, wenn eine bestimmte Person, der das Lenken des Fahrzeuges überlassen wurde, vom Zulassungsbesitzer namhaft gemacht wird (, , unter Verweis auf).
Die Auskunft darf weder in sich widersprüchlich noch unklar sein; sie muss vielmehr in solcher Weise richtig und vollständig sein, dass auf Grund dieser Auskunft die Person, der das Kraftfahrzeug überlassen worden ist, bzw. der Lenker des Fahrzeuges ohne weitere Umstände festgestellt und allenfalls zur Verantwortung gezogen werden kann (, , , ).
Ein Vorbringen, dass der Lenker ein "naher Angehöriger" gewesen sei, weshalb keine Pflicht zur Benennung desselben bestehe, entspricht nicht der geforderten Mitwirkungspflicht, als es diese der Behörde ermöglichen soll, des Täters habhaft zu werden (; , ).
Wird - wie im vorliegenden Fall - im Zuge der Lenkerauskunft keine konkrete Person namhaft gemacht, kann dies nicht als Erfüllung der Auskunftspflicht angesehen werden.
Verfassungsrechtliche Deckung des § 2 iVm § 4 Abs. 2 Parkometergesetz 2006
Die Regelung des § 2 Wiener Parkometergesetz 2006 (wie ihre Vorgängerbestimmung § 1a) steht nicht so wie § 103 Abs. 2 KFG im Verfassungsrang, findet aber durch die Verfassungsbestimmung des Art. II des Bundesgesetzes vom , BGBl. Nr. 384/1986, mit dem das Finanzausgleichsgesetz 1985 geändert wurde, Deckung.
Diese Verfassungsbestimmung lautet:
"Wenn die Länder bei der Regelung der Erhebung von Abgaben für das Abstellen von Fahrzeugen und Kraftfahrzeugen den (die) Zulassungsbesitzer und weiters jeden, der einer dritten Person die Verwendung eines Fahrzeuges oder das Lenken eines Kraftfahrzeuges überläßt, verpflichten, über Verlangen der Behörde darüber Auskunft zu geben, wem er (sie) das Fahrzeug oder Kraftfahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt überlassen hat (haben), so treten Rechte auf Auskunftsverweigerung gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, zurück."
Der Wiener Landesgesetzgeber hat mit der Vorgängerbestimmung zu § 2 Wiener Parkometergesetz 2006 eine Regelung iSd zitierten Verfassungsbestimmung geschaffen und damit den Magistrat ermächtigt, derartige Auskünfte zu verlangen.
Diese Vorschrift ist der Verfassungsbestimmung des Art III Abs 2 FAG-Nov. 1986 zufolge (rückwirkend) mit in Kraft getreten.
Selbstbezichtigung bzw. Bezichtigung naher Angehöriger - Lenkerauskunft im Verhältnis zum "Nemo tenetur" Grundsatz
Der Bf. bringt vor, dass er auf Grund der ihm verfassungsmäßig gewährleisteten Rechte (Art. 6 EMRK) nicht verpflichtet sei, sich selbst oder nahe Familienangehörige in einem laufenden Strafverfahren zu bezichtigen.
Nach der dargestellten Rechtslage trifft den Zulassungsbesitzer die Pflicht, der Behörde (dem Magistrat) darüber Auskunft zu geben, wem er das Kraftfahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt überlassen gehabt hat, wobei sich dieser nicht auf etwaige Auskunftsverweigerungsrechte berufen kann (vgl. zB ; ).
Der Verfassungsgerichtshof stellte in seiner Entscheidung vom , B 1369/88-6, fest, dass diese Bestimmung verfassungsrechtlich unbedenklich ist.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass nationale Bestimmungen, die eine Verpflichtung zur Erteilung einer Lenkerauskunft vorsehen, betreffend das in Art. 6 EMRK garantierte Recht zu schweigen und die dort normierte Unschuldsvermutung grundsätzlich unbedenklich sind. Das Erfordernis, anzugeben, wer Lenker eines Kfz gewesen sei, bedeute für sich allein keine Anschuldigung (vgl. etwa EGMR , Nr. 38544/97, Weh gg Österreich, EGMR , Nr. 63207/00, Rieg gg Österreich oder EGMR , Nrn. 58452/00 und 61920/00, Lückhof und Spanner gg Österreich). Das öffentliche Interesse an der Verkehrssicherheit rechtfertige es, durch ein behördliches Auskunftsverlangen Informationen zu erlangen, die es der Behörde ermöglichen, bestimmte Personen jederzeit ohne langwierige und umfangreiche Erhebungen festzustellen (, ).
Der Verwaltungsgerichtshof führte im Erkenntnis vom , 2013/17/0834, zum Schweigerecht aus, dass nach ständiger Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 Abs. 1 EMRK dem Beschuldigten im Strafverfahren grundsätzlich das Recht zukommt, sich selbst nicht belasten zu müssen. Das Schweigerecht (Selbstbezichtigungsverbot) sei aber kein absolutes Recht, sondern könne Beschränkungen unterworfen werden. Für deren Zulässigkeit habe der EGMR nach der Art eines beweglichen Systems folgende Kriterien als maßgeblich erachtet: Art und Schwere des Zwangs zur Beweiserlangung, das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Verfolgung der Straftat und der Bestrafung des Täters, die Existenz angemessener Verfahrensgarantien und die Verwertung der so erlangten Beweismittel. Auskunftspflichten gegenüber der Behörde könnten eine (allenfalls unzulässige) Beschränkung des Rechts, sich nicht selbst belasten zu müssen, bedeuten, wenn auf der Grundlage der so erlangten Fakten Sanktionen gegenüber dem Pflichtigen verhängt würden. Ein solcher Eingriff sei aber nach der Rechtsprechung mit Art. 6 Abs. 1 EMRK vereinbar, wenn die Auskunftspflichten zum angestrebten Zweck nicht unverhältnismäßig sind und den Kerngehalt des Verbots nicht verletzen (vgl. Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention5, Rz 123 zu Art. 6 EMRK, mwN).
Nach den vorstehenden Ausführungen steht somit fest, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte keine konventionsrechtlichen Bedenken geäußert hat, wenn ein Fahrzeughalter, gegen den bereits Ermittlungen wegen einer Verwaltungsübertretung geführt werden, zu einer Lenkerauskunft aufgefordert wird.
Die Aufforderung zur Lenkerauskunft ist auch nach Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens betreffend Verkürzung der Parkometerabgabe gemäß § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006 zulässig (, , ).
Aus den dargelegten Erwägungen folgt, dass die belangte Behörde - entgegen dem Beschwerdevorbringen - zu dem Auskunftsverlangen berechtigt und der Bf. zur Auskunftserteilung verpflichtet war und dass ein Recht auf Auskunftsverweigerung dem gegenüber nicht bestand (vgl zB , ).
Übertretung des § 2 Wiener Parkometergesetz 2006 - Ungehorsamsdelikt
Bei der Übertretung des § 2 Wiener Parkometergesetz 2006 handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt iSd § 5 Abs. 1 VStG. Demnach genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (vgl. ; , 2013/17/0033).
Im Fall eines Ungehorsamsdeliktes tritt insofern eine Umkehrung der Last der Glaubhaftmachung ein, als die belangte Behörde lediglich die Beweislast hinsichtlich der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes trifft, während es Sache des Beschuldigten ist, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (vgl. ; ).
Zur Entkräftung der gesetzlichen Vermutung seines fahrlässigen Handelns hätte der Bf. iSd ständigen Rechtsprechung des VwGH initiativ alles darzulegen gehabt, was für seine Entlastung spricht. Ein derartiges Vorbringen wurde vom Bf. nicht erstattet. Auch waren aus der Aktenlage keine Umstände ersichtlich, dass ihn an der Begehung der Verwaltungsübertretung kein Verschulden trifft, weshalb von zumindest fahrlässigem Verhalten auszugehen ist. Somit waren auch die subjektiven Voraussetzungen der Strafbarkeit gegeben.
Die belangte Behörde hat dem Bf. daher zu Recht die Verwaltungsübertretung gemäß § 2 iVm § 4 Abs. 2 Wiener Parkometergesetz 2006 angelastet.
Strafbemessung
Gemäß § 4 Abs. 2 Wiener Parkometergesetz 2006 sind Übertretungen des § 2 Wiener Parko-metergesetz 2006 als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis zu 365,00 € zu bestrafen.
§ 19 Abs. 1 VStG normiert:
(1) Grundlage für die Bemessung der Strafe sind die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.
(2) Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Das strafrechtlich geschützte Rechtsgut liegt im vorliegenden Fall in der Erteilung einer Lenkerauskunft zur Ermittlung eines bestimmten Lenkers, der sein Fahrzeug ohne gültigen Parkschein in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt hat.
Das strafbare Verhalten liegt darin, dass der Bf. keine Lenkerauskunft erteilt hat.
Die der Bestrafung zu Grunde liegende Tat schädigte in nicht unerheblichem Maße das Interesse der Allgemeinheit und der Behörde an der raschen Ermittlung der im Verdacht einer Verwaltungsübertretung stehenden Person, der die Strafdrohung dient, wurde doch im vorliegenden Fall die Lenkerauskunft nicht erteilt.
Das Ausmaß des Verschuldens kann daher in Anbetracht der offensichtlichen Außerachtlassung der objektiv gebotenen und dem Bf. zuzumutenden Sorgfalt nicht als geringfügig angesehen werden.
Der objektive Unrechtsgehalt der Tat an sich, selbst bei Fehlen sonstiger nachteiliger Folgen, war somit bedeutend.
Zur Festsetzung der Höhe der Geldstrafe im vorliegenden Fall:
Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt entschieden, dass die subjektive Tatseite des Grunddelikts bei der Strafe für die nicht erteilte Lenkerauskunft nicht zu berücksichtigen ist (vgl bspw. , , , ergangen zum vergleichbaren § 103 Abs. 2 KFG 1967).
Dieser Rechtsprechung hat sich das BFG angeschlossen. Der Unrechtsgehalt der Nichterteilung der Lenkerauskunft, wolle man sich nicht der Gefahr einer willkürlichen Bestrafung aussetzen, könne nicht davon abhängig sein, ob und in welcher Weise derjenige, dem das Fahrzeug überlassen wurde, gegen Rechtsvorschriften verstoßen habe. Überdies kann die Manipulation eines Parkscheins ohne entsprechendes Verfahren nicht erwiesen werden (vgl zB , ,, vgl. auch Hauer/Leukauf, Linde-Verlag, 6. Auflage, § 19, S 1344, E43a zu § 103 Abs. 2 KFG, mwN).
Die belangte Behörde hat daher, wenn sie bei der dem Bf. vorgeworfenen Verwaltungsübertretung gemäß § 2 iVm § 4 Abs. 2 Wiener Parkometergesetz 2006 (Lenkerauskunft) bei der Bemessung der Strafhöhe offensichtlich (Anm.: Den Ausführungen der Strafbemessung ist derartiges nicht zu entnehmen) auch auf das Grunddelikt (Verdacht auf Parkscheinmanipulation) abgestellt hat, die Rechtslage verkannt.
Das Bundesfinanzgericht setzt aus den vorstehenden Ausführungen die Geldstrafe von 140,00 € auf 60,00 € und die für den Fall der Uneinbringlichkeit verhängte Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Tag und 9 Stunden auf 14 Stunden herab.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Kostenentscheidung
Die Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens sind gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG in Höhe von 10% der Strafen, mindestens aber mit 10,00 €, festzusetzen. Im vorliegenden Fall werden die Kosten mit dem Mindestsatz von 10,00 € festgesetzt
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind dem Beschwerdeführer nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben worden ist (§ 52 Abs 8 VwGVG).
Gemäß § 52 Abs. 6 VwGVG sind die §§ 14 und 54b Abs. 1 und 1a VStG sinngemäß anzuwenden. Gemäß § 54b Abs. 1 VStG idF BGBl l 2013/33 sind rechtskräftig verhängte Geldstrafen oder sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen binnen zwei Wochen nach Eintritt der Rechtskraft zu bezahlen. Erfolgt binnen dieser Frist keine Zahlung, kann sie unter Setzung einer angemessenen Frist von höchstens zwei Wochen eingemahnt werden. Nach Ablauf dieser Frist ist die Unrechtsfolge zu vollstrecken. Ist mit Grund anzunehmen, dass der Bestrafte zur Zahlung nicht bereit ist oder die Unrechtsfolge uneinbringlich ist, hat keine Mahnung zu erfolgen und ist sofort zu vollstrecken oder nach Abs. 2 vorzugehen.
Gemäß § 25 Abs. 2 BFGG hat das Bundesfinanzgericht, soweit dies nicht in der BAO, im ZollR-DG oder im FinStrG geregelt ist, in seiner Entscheidung zu bestimmen, welche Abgabenbehörde oder Finanzstrafbehörde die Entscheidung zu vollstrecken hat.
Hier erweist sich das Magistrat der Stadt Wien als Vollstreckungsbehörde zweckmäßig, da dem Magistrat der Stadt Wien bereits gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 VVG die Vollstreckung der von den (anderen) Verwaltungsgerichten erlassenen Erkenntnisse und Beschlüsse obliegt (vgl. für viele ausführlich sowie Wanke/Unger, BFGG § 25 BFGG Anm. 6).
Zur Unzulässigkeit der Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG die ordentliche Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Mit dem vorliegenden Erkenntnis weicht das Bundesfinanzgericht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, sondern folgt der in den oben angeführten Erkenntnissen zum Ausdruck gebrachten Judikaturlinie.
Aus diesem Grund war gemäß § 25a Abs 1 VwGG die Unzulässigkeit der Revision für die belangte Behörde gegen das vorliegende Erkenntnis auszusprechen.
Eine Revision durch die beschwerdeführende Partei wegen Verletzung in Rechten nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG kraft Gesetzes nicht zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Verwaltungsstrafsachen Wien |
betroffene Normen | § 2 Wiener Parkometergesetz 2006, LGBl. Nr. 09/2006 § 4 Abs. 2 Wiener Parkometergesetz 2006, LGBl. Nr. 09/2006 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.7500494.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at