Keine Familienbeihilfe über das Toleranzsemester pro Studienabschnitt hinaus, auch wenn Prüfungen aus dem nächsten Studienabschnitt vorgezogen werden
VfGH-Beschwerde zur Zahl E 1041/2023 anhängig. Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom abgelehnt.
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Rechtssätze | |
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Folgerechtssätze | |
RV/2100187/2022-RS1 | wie RV/7100874/2018-RS1 Wird ein Studienabschnitt innerhalb der vom FLAG 1967 für diesen vorgesehenen Zeit (also i.d.R. Mindeststudienzeit plus "Toleranzsemester") nicht abgeschlossen, fällt der Anspruch auf Familienbeihilfe weg. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende***SenV***, die Richterin ***1*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***SenLR1*** und ***SenLR2*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Artner WP/StB GmbH & Co KG Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung, Ludersdorf 201, 8200 Ludersdorf-Wilfersdorf, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Abweisung des Antrages auf Familienbeihilfe ab April 2021 für die Tochter ***2*** ***3*** ***4***, geboren am ***5***, Steuernummer Bf. ***BF1StNr1***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit des Schriftführers ***Sf*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer (Bf.) stellte mit Eingang einen Antrag auf (weitere) Zuerkennung der Familienbeihilfe für seine Tochter ***2***, legte einen Studienerfolgsnachweis vom für die Tochter vor und führte durch seine steuerliche Vertretung ergänzend aus:
"Anbei übersenden wir Ihnen die Bestätigung des Studienerfolges von Frau ***4*** ***2***. Aus dem zweiten Studienabschnitt sind alle Prüfungen beendet, nur die Fachprüfung ***6*** fehlt noch, die im September 2021 stattfinden wird. Dieser Prüfungstermin gehört noch zum Sommersemester 2021, weswegen das 2.Diplomprüfungszeugnis mit September, aber gültig für das Sommersemester 2021, ausgestellt werden wird.
Frau ***4*** hat bereits sämtliche Lehrveranstaltungen aus dem 3. Abschnitt vorgezogen, lediglich das Kombinationsfach fehlt noch, und die Diplomarbeit ist noch nicht abgeschlossen.
Die Noten der LVs, die dieses Semester abgeschlossen werden, werden meistens erst Ende Juni, Anfang Juli eingetragen, die scheinen also im Studienerfolgsnachweis noch nicht auf.
Der Septemberprüftermin gehört aber jedenfalls noch zum Sommersemester, den ersten Studienabschnitt hat Frau ***4*** auch mit einer Prüfung im September noch fristgerecht "im Sommersemester" abgeschlossen.
Aufgrund der Corona Situation, war es Frau ***4*** noch nicht möglich die Prüfung in Präsenz abzuhalten, was noch nachgeholt wird.
Leider wusste Frau ***4*** nicht, dass der 2. Abschnitt für das Finanzamt von Bedeutung ist,
sie hat angenommen, dass es reicht, wenn sie ihre ECTS erbringt."
Das Finanzamt wies den Antrag mit Bescheid vom ab mit der Begründung:
"Familienbeihilfe steht für volljährige Studierende unter folgenden Voraussetzungen zu:
• Das Kind hat das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet
• Das Kind besucht eine im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung
• Das Kind ist ordentliche Studierende oder ordentlicher Studierender
• Das Kind befindet sich innerhalb der vorgesehenen Studienzeit
Diese Voraussetzungen treffen bei Ihrem Kind nicht zu (§ 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967).
Da die vorgesehene Studiendauer inklusive Covidverlängerungssemester bereitsausgeschöpft ist, besteht ab April 2021 kein Anspruch auf Familienbeihilfe."
Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde vom erhoben:
"Gegen den oa Bescheid bringen wir innerhalb offener Frist Beschwerde ein und beantragen die Gewährung von Familienbeihilfe auch nach dem bis laufend.
Begründung: Frau ***2*** ***4*** studiert derzeit im elften Semester und wird ihr Studium bis etwa Februar 2022, also noch im elften erfolgreich abschließen.
Laut § 2 Abs. 1 b steht Familienbeihilfe dann zu, wenn die Studierende die vorgesehene Studienzeit (von 8 Semestern, gegliedert in 3 Studienabschnitte) pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreitet. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verlängert.
Frau ***2*** ***4*** studiert Jus, die vorgesehene Studiendauer beträgt 8 Semester. Bis zum Studienabschluß stehen ihr zwei Toleranzsemester und ein Covid Verlängerungssemester zu. Frau ***4*** hat bis auf 6 ETCS bereits alle Prüfungen des dritten Studienabschnitts erfolgreich absolviert und arbeitet bereits an der Diplomarbeit. Für die Absolvierung des zweiten Studienabschnitts fehlt ihr nur mehr eine Prüfung.
Die ihr zur Verfügung stehende Studienzeit mit Familienbeihilfenbezug von 8 Semestern zuzüglich 2 Toleranz- und ein Covid Verlängerungssemester beträgt daher 11 Semester. Sie wird innerhalb dieser Frist das Studium erfolgreich abschließen. Eine studienabschnittsweise Betrachtung kann unterbleiben.
Die Familienbeihilfe ist somit zu gewähren.
Wir ersuchen höflich um antragsgemäße Erledigung."
Am forderte das Finanzamt die Vorlage des 2.Diplomprüfungszeugnisses der Tochter an.
Der Bf. führte mit Schreiben vom aus, dass die Tochter die letzte Prüfung für ihren Studienabschnitt im Februar 2022 ablegen werde. Sie habe fast alle Prüfungen des dritten Studienabschnittes bereits abgelegt.
Sie werde ihr Studium also noch im Wintersemester, also bis Februar 2022 abschließen.
Das angeforderte 2. Diplomprüfungszeugnis der Tochter konnte nicht vorgelegt werden.
Das Finanzamt erlies eine abweisende Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom und führte begründend aus:
"Gemäß § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 ist bei volljährigen Kindern, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden.
§ 2 Abs 9 FLAG 1967 normiert, dass sich die Anspruchsdauer für volljährige Kinder, die eine in § 3 Studienförderungsgesetz genannte Einrichtung besuchen, in Zusammenhang mit der Covid-19-Krise über die Altersgrenze und höchstzulässige Studiendauer hinaus um ein weiteres Semester verlängert.
Ihre Tochter ***2*** studiert seit dem Wintersemester 2016/17 Rechtswissenschaften an der Universität ***7***. Dieses Diplomstudium dauert 8 Semester und gliedert sich in drei Studienabschnitte. Der erste Studienabschnitt umfasst zwei Semester, der zweite Studienabschnitt vier Semester und der dritte Studienabschnitt zwei Semester. Jedem Studienabschnitt kann ein Toleranzsemester hinzugerechnet werden.
Der erste Studienabschnitt wurde von Ihrer Tochter am abgeschlossen. Das Toleranzsemester aus dem ersten Studienabschnitt wurde damit nicht verbraucht. Voraussetzung für den Weiterbezug von Familienbeihilfe ist gemäß § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967, dass die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester überschritten wird. Wird ein Studienabschnitt innerhalb der gesetzlichen Studiendauer absolviert, kann das nicht konsumierte Toleranzsemester in den nächsten Abschnitt mitgenommen werden. Aufgrund der Studienbehinderung im Sommersemester 2020 in Zusammenhang mit der Covid-19-Krise kann zusätzlich (nach Verbrauch der Toleranzsemester) ein Verlängerungssemester gemäß § 2 Abs 9 FLAG 1967 gewährt werden.
Unter Berücksichtigung von zwei Toleranzsemestern (das "mitgenommene" Toleranzsemester aus dem ersten Studienabschnitt und ein weiteres Toleranzsemester für den zweiten Studienabschnitt) und dem Covid-19-Verlängerungssemester hätte ihre Tochter den zweiten Studienabschnitt bis zum Ende des Wintersemesters 2020/21 beenden müssen.
Da ihre Tochter den zweiten Studienabschnitt bis zu diesem Zeitpunkt nicht abgeschlossen hatte, stellte das Finanzamt die Auszahlung der Familienbeihilfe mit Ablauf des Monats März 2021 ein. Die Familienbeihilfe für den Monat März 2021 steht aufgrund § 15 FLAG 1967 (Covid-19-Sondertatbestand) zu.
Am stellten Sie einen neuerlichen Antrag auf Familienbeihilfe für ihre Tochter ***2*** ab April 2021. Dieser Antrag wurde mit der Begründung abgewiesen, dass die vorgesehene Studiendauer bereits ausgeschöpft ist. Gegen den Abweisungsbescheid vom brachten Sie fristgerecht Beschwerde ein und führten (zusammengefasst) begründend aus, dass ihre Tochter bis auf 6 ETCS bereits alle Prüfungen des dritten Studienabschnitts erfolgreich absolviert habe und bereits an der Diplomarbeit arbeite. Für die Absolvierung des zweiten Studienabschnitts fehle ihr nur mehr eine Prüfung. Eine studienabschnittsweise Betrachtung könne unterbleiben.
Bei einem in Studienabschnitte gegliederten Studium ist nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung des § 2 Abs 1 lit b zweiter Satz FLAG auf den jeweiligen Studienabschnitt und nicht auf die Gesamtstudienzeit abzustellen (vgl. RV/7100874/2018). Ein Anspruch auf Familienbeihilfe für einen weiteren Studienabschnitt besteht nur dann, wenn der vorhergehende Abschnitt rechtzeitig abgeschlossen wurde, auch wenn das Vorziehen von Prüfungen nach der jeweiligen Studienordnung möglich ist (vgl. RV/3026-W/07).
Aus dem klaren und eindeutigen Wortlaut des § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 ist keinerlei Hinweis erkennbar, dass eine fehlende Prüfung durch Ablegung von anderen Prüfungen des nächsten Studienabschnittes kompensiert werden kann.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen."
Dagegen wurde ein Vorlageantrag vom eingebracht mit Antrag auf Entscheidung durch den Senat und mündliche Verhandlung und ausgeführt:
"In Ergänzung unserer bisherigen Argumentation und Beweisführung verleihen wir unserer Rechtsmeinung Ausdruck, daß die BVE auf einer unrichtigen Interpretation des § 2 Abs. 1 b FLAG beruht.
Gemäß § 2 Abs. 1 b FLAG ist geregelt:
"Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetztes 1992, BGBl. Nr. 305,genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten."
Die beiden Kriterien "vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester" und "vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr" stehen gleichwertig nebeneinander zu beurteilen; die Erreichung eines der beiden Kriterien genügt, um die Anspruchsvoraussetzung gem. § 2 Abs. 1 b FLAG zu erfüllen. Zwei Studiensemester entsprechen einem Ausbildungsjahr. Da diese Regelung ausdrücklich für Einrichtungen gem. § 3 Studienforderungsgesetz 1992 gilt (auch Universitäten), und nicht etwa für Lehrberufe, ist der Begriff "Ausbildungsjahr" als Synonym für 2 Studiensemester zu verstehen.
Weitere Kriterien sind laut § 2 Abs. 1 b FLAG:
"Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr" "von Teilprüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von 8 Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird."
Die Familienbeihilfe ist daher unabhängig von der Absolvierung aller Prüfungen eines Studienabschnitts auch dann zu gewähren, wenn die Ausbildungszeit dadurch eingehalten wird, daß Prüfungen eines folgenden Studienabschnitts vorgezogen werden. Eine engere Auslegung würde dem Gleichheitsgrundsatz widersprechen, weil Gleiches (der Gesamtstudienerfolg) ungleich behandelt werden würde. Für die Gewährung der Familienbeihilfe muß es auf den Studienerfolg ankommen, nicht auf die Absolvierung eines Studienabschnitts. Die Finanzbehörde ist daher angehalten, den Studienerfolg daraufhin zu untersuchen, ob ein Abschluß des Studiums innerhalb der Gesamtstudiendauer zzgl. Toleranzsemester erreicht wird. Ist dies der Fall, besteht kein Grund, die Familienbeihilfe abzuerkennen, weil i.S.d. § 2 Abs. 1 b FLAG das Vorliegen einer Berufsausbildung anzunehmen ist.
Aus der beiliegenden Bestätigung der Karl Franzens Universität ***7*** für ***2*** ***4*** ergibt sich folgender Studienerfolg:
Studienjahr: Erfolg gesamt Mindest
ECTS 16/17 60 60 16
ECTS 17/18 21,5 81,5 32
ECTS 18/19 38 119,5 48
ECTS 19/20 56 175,5 64
ECTS 20/21 42 217,5 80
21/22 Studienabschluß
Bei 3 Studienabschnitten stehen 3 Toleranzsemester zu, ein weiteres wegen der Covid-Pandemie. Der Studienabschluß ist daher innerhalb der vorgesehenen Studiendauer einschließlich 4 Toleranzsemester zu erwarten.
Die Anträge gem. § 272/2 und 274/1 BAO begründen wir damit, daß das BFG von seiner bisherigen Rechtsprechung RV/7100874/2018 und RV/3026- W/07, abgehen muß und eine oberstgerichtliche Entscheidung offenkundig nicht vorliegt. Aufgrund des dargestellten Sachverhalts ersuchen wir höflich um positive Erledigung der Beschwerde."
Die Beschwerde wurde mit dem BFG vorgelegt und im Vorlagebericht im Wesentlichen auf die ausführliche Begründung in der BVE verwiesen.
Mit Schreiben des Bf. vom erfolgte an das BFG die Vorlage des Fachprüfungszeugnisses der Tochter für ***6**** vom .
Die Diplomprüfung werde als letzter Schritt im Laufe dieses Semesters eingereicht und das Studium abgeschlossen werden.
Die Voraussetzungen für die ununterbrochene Gewährung der Familienbeihilfe lägen vor.
Das FAÖ legte dem BFG das 2.Diplomprüfungszeugnis der Tochter des Bf. vom vor, beinhaltend die letzte Prüfung des 2. Abschnittes vom , welche nach den Angaben des Bf. auch die letzte Prüfung des Studiums war.
In der mündlichen Verhandlung verwies der Bf. auf den Gesetzestext des § 2 Abs. 1 lit. b 2. Satz FLAG 1967, wonach die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschritten werden dürfe. Der Gesetzgeber verwende das Wort "oder" und nicht das Wort "bzw." und daraus sei abzuleiten, dass es ausreichen müsse, innerhalb der vorgesehenen Gesamtstudienzeit das Studium zu beenden. Ein eindeutiger Gesetzestext sei einer teleologischen Auslegung nicht zugänglich. Das Ziel des Gesetzes sei es, diejenigen Auszubildenden von der Familienbeihilfe auszuschließen, die ihre Ausbildung nicht ernsthaft betreiben. Davon könne keine Rede sein, wenn die Auszubildende Prüfungen aus dem nächsten Studienabschnitt vorziehe und demnach zielstrebig studiere.
Die Bedeutung des Wortes "oder" im § 2 Abs. 1 lit. b 2. Satz FLAG 1967 werde nach Ansicht des Bf. in dieser Bestimmung durch das FAÖ falsch angewendet, sprich die Bedeutung des Wortes "oder" in dieser Bestimmung werde schlichtweg ignoriert - auch von der Rechtsprechung.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Tochter ***2*** des Bf. begann mit dem Wintersemester 2016/2017 mit dem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität ***7***.
Dieses Diplomstudium dauert 8 Semester und gliedert sich in drei Studienabschnitte. Der erste Studienabschnitt umfasst zwei Semester, der zweite Studienabschnitt vier Semester und der dritte Studienabschnitt zwei Semester.
Die Mindeststudienzeit beträgt 8 Semester.
Der erste Studienabschnitt wurde von der Tochter am (also noch im anrechenbaren Sommersemester, ihrem zweiten Semester) abgeschlossen. Das Toleranzsemester aus dem ersten Studienabschnitt wurde somit nicht verbraucht und konnte in den zweiten Studienabschnitt mitgenommen werden.
Den zweiten Studienabschnitt hat die Tochter im Wintersemester 2017/2018 begonnen. Die Mindeststudienzeit für den zweiten Abschnitt beträgt 4 Semester, einschließlich eines "Toleranzsemesters" fünf Semester, dazu kommen das Toleranzsemester aus dem ersten Studienabschnitt und ein pandemiebedingtes Covid-Verlängerungssemester (in Summe 7 Semester).
Mit März 2021 (also in ihrem 10. Semester) hatte sie den zweiten Studienabschnitt noch immer nicht abgeschlossen. Es fehlte ihr noch eine einzige Prüfung für das 2. Diplomprüfungszeugnis.
Diese Prüfung legte sie erst am (also in ihrem 12. Semester) ab.
Die Familienbeihilfe wurde ab April 2021 nicht weitergewährt.
Der dritte Studienabschnitt beträgt einschließlich des Toleranzsemesters drei Semester.
Die Tochter legte aber Prüfungen aus dem dritten Studienabschnitt vorgezogen (noch vor der letzten Teilprüfung für den zweiten Studienabschnitt) ab.
Nach dem fehlte nur mehr die Diplomarbeit, das Studium wurde im Dezember 2022 mit der Maga.iur beendet (also im 13. Semester).
2. Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage, den Finanzamtsdatenbanken und dem Vorbringen des Bf. und ist insofern unstrittig.
Der vom Bf. dargestellte Verlauf des Studiums seiner Tochter ist unbestritten und wurde mit den vorgelegten Zeugnissen nachgewiesen.
3. Rechtliche Beurteilung
§ 2 Abs. 1 lit. b FLAG in der für den beschwerdegegenständlichen Zeitraum maßgeblichen Fassung des BGBl I 156/2017 lautet auszugsweise:
"§ 2. (1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
b)1 für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.2Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten.3 Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. …
4 Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird; Gleiches gilt, wenn alle Lehrveranstaltungen und Prüfungen der Studieneingangs- und Orientierungsphase nach § 66 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, erfolgreich absolviert wurden, sofern diese mit mindestens 14 ECTS-Punkten bewertet werden. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß,"
Gemäß § 2 Abs. 9 FLAG 1967 verlängert sich die Anspruchsdauer nach Abs. 1 lit. b und lit. d für volljährige Kinder, die eine in § 3 Studienförderungsgesetz genannte Einrichtung besuchen, im Zusammenhang mit der Covid-19-Krise über die Altersgrenze und höchstzulässige Studiendauer hinaus um ein weiteres Semester unabhängig von der Dauer der Beeinträchtigung durch die Krise.
Gemäß § 10 Abs. 1 FLAG 1967 wird Familienbeihilfe nur auf Antrag gewährt. Die Familienbeihilfe wird nach § 10 Abs. 2 leg. cit. von Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt. Für einen Monat gebührt gemäß § 10 Abs. 4 FLAG Familienbeihilfe nur einmal.
Nach § 15 Abs. 1 FLAG 1967 idF BGBl. I Nr. 58/2021 (COVID-19-Gesetz-Armut) (in Kraft seit ) finden für Personen, die im Zeitraum von einschließlich März 2020 bis einschließlich Februar 2021 für zumindest einen Monat Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind haben, die während dieses Zeitraumes vorliegenden Anspruchsvoraussetzungen im unmittelbaren Anschluss an den Anspruchszeitraum bis März 2021 in Bezug auf dieses Kind weiter Anwendung, solange während dieses Zeitraumes keine andere Person anspruchsberechtigt wird.
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Zu klären ist im Beschwerdefall die Rechtsfrage, ob für den Zeitraum ab April 2021 ein Beihilfenanspruch des Bf. besteht, obwohl die Tochter die zweite Diplomprüfung erst am abgeschlossen hat bzw. ob das Vorziehen sämtlicher Prüfungen aus dem dritten Studienabschnitt den Familienbeihilfenanspruch der Tochter ab April 2021 zu begründen vermögen.
Nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn die Tochter die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreitet. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden.
Unter "vorgesehene Studienzeit" ist jene in Semestern oder Studienjahren definierte Zeitspanne zu verstehen, die in den jeweiligen Studienvorschriften für die Absolvierung eines Studienabschnittes oder des Studiums festgelegt ist (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2 § 2 Rz 76).
Ist das Studium nach den maßgeblichen Studienvorschriften in Semester gegliedert, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn die vorgesehene Studienzeit um nicht mehr als ein Semester pro Studienabschnitt überschritten wird (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg) FLAG2 § 2 Rz 80).
Im Beschwerdefall steht fest, dass das von der Tochter des Bf. betriebene Diplomstudium der Rechtswissenschaften in Studienabschnitte gegliedert und die Universität ***7*** eine in § 3 Studienförderungsgesetz genannte Einrichtung ist.
Nach § 14 Abs. 1 des Curriculums für das Diplomstudium der Rechtswissenschaften wird mit der positiven Beurteilung aller Teile einer Diplomprüfung der betreffende Studienabschnitt abgeschlossen.
Bei einem in Studienabschnitte gegliederten Studium ist nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. b zweiter Satz FLAG 1967 auf den jeweiligen Studienabschnitt und nicht auf die Gesamtstudienzeitabzustellen (vgl. die ständige Rechtsprechung des BFG, Erkenntnisse ; ; uam).
Der Bf. ist der Ansicht, dass ihm die Familienbeihilfe unabhängig von der Gliederung des Studiums in Studienabschnitte, somit für die errechnete Gesamtstudienzeit von 11 Semester (inkl. Toleranzsemester) bzw. 12 Semester inkl. Covid-Verlängerungssemester zustehe (also bis Ende Sommersemester 2022), und dass das Vorziehen von Prüfungen aus dem dritten Studienabschnitt (ohne vorherigen Abschluss des zweiten Studienabschnittes) ausreichend sei, um den Familienbeihilfenanspruch zu begründen, da insgesamt eine ernsthafte und zielstrebige Berufsausbildung mit Erarbeitung ausreichender ECTS-Punkte vorliege und es auf die Gesamtstudiendauer ankomme.
Dieser Ansicht kann aufgrund der Gesetzeslage nicht gefolgt werden.
Der Bf. übersieht mit seiner Auslegung, wonach bei einem in drei Studienabschnitte gegliederten Studium dieses insgesamt nicht länger als Mindeststudienzeit plus drei Semester (und Covid-Verlängerungssemester) dauern dürfe, die Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. b Satz 3 FLAG 1967: Diese wäre nämlich bei der vom Bf. gewählten Auslegung des § 2 Abs. 1 lit. b Satz 2 FLAG 1967 sinnleer.
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Satz 3 FLAG 1967 kann dann, wenn ein Studienabschnitt in der Mindeststudienzeit absolviert wird, das nicht verbrauchte "Toleranzsemester" in den nächsten Studienabschnitt mitgenommen werden (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2 § 2 Rz 81). Einen Rücktrag eines weiteren "Toleranzsemesters" von einem späteren Studienabschnitt in einen früheren Studienabschnitt sieht das Gesetz nicht vor. Bei der vom Bf. gewählten Auslegung ergäbe sich keine Notwendigkeit für § 2 Abs. 1 lit. b Satz 3 FLAG 1967, wenn ohnehin auf die Gesamtstudienzeit abzustellen wäre (vgl. ).
Unstrittig ist, dass die Tochter des Bf. - mit Ausnahme der Prüfung ***6**** - sämtliche erforderlichen Prüfungen des zweiten Studienabschnittes bis März 2021 absolviert hat. Unstrittig ist auch, dass die Tochter des Bf. alle Prüfungen des dritten Studienabschnittes vorgezogen hat.
Im Beschwerdefall konnte aber der für den Bezug der Familienbeihilfe erforderliche Nachweis der im zweiten Studienabschnitt abzulegenden Diplomprüfung auf Grund der fehlenden Prüfung ***6**** nicht erbracht werden, auch wenn die Tochter des Bf. zahlreiche Prüfungen des dritten Studienabschnittes erfolgreich abgelegt hat.
Für die Beurteilung der Frage, ob für den Zeitraum ab April 2021 ein Beihilfenanspruch des Bf. besteht, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine sogenannte ex-post Prüfung, sondern eine ex-ante Prüfung vorzunehmen. Das bedeutet, es ist nicht im Nachhinein rückblickend (ex-post) zu beurteilen, ob ein Beihilfenanspruch für einen bestimmten Zeitraum (bestimmte Kalendermonate) bestand, weil die Familienbeihilfe nicht am Ende eines Studiums rückwirkend zuerkannt wird, sondern nach der Bestimmung des § 10 FLAG 1967 für den einzelnen Monat bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen für diesen jeweiligen Monat (ex ante; mwN).
Der zweite Studienabschnitt wäre unter Berücksichtigung der beiden Toleranzsemester für diesen Abschnitt sowie des Covid-Verlängerungssemesters (bzw. Verlängerungstatbestandes) bis zum Ende des Wintersemesters 2020/2021, somit bis Ende März 2021, abzulegen gewesen. Da dies nicht der Fall war, bestand ab April 2021 kein Beihilfenanspruch mehr.
Das Finanzamt konnte zu diesem Zeitpunkt (ex-ante betrachtet) nicht feststellen, wann die Tochter des Bf. die zweite Diplomprüfung (bzw. die fehlende Teilprüfung) erfolgreich ablegen würde.
Es konnte daher nicht gleichsam "vorläufig" der Beihilfenanspruch mit der Maßgabe zuerkannt werden, dass die Tochter des Bf. das Studium in der Gesamtstudiendauer von 12 Semestern (unter Einrechnung der insgesamt zulässigen Toleranzsemester und Covid-Verlängerungen) abschließen würde, weil der Gesetzgeber im FLAG 1967 eine vorläufige Gewährung der Familienbeihilfe mit einer abschließenden rückblickenden Beurteilung des Beihilfenanspruchs am Ende des Studiums nicht vorgesehen hat.
Im Übrigen hat die Tochter ihr Studium ohnehin erst im 13. Semester beendet.
Bei Überschreiten der in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 für einen Studienabschnitt vorgesehenen Studienzeit zuzüglich der "Toleranzsemester" und eines "Verlängerungssemesters" fällt der Familienbeihilfenanspruch weg, der jedoch bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen dann "wieder auflebt", wenn der betreffende Studienabschnitt verspätet, aber doch positiv absolviert ist (vgl. ).
Daher kann dem Vorbringen des Bf., dass ein Anspruch bestehe, weil sich die Tochter noch im Rahmen der Gesamtstudiendauer von 12 Semestern befinde, nicht gefolgt werden.
Ab April 2021 bestand (selbst unter Berücksichtigung der Covid-Verlängerungsbestimmungen) kein Familienbeihilfenanspruch mehr.
Soweit der Bf. auf die vorgezogene Absolvierung des dritten Studienabschnittes verweist, ist klarstellend Folgendes festzuhalten: Damit der dritte Studienabschnitt als abgeschlossen gilt, ist auch eine Diplomarbeit zu verfassen, die frühestens nach positivem Abschluss des 2. Studienabschnitts eingereicht werden kann (vgl. § 16 Curriculum).
Die Zulassung zur zwingend vorgesehenen Defensio setzt die positive Beurteilung der Diplomarbeit voraus.
Fest steht, dass universitäre Leistungen des dritten Studienabschnittes bei fehlendem Abschluss des zweiten Studienabschnittes keinen Anspruch auf Familienbeihilfe zu begründen vermögen.
Dem Bf. ist zuzugestehen, dass bei rückblickender Betrachtung des Studienverlaufes und der Berücksichtigung des Umstandes, dass der dritte Studienabschnitt (bis auf die Diplomarbeit und deren Defensio) vorgezogen absolviert wurde, die Nichtgewährung der Familienbeihilfe ab April 2021 angesichts des unbestreitbaren Voranbringens des Studiums seitens der Tochter ungerecht erscheint.
§ 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 ist zwingendes Recht, das auf individuelle, der Bestimmung nicht entsprechende Studienverläufe keine Anwendung findet. Aus dem Wortlaut des Gesetzes ist nicht abzuleiten, dass fehlende Prüfungen durch Ablegung anderer Prüfungen des nächsten Studienabschnittes kompensiert werden können.
Dass § 2 Abs. 1 lit. b zweiter Satz FLAG 1967 nicht so zu verstehen ist, wie ihn der Bf. auslegt (vgl. die Ausführungen zur mündlichen Verhandlung), ergibt sich auch aus der Rechtsprechung des VwGH.
Der VwGH hat im Erkenntnis vom , 2010/16/0084, zu einem gleich gelagerten Sachverhalt (Student beendet den ersten, an sich 4 Semester umfassenden Studienabschnitt nicht innerhalb des Toleranzsemesters zeitgerecht, zieht aber wesentliche Prüfungen des zweiten Abschnittes vor und verkürzt damit die 5 Semester dauernde Studienzeit für den zweiten Abschnitt auf 3 Semester, womit er eine Gesamtstudiendauer von 11 Semester nicht überschreitet) erwogen, dass aufgrund der gebotenen ex-ante Betrachtung die Gesamtstudiendauer nicht relevant sei und ausgeführt:
"Familienbeihilfe wird eben nicht am Ende eines Studiums rückwirkend zuerkannt, sondern nach der Bestimmung des § 10 FLAG für den einzelnen Monat bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen für diesen jeweiligen Monat. Ist daher der erste Studienabschnitt nicht innerhalb der vorgesehenen Studienzeit zuzüglich des "Toleranzsemesters" absolviert, so besteht der Anspruch auf Familienbeihilfe nicht deshalb weiter, weil bei einer ex post Betrachtung nach Ende des Studiums die Gesamtstudienzeit nicht überschritten worden wäre.
Eine wörtliche Auslegung des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG, wonach eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen ist, wenn die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester überschritten wird, ergäbe, dass bei einer Überschreitung der Studiendauer nach dem ersten Studienabschnitt keine Berufsausbildung mehr (auch im zweiten Studienabschnitt) vorläge.
Die Bestimmung, dass eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen ist, wenn das Kind die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester überschreitet, wurde durch das Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 201, eingeführt. Die Materialien (72 Blg NR, 20. GP, 294 f) führen dazu aus, dass bei Studierenden die Familienbeihilfe in Anlehnung an das Studienförderungsgesetz grundsätzlich nur mehr dann gewährt werden soll, wenn die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt ein Semester nicht überschreitet.
§ 18 des Studienförderungsgesetzes 1992 (StudFG) in der bei Erlassen des Strukturanpassungsgesetzes 1996 maßgebenden Fassung lautet:
,Anspruchsdauer
§ 18. (1) Die Anspruchsdauer umfasst grundsätzlich die zur Absolvierung von Diplomprüfungen, Rigorosen, Lehramtsprüfungen oder anderen das Studium oder den Studienabschnitt abschließenden Prüfungen vorgesehene Studienzeit zuzüglich eines weiteren Semesters. Sofern das Ausbildungsjahr nicht in Semester gegliedert ist. …
Wenn wichtige Gründe für die Überschreitung dieser Zeitspanne vorliegen, kann die Anspruchsdauer entsprechend verlängert werden (§ 19).
(2) Nach Überschreitung der Anspruchsdauer liegt ein günstiger Studienerfolg so lange nicht vor, bis die abschließende Prüfung abgelegt wird.
(3) Die Anspruchsdauer wird nicht durch Semester verkürzt, die vor Absolvierung der dem vorhergehenden Studienabschnitt abschließenden Diplomprüfung oder des jeweiligen Rigorosums absolviert wurden und in den laufenden Studienabschnitt einzurechnen sind.
(4) Für Studierende an Universitäten und Kunsthochschulen, die die erste Diplomprüfung (das erste Rigorosum) in der vorgesehenen Studienzeit abgelegt haben, verlängert sich in dieser Studienrichtung die Anspruchsdauer im zweiten Studienabschnitt um ein Semester. Entsprechendes gilt bei Studienrichtungen, die in drei Studienabschnitte gegliedert sind, für die zweite Diplomprüfung (das zweite Rigorosum).
(5) …'
Mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 98/1997 wurde das StudFG geändert und lautet dessen § 18 Abs. 3 nunmehr wie folgt:
,(3) Die Anspruchsdauer eines weiteren Studienabschnitts beginnt nicht vor jenem Semester, in dem die den vorangehenden Studienabschnitt abschließende Prüfung abgelegt wurde.'
Die Materialien (701 Blg NR, 20. GP, 11) führen dazu aus, dass diese Bestimmungen eine notwendige Anpassung an das Universitäts-Studiengesetz sei, welches künftig nicht mehr die Einrechnung von Semestern vorsehe. Ob die Anspruchsdauer des zweiten oder dritten Studienabschnitts bereits in jenem Semester beginnt, in welchem die Diplomprüfung abgelegt wurde, hänge davon ab, ob sich der Studierende bei Ablegung der Diplomprüfung noch innerhalb der Anspruchsdauer befinde (in diesem Fall beginne die Anspruchsdauer des nächsten Studienabschnittes erst im darauffolgenden Semester).
Die teleologische Auslegung dieser Anordnung des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG führt anhand der Aussagen in den Materialien bei der Einführung der Bestimmung, dass die Regelung an das Studienförderungesgesetz angelehnt werden solle, dazu, dass bei Überschreiten der in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG vorgesehenen Studienzeit zuzüglich des ,Toleranzsemesters' der Familienbeihilfenanspruch wegfällt, jedoch bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen dann (analog zu § 18 Abs. 2 StudFG) ,wieder auflebt', wenn der betreffende Studienabschnitt verspätet, aber doch positiv absolviert ist (vgl. auch - wenngleich ohne nähere Begründung - Wimmer in Csaszar/Lenneis/Wanke, Familienlastenausgleichsgesetz, § 2 Rz 83).
Die belangte Behörde ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass der Anspruch auf Familienbeihilfe für F mit Ende des fünften Semesters im ersten Studienabschnitt weggefallen ist. Ein ,Wiederaufleben' dieses Anspruches, das Vorliegen der Voraussetzungen für diesen Anspruch, nimmt die belangte Behörde mit dem späteren positiven Abschluss des ersten Studienabschlusses an."
Weiters führt der VwGH im Erkenntnis vom , 2006/15/0340, aus, dass § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 auf "Semester" iSd universitätsrechtlichen Bestimmungen abstellt. Unabhängig davon, ob die erfolgreiche Beendigung eines Studienabschnittes mit dem Ende eines Semesters zusammenfällt, beginnt die in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 angeordnete Semesterzählung für den nächsten Studienabschnitt mit dem auf den erfolgreich vollendeten Studienabschnitt folgenden Semester (unter Verweis auf Wittmann/Papacek, Kommentar zum FLAG, C 10).
Angesichts der aufgezeigten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, der die ständige Rechtsprechung des BFG folgt, besteht bei der derzeitigen Rechtslage, die auf den tatsächlichen Studienverlauf und ein durchaus übliches Vorziehen von Prüfungen aus nachfolgenden Studienabschnitten, zu wenig Rücksicht nimmt, auch im gegenständlichen Fall für das BFG keine andere Entscheidungsmöglichkeit.
Schließlich sei auch noch angemerkt, dass das BFG in der Entscheidung vom , RV/7100874/2018 verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 nicht gehegt und daher von einer Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof nach Art. 140 Abs. 1 Zif. 1 B-VG abgesehen hat; ausschlaggebend war dafür insbesondere der Umstand, dass die Gliederung eines Diplomstudiums in Studienabschnitte nicht willkürlich erfolgt, sondern sich aus den jeweiligen universitären Anforderungen an eine sinnvolle Studiengliederung ergibt und üblicherweise ein Studienabschnitt auf dem vorangehenden aufbaut. Es wurde auch als nicht unsachlich erkannt, wenn der Gesetzgeber das Ziel eines möglichst raschen Studienverlaufs durch Abstellen auf den einzelnen Studienabschnitt als kleinere Einheit und nicht durch Abstellen auf das gesamte Studium umsetzt.
Schlussendlich hat der unabhängige Finanzsenat in seiner Entscheidung vom , RV/3026-W/07, ausgesprochen, dass ein Anspruch auf Familienbeihilfe für einen weiteren Studienabschnitt nur dann besteht, wenn der vorhergehende Abschnitt rechtzeitig (unter Berücksichtigung von Toleranzsemestern) abgeschlossen wurde, auch wenn das Vorziehen von Prüfungen nach der jeweiligen Studienordnung möglich ist. Gegen diese Entscheidung wurde Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof erhoben, der eine Behandlung der Beschwerde jedoch mit Beschluss vom , B 1214/08, abgelehnt hat. Die Beschwerde wurde an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten, das Verfahren von diesem aber mit Beschluss vom , 2008/13/0208, eingestellt.
Aus den angeführten Gründen war somit spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 3 StudFG, Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305/1992 § 2 Abs. 9 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 15 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 10 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 15 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 2 Abs. 1 lit. b Satz 3 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 2 Abs. 1 lit. b Satz 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 10 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.2100187.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at