1. Keine berufliche Notwendigkeit eines häuslichen Arbeitszimmers (hier: eines Regulatory Affairs Compliance Managers), wenn am Sitz des Dienstgebers ein Arbeitsraum zur Verfügung steht 2. Keine Anerkennung rückwirkender Rechtsgeschäfte im Steuerrecht
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020 zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
In seinem Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung für 2020 machte der Beschwerdeführer (Bf.) ua. Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer iHv. € 2.197,- als Werbungskosten geltend.
Über Vorhalt des Finanzamtes vom teilte der Bf. mit Eingabe vom ua. mit:
"Ich bin bei XY-PHARMA GmbH in 1234 L angestellt, verrichte aber meine Tätigkeit als Regulatory Affairs Compliance Manager von meinem Home-Office in Graz aus. Gelegentlich ist meine Anwesenheit in L erforderlich. Reisekosten für Übernachtung & Verpflegung werden von meinem Arbeitgeber nicht übernommen. Für mein Home-Office habe ich ein Büro in meiner Wohnung R-Straße 52 in Graz. Anfallende Ausgaben für Miete, Strom undHeizung mache ich entsprechend des Anteils an der Wohnfläche mit 17,5% der Kosten geltend. (…)"
Unter Einem legte der Bf. Zahlungsnachweise (betreffend Miete, Strom, Heizung) sowie den Mietvertrag über die Wohnung in Graz vor.
Im angefochtenen Bescheid ließ das Finanzamt diese Kosten außer Ansatz. Die Begründung lautet auszugsweise:
"Aufwendungen oder Ausgaben für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer und dessenEinrichtung sowie für Einrichtungsgegenstände liegen nur dann vor, wenn diese den Mittelpunkt dergesamten betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit des Antragstellers bildet und nahezu ausschließlichbetrieblich oder beruflich genutzt wird. Diese Voraussetzungen sind in Ihrem Fall nicht gegeben, daherkönnen die geltend gemachten Aufwendungen (Miete, Strom, Heizung…) für Arbeitszimmer nichtberücksichtigt werden.
Das Home-Office-Pauschale (Rechnung IKEA € 109,-) wurde gewährt.
Die beantragten und nachgewiesenen Arbeitsmittel und Reisekosten wurden berücksichtigt.
Von den Internetkosten wurde ein Privatanteil von 60% in Abzug gebracht. (…)"
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit folgender Begründung:
"Ich war im Jahr 2020 an 30 Arbeitstagen am Firmensitz im L. Die Tatsache, dass eine Wegstrecke zwischen Graz und L ca. 225 km (bzw. 2,5 Stunden] beträgt, ist ein tägliches Pendeln ausgeschlossen. Somit ist die Voraussetzung, dass mein Büro "den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit des Antragstellers bildet und nahezu ausschließlich betrieblich oder beruflich genutzt wird" erfüllt. Ich mache deshalb die anfallenden Ausgaben für Miete, Strom und Heizung entsprechend des Anteils an der Wohnfläche mit 17,5% der Kosten geltend [siehe Anhang). (…)"
Über weiteren Vorhalt der Abgabenbehörde legte der Bf. seinen Dienstvertrag vom vor.
Darin heißt es unter § 3 - Dienstort: "Der gewöhnliche Arbeitsort des Dienstnehmers ist der Betriebsstandort des Dienstgebers, derzeit in 1234 L. Dem Dienstgeber bleibt die vorübergehende oder dauernde Versetzung an einen anderen Dienstort unter Beachtung des Grundsatzes billigen Ermessens vorbehalten."
Die abweisende Beschwerdevorentscheidung vom begründet das Finanzamt - auszugsweise wörtlich wieder gegeben - wie folgt:
"Werbungskosten für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer und dessen Einrichtung liegen nur dann vor, wenn dieses den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Antragstellers bildet und (nahezu) ausschließlich betrieblich oder beruflich genutzt wird.
Verfügt ein Steuerpflichtiger als Arbeitnehmer über ein jederzeit zugängliches Arbeitszimmer an der Arbeitsstätte, steht dies der Notwendigkeit eines häuslichen Arbeitszimmers entgegen ( bzw. ).
Laut vorgelegtem Dienstvertrag wird vom Arbeitgeber ein Arbeitszimmer zur Verfügung gestellt. Die Nutzung des Arbeitszimmers ist daher nicht als notwendig anzusehen. Sie ist vielmehr Folge einer freiwilligen Willenserklärung. Ein steuerlich abzugsfähiges Arbeitszimmer liegt daher nicht vor. (…)"
Im dagegen erhobenen Vorlageantrag vom führt der Bf. aus:
"Aus dem beigelegten Änderungsvereinbarung zum Dienstvertrag zwischen mir und meinem Dienstgeber geht hervor, dass "Der gewöhnliche Arbeitsort des Dienstnehmers ist der Hauptwohnsitz des Dienstnehmers" und ich nur einmal pro Woche am Betriebsstandort des Dienstgebers arbeite.
Eingedenk der räumlichen Distanz zwischen meinem Hauptwohnsitz (Graz) und dem Betriebsstandort des Dienstgebers (L) von ca. 225km kann die Benutzung meines häuslichen Arbeitszimmers nicht als freiwillige Willenserklärung meinerseits ausgelegt werden (…)"
Dem Vorlageantrag war eine "Änderungsvereinbarung zum Dienstvertrag", abgeschlossen zwischen dem Bf. und seiner Dienstgeberin, vom 25./ beigelegt. Darin heißt es:
"Zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer besteht ein geschlossener Dienstvertrag.
Der Absatz "§3 Dienstort" dieses Vertrages wird einvernehmlich dahingehend abgeändert, sodass er ab zu lauten hat:
Der gewöhnliche Arbeitsort des Dienstnehmers ist der Hauptwohnsitz des Dienstnehmers. Der Dienstnehmer arbeitet 1x wöchentlich am Betriebsstandort des Dienstgebers. Die Fahrt vom Hauptwohnsitz des Dienstnehmers zum Betriebsstandort des Dienstgebers zählt nicht als Arbeitszeit und wird dem Dienstnehmer vom Dienstgeber nicht vergütet. Dem Dienstgeber bleibt die vorübergehende oder dauernde Versetzung an einen anderen Dienstort unter Beachtung des Grundsatzes billigen Ermessens vorbehalten. (…)"
In seinem Vorlagebericht an das BFG vom führt das Finanzamt ua. aus:
"Das vom Beschwerdeführer geltend gemachte Arbeitszimmer liegt in der Wohnung des Beschwerdeführers und ist somit als "im Wohnungsverband gelegen" zu beurteilen (Siehe Foto Seite 8 der Datei "Antwort Vorhalt "). (…)
Der Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit des Beschwerdeführers liegt nicht im Arbeitszimmer, da ein Regulatory Compliance Manager nach der Verkehrsauffassung seinen Mittelpunkt der Tätigkeit nicht im Arbeitszimmer hat. Daran ändert auch der rückwirkend geänderte Arbeitsvertrag (Siehe Seite 4 vom Vorlageantrag) nichts, da eine vertragliche Gestaltung von steuerlichen Tatbeständen ausgeschlossen ist. (…)
Der Beschwerdeführer verfügt über ein jederzeit zugängliches Arbeitszimmer an seinem Arbeitsplatz (siehe Dienstvertrag in der Datei "Beantwortung vom zu Vorhalt 2"), wodurch ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer nicht mehr als notwendig anzusehen ist. (…)"
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Bf. erzielte im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Regulatory Affairs Compliance Manager. Strittig ist die Abzugsfähigkeit von Kosten für ein (häusliches) Arbeitszimmer als Werbungskosten (anteilige Miete, Strom-, Heizungskosten).
Der Dienstvertrag des Bf. vom sieht unter § 3 ("Dienstort") vor, dass sich der gewöhnliche Arbeitsort des Bf. am Betriebsstandort der Dienstgeberin in L befindet.
Der maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Vorbringen des Bf. sowie aus dem vorgelegten Dienstvertrag.
2. Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. d EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften ua. Aufwendungen oder Ausgaben für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer und dessen Einrichtung sowie für Einrichtungsgegenstände der Wohnung nicht abgezogen werden. Bildet ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen, sind die darauf entfallenden Aufwendungen und Ausgaben einschließlich der Kosten seiner Einrichtung abzugsfähig.
Die berufliche Nutzung eines Arbeitszimmers muss nach der Art der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erforderlich, dh notwendig sein. Der Raum muss tatsächlich ausschließlich oder nahezu ausschließlich beruflich genutzt und auch entsprechend eingerichtet sein (zB ).
Verfügt der Steuerpflichtige als Arbeitnehmer über ein jederzeit zugängliches Arbeitszimmer an der Arbeitsstätte, steht dies der Notwendigkeit eines häuslichen Arbeitszimmers entgegen (; ; ).
Das Finanzamt hat aus § 3 des Dienstvertrages des Bf. zu Recht den Schluss gezogen, dass der Bf. über ein jederzeit zugängliches Arbeitszimmer am Sitz seiner Dienstgeberin verfügt (s. Begründung der Beschwerdevorentscheidung). Anderenfalls hätte nicht der "Betriebsstandort der Dienstgeberin in L" als gewöhnlicher Arbeitsort des Bf. festgelegt werden können.
Der Bf. hat dies - etwa im Vorlageantrag - auch nicht bestritten. Auch den bezüglichen Ausführungen des Finanzamtes im Vorlagebericht an das trat der Bf. nicht entgegen.
Die Möglichkeit der Benutzung eines Arbeitsraumes am Firmensitz bzw. in den Räumlichkeiten der Dienstgeberin steht aber nach der dargestellten Rechtsprechung der Notwendigkeit eines häuslichen Arbeitszimmers jedenfalls entgegen.
An der Benutzungsmöglichkeit des Arbeitszimmers am Firmensitz ändert auch die Tatsache nichts, dass die Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsort eine gewisse Zeit (hier mehr als 2 Stunden) in Anspruch nimmt (vgl. dazu nochmals ). Wenn der Bf. - aus welchen Gründen immer - seinen Wohnsitz nicht in die Nähe der Dienstgeberin verlegen möchte und es diese dem Bf. folglich ermöglicht, seinen Dienst nur an einzelnen wenigen Tagen am Firmensitz verrichten zu müssen, so stellt dieses Entgegenkommen der Dienstgeberin für den Bf. zwar eine Erleichterung seiner Arbeitsbedingungen dar. Ein steuerlich notwendiges Arbeitszimmer kann dadurch jedoch nicht begründet werden, steht dem Bf. doch unbestritten ein jederzeit verfügbares Arbeitszimmer am Sitz der Dienstgeberin zur Verfügung (wenngleich dieses laut Beschwerdevorbringen auch nur sehr selten aufgesucht werde).
Im Vorlageantrag vom wird (ergänzend) auf eine nur wenige Tage zuvor geschlossene Änderungsvereinbarung zum Dienstvertrag verwiesen, welcher zufolge rückwirkend ab als gewöhnlicher Arbeitsort des Bf. dessen Hauptwohnsitz gelten solle. Nach der ständigen höchstgerichtlichen Judikatur (zB ; ; ; uva.) sind jedoch rückwirkende Rechtsgeschäfte ungeachtet ihrer zivilrechtlichen Zulässigkeit für den Bereich des Steuerrechtes nicht anzuerkennen, es sei denn, der Gesetzgeber selbst hätte diesen Grundsatz durch eine besondere Vorschrift ausdrücklich oder schlüssig zu Gunsten einer steuerlichen Relevanz rückwirkender Tatbestände durchbrochen. Eine derartige gesetzliche Ausnahme zugunsten der Relevanz von rückwirkenden Vereinbarungen besteht für den vorliegenden Fall allerdings nicht.
Dazu kommt, dass dem Bf. ungeachtet der "rückwirkenden" Abänderung des gewöhnlichen Arbeitsortes auf Grund der ursprünglich geltenden Regelung im Dienstvertrag im Streitjahr jedenfalls ein Arbeitszimmer am Betriebssitz der Dienstgeberin zur Verfügung stand und ihm dieses auf Grund der nunmehrigen Vereinbarung augenscheinlich auch weiterhin zur Verfügung steht. Denn selbst in der Abänderungsvereinbarung vom ist geregelt, dass der Bf. einmal wöchentlich am Betriebsstandort der Dienstgeberin arbeitet.
Es ist zudem nicht ungewöhnlich, sondern vielmehr der Regelfall, dass - wie in der Änderungsvereinbarung vom 25./ festgehalten - Fahrten eines Dienstnehmers zwischen Wohn- und Arbeitsort weder als Arbeitszeit gelten noch vom Dienstgeber in irgendeiner Form abgegolten werden.
Bei der gegebenen Sachlage erübrigt es sich, auf die Frage nach dem materiellen Schwerpunkt der Tätigkeit des Bf. näher einzugehen.
An der dargestellten Beurteilung ändert auch der Umstand nichts, dass ab dem Jahr 2020 berufliche Tätigkeiten coronabedingt generell in vermehrtem Ausmaß im Homeoffice verrichtet wurden (bzw. vielfach sogar verrichtet werden mussten). Dem wurde aber vom Gesetzgeber durch die Schaffung gesonderter Absetzmöglichkeiten Rechnung getragen (zB für ergonomisch geeignetes Mobiliar; im Falle des Bf. wurden dafür im angefochtenen Bescheid antragsgemäß € 109,- berücksichtigt).
Da der Bf. laut seinem Vorbringen in der Beschwerde im Streitjahr an 30 Arbeitstagen (und sohin nur 2 - 3mal pro Kalendermonat) am Betriebsstandort in L gearbeitet hat, war es auch nicht möglich, zugunsten des Bf. ein - von ihm nicht beantragtes - (aliquotes) Pendlerpauschale zu berücksichtigten.
Auf Grund der dargestellten Sach- und Rechtslage war spruchgemäß zu entscheiden.
Zur Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das BFG konnte seine Entscheidung auf die zitierte Judikatur des VwGH stützen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung lag sohin nicht vor, weshalb die Revision an den VwGH nicht zuzulassen war.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 20 Abs. 1 Z 2 lit. d EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.2100905.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at