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Bescheidbeschwerde – Senat – Beschluss, BFG vom 03.02.2023, RV/7103804/2018

Ausnahmsweise Aufhebung unter Zurückverweisung gemäß § 278 BAO

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende Dr. Anna Radschek, die Richterin Mag. Julia Carola Cermak-Kapl MA und die fachkundigen Laienrichter ***LR 1*** und ***LR 2*** in der Beschwerdesache ***Bf**, ***Bf-Adr***, vertreten durch APP Steuerberatung GmbH, Schenkenstraße 4 Tür 6, 1010 Wien, betreffend Beschwerde vom gegen den Bescheid des damaligen Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom betreffend Einkommensteuer 2014, Steuernummer ***Bf-StNr***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin Nadine Bernold beschlossen:

Der angefochtene Bescheid betreffend Einkommensteuer 2014 vom und die Beschwerdevorentscheidung vom werden gemäß § 278 Abs. 1 BAO unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde aufgehoben.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Verfahrensgang und Parteienvorbringen

Im Rahmen seiner am eingebrachten Einkommensteuererklärung für das Jahr 2014 beantragte der Beschwerdeführer die Nichtfestsetzung eines Betrages iHv EUR 28.039,82 in Zusammenhang mit Umständen, die zum Verlust des Besteuerungsrechts der Republik Österreich führen gemäß § 27 Abs 6 Z 1 lit b EStG 1988. Die Veranlagung erfolgte am , ohne über die Festsetzung abzusprechen.

Nach einem umfangreichen Vorhalteverfahren wurde mit Bescheid vom der ursprüngliche Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2014 gemäß § 299 BAO aufgehoben und der nichtfestzusetzende Betrag gemäß § 27 Abs 6 Z 1 lit b EStG 1988 mit EUR 149.843,48 bestimmt. Dies entspricht 25% des vom Finanzamt mit Unterstützung des Bundesweiten Fachbereichs ermittelten Wertzuwachses von EUR 599,373,92.

Begründend wurde ausgeführt, dass der Abgabepflichtige im März 2014 mit seiner Familie nach Kroatien gezogen sei, nachdem er im Februar 2012 die ***kroatische Gesellschaft*** gegründet habe. Bei dieser handle es sich um eine Kapitalgesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in Zagreb, welche einen Handel mit Rohstoffen und Produkten aus natürlichen und künstlichen Materialien betreibe. Aufgrund des Überganges des Ansässigkeitsstaates komme es zu einem Verlust des Besteuerungsrechts der Republik Österreich an den Einkünften aus realisierten Wertsteigerungen im Ausmaß der Differenz zwischen dem Unternehmenswert zum Verlustzeitpunkt und den ursprünglichen Anschaffungskosten.

Strittig sei hinsichtlich der Berechnung des Unternehmenswertes insbesondere die Höhe des anzusetzenden Unternehmerlohns und die Unternehmensdauer gewesen. Im Zuge der Beantwortung der Vorhalte seien zwei unterschiedliche Gutachten eingereicht worden, welche teilweise von unterschiedlichen Annahmen ausgingen etwa hinsichtlich des Unternehmerlohnes. Der bundesweite Fachbereich für Unternehmensbewertung habe eine diesbezügliche Stellungnahme abgegeben.

Auch wenn im gegenständlichen Fall ein Ingenieur einer österreichischen HTL mit hohem einschlägigen Fachwissen und Berufspraxis als alleinige Kontaktperson eines einzigen Lieferanten und eines kleinen Kundenstocks "die Fäden" in der Hand halte, sei jedoch nicht von einer Unersetzlichkeit iSd Erkenntnis auszugehen, da das Unternehmen zwischen den wenigen Kunden und Lieferanten als Verbindungsstück fungiere, was für beide Seiten von Interesse sei. Ein fremder Dritter der in diese Position (ohne Mitarbeit des bisherigen Inhabers) einsteige, würde zwar Umstellungsprobleme verursachen, nicht aber das Wegschmelzen der Lieferanten-Kunden-Beziehung.

Im Hinblick auf das Erkenntnis und BStBK (2014), Rz. 26 sei ein Abschmelzen nur zu berücksichtigen, wenn es konkrete Hinweise auf das Ausscheiden des Gesellschafter-Geschäftsführers gäbe. Der Hinweis, dass der Beschwerdeführer mit Erreichen des Pensionsalters dem Unternehmen nicht mehr zur Verfügung stehe, sei bei einem am Ende des Detailplanungszeitraums 42-Jährigen nicht relevant. Es bestehe daher kein Grund von der unbegrenzten Unternehmensdauer abzuweichen.

Im Rahmen des Vorhalteverfahrens seien zwei Gutachten (eines des steuerlichen Vertreters selbst und eines des gerichtlich zertifizierten Sachverständigen ***SV***) vorgelegt worden. Die beiden Gutachten gingen vom selben Zahlenmaterial aus, kämen trotz unterschiedlicher Begründungen aber zur selben Dauer des Unternehmens.

Weder die "bevorstehende" Pensionierung des wertbeeinflussenden Gesellschafter-Geschäftsführers, noch die Begründung mit Produktzyklen könnten aus Sicht der Abgabenbehörde die begrenzte Dauer rechtfertigen.

Im Hinblick auf den zweiten strittigen Punkt, die Höhe des Unternehmerlohns sei vom Finanzamt der vom Gutachter angesetzte Wert von EUR 100.000,- als ausreichend plausibel betrachtet und entsprechend angesetzt worden.

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht am Beschwerde erhoben und beantragt, die gemäß § 27 Abs 6 Z 1 lit b EStG nicht festgesetzte Steuerschuld auf EUR 17.825,00 herabzusetzen. Begründend wurde dazu ausgeführt, dass der Klient der Aufforderung der Finanzverwaltung nachgekommen sei und die Erstellung eines Gutachtens durch einen unabhängigen, gerichtlich zertifizierten Sachverständigen in Auftrag gegeben habe. Dieser habe ein Gutachten zum , dem Zeitpunkt des Wegzuges, vorgelegt, das einen Unternehmenswert von rd TEUR 74 bescheinigt habe. Trotz der umfassenden und schlüssigen Dokumentation habe die Behörde den Wertzuwachs auf EUR 599.373,92 festgetzt, und dies bei einem "Ein-Mann-Unternehmen" ohne wesentlicher Infrastruktur, ohne geschütztes Know-How, in einem ungeschützten Markt ohne Zutrittsbarrieren.

Der wesentliche wertbestimmende Unterschied liege vor allem in der differenzierten Ansicht hinsichtlich der Planung sowie hinsichtlich des Ansatzes einer ewigen Rentenphase. Es sei weder schlüssig noch adäquat, den Wert der ***kroatische Gesellschaft*** zum derart hoch anzusetzen. Der vom Gutachter ***SV*** ermittelte Unternehmenswert spiegle sämtliche, zu berücksichtigende Faktoren wider und stelle nach dem Erachten der steuerlichen Vertretung einen realistischen, plausiblen Wert dar. Die von der Finanzverwaltung in ihrer Bewertung berücksichtigten Parameter und Annahmen, insbesondere hinsichtlich der ewigen Rentenphase, könnten nicht plausibel sein, da diese nicht auf die Besonderheiten und Rahmenbedingungen des Unternehmens Bedacht nähmen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründet wurde dies dahingehend, dass der Einkommensteuerbescheid 2014 auf Grundlage eines umfangreichen Vorhalte- und Beweiswürdigungsverfahrens erlassen worden sei, in welches auch der bundesweite Fachbereich für Bewertung intensiv eingebunden gewesen sei. Strittig sei die Frage der Bedeutung des mittägigen Eigentümers für den Unternehmenswert, die übertragbare Ertragskraft sowie die Unternehmensdauer.

Nachdem die steuerliche Vertretung im Zuge der Beschwerde keine Begründungen, Sachverhaltsaspekte oder Judikate vorbringe, die vor der Bescheiderlassung nicht bereits bekannt gewesen und gewürdigt worden seien, sehe sich das Finanzamt nicht veranlasst, von der bisher vertretenen Rechtsmeinung abzuweichen.

In der Folge beantrage der Beschwerdeführer mit Schreiben vom die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Entscheidung durch den Senat.

Vom Finanzamt wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht am vorgelegt.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesfinanzgerichts vom wurde diese Rechtssache der ursprünglich zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung mit Wirkung zum übertragen.

Am fand ein Erörterungstermin statt, bei dem auch der Gutachter ***SV*** sowie der Beschwerdeführer persönlich anwesend waren.

Der Beschwerdeführer gab an, dass die Tätigkeit im Jänner 2014 aus seiner Wohnung ausgeübt worden sei, geholfen habe ihm seine Frau. Es gäbe keine langfristigen Verträge mit Kunden, sie hätten drei Kunden gehabt und bei diesen keine Exklusivität.

Der Gutachter hielt fest, dass er die Aussagen in seinem Gutachten weiterhin aufrecht halte und keine neuen Erkenntnisse in Bezug auf das Gutachten im Rahmen des Erörterungstermins gewonnen habe.

In der antragsgemäß durchgeführten mündlichen Verhandlung am führten die Parteien im Wesentlichen aus wie in den Schriftsätzen im bisherigen Verfahren.

Die Senatsvorsitzende wies die Parteien darauf hin, dass nach den Ermittlungen des Bundesfinanzgerichtes der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt des Wegzuges wie auch derzeit noch über 100% der Anteile an einer österreichischen GmbH, der ***österreichische Gesellschaft*** verfügte und der Wertzuwachs dieser Anteile ebenfalls gemäß § 27 Abs 6 EStG nichtfestzusetzen gewesen wäre. Allerdings sei dies weder vom Beschwerdeführer noch vom Finanzamt jemals aufgegriffen bzw. ermittelt worden.

Über Befragung durch die Vorsitzende gab der Beschwerdeführer an, dass sowohl er als Geschäftsführer als auch seine Frau als Angestellte der ***österreichische Gesellschaft*** ihre Tätigkeit vom Wohnsitz in Kroatien aus ausüben.

Sachverhalt und Beweiswürdigung

Der Beschwerdeführer besitzt 100 % der Anteile an der im Februar 2012 gegründeten ***kroatische Gesellschaft***, eine nach kroatischem Recht gegründete Gesellschaft, welche auch ihren Firmensitz in Kroatien (Zagreb) hat.

Des Weiteren besitzt er 100% der Anteile an der mit Gesellschaftsvertrag vom gegründeten und am im Firmenbuch eingetragenen ***österreichische Gesellschaft***. Der Beschwerdeführer ist auch allein vertretungsbefugter Geschäftsführer beider Gesellschaften.

Aufgrund des am eingelangten Antrages auf Änderung wurde am die Übernahme des Vermögens der ***KG*** (***FN***) gemäß § 142 UGB vorgenommen.

Die Ehefrau des Beschwerdeführers arbeitet unselbstständig sowohl für die kroatische als auch für die österreichische Gesellschaft. Die österreichische Gesellschaft übermittelt jährlich einen Lohnzettel und es wurde jeweils eine Arbeitnehmerveranlagung durchgeführt.

Des Weiteren erzielt der Beschwerdeführer Einkünfte aus Gewerbebetrieb von der ***A KG***, bei welcher er Kommanditist ist, und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus der ***MEG***.

Im März 2014 zog der Beschwerdeführer mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern nach Kroatien. Die gesamte Familie meldete den bisherigen Hauptwohnsitz in ***Wien*** nunmehr als Nebenwohnsitz. Da der Beschwerdeführer nach wie vor über einen Wohnsitz in Österreich verfügt besteht gemäß § 1 Abs 2 EStG unbeschränkte Steuerpflicht in Österreich.

Sowohl der Beschwerdeführer als auch seine Ehefrau üben ihre Tätigkeit für die ***kroatische Gesellschaft*** und für die ***österreichische Gesellschaft*** seit ihrem Umzug von der Wohnung in Kroatien aus aus.

Strittig im gegenständlichen Verfahren ist bereits der für die Nichtfestsetzung gemäß § 27 Abs 6 EStG 1988 festzulegende Unternehmenswert der ***kroatische Gesellschaft*** Für diese wurde ein Sachverständigengutachten vom Beschwerdeführer vorgelegt und diesem vom bundesweiten Fachbereich für Unternehmensbewertung respektive die Abgabenbehörde widersprochen. Eine Plausibilierung des Unternehmenswertes durch den bundesweiten Fachbereich bzw das Finanzamt wurde nicht vorgenommen. Betreffend die ***österreichische Gesellschaft*** wurde noch keinerlei Ermittlungshandlungen gesetzt, Unterlagen angefordert oder Feststellungen getroffen. Auch ein Gutachten oder sonstige Informationen zur Beurteilung des Unternehmenswertes wurden nicht vom Beschwerdeführer vorgelegt.

Die getroffenen Sachverhaltsfeststellungen beruhen auf den dem Bundesgericht vorgelegten Verwaltungsakten, den elektronischen Steuerakten des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin sowie den Vorbringen der Parteien im bisherigen Verfahren.

Die Feststellungen zu Wohnsitz und unbeschränkter Steuerpflicht beruhen jeweils auf den Auszügen aus dem Zentralen Melderegister. Die Angaben betreffend die ***österreichische Gesellschaft*** stammen unzweifelhaft aus dem Firmenbuch.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 278 Abs 1 BAO kann das Verwaltungsbericht mit Beschluss die Beschwerde durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Beschwerdevorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erledigen, wenn dieser weder als unzulässig oder nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen (§ 260) noch als zurückgenommen (§ 85 Abs 2, § 86a Abs 1) oder als gegenstandslos (§ 256 Abs 3, § 261) zu erklären ist und wenn Ermittlungen (§ 115 Abs 1) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Eine solche Aufhebung ist unzulässig, wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

§ 278 Abs 2 BAO sieht vor, dass durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides das Verfahren in die Lage zurück tritt, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.

Nach Abs 3 leg cit sind die Abgabenbehörden im weiteren Verfahren an die für die Aufhebung maßgebliche, im aufhebenden Beschluss dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn der Beschluss einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst.

Gemäß § 115 Abs 1 BAO haben die Abgabenbehörden die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Diese Verpflichtung wird durch eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen, wie beispielsweise bei Auslandssachverhalten, eingeschränkt.

Gemäß § 299 BAO kann die Abgabenbehörde auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist. Mit dem aufhebenden Bescheid ist der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid zu verbinden. Dies gilt nur, wenn dieselbe Abgabenbehörde zur Erlassung beider Bescheide zuständig ist.

Gemäß § 27 Abs 6 EStG 1988 gelten als Veräußerung auch Umstände, die zu einer Einschränkung des Besteuerungsrechtes der Republik Österreich im Verhältnis zu anderen Staaten hinsichtlich eines Wirtschaftsgutes im Sinne des Abs. 3, eines Derivates im Sinne des Abs. 4 oder einer Kryptowährung im Sinne des Abs. 4a führen.

Bei Wegzug einer natürlichen Person in einen EU/EWR-Staat ist auf Grund eines in der Steuererklärung gestellten Antrages über die dadurch entstandene Abgabenschuld im Abgabenbescheid nur abzusprechen, die Abgabenschuld jedoch bis zur tatsächlichen Veräußerung des Wirtschaftsgutes oder Derivates nicht festzusetzen. Dies gilt ebenso bei der unentgeltlichen Übertragung eines Wirtschaftsgutes oder Derivates an eine andere natürliche Person, die in einem EU/EWR-Staat ansässig ist.

Als tatsächliche Veräußerung gilt auch ein späterer Wegzug oder die spätere Überführung des Wirtschaftsgutes oder Derivates in einen Staat, der von lit. a nicht erfasst ist.

Die tatsächliche Veräußerung gilt als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a der Bundesabgabenordnung. § 205 der Bundesabgabenordnung ist nicht anzuwenden.

Die Aufhebung unter Zurückverweisung liegt im Ermessen; die Ermessensübung ist zu begründen (siehe ua ; , 2009/15/0206; , 2007/15/0016; , Ra 2017/13/0087).

Es liegt somit im Ermessen des Verwaltungsgerichtes, ob es unterlassene Ermittlungen selbst durchführt, Ermittlungsaufträge gem § 269 Abs 2 BAO erteilt oder nach § 278 Abs 1 BAO die Bescheidbeschwerde kassatorisch erledigt.

Der Zweck der eingeräumten Kassationsmöglichkeit des § 278 Abs 1 BAO ist hierbei die Entlastung der Rechtsmittelbehörde und die Beschleunigung des Beschwerdeverfahrens.

Die § 278 BAO betreffende Judikatur des VwGH (zB ; , Ra 2015/15/0063; , Ra 2017/13/0087) versteht die Ausnahmebestimmung der Ermächtigung zur Aufhebung und Zurückverweisung sehr restriktiv. Auch hat der VwGH bereits mehrfach betont, dass solche Aufhebungen nur "ausnahmsweise" erfolgen sollen (zB ; , 2006/16/0220; , 2009/15/0206; , Ra 2017/15/0017).

Nach § 278 Abs 1 BAO erster Satz ist nicht nur der angefochtene Bescheid, sondern auch eine allfällige Beschwerdevorentscheidung aufzuheben. Eine Aufhebung nur der Beschwerde-vorentscheidung wäre unzulässig. Sie wäre keine Erledigung der Bescheidbeschwerde.

Voraussetzung einer aufhebenden und die Sache an die Abgabenbehörde zurückverweisenden Beschwerdeerledigung durch das Bundesfinanzgericht ist, dass Ermittlungen (§ 115 Abs 1 BAO) unterlassen wurden, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderlassung hätte unterbleiben können.

Keine Voraussetzung stellt aber dar, dass tatsächlich ein anderer Bescheid hätte erlassen werden müssen (vgl zu § 299 aF zB ). Ob tatsächlich ein anders lautender Bescheid (nach der Aufhebung) zu erlassen sein wird, hängt vom Ergebnis des nach Erlassung des Aufhebungsbescheides durchgeführten Ermittlungsverfahrens ab (Renner in Wakounig ua, Betriebsprüfung, 10.4.8.3.2.1; Langheinrich/ Ryda, FJ 2004, 338; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3, § 278 Anm 4).

Entscheidend für die Vornahme einer Zurückverweisung ist, ob die Unterlassung der Ermittlungen "wesentlich" ist. Dies ist aus objektiver Sicht zu beurteilen; ein diesbezügliches Verschulden der Abgabenbehörde ist für die Anwendbarkeit des § 278 Abs 1 nicht erforderlich (Ritz, RdW 2002, 566; Renner, SWK 2003, S 539; Brunner/Pavlik, Finanzsenat, 94; Langheinrich/Ryda, FJ 2004, 339; Niedermaier, Finanzsenat, 240; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO 3, § 278 Anm 4).

Eine derartige Unterlassung von Ermittlungen kann sich auch daraus ergeben, dass erstmals in der Beschwerde oder im Vorlageantrag Umstände releviert werden oder sich im Rahmen des Verfahrens vor dem Bundesfinanzgericht ergeben (kein Neuerungsverbot nach § 270 BAO) und die Abgabenbehörde vor Beschwerdevorlage keine diesbezüglichen Ermittlungen durchgeführt hat.

Der beschwerdegegenständliche Fall ist aus Sicht des Bundesfinanzgerichtes keinenfalls als entscheidungsreif anzusehen:

  1. Es fehlt zumindest ein ermittelter Unternehmenswert der Anteile der ***österreichische Gesellschaft***

  2. sowie eine Plausibilitätsüberprüfung des Veräußerungsgewinnes der kroatischen Gesellschaft (***kroatische Gesellschaft***) durch die Abgabenbehörde.

  3. Darüber hinaus fehlen Feststellungen, ob die ***österreichische Gesellschaft*** auch ihren Ort der Geschäftsleitung nach Kroatien verlegt hat.

Hiezu ist seitens des Bundesfinanzgerichts festzustellen, dass das Finanzamt gegen die in § 115 Abs. 1 BAO normierte Ermittlungspflicht verstoßen hat.

Bereits im Hinblick auf die vorzunehmende Bewertung der Anteile an der ***österreichische Gesellschaft*** erweist sich die Zurückverweisung der Sache als zweckmäßiger (rascher und kostengünstiger) als die Führung dieser Ermittlungen durch das Bundesfinanzgericht selbst, da dem Finanzamt zumindest detaillierte Unterlagen über das Unternehmen wie etwa Bilanzen, Steuererklärungen etc vorliegen, über welche das Bundesfinanzgericht nicht verfügt.

Die Aufhebung unter Zurückverweisung dient zudem der Verfahrensbeschleunigung und entspricht dem Gebot der möglichst angemessenen Verfahrensdauer. Dem Bundesfinanzgericht fehlen zumindest für umfangreichere Ermittlungen die erforderlichen Ressourcen (das BFG hat eine verglichen mit allen anderen Gerichten signifikant zu niedrige Ausstattung mit nichtrichterlichen Mitarbeitern vgl Wanke/Unger, BFGG § 18 Anm 6). Die erforderlichen Erhebungen sind daher jedenfalls vom Finanzamt (sei es nach § 278 BAO, sei es bei Nichtaufhebung nach § 269 Abs 2 BAO) durchzuführen (vgl etwa , , oder ).

Die diesbezüglichen Ermittlungen können auch keinesfalls durch das Verwaltungsgericht rascher und kostengünstiger erfolgen, da einerseits neben den von der Abgabenbehörde durchzuführenden Ermittlungen eine dauernde Betreuung der Sache durch die Berichterstatterin und die Vorsitzende zu erfolgen hat, was wesentlich kostenintensiver wäre, als wenn sich nur die zuständigen Bediensteten der Abgabenbehörde mit dem Fall beschäftigen und in direktem Kontakt mit dem Beschwerdeführer und seiner steuerlichen Vertretung stehen.

Eine raschere Erledigung durch das Verwaltungsgericht ist aus dem Grund nicht möglich, dass es ebenfalls auf die zu erstellenden Gutachten nach Vorlage der erforderlichen Unterlagen, die zum Teil bei der Abgabenbehörde bereits aufliegen, zu warten hätte und möglicherweise weitere sich ergebende Fragen den Parteien des Verfahrens vorhalten müsste. Der direkte Kontakt zwischen den Parteien stellt sich daher als wesentlich einfacher dar, als wenn dieser jeweils über das Verwaltungsgericht laufen würde.

Ergänzend ergibt sich für die Abgabenbehörde aus der weiteren direkten Befassung mit der Sache auch die Möglichkeit, die steuerlichen Voraussetzungen einer Besteuerung des Beschwerdeführers sowie dessen Ehefrau hinsichtlich ihrer nichtselbstständigen Einkünfte zu überprüfen, was nicht Gegenstand der vorliegenden Verfahren ist, aber aufgrund der Aussage des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung, dass die Tätigkeiten von der kroatischen Wohnung aus ausgeübt werden, durchaus weiterer Ermittlungen und etwaiger Korrektur der Veranlagungen bedarf und auch für die Folgejahre nicht unwesentliche Auswirkungen hat.

Weiters ist im Hinblick auf die Wahlmöglichkeit des Ermittlungsauftrages an die Abgabenbehörde gemäß § 269 Abs 2 BAO zu berücksichtigen, dass - bei einer weiteren Verfahrensführung durch das Bundesfinanzgericht - alleine wegen des wechselseitig und gegebenenfalls mehrfach zu gewährenden Parteiengehörs keinesfalls eine Beschleunigung des Verfahrens, sondern vielmehr zusätzliche Verzögerungen in Kauf genommen werden müssten. Der Beschwerdeführerin entstehen durch die Aufhebung keine Mehrkosten gegenüber einer weiteren Verfahrensführung durch das Bundesfinanzgericht und wäre eine erhebliche Kosteneinsparung ebenfalls nicht zu erzielen.

Im Übrigen müsste das BFG, das über keinen Erhebungsapparat verfügt, die ausstehenden Ermittlungsschritte im Hinblick auf Art und Umfang der nachzuholenden Erhebungen ohnehin gemäß § 269 Abs. 2 BAO durch die Abgabenbehörde durchführen lassen.

Der VwGH weist in der Entscheidung vom , 2002/20/0315, betreffend die Ermessensübung auch darauf hin, dass es die Anordnungen des Gesetzgebers (über ein zweitinstanzliches Verfahren) unterlaufen würde, wenn es wegen des Unterbleibens eines Ermittlungsverfahrens in erster Instanz zu einer Verlagerung nahezu des gesamten Verfahrens vor die Rechtsmittelbehörde käme und die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen damit zur bloßen Formsache würde. Es sei nicht im Sinn des Gesetzes, wenn die Rechtsmittelbehörde, statt ihre (umfassende) Kontrollbefugnis wahrnehmen zu können, jene Behörde ist, die erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und einer Beurteilung unterzieht ( RV/0496-G/08).

Daher ist für die Ermessensübung (§ 20 BAO) zu Gunsten einer Bescheidaufhebung im vorliegenden Fall weiters anzuführen, dass dem Beschwerdeführer der volle Instanzenzug erhalten bleiben soll (vgl. Ritz/Koran, BAO-Kommentar, 7. Aufl., § 278 Rz 5; Fellner, f, mwN).

Das Bundesfinanzgericht müsste im vorliegenden Fall bei Fällung einer Sachentscheidung erstmalig vollumfänglich Sachverhaltsermittlungen durchführen, in weiterer Folge erstmals den entscheidungsrelevanten Sachverhalt feststellen und erstmalig auf dieser Grundlage eine einkommensteuerliche Beurteilung vornehmen. Dadurch käme es zu einer Verkürzung des Instanzenzuges beim Beschwerdeführer, insbesondere im Hinblick auf den bis dato noch gar nicht ermittelten Unternehmenswert der ***österreichische Gesellschaft***.

Durch Aufhebung der angefochtenen Bescheide tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung der Bescheide befunden hat (§ 278 Abs. 2 BAO).

Der Aufhebungsbescheid vom wurde rechtsrichtig erlassen, da sich der Spruch des ursprünglich erlassenen Einkommensteuerbescheides vom aufgrund des nicht festgesetzten Wertes nach § 27 Abs 6 EStG 1988 als nicht richtig erwiesen hat. Dieser hat daher in Rechtsbestand zu bleiben. Lediglich der mit dem Aufhebungsbescheid zu verbindende Einkommensteuerbescheid ist neuerlich unter Berücksichtigung der oa Ausführungen zu erlassen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall handelt es sich nicht um eine Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Auch wurde diese durch die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht uneinheitlich beantwortet. Vielmehr hat sich das Bundesfinanzgericht an der zitierten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Ermessensübung orientiert. Im Übrigen handelt es sich bei der Ausübung des Ermessens iSd § 20 BAO nicht um eine Rechts-, sondern um die Lösung einer nicht revisiblen Sachfrage.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 278 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 278 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7103804.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at