Schlüssigkeit der Gutachten des Sozialministeriumservice
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch ***Erwachsenenvertreter***, ***EV-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung von Familienbeihilfe sowie Abweisung des Antrages auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung zur Steuernummer ***Bf-StNr*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
A. Anträge, Abweisungsbescheide, Beschwerde
Am wurde durch den Beschwerdeführer, vertreten durch den gerichtlich bestellten Erwachsenenvertreter, die Gewährung von Familienbeihilfe ab Oktober 2019 sowie die Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung ab dem Zeitpunkt des Eintritts der erheblichen Behinderung (gedeckelt mit fünf Jahren vor Antragstellung) beantragt.
Gemäß den in FinanzOnline abrufbaren Daten wurde im Zeitraum Oktober 2016 bis Juli 2019 bereits erhöhte Familienbeihilfe bezogen. Dies deckt sich auch mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers in der Beschwerde (siehe dazu unten).
Im Rahmen der am erlassenen Bescheide wurden seitens des belangten Finanzamtes sowohl der Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe wie auch der Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages (jeweils ab Oktober 2019) als unbegründet abgewiesen.
Im Abweisungsbescheid betreffend den Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe wurde begründend wie folgt ausgeführt:
Für ein volljähriges Kind steht die Familienbeihilfe zu, wenn das Kind wegen einer erheblichen Behinderung voraussichtlich dauernd erwerbsunfähig ist. Bei Ihrem Kind trifft diese Voraussetzung nicht zu (§ 2 Abs. 1 lit. c Familienlastenausgleichsgesetz 1967).
Im Abweisungsbescheid betreffend den Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages wurde begründend wie folgt ausgeführt:
Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, wenn ein Kind voraussichtlich dauernd erwerbsunfähig ist. Die Erwerbsunfähigkeit muss vor dem 21. Geburtstag oder während einer Berufsausbildung vor dem 25. Geburtstag eingetreten sein. Bei Ihrem Kind ist das nicht der Fall (§ 2 Abs. 1 lit. c Familienlastenausgleichsgesetz 1967).
Gegen diese Bescheide wurde seitens wurde seitens des Beschwerdeführers, vertreten durch seinen gerichtlich bestellten Erwachsenenvertreter, mit Schreiben vom Beschwerde erhoben.
Begründend wurde - auszugsweise - wie folgt vorgebracht:
[…]
Mit den angefochtenen Bescheiden wurden meine Ansprüche auf Familienbeihilfe sowie auf den Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung zu Unrecht abgewiesen. Ich werde daher in meinem Recht auf Familienbeihilfe samt Gewährung des Erhöhungsbetrages verletzt. Die Beschwerde werden daher ihrem gesamten Umfang nach angefochten und wird die Beschwerde wie folgt begründet:
Die belangte Behörde begründet den angefochtenen Bescheid über die Abweisung des Erhöhungsbetrages lediglich auf Basis des Sachverständigengutachtens vom , ohne dieses näher zu prüfen und ohne das Vorgutachten vom zu berücksichtigen.
Das Sachverständigengutachten vom wurde nicht lege artis erstellt und ist als Grundlage für die angefochtenen Bescheide untauglich. ***SV-2*** geht offenbar selbst davon aus, dass es weiterer Fachgutachten, insbesondere etwa aus dem Bereich der Neurologie und Psychiatrie bedarf, um Feststellungen zum Grad der Behinderung treffen zu können.
So wäre schon der Sachverständige selbst dazu verpflichtet gewesen, näher auf das Vorgutachten aus dem Jahr 04/2016 einzugehen, welches einen Grad der Behinderung von 50% ausweist. Um den bisher bestehenden Grad der Behinderung überhaupt vermindern zu können, müsste eine Besserung des Zustandes eingetreten sein. Eine solche Besserung wird im Gutachten aber weder behauptet, noch wird eine nachvollziehbare Begründung dargelegt, warum der Grad der Behinderung nunmehr lediglich 30% betragen sollte. Eine Besserung meines Zustandes wurde auch nicht festgestellt.
Als Begründung wird lediglich die "Ermangelung aktueller Fachbefunde oder Bescheide" angeführt. Dies ist als Begründung für eine vermeintliche Besserung des Gesundheitszustandes jedenfalls unzureichend. Weder für mich noch für die belangte Behörde kann aus dieser Begründung nachvollzogen werden, aus welchen Umständen eine solche Besserung eingetreten sein soll.
[…]
Mit der Begründung der "Ermangelung aktueller Fachbefunde/Bescheide" kommt derSachverständige im Übrigen auch zum Ergebnis, dass ich nicht dauernd außer Stande sei, mirselbst den Unterhalt zu verschaffen. Schließlich liegen keine Ermittlungsergebnisse vor,welche eine Besserung meines Zustandes begründen. Da die Sachverständige im Vorgutachten noch zum Ergebnis kam, dass ich tatsächlich dauernd außerstande bin, mir selbst den Unterhalt zu verschaffen, bedürfte es im gegenständlichen Verfahren einer besonderen und ausführlichen Begründung, warum der bereits diagnostizierte Dauerzustand nunmehr weggefallen sein sollte. Bemerkenswerterweise hat ***SV-2*** im gegenständlichenGutachten ohnedies selbst ausgeführt, dass anamnestisch kein Berufsabschluss bestehe.
Die Behörde ist zur Prüfung verpflichtet, ob die Gutachten als schlüssig, vollständig undnicht einander widersprechend anzusehen sind (vgl BFG RV/7101239/2019). Das Gutachtenvom ist nicht nur unschlüssig, sondern steht in direktem Widerspruch zu denErkenntnissen aus dem Vorgutachten.
Die Begründung der Abweisung des Erhöhungsbetrages mit dem Argument, dass die Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Geburtstag oder während einer Berufsausbildung vor dem 25. Geburtstag in meinem Fall nicht eingetreten sei, ist falsch, unbegründet und unschlüssig. Die Unfähigkeit, mir selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist aktenkundig bereits vor dem 18. Lebensjahr eingetreten und wurde dies mit dem Vorgutachten von ***SV-1*** vom bereits nachgewiesen; aufgrund dessen wurde mir in der Folge auch die (erhöhte) Familienbeihilfe richtigerweise auch bis Juli 2019 ausbezahlt. Dies zeigt auf, dass sich die Behörde mit dem Vorgutachten in keiner Weise auseinander gesetzt hat, obwohl dies aktenkundig ist. Die belangte Behörde wäre dazu angehalten gewesen allfällige (weitere) Fachgutachten einzuholen, um die vom Gesetz geforderten Feststellungen überhaupt treffen zu können; dies wurde rechtswidrig unterlassen.
Unter Berücksichtigung vorstehender Prämissen ist davon auszugehen, dass die belangteBehörde die Familienbeihilfe samt Erhöhungsbetrag zusprechen bzw. auszuzahlen hat. BeiDurchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens wäre die belangte Behörde insbesonderezum Ergebnis gelangt, dass bei mir eine nicht nur vorübergehende - sohin der Jahreübersteigende - Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischenBereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht, nach wie vor ein Gesamtgrad der Behinderung iHv 50% vorliegt und dass ich nach wie vor dauernd außerstande bin, mirselbst den Unterhalt zu verschaffen.
Die Behörde hätte außerdem meinem Antrag auf Familienbeihilfe entsprechen müssen.Gem § 2 Abs 1 lit c FLAG habe ich Anspruch auf Familienbeihilfe, weil - wie oben aufgezeigt - derGrad meiner Behinderung 50 vH beträgt und ich dauernd außerstande bin, mir selbst den Unterhalt zu verschaffen.
[…]
B. Beschwerdevorentscheidung, Vorlageantrag
Im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid zum Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe als unbegründet abgewiesen.
Begründend wurde wie folgt ausgeführt:
Für ein volljähriges Kind steht die Familienbeihilfe während einer Berufsausbildung bzw. -fortbildung zu. Bei Ihrem Kind trifft diese Voraussetzung nicht zu (§ 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967)
Im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid zum Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages teilweise stattgegeben und der angefochtene Bescheid wurde abgeändert.
Begründend wurde wie folgt ausgeführt:
Anspruch auf den Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung besteht, wenn:
Der festgestellte Grad der Behinderung mindestens 50 Prozent beträgt
Die Behinderung nicht nur vorübergehend ist, sondern mehr als 3 Jahre andauert
Diese Punkte treffen nicht zu (§ 8 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967)
Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, wenn ein Kind voraussichtlich dauernd erwerbsunfähig ist. Die Erwerbsunfähigkeit muss vor dem 21. Geburtstag oder während einer Berufsausbildung vor dem 25. Geburtstag eingetreten sein. Bei Ihrem Kind ist das nicht der Fall (§ 2 Abs. 1 lit. c Familienlastenausgleichsgesetz 1967).
Der Erhöhungsbetrag wegen einer erheblichen Behinderung wird als Zuschlag zur allgemeinen Familienbeihilfe gewährt. Da für Ihr Kind die allgemeine Familienbeihilfe nicht zusteht, kann auch der Erhöhungsbetrag nicht ausgezahlt werden.
Mit der Bescheinigung vom Sozialministerium Service vom wurde festgestellt (diese Bescheinigung stellt auch die Grundlage dieser Beschwerdevorentscheidung dar), dass ab April 2006 bis einschließlich November 2021 eine Behinderung im Ausmaß von 50% vorlag. Ab Dezember 2021 liegt eine Behinderung im Ausmaß von 30% vor. In der Begründung wurde ausgeführt, dass keine Fachbefunde oder Bescheide vorliegen, sodass eine Unfähigkeit sich selbst den Unterhalt zu verschaffen nicht beurteilt werden kann. Seitens des Finanzamtes Österreich bestehen keine weiteren Möglichkeiten, eine Beurteilung der Behinderung vorzunehmen, es besteht eine Bindung an die Darstellung der Sachverständigen des Ministeriums. Das Sachverständigengutachten bildet die Grundlage für die Einschätzung.
Grundsätzlich kann die erhöhte Familienbeihilfe daher bis einschließlich November 2021 bezogen werden, wenn die Voraussetzungen zur Gewährung der Familienbeihilfe, für Kinder, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, vorliegen. Für die Gewährung der Familienbeihilfe bei einem Kind, dass das 18. Lebensjahr vollendet hat, ist es Voraussetzung, dass sich dieses in einer Berufsausbildung befindet, dies wurde jedoch nicht nachgewiesen. Daher kann auch der Erhöhungsbetrag der Familienbeihilfe nicht gewährt werden.
In der Bescheinigung des Sozialministerium Service vom wurde vorläufig eine dauernde Erwerbsunfähigkeit unter der Prämisse der Arbeitserprobung sowie einer Nachuntersuchung zum festgestellt. Bei den darauffolgenden Untersuchungen konnte jedoch keine dauernde Erwerbsunfähigkeit festgestellt werden.
Die Feststellung der Begünstigung erfolgt nach dem Behinderteneinstellungsgesetz:
Gemäß § 14 Abs. (1) Behinderteneinstellungsgesetz : gilt als Nachweis für die Zugehörigkeitzum Kreis der begünstigten Behinderten der letzte rechtskräftige Bescheid über dieEinschätzung des Grades der Minderung der Erwerbstätigkeit mit mindestens 50 v.FI. desBundessozialamtes (alte Bezeichnung neuer Begriff: Sozialministeriumservice)
Gemäß § 14 Abs. (2) Behinderteneinstellungsgesetz: liegt ein Nachweis im Sinne des Abs. 1nicht vor, hat auf Antrag des Menschen mit Behinderung das Bundessozialamt für Sozialesund Behindertenwesen unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen den Grad derBehinderung nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung einzuschätzen.Hinsichtlich der ärztlichen Sachverständigen ist der § 90 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152 anzuwenden.
Mit Schreiben vom wurde seitens des Beschwerdeführers, vertreten durch seinen gerichtlich bestellten Erwachsenenvertreter, ein Vorlageantrag gegen die obigen Beschwerdevorentscheidungen eingebracht.
Begründend wurde im Wesentlichen auf das Vorbringen in der Beschwerde verwiesen, wonach das Gutachten des SMS vom unschlüssig und unvollständig sei. Zudem wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht beantragt.
C. Sachverständigengutachten des BASB Landesstelle OÖ
a) Sachverständigengutachten vom (auszugsweise)
Anamnese:
Überpr. d. Ifd. Bezuges, VGA mit 50 % wg. ADHS
Derzeitige Beschwerden:
Frau ***Sozialarbeiterin*** gibt an, ***Bf*** bleibt bis 06716 in ***1***, seit dem Vortag ist er inArbeiterprobung bei ***2***.
Die Frustrationstoleranz ist gering, er kann mit andere Jugendliche gar nicht. Er wird alsstur beschrieben, nicht gehorsam; es gibt dauernd Probleme in der WG.Er ist im Alltag selbstständig. Er ist ursprünglich bei den Grosseltern aufgewachsen, späterim Kinderheim.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Keine
***1***, dzt. FAB Arbeitserprobung
[…]
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
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Lfd. Nr. | Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:Begründung der Rahmensätze: | Pos.Nr. | Gdb % |
1 | Entwicklungsdefizite mit Hyperkinetische StörungKognitiv unterdurchschnittliche Leistung; Hyperkinetische Störung derSozialverhaltens; Betreuung in ***1*** und ***2***; eine Lehrewar nicht möglich | 50 |
Gesamtgrad der Behinderung50 v.H.
[…]
Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern:x JAo NEIN
GdB liegt vor seit: 04/2006
Herr ***Bf*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: JA
Die Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist vor vollendetem 18. Lebensjahr eingetreten.
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
Wegen Auffälligkeiten und teilweise aggressives Verhalten ist es schwer, ein Arbeitsverhältnis aufzubauen;
oDauerzustand
xNachuntersuchung: in 3 Jahren
Anmerkung hins. Nachuntersuchung:
z.Zt. Arbeitserprobung bei FAB, bleibt abzuwarten wie sich das entwickelt
b) Sachverständigengutachten vom (auszugsweise)
Anamnese:
Überprüfung des laufenden Anspruchs.
Vorgutachten ***SV-1*** Allgemeinmedizin 04/2016, GdB 50 % bei:Entwicklungsdefizite mit Hyperkinetische Störung kognitiv unterdurchschnittliche Leistung;Hyperkinetische Störung desSozialverhaltens; Betreuung im ***1*** und ***2***; eine Lehre war nicht möglich
Neu:Zur heutigen Untersuchung werden keine Bescheide oder ärztlicheUntersuchungsergebnisse vorgelegt.
Derzeitige Beschwerden:
Der junge Patient kommt alleine in die Ordination zur Untersuchung. Die Lebensgefährtinwartet im Warteraum.Derzeit besteht kein Berufsabschluss. Der Patient würde beruflich nichts machen, zu Hausesitzen. Der Pat möchte wieder in den ***1***, wartet jedoch noch auf AMS-Bescheide. Eswerden weder Medikamente eingenommen noch Therapien durchgeführt.Der Patient sei gesund. Es bestünden keine körperlichen oder seelischen Beschwerden.
[…]
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Keine Fachbefunde oder Bescheide vorgelegt.
[…]
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Lfd. Nr. | Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:Begründung der Rahmensätze: | Pos.Nr. | Gdb % |
1 | Kognitive Leistungseinschränkung;Kognitiv unterdurchschnittliche Leistung laut Vorgutachten 04/2016, lebt anamnestisch zusammen mit der Lebensgefährtin in einer Wohnung, keine aktuellen Fachbefunde oder Bescheide vorgelegt, keine Bescheide über laufende Betreuungsmaßnahmen, daher Unterer Rahmensatz; | 30 |
Gesamtgrad der Behinderung30 v.H.
[…]
Stellungnahme zu Vorgutachten:
Laut Vorgutachten 04/2016 besteht eine kognitiv unterdurchschnittliche Leistung, laut Angaben desPatienten besteht noch kein Berufsabschluss. Es werden heute bei der Untersuchung keine aktuellenFachbefunde oder Bescheide vorgelegt.
Herabstufung des Grades der Behinderung aus Ermangelung aktueller Fachbefunde/Bescheide von 50% auf 30 % bei Würdigung der vordiagnostizierten kognitiv unterdurchschnittlichenLeistungsfähigkeit.
Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern:
x JAo NEIN
GdB liegt vor seit: 12/2021
GdB 50 liegt vor seit: 04/2006
Herr ***Bf*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: NEIN
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
Eine andauernde Unfähigkeit sich selbst den Unterhalt zu verschaffen kann aus Ermangelung aktueller Fachbefunde/Bescheide nicht attestiert werden. Es liegt auch kein arbeitsmedizinisches Gutachten auf. Anamnestisch bestünde jedoch kein Berufsabschluss.
xDauerzustand
c) Sachverständigengutachten vom (auszugsweise)
Anamnese:
Beschwerde, Letztuntersuchung ***SV-2*** vom : KognitiveLeistungseinschränkung - Gdb 30 %.
Derzeitige Beschwerden:
Er gibt an, dass er ADHS habe und eine Persönlichkeitsstörung - dbzgl. konnte jedoch keinBefund nachgewiesen werden. Nimmt keine Medikamente ein, macht auch keine Therapie.Er gibt an, dass er völlig beschwerdefrei ist.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
keine Medikation, keine Therapie
[…]
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
es gibt keine aktuellen Befunde
[…]
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Lfd. Nr. | Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:Begründung der Rahmensätze: | Pos.Nr. | Gdb % |
1 | Kognitive Leistungseinschränkung;Kognitiv unterdurchschnittliche Leistung laut Vorgutachten 04/2016, lebt anamnestisch zusammen mit der Lebensgefährtin in einer Wohnung, keine aktuellen Fachbefunde oder Bescheide vorgelegt, keine Bescheide über laufende Betreuungsmaßnahmen, daher Unterer Rahmensatz; | 30 |
Gesamtgrad der Behinderung30 v.H.
[…]
Stellungnahme zu Vorgutachten:
Keine Befundänderung gegenüber der Letztuntersuchung 12/2021, es konnte auch diesmal keine Befunde vorgelegt werden.
Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern:
x JAo NEIN
GdB liegt vor seit: 12/2021
GdB 50 liegt vor seit: 04/2006
Herr ***Bf*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: NEIN
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
Es liegen keine Fachbefunde oder Bescheide vor, sodass eine Unfähigkeit sich selbst den Unterhalt zu verschaffen nicht beurteilt werden kann. Herr ***Bf*** hat lt. eigenen Angaben keinen Berufsabschluss
xDauerzustand
D. Sonstige Sachverständigengutachten
a)Neurologisch-Psychiatrisches Gutachten, erstellt von ***SV-3*** am (auszugsweise)
[…]
Auf Anregung der Caritas invita erfolgt eine Überprüfung, ob ausmedizinischer Sicht die Bestellung eines Sachwalters für Herrn ***Bf***, geb. am ***Datum***, indiziert ist.
Der Grund für die Einleitung des Sachwalterschaftsverfahrens war, dassder Betroffene an einem vordiagnostizierten Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS)leidet.
Der Betroffene wird vergeblich mehrmals in das Kepler Klinikum geladen,es erfolgte auch ein vergeblicher Hausbesuch am .
In weiterer Folge gelingt es, den Betroffenen im Büro desVerfahrenssachwalters anzutreffen.
Eine Gesprächsführung ist mit dem Betroffenen möglich, er kann auch zuseinen biographischen Daten nachvollziehbare Angaben tätigen.
Erhebbar ist, dass er Schwierigkeiten hatte beim Erwerb der schulischenFertigkeiten, in weiterer Folge im geschützten Bereich berufstätig war, amallgemeinen Arbeitsmarkt konnte er nicht Fuß fassen.
Derzeit ist er ohne Beschäftigung.
In der Vergangenheit hatte er stets Schwierigkeiten Terminewahrzunehmen.
In weiterer Folge habe er auch Schulden angehäuft, hatte beispielsweiseSchulden bei Handyanbietern, aber auch Alimentationsrückstände.
Erst durch die Hilfe des Sachwalters konnte eine Lösung gefunden werden.Der Betroffene selbst hat im Zusammenhang mit der Schuldenproblematikkeine adäquate Lösungskompetenz.
Im Status ist erhebbar, dass der Betroffene Konzentrationsleistungsstörungen zeigt, auch Einschränkungen imintellektuellen Bereich. Er ist psychomotorisch unruhig, ist aber in derLage, die gestellten Fragen zu beantworten.
Zusammenfassend leidet der Betroffene an folgenden Erkrankungen:
1. Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom (ADHS)
2. Störung des Sozialverhaltens
Aufgrund der psychopathologischen Auffälligkeiten im Rahmen derGrunderkrankung ist auch die Alltagskompetenz gemindert, der Betroffenehat insbesondere Schwierigkeiten im Umgang mit Geldangelegenheiten. Erkann damit nicht planend und vorausschauend damit umgehen, Geldmittel,die zur Verfügung stehen, werden sofort ausgegeben.Er hat auch Schwierigkeiten, Termine wahrzunehmen und komplexereSachverhalte zu erfassen.
[…]
b) Neurologisch-Psychiatrisches Gutachten, erstellt von ***SV-3*** am (auszugsweise)
[…]
Nach der Schule war er im ***1***, habe dort eine integrative Lehre absolviert, habe die Lehre abgeschlossen als Hausmeister.
Befragt ob er einer beruflichen Tätigkeit nachging, erklärt er: "Nein, nochnie."
Er erklärt, dass er im geschützten Bereich tätig war und meint, dass er dannzum FAB gehen sollte, sei aber nicht dorthin gegangen, sagte: "Das hatmich überhaupt nicht interessiert."
[…]
Aktuell gibt er an, dass er aufgrund einer versuchten schwerenKörperverletzung in Haft sei, 8 Monate habe er die Strafe abzusitzen, gibtdann an, dass er eigentlich am bereits die Strafe abzusitzengehabt hätte, sagt: "Das hat mich aber nicht interessiert, hierher zukommen."
[…]
In weiterer Folge wird auch gefragt warum er nicht versucht habe, eineArbeitsstelle zu bekommen, dann meint er, dass er das sehr wohl versuchthabe, verwendet in diesem Zusammenhang diverse Schimpfworte, meintdass er keine Rückmeldungen erhalten habe.
Befragt nach weiteren psychischen Beschwerden, gibt er an, dass es ihnmitgenommen habe, dass die Großmutter verstorben ist.
Weitere Beschwerden werden jedoch nicht angegeben, insbesondere habeer keine körperlichen Beschwerden.
Befragt ob er in der Schule Schwierigkeiten hatte, beispielsweise beimErwerb der schulischen Fertigkeiten wird dies bejaht und er meint: "In derMathematik war ich eine volle Niete."
Befragt ob er aufgrund seiner Erkrankungen in Behandlung war, soverneint er dies, er habe auch nicht vor, sich in Behandlung zu begeben.
[…]
Psychiatrischer Status:
Der Untersuchte ist wach, zeitlich, örtlich, situativ und zur Personorientiert, verbal kontaktierbar, die sprachliche Ausdrucksfähigkeit ist imWesentlichen erhalten, das Sprachverständnis gegeben, wobei komplexereSachverhalte eingeschränkt verstanden werden.
Die Stimmung ist äußerst gereizt, dysphorisch, im Antrieb eher gesteigert,psychomotorische Unruhe bei bekanntem ADHS (Aufmerksamkeitsdefizits-/Hyperaktivitätssyndrom). Eine suizidaleEinengung liegt nicht vor.
Duktus ist stockend, aber zum Denkziel führend, inhaltlicheDenkstörungen derzeit nicht sicher wahrnehmbar.
Wahrnehmung, Auffassung beeinträchtigt, Kritikfähigkeit undRealitätsbezug gemindert, höhere Hirnleistung sind reduziert.Einschränkungen der logischen Handlungen liegen ebenso vor, dieintellektuellen Leistungen sind gemindert.
Im Verhalten ist der Betroffene unruhig, lenkbar, führbar.
Zusammenfassung und Beurteilung:
[…]
Einer Tätigkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt ging er bisher nicht nach,konnte am allgemeinen Arbeitsmarkt seinen Angaben zufolge bisher nochnicht Fuß fassen, er war aber auf ***1*** in einer Einrichtung tätig.Derzeit erhält er Unterstützung in Form einer Mindestsicherung, er habeauch aufgrund seiner neurologisch-psychiatrischen Einschränkungen dieUnterstützung eines Erwachsenenvertreters.
Subjektiv habe er aktuell keine wesentlichen Beschwerden, es belaste ihn jedoch, dass er derzeit in der Justizanstalt inhaftiert sei und fühle sich in diesem Zusammenhang ungerecht behandelt.
[…]
In der Zusammenschau mit der Anamnese, der Klinik und dem Statusleidet der Untersuchte an folgenden neurologisch-psychiatrischenErkrankungen:
1. Vordiagnostiziertes Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom (ADHS)
2. Kombiniertes Persönlichkeitsstörung (F61.0) (mit dissozialen,emotional instabilen und impulsiven Anteilen)
[…]
Neurologisch-psychiatrisches Leistungskalkül:
[…]
4. Psychische Anforderungen
a) Psychische Belastbarkeit:
Die Arbeiten können bei einem durchschnittlichen Zeitdruck (normales Arbeitstempo) durchgeführt werden.
b) Kognitive Einschränkungen:
Arbeiten, die mit einer erhöhten Konzentrationsfähigkeit, auch mit einem erhöhten Auffassungsvermögen und einer erhöhten Aufmerksamkeit einhergehen, sind nicht durchführbar.
c) Einschränkungen im Bezug aufsoziale und persönliche Kompetenz:
Arbeiten, die mit einer Durchsetzungsfähigkeit, Eigeninitiative,Eigenverantwortung, Entscheidungsfähigkeit, Regulationsaufwand, Teamfähigkeit, aktivem und passivem Kontakt beziehungsweiseKommunikationsfähigkeit und Verantwortungsfähigkeit einhergehen, sind auszuschließen.
[…]
7. Arbeitszeit - Arbeitspausen:
Es bestehen Einschränkungen der Tages- und Wochenarbeitszeit.Dem Untersuchten sind derzeit Arbeiten im Ausmaß von etwa 25 Stunden,aufgeteilt auf 5 Arbeitstage zu je 5 Stunden, zumutbar.
Zusätzliche Arbeitspausen sind aus neurologisch-psychiatrischer Sichterforderlich.
[…]
11. Zukunftsprognose:
Es kann nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Verbesserung desLeistungskalküls aus neurologisch-psychiatrischer Sicht ausgeschlossenwerden.
Unter adäquater Psychotherapie und medikamentöser Therapie kann eineBesserung des Leistungskalküls eintreten, diese Maßnahmen sind demBetroffenen auch zumutbar.
Es kann jedoch nicht mit der vom Gericht geforderten Wahrscheinlichkeitvorhergesagt werden, ob innerhalb der nächsten 6 Monate eine Besserungdes Leistungskalküls eintreten wird.
[…]
c)Neurologisch-Psychiatrisches Ergänzungsgutachten, erstellt von ***SV-3*** am (auszugsweise)
[…]
Aufgrund der vorliegenden Krankheitsbilder bestehen auch Einschränkungen im neurologisch-psychiatrischen Leistungskalkül, die im Gutachten vom auch angeführt wurden.
Unter Berücksichtigung der im Leistungskalkül angeführten Einschränkungen ist der Untersuchte in der Lage, einer beruflichen Tätigkeit nachzukommen. Inwieweit ein entsprechender Arbeitsplatz für den Betroffenen vorhanden wäre, müsste von einem berufskundlichen Sachverständigen beurteilt werden.
Trotz des Vorliegens der neurologisch-psychiatrischen Störungen ist esdem Betroffenen zumutbar, sich eigenständig täglich und zu bestimmtenZeiten an einem Arbeitsplatz einzufinden und auch der entsprechendenArbeit nachzugehen unter Berücksichtigung der Einschränkungen imLeistungskalkül.
Die vorliegenden Erkrankungen gehen zwar einher mit den genannten undim Gutachten angeführten psychopathologischen Auffälligkeiten, jedochschließen diese Erkrankungen die Diskretions- und Dispositionsfähigkeitnicht aus und der Untersuchte ist auch in der Lage abschätzen zu können,dass beispielsweise ein Nichterscheinen am Arbeitsplatz mit einem Verlustdes Arbeitsplatzes einhergehen könnte. Ebenso ist dem Betroffenen trotzdes Vorliegens der Erkrankungen auch bewusst, dass bei Verlust desArbeitsplatzes dies auch mit finanziellen Einbußen einhergehen würde.
[…]
Bezüglich der psychischen Anforderungen besteht auch eineeingeschränkte psychische Belastbarkeit, dennoch ist dem Betroffenenzumutbar Arbeiten bei einem durchschnittlichen Zeitdruck, somit beieinem normalen Arbeitstempo, durchzuführen. Diese psychischeBelastbarkeit im Hinblick auf das zumutbare Arbeitstempo liegtunabhängig von den angegebenen Einschränkungen der Kritikfähigkeitoder des wiederholt auftretenden dysphorisch-gereizten Zustandsbildes desBetroffenen vor.
[…]
d) Arbeitspsychologisches und berufskundliches Sachverständigengutachten, erstellt von ***SV-4*** am (auszugsweise)
[…]
5.1.2. Arbeitspsychologisches Leistungskalkül
Unterweisbarkeit (Anleitbar für die Durchführung einfacher Arbeiten) ist gegeben,
Einordenbarkeit (Kommunikations- und Teamfähigkeit) ist nicht auszuschließen,
Umschulbarkeit (Umschulbarkeit bezeichnet die theoretische und praktische Erlernbarkeit eines neuen Lehrberufes) ist nicht gegeben,
Anlernbarkeit (Einführung in einen Teil eines Lehrberufes) ist nicht gegeben,
Umstellbarkeit ist auf eine geistig einfache Beanspruchung ist möglich,
Arbeiten unter durchschnittlichem Zeitdruck sind nicht auszuschließen,
Kontrolltätigkeiten sind eingeschränkt möglich,
Kundenkontakt ist auszuschließen.
[…]
Dem Untersuchten sind aufgrund der festgestellten Einschränkungen in denpersönlichen und sozialen Kompetenzen sowie in der psychischen Belastbarkeitgeistig einfache Hilfsarbeiten auf dem allgemeinen Teilzeitarbeitsmarkt im Ausmaßvon etwa 25 Stunden zumutbar wie etwa
Reinigungskraft,
Sonstiger Arbeitnehmer in einem produzierenden und /oder verarbeitendenBetrieb z.B. Verpacker.
Die Arbeitsplatzanforderungen der demonstrativ angeführten Tätigkeitenüberschreiten nicht das Leistungskalkül des Untersuchten.
[…]
Zur Frage der erzielbaren Einkünfte wurden zunächst die erzielbaren Einkünfte fürHilfstätigkeiten am allgemeinen Arbeitsmarkt ermittelt und an den Beispielen sonstigerArbeitnehmer in einem produzierenden und /oder verarbeitenden Betrieb und einerReinigungskraft dargestellt.
[…]
Gemäß dem vorliegenden Gutachten kann der Beschwerdeführer in den Jahren 2019 und 2020 einen Bruttomindestlohn von knapp über EUR 1.000 (EUR 1.010,62 bis EUR 1.027,92 in 2019 bzw. EUR 1.010,62 bis EUR 1.070,52 in 2020) auf Basis einer ihm medizinisch zumutbaren Arbeitswoche mit 25 Stunden ins Verdienen bringen.
E. Verfahren vor dem BFG
Die Beschwerde wurde dem Bundesfinanzgericht am zur Entscheidung vorgelegt.
Mit Ermittlungsauftrag vom wurde das belangte Finanzamt zur Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens beim Sozialministeriumservice ersucht, wobei darauf Bedacht genommen werden sollte, sämtliche der obig angeführten Gutachten dem Gutachter des Sozialministeriumservice zur Verfügung zu stellen.
Auf Basis dieses Ermittlungsauftrages wurde am ein Sachverständigengutachten aufgrund der Aktenlage vom Sozialministeriumservice erstellt. Dieses wird nachfolgend auszugsweise wiedergegeben:
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
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Lfd. Nr. | Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:Begründung der Rahmensätze: | Pos.Nr. | Gdb % |
1 | Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom ADHS, Kombinierte Persönlichkeitsstörung mit dissozialen, emotional in instabilen und impulsiven Anteilen, Intelligenzniveau knapp durchschnittlich, keine Therapie, keine Medikation, regelm. Drogenkonsum (Marihuana), Therapieoptionen nicht ausgeschöpft | 30 |
Gesamtgrad der Behinderung30 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Das Leiden Nummer 1 bestimmt den Gesamtgrad der Behinderung mit 30%
[…]
Herr ***Bf*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: NEIN
Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
der Einsatz am 1. Arbeitsmarkt für Hilfsarbeitertätigkeiten ist laut neurologisch-psychiatrischem Gutachten und Arbeitspsychologisch-Berufskundlichem Gutachtem gegeben.
x Dauerzustand
Mit Anschreiben vom wurde das Sachverständigengutachten des BASB Landesstelle OÖ - Sozialministeriumservice vom an den Beschwerdeführer zur Kenntnis- bzw. Stellungnahme übermittelt.
In der vom Beschwerdeführer, vertreten durch seinen gerichtlich bestellten Erwachsenenvertreter, eingebrachten Stellungnahme vom wurde zum FLAG-Gutachten vom wie folgt ausgeführt:
Weitere Gutachten, als jene, welche in dem einleitend genannten Aktengutachten des BASB Landesstelle OÖ vom angeführt sind, liegen mir nicht vor. Ungeachtet dessen ist aber weiterhin auf meine Ausführungen in der Beschwerde vom zu verweisen. Das nunmehr vorliegende Aktengutachten ist ebenso unschlüssig wie das Gutachten von ***SV-2*** vom , zumal weder eine persönliche Untersuchung erfolgt ist, noch diese auf aktuelle Fachgutachten gestützt sind. Die insoweit relevanten neurologisch-psychiatrischen Gutachten von ***SV-3*** sind bereits rund 3 ½ Jahre alt, sodass diese einer aktuellen Beurteilung nicht schlüssig zugrunde gelegt werden können.
Im Übrigen klärt auch das nunmehr vorliegende Gutachten des BASB vom ebenso wenig wie die Gutachten von ***SV-2*** vom und von ***SV-5*** vom , warum der Gesamtgrad der Behinderung sich nunmehr ausgehend vom Vorgutachten von ***SV-1*** vom vom 50% auf 30% verbessert haben sollte. Zu berücksichtigen ist dabei insbesondere, dass keinem der Gutachten, welche nun einen Gesamtgrad der Behinderung mit 30% festhalten, eine Untersuchung vorausgegangen ist. Bereits insoweit kann nicht von einem schlüssig erstellten Gutachten ausgegangen werden, welche eine tragfähige Grundlage für die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes sein könnten.
Es ist nach wie vor so, dass bei mir eine nicht nur vorübergehende - sohin drei Jahre übersteigende - Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht, nach wie vor ein Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von zumindest 50% vorliegt, und, dass ich nach wie vor dauernd außer Stande bin, mir selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Zum Beweis der obigen Ausführungen wurde im Rahmen dieses Schreibens noch die Einholung eines aktuellen neurologisch-psychiatrischen Gutachtens sowie eines darauf aufbauenden aktuellen arbeitspsychologisch-berufskundlichen Gutachtens beantragt, welchen jeweils ordentliche Untersuchungen voranzugehen haben, beantragt.
Der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde im Rahmen des Schreibens vom zurückgezogen.
Seitens des Finanzamtes wurde telefonisch mitgeteilt, dass keine weitere Stellungnahme erstattet wird.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Beschwerdeführer ist am ***3***.1997 in Österreich geboren und hat somit das 21. Lebensjahr am ***3***.2018 vollendet.
Insgesamt liegen vier Gutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vor (siehe den obig dargestellten Verfahrensgang):
Im Gutachten vom wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Ebenso wurde festgestellt, dass diese Unfähigkeit vor vollendetem 18. Lebensjahr eingetreten ist. Im Gutachten wurde allerdings eine Nachuntersuchung nach drei Jahren ab Gutachtenserstattung angeordnet.
Im Gutachten vom wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer voraussichtlich nicht dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Begründet wurde diese Einschätzung damit, dass keine Fachbefunde vorliegen würden, die auf eine dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, schließen lassen würden.
Im Gutachten vom wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer voraussichtlich nicht dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Begründung wie im Gutachten vom .
Im Gutachten vom (Aktengutachten) wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer voraussichtlich nicht dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Begründend wurde auf die neurologisch-psychiatrischen Gutachten (datiert mit , mit und mit ) und das arbeitspsychologisch-berufskundliche Gutachten (datiert mit ) verwiesen, aus denen sich eine Einsatzmöglichkeit am ersten Arbeitsmarkt ergibt.
Auf Basis des obig angeführten Gutachtens vom hat der Beschwerdeführer im Zeitraum Oktober 2016 bis Juli 2019 die erhöhte Familienbeihilfe bezogen. Eine über diesen Zeitraum hinausgehende Unfähigkeit des Beschwerdeführers, sich aufgrund einer vor dem 21. Lebensjahr eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung selbst den Unterhalt zu verschaffen, liegt nicht vor. Der Beschwerdeführer ist am allgemeinen ("ersten") Arbeitsmarkt einsetzbar und hätte in den Jahren 2019 und 2020 bei Ausübung einer zumutbaren beruflichen Tätigkeit (siehe oben, Punkt "I. D. d)") zwischen EUR 1.010,62 und 1.027,92 (Werte für 2019, brutto) bzw. EUR 1.010,62 und EUR 1.070,52 (Werte für 2020, brutto) pro Monat ins Verdienen bringen können. Diese Beträge liegen über dem Ausgleichszulagen-Richtsatz für die betreffenden Jahre.
Entgegen dem Vorbringen in der Stellungnahme vom wurde der Beschwerdeführer sowohl im Zuge der Erstellung des Gutachtens vom wie auch vom persönlich untersucht.
2. Beweiswürdigung
Der Gesetzgeber hat durch die Bestimmung des (unten zitierten) § 8 Abs. 6 FLAG 1967 die Frage des Grades der Behinderung und auch die damit in der Regel unmittelbar zusammenhängende Frage der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, der eigenständigen Beurteilung der Familienbeihilfenbehörden entzogen und dafür ein qualifiziertes Nachweisverfahren eingeführt, bei dem eine für diese Aufgabenstellung besonders geeignete Institution eingeschaltet wird und der ärztliche Sachverstand die ausschlaggebende Rolle spielt. Die Beihilfenbehörden haben bei ihrer Entscheidung jedenfalls von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen ().
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrundeliegenden Gutachten gebunden und dürfen diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig sind und im Falle mehrerer Gutachten nicht einander widersprechen (z.B. ; ; , mwN).
Eine Unschlüssigkeit oder Unvollständigkeit der gegenständlichen Gutachten vom , vom , vom sowie vom liegt aus den folgenden Gründen ebenso wenig vor wie ein Widerspruch zwischen diesen Gutachten:
Wie der Beschwerdeführer im Rahmen der Beschwerde zutreffend ausführt, wurde im Sachverständigengutachten vom die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, festgestellt. Wenn der Beschwerdeführer aber im Rahmen der Beschwerde sodann ebenfalls ausführt, dass in diesem Gutachten festgestellt wurde, dass der Beschwerdeführer "tatsächlich dauernd außerstande" sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, so ist er darauf hinzuweisen, dass die ärztliche Sachverständige in diesem Gutachten gerade keinen Dauerzustand festgestellt hat. Vielmehr wurde eine Nachuntersuchung in 3 Jahren angeordnet, um zu überprüfen, wie sich die Situation beim Beschwerdeführer entwickelt.
Wenn also der ärztliche Sachverständige im Rahmen seines Gutachtens vom - und somit deutlich nach der empfohlenen Nachuntersuchung nach 3 Jahren - zum Ergebnis kommt, dass der Beschwerdeführer nicht voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, so widerspricht dies nach Auffassung des erkennenden Richters dem Vorgutachten keineswegs. Vielmehr wurde offenbar bereits im Rahmen der Erstbegutachtung durchaus die Möglichkeit gesehen, dass sich der Zustand des Beschwerdeführers binnen 3 Jahren so weit verbessert, dass eine Nachuntersuchung zu einem anderen Ergebnis kommen könnte.
Wenn der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde ausführt, dass es im Rahmen des Gutachtens vom einer "besonderen und ausführlichen Begründung" bedurft hätte, da der vormals diagnostizierte Dauerzustand nunmehr "weggefallen" sei, so ist erneut darauf hinzuweisen, dass im Vorgutachten vom gerade kein Dauerzustand festgestellt wurde. Weshalb also mehr als fünf Jahre nach dem Erstgutachten (wobei eine Nachuntersuchung bereits nach Ablauf von drei Jahren aus Sicht der ärztlichen Sachverständigen empfohlen wurde) eine besondere Begründungspflicht zum Tragen hätte kommen müssen, ist für den erkennenden Richter nicht einsichtig.
Ein Begründungsmangel liegt auch nicht deshalb vor, weil der ärztliche Sachverständige im Rahmen des Gutachtens vom angeführt hat, dass eine "andauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen", aus "Ermangelung aktueller Fachbefunde/Bescheide nicht attestiert" werden kann. Hier ist darauf zu verweisen, dass zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Gutachtens bereits insgesamt drei psychiatrisch-neurologische Gutachten (datiert mit , mit und mit ) sowie ein arbeitspsychologisch-berufskundliches Gutachten (datiert mit ) für den Beschwerdeführer erstellt wurden. Diese wurden vom Beschwerdeführer aber im Rahmen des Untersuchungstermins (bei dem er - entgegen dem Vorbringen in der Stellungnahme vom - sehr wohl persönlich anwesend war und untersucht wurde, die Identifikation erfolgte mittels Personalausweis) aber schlicht nicht vorgelegt. Diesbezüglich ist darauf zu verweisen, dass das Beihilfenverfahren ein antragsgebundenes Verfahren ist. Für antragsgebundene Verfahren gilt, dass das Schwergewicht der Behauptungs- und Beweislast beim Antragsteller liegt. Die für antragsgebundene Verfahren geltenden Grundsätze sind auch bei Anträgen auf Gewährung von Beihilfen zu beachten (Stoll, BAO, 1275 mit Hinweis auf ). Werden somit ärztliche Befunde nicht beigebracht (entweder, weil solche nie erstellt worden sind oder weil ihre Vorlage sonst unterbleibt) liegt insoweit ein Umstand ("Beweisnotstand") vor, der im Ergebnis zu Lasten des Antragstellers geht.
Der vom Beschwerdeführer monierte Begründungsmangel ist somit - wenn man einen solchen überhaupt erkennen will - auf das Verhalten des Beschwerdeführers, nämlich die Nichtvorlage der zum Zeitpunkt der Untersuchung vorhandenen Gutachten, zurückzuführen und somit von ihm zu vertreten.
Wenn der Beschwerdeführer im Rahmen der Stellungnahme weiters ausführt, dass das Gutachten vom unschlüssig sei, weil es sich um ein Aktengutachten handle und weil die psychiatrisch-neurologischen Fachbefunde, auf die sich dieses Gutachten stützt, zum Zeitpunkt der Gutachtenserstellung schon rund 3 ½ Jahre alt seien, so ist darauf wie folgt zu antworten:
Auch "ein reines Aktengutachten" kann ausreichend sein. Der Sachverständige hat sich bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes jener Hilfsmittel zu bedienen, die seine Wissenschaft entwickelt hat, um ein verlässliches Gutachten abzugeben. Die vom Sachverständigen bei der Aufnahme des Befundes anzuwendende Methode hängt ausschließlich von objektiven fachlichen Gesichtspunkten ab (Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Aufl. 2020, § 8, II. Erhebliche Behinderung, Rz 31 mwN).
Die letzte persönliche Untersuchung des Beschwerdeführers hat im am - und somit etwa 6 Monate vor der Erstellung des Aktengutachtens - stattgefunden. Die Befunde, auf die sich das Aktengutachten stützt, wurden in den Jahren 2018, 2019 und 2020 erstellt. Es wurde vom Beschwerdeführer nicht dargetan, ob bzw. welche Veränderungen sich seit der letzten Untersuchung im Mai 2022 verglichen mit November 2022 ergeben hätten, die eine erneute Untersuchung notwendig gemacht hätten. Zudem ist auch das Vorbringen, die dem Aktengutachten vom zugrundeliegenden Gutachten seien bereits rund 3 ½ Jahre alt, nicht dazu geeignet, Zweifel an der Schlüssigkeit dieses Gutachtens zu wecken. Vielmehr sind diese zugrundeliegenden Gutachten genau aus dem Grund, weil sie sehr nahe am 21. Geburtstag des Beschwerdeführers erstellt wurden, umso aussagekräftiger, als es solche wären, die jetzt im Alter von 25 Jahren erstellt werden.
Somit ist nach Ansicht des erkennenden Richters spätestens mit dem Gutachten vom , das auf umfassenden und detaillierten Fachgutachten sowohl aus dem Bereich der Psychiatrie-Neurologie wie auch dem Bereich der Arbeitspsychologie-Berufskunde beruht, eine umfassende Würdigung des Gesundheitszustandes und somit des Nichtvorliegens der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit des Beschwerdeführers, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, erfolgt. Dieses Gutachten beruht auf Fachbefunden, die nahe am 21. Geburtstag des Beschwerdeführers erstellt wurden und stimmt - im Ergebnis - mit den Vorgutachten vom und vom überein. Die Tatsache, dass im Gutachten vom die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, festgestellt wurde, führt aus den bereits dargestellten Gründen (kein Dauerzustand, sondern empfohlene Nachuntersuchung nach 3 Jahren) nicht zu einem Widerspruch mit den zeitlich nachgelagerten Gutachten der Jahre 2021 und 2022.
Im Ergebnis erweisen sich die vorliegenden Gutachten des BASB Landesstelle OÖ - Sozialministeriumservice als schlüssig, vollständig und widerspruchsfrei. Die Gutachten sind demnach - entsprechend der obig zitierten Rechtsprechung des VwGH - der Entscheidung des BFG zugrunde zu legen.
Lediglich der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer - entgegen dem Vorbringen in der Stellungnahme vom - im Rahmen der Erstellung der Gutachten vom wie auch vom sehr wohl persönlich anwesend war und untersucht wurde. Die Identifikation erfolgte in beiden Fällen durch einen Personalausweis mit der Nr. "***Nr.***".
Das festgestellte monatlich erzielbare Einkommen für die Jahre 2019 und 2020 ergibt sich aus dem arbeitspsychologisch-berufskundlichen Sachverständigengutachten von ***SV-4*** vom . Dieses liegt über dem Ausgleichszulagen-Richtsatz iSd § 293 ASVG für die betreffenden Jahre. Nach der Rechtsprechung des VwGH kann von der Fähigkeit einer Person, sich den Unterhalt zu verschaffen, nicht gesprochen werden, wenn die Person "etwa nur bei Vorliegen von im Wesentlichen caritativen Motiven eines Arbeitgebers oder zu therapeutischen Zwecken" beschäftigt werde, "ohne dass der Arbeitgeber realistischerweise eine Arbeitsleistung erwarten könnte" und die Person für diese Tätigkeit lediglich eine Art Taschengeld erhält (vgl. ). Davon kann bei einem erzielbaren Einkommen in der festgestellten Höhe jedoch keine Rede sein.
Hinsichtlich in der Stellungnahme vom enthaltenen Beweisanträge ist noch wie folgt auszuführen:
Im Rahmen dieser Stellungnahme wurde die Einholung eines erneuten psychiatrisch-neurologischen Sachverständigengutachtens und - darauf aufbauend - eines arbeitspsychologisch-berufskundlichen Sachverständigengutachtens beantragt. Dies zum Beweis, dass beim Beschwerdeführer eine nicht nur vorübergehende - sohin drei Jahre übersteigende - Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung bestehe, nach wie vor ein Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von zumindest 50% vorliege, und, dass er nach wie vor dauernd außer Stande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Dieser Beweisantrag erweckt den Eindruck, als läge demselben die Ansicht zugrunde, dass das Bundesfinanzgericht zur eigenständigen Beurteilung der Frage, wann die dauernde Erwerbsunfähigkeit des Beschwerdeführers eingetreten ist, berufen wäre, und dazu ein entsprechendes Beweisverfahren durchzuführen hätte.
Wie bereits weiter oben einleitend ausgeführt, hat der Gesetzgeber durch die Bestimmung des (unten zitierten) § 8 Abs. 6 FLAG die Frage des Grades der Behinderung und auch die damit in der Regel unmittelbar zusammenhängende Frage der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, der eigenständigen Beurteilung der Familienbeihilfenbehörden entzogen und dafür ein qualifiziertes Nachweisverfahren eingeführt, bei dem eine für diese Aufgabenstellung besonders geeignete Institution eingeschaltet wird und der ärztliche Sachverstand die ausschlaggebende Rolle spielt. Die Beihilfenbehörden haben bei ihrer Entscheidung jedenfalls von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen (). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Behörde an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrundeliegenden Gutachten gebunden und darf diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig und im Falle mehrerer Gutachten nicht einander widersprechend waren (z.B. mwN). Daraus folgt, dass de facto eine Bindung der Beihilfenbehörden an die Feststellungen der im Wege des Bundessozialamtes erstellten Gutachten gegeben ist. Die Tätigkeit der Behörden bzw. des Bundesfinanzgerichtes hat sich daher im Wesentlichen auf die Frage zu beschränken, ob die Gutachten als schlüssig anzusehen sind (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Aufl. 2020, § 8, II. Erhebliche Behinderung, Rz 29 mwN; ebenso z.B. ; ; ; ; ).
Es ist daher vom Bundesfinanzgericht kein eigenständiges Beweisverfahren zur Frage, wann die dauernde Erwerbsunfähigkeit des Beschwerdeführers eingetreten ist, durchzuführen. Die in diese Richtung zielenden Beweisanträge sind damit für das gegenständliche Verfahren weder geeignet noch zweckdienlich iSd § 166 BAO.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
A. Rechtsgrundlagen
§ 2 Abs. 1 FLAG 1967 idf das Streitjahr maßgebenden Fassung lautet auszugsweise:
(1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
[…]
c) für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen,
[…]
§ 8 FLAG 1967 idf das Streitjahr maßgeblichen Fassung lautet auszugsweise:
[…]
(4) Die Familienbeihilfe erhöht sich monatlich für jedes Kind, das erheblich behindert ist,
[…]
3. ab um 155,9 €.
(5) Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muß mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.
(6) Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die diesbezüglichen Kosten sind aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen.
[…]
B. Erwägungen
Die obig zitierte Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 stellt darauf ab, dass das anspruchsvermittelnde Kind (bzw. im Falle des Eigenanspruches der Antragsteller selbst) wegen einer vor der Vollendung des 21. Lebensjahres eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Dies liegt nach dem festgestellten Sachverhalt nicht vor. Es fehlt somit an den im § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 normierten Tatbestandsvoraussetzungen und die Beschwerde war aus diesem Grund als unbegründet abzuweisen.
Die im Rahmen des Vorlageantrages beantragte Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht konnte unterbleiben, da der diesbezügliche Antrag vom Beschwerdeführer mit Schreiben vom zurückgenommen wurde (zur Möglichkeit der Zurücknahme siehe etwa ).
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Der Verwaltungsgerichtshof ist als Rechtsinstanz tätig und zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Eine im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung wirft daher nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG auf (z.B. mwN). Die Prüfung der Schlüssigkeit eines Gutachtens des Sozialministeriumservice ist nichts anderes als eine Würdigung dieses Beweises. Eine ordentliche Revision ist daher im gegenständlichen Fall nicht zulässig.
Linz, am
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 8 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.5100709.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at