Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 03.01.2023, RV/6300006/2021

Aufhebung und Zurückverweisung wegen fehlender Feststellungen bei drei von vier verbundenen Tatvorwürfen

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/6300006/2021-RS1
In der Niederschrift über die mündliche Verhandlung sind vom Vorsitzenden des Spruchsenates der Spruch des Erkenntnisses sowie die tragenden Elemente der Begründung zu dokumentieren (vgl § 135 Abs 1 lit g FinStrG). Ein bloßer Verweis auf das Beratungsprotokoll, das nicht der Akteneinsicht der Verfahrensparteien unterliegt, verletzt rechtsstaatliche Grundsätze und ist daher rechtswidrig.
RV/6300006/2021-RS2
Wenn die Finanzstrafbehörde die Strafverfahren wegen aller Taten gem § 61 Abs 1 FinStrG verbunden hat, so ist vom Spruchsenat auch über alle Taten abzusprechen, sofern von diesem nicht einzelne Taten ausgeschieden wurden. Sollte im Erkenntnis des Spruchsenates über einzelne Taten nicht abgesprochen worden sein oder Feststellungen zu den diesen gänzlich fehlen, ist das Erkenntnis gem § 161 Abs 4 FinStrG aufzuheben.

Entscheidungstext

Beschluss

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Albert Salzmann als Vorsitzender des Finanzstrafsenates Salzburg 6 in der Finanzstrafsache gegen ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch QUINTAX gerlich-fischer-kopp steuerberatungsgmbh, Ignaz-Rieder-Kai 13A, 5020 Salzburg, für Mag. Michael Fischer als Amtsverteidiger, Rainbergstraße 3a, 5020 Salzburg, wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs 1 des FinStrG und Finanzordnungswidrigkeiten gemäß § 51 Abs 1 lit a FinStrG über die Beschwerden des Amtsbeauftragten und des Beschuldigten, jeweils vom , gegen das Straferkenntnis vom (Straflistennummer FV 000 757 219) des Spruchsenates Salzburg I als Organ des Amtes für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschlossen:

I. Das Erkenntnis des Spruchsenates Salzburg I vom wird gemäß § 161 Abs 4 FinStrG aufgehoben und die Finanzstrafsache in ihrem gesamten Umfang an die Finanzstrafbehörde zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a Abs 3 Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) eine abgesonderte Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Begründung

Bisheriger Verfahrensverlauf:

Mit Schreiben vom hat das Finanzamt Salzburg-Stadt die beschuldigte Partei (bP) gem § 83 Abs 2 FinStrG davon in Kenntnis gesetzt, dass gegen sie ein Finanzstrafverfahren eingeleitet worden sei. Die Einleitung des Strafverfahrens gründe sich auf das Ergebnis der abgabenrechtlichen Prüfung für den Zeitraum 2014 bis 2016 (Bericht vom ; ABNr 122111/18). Es bestünde der Verdacht, dass die bP unter Verletzung der abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht durch Nichtabgabe der Umsatzsteuer-erklärungen für die Jahre 2015 und 2016 Abgaben, die bescheidmäßig festzusetzen waren, und zwar Umsatzsteuer 2015 iHv € 600,00 und Umsatzsteuer 2016 iHv € 58.333,33, insgesamt somit Abgaben iHv € 58.933,33 verkürzt und hiermit die Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung gem § 33 Abs 1 FinStrG begangen habe.
Darüber hinaus habe die bP vorsätzlich die abgabenrechtliche Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht gem § 119 BAO durch Nichtabgabe der Einkommensteuererklärungen 2015 und 2016 verletzt und hiermit Finanzordnungswidrigkeiten gem § 51 Abs 1 lit a FinStrG begangen.
Mit diesem Schreiben wurde die bP gleichzeitig dazu aufgefordert, sich bis zum schriftlich zu rechtfertigen.

Mit Schriftsatz vom hat die bP zum geäußerten Verdacht Stellung genommen.

Nach der Durchführung weiterer Ermittlungen, insbesondere von Zeugeneinvernahmen am , hat das Finanzamt Salzburg-Stadt als Finanzstrafbehörde am eine Stellungnahme gem § 124 Abs 2 FinStrG an den Spruchsenat I beim Finanzamt Salzburg-Stadt übermittelt.
In dieser Stellungnahme teilte das Finanzamt Salzburg-Stadt als Finanzstrafbehörde mit, dass nach dessen Ansicht gegen die bP der begründete Verdacht bestehe, dass diese Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung gem § 33 Abs 1 FinstrG sowie Finanzordnungswidrigkeiten gem § 51 Abs 1 lit a FinStrG, jeweils im og Umfang, begangen habe, wobei ***Mag. XY*** als steuerlicher Vertreter der bP dazu beigetragen habe, dass die bP die Abgabenhinterziehung betreffend Umsatzsteuer 2016 iHv € 58.333,33 begehen konnte.

Am fand die gemeinsame mündliche Verhandlung gem § 135 FinStrG vor dem Spruchsenat Salzburg I als Organ des Amtes für Betrugsbekämpfung zu og Tatvorwürfen statt. Diese wurde auf unbestimmte Zeit zwecks Einvernahme weiterer Zeugen erstreckt.

Am wurde die mündliche Verhandlung fortgesetzt. Laut Niederschrift vom hat der Spruchsenat um 13.15 Uhr das Erkenntnis verkündet, wobei der Inhalt des Erkenntnisses nicht der Niederschrift zu entnehmen ist, sondern auf das Beratungsprotokoll verwiesen wird.

Mit Schriftsatz des Verteidigers vom hat die bP gem § 150 Abs 4 FinStrG Beschwerde gegen das Erkenntnis des Spruchsenates angemeldet.

Mit Schreiben der Amtsbeauftragten vom hat das Amt für Betrugsbekämpfung wegen des Vorwurfes der Abgabenverkürzung gem § 34 Abs 1 FinStrG hinsichtlich des am mündlich verkündeten Erkenntnisses des Spruchsenates Beschwerde angemeldet.

Am wurde das Erkenntnis des Spruchsenates, datiert mit , der Amtsbeauftragten persönlich übergeben. Am wurde das Erkenntnis der bP zugestellt.

Mit Schriftsatz des Verteidigers vom hat die bP Beschwerde gegen das og Erkenntnis des Spruchsenates erhoben und diese näher ausgeführt.

Mit Schreiben der Amtsbeauftragten vom hat das Amt für Betrugsbekämpfung gegen das og Erkenntnis des Spruchsenates Beschwerde erhoben und diese Beschwerde mit Schreiben vom näher ausgeführt.

Am wurde die bei der mündlichen Verkündung des Spruchsenatserkenntnisses anwesende Amtsbeauftragte zum Inhalt des Verfahrens vor dem Spruchsenat sowie dem genauen Wortlaut des verkündeten Erkenntnisses befragt.

Am wurde der Verteidiger der bP, welcher ebenfalls bei der mündlichen Verkündung anwesend war, zum Inhalt des Verfahrens sowie dem genauen Wortlaut des Spruchsenats-erkenntnisses befragt.

Auf Befragen durch den Vorsitzenden des Finanzstrafsenates beim Bundesfinanzgerichtes im Zuge ergänzender Ermittlungen gaben sowohl der Verteidiger (Niederschrift vom ) als auch die Amtsbeauftragte (Niederschrift vom ) übereinstimmend und soweit erinnerlich an, dass der Spruchsenat wahrscheinlich nur über die Umsatzsteuerhinterziehung 2016 abgesprochen habe, obwohl auch die Umsatzsteuerhinterziehung 2015 und die Finanzordnungswidrigkeiten verfahrensgegenständlich waren.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Entscheidungsrelevanter Sachverhalt:

Der bP wurde im Verfahren vor der Finanzstrafbehörde angelastet, sie habe vorsätzlich durch Nichtabgabe der Umsatzsteuererklärungen 2015 Umsatzsteuer iHv € 500,00 und 2016 Umsatzsteuer iHv €°58.333,33 verkürzt und dadurch Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung gem § 33 Abs 1 FinStrG begangen. Darüber hinaus wurden ihr wegen Nichtabgabe der Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2015 und 2016 Finanzordnungswidrigkeiten nach § 51 Abs 1 lit a FinStrG vorgeworfen.

Die Finanzstrafbehörde hat die Strafverfahren zu diesen Taten verbunden und sie dem Spruchsenat Salzburg I zur Entscheidung vorgelegt. Sämtliche Taten waren Gegenstand der Spruchsenatsverhandlungen am und . Es wurde keine Tat aus dem Verfahren ausgeschieden. Zu drei von vier angelasteten Taten wurden vom Spruchsenat keine Sachverhaltsfeststellungen getroffen.

Der Spruchsenat hat in der mündlichen Verhandlung am sein Erkenntnis mündlich verkündet und darin über die Abgabenhinterziehung betreffend Umsatzsteuer 2016 abgesprochen. Es steht nicht zweifelsfrei fest, ob über die weiteren Taten (Abgabenhinterziehung betreffend Umsatzsteuer 2015, Finanzordnungswidrigkeiten 2015 und 2016) abgesprochen wurde.

Der Niederschrift über die mündliche Verhandlung ist weder der Spruch des mündlich verkündeten Erkenntnisses, noch eine Begründung zu entnehmen. In der Niederschrift wird auf das Beratungsprotokoll verwiesen.

Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den übermittelten Finanzstrafakten. Insbesondere ist der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom und vom in Zusammenschau mit der Stellungnahme der Amtsbeauftragten vom zu entnehmen, dass der bP im Verfahren vor dem Spruchsenat sowohl Abgabenhinterziehungen gem § 33 Abs 1 FinStrG betreffend Umsatzsteuer 2015 und 2016, als auch Finanzordnungswidrigkeiten gem § 51 Abs 1 lit a FinStrG betreffend die Nichtabgabe von Einkommensteuererklärungen für 2015 und 2016 angelastet wurden.

Der Niederschrift vom ist weder der Spruch des mündlich verkündeten Erkenntnisses, noch eine Begründung zu entnehmen. Vielmehr verweist diese Niederschrift pauschal auf das Beratungsprotokoll, das nicht der Akteneinsicht durch die Parteien unterliegt.

Die schriftliche Ausfertigung des Spruchsenatserkenntnisses führt auf Seite eins aus, dass "wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG ua …" erkannt wurde. Im Erkenntnisspruch wird dann ausschließlich über die Abgabenhinterziehung betreffend Umsatzsteuer 2016 abgesprochen. Auch das zeigt, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit nur über eine von vier verbundenen Taten abgesprochen wurde, ohne dass die anderen drei Taten aus dem Verfahren ausgeschieden wurden.

Weiter hat auch die Befragung der Amtsbeauftragten und des Verteidigers ergeben, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit bei der mündlichen Verkündung des Spruchsenatserkenntnisses ausschließlich über die angelastete Abgabenhinterziehung betreffend Umsatzsteuer 2016 abgesprochen wurde. Aufgrund der Verkündung von zwei Spruchsenatserkenntnissen (neben das die bP betreffende Erkenntnis, auch jenes, das zum Vorwurf der Beitragstäterschaft durch den steuerlichen Vertreter ergangen ist) innerhalb von 5 Minuten (Wiedererscheinen des Senates 13.15 Uhr; Ende der Verhandlung 13.20 Uhr) und mangels zeitnaher bzw zugänglicher Protokollierung konnten die Amtsbeauftragte (trotz händischer Originalaufzeichnungen von der mündlichen Verkündung) und der Verteidiger nicht mit letzter Sicherheit bestätigen, ob der Spruchsenat neben der Abgabenhinterziehung betreffend Umsatzsteuer 2016 auch über andere Taten abgesprochen hat.

Aber selbst, wenn man davon ausgehen würde, dass der Spruchsenat über alle verbundenen Taten abgesprochen hätte, ist den vorgelegten Akten und Zeugenaussagen keine Sachverhalts-feststellung zur Abgabenhinterziehung betreffend Umsatzsteuer 2015 und den Finanzordnungswidrigkeiten betreffend Nichtabgabe von Einkommensteuererklärungen für 2015 und 2016 zu entnehmen.

Rechtsgrundlagenund rechtliche Würdigung:

Gem § 161 Abs 1 FinStrG hat das Bundesfinanzgericht, sofern die Beschwerde nicht gem § 156 mit Beschluss zurückzuweisen ist, grundsätzlich in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung des Erkenntnisses seine Anschauung an die Stelle jener der Finanzstrafbehörde zu setzen und das angefochtene Erkenntnis (den Bescheid) abzuändern oder aufzuheben, den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären oder die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Gem § 161 Abs 4 FinStrG kann das Bundesfinanzgericht auch die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses (Bescheides) unter Zurückverweisung der Sache an die Finanzstrafbehörde verfügen, wenn es umfangreiche Ergänzungen des Untersuchungsverfahrens für erforderlich hält; die Finanzstrafbehörde ist im weiteren Verfahren an die in dem zurückverweisenden Beschluss niedergelegte Rechtsanschauung gebunden. Für das neue verwaltungsbehördliche Erkenntnis gelten die Abs 2 und 3 sinngemäß.

Gem § 61 Abs 1 FinStrG hat im Falle, dass einem Täter mehrere Taten zur Last liegen oder sich an derselben Tat mehrere Personen beteiligt haben oder die Taten mehrerer Personen sonst in einem engen Zusammenhang stehen und in allen diesen Fällen dieselbe Finanzstrafbehörde zur Durchführung des Strafverfahrens zuständig ist, die Finanzstrafbehörde die Strafverfahren wegen aller Taten zu verbinden.

Gem § 21 Abs 1 FinStrG ist im Falle, dass jemand durch eine Tat oder durch mehrere selbständige Taten mehrere Finanzvergehen derselben oder verschiedener Art begangen hat und über diese Finanzvergehen gleichzeitig erkannt wird, auf eine einzige Geldstrafe, Freiheitsstrafe oder Geld- und Freiheitsstrafe zu erkennen. Neben diesen Strafen ist auf Verfall oder Wertersatz zu erkennen, wenn eine solche Strafe auch nur für eines der zusammentreffenden Finanzvergehen angedroht ist.

Gem § 62 Abs 2 zweiter Satz FinStrG obliegt die Durchführung des Beschwerdeverfahrens vor der mündlichen Verhandlung dem Senatsvorsitzenden. Gem dritten Satz dieser Bestimmung obliegt diesem auch die Entscheidung über die Beschwerde, wenn eine mündliche Verhandlung aus den Gründen des § 160 Abs 1 nicht stattfindet und die Parteien des Beschwerdeverfahrens Gelegenheit hatten, dazu Stellung zu nehmen.

Gem § 160 Abs 1 FinStrG ist über Beschwerden nach vorangegangener mündlicher Verhandlung zu entscheiden, es sei denn, die Beschwerde ist zurückzuweisen oder der angefochtene Bescheid bereits aufgrund der Aktenlage aufzuheben, das Verfahren einzustellen oder es ist nach § 161 Abs 4 vorzugehen.

Gem § 135 Abs 1 lit g FinStrG hat die Niederschrift über den Ablauf der mündlichen Verhandlung, wenn das Erkenntnis nach Schluss der mündlichen Verhandlung verkündet worden ist, dessen Inhalt und die wesentlichen Gründe zu enthalten.

Der Spruch des Erkenntnisses der belangten Behörde, bei Undeutlichkeit ergänzt um die Begründung, beschreibt die Sache des Finanzstrafverfahrens und bildet auch den Prüfgegenstand des Bundesfinanzgerichtes (vgl ; ). "Sache" des Verwaltungsstrafverfahrens ist somit die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat mit ihren wesentlichen Sachverhaltselementen, unabhängig von ihrer rechtlichen Beurteilung ().

Gem § 97 Abs 1 lit b BAO iVm § 56 Abs 2 FinStrG erlangt das Erkenntnis mit der mündlichen Verkündung Wirksamkeit (Ritz BAO7 § 97 Rz 1 u 6). Die ab diesem Zeitpunkt erlangte materielle Rechtskraft bewirkt deren Unwiderrufbarkeit und Unwiederholbarkeit (Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3, 579). Wesentlich ist dabei der Inhalt der mündlichen Verkündung und nicht der Inhalt des schriftlich ausgefertigten Bescheides (; 14 Os 72).

Für den Inhalt der mündlich verkündeten Entscheidung ist weiter nicht die Ausfertigung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, sondern jene Urkunde entscheidend, die über den Entscheidungsinhalt und die Tatsache der Verkündung angefertigt wurde (, mwN), somit die Niederschrift über die mündliche Verhandlung.

Die zur Last gelegten Taten müssen so eindeutig umschrieben werden, dass vernünftigerweise kein Zweifel darüber bestehen kann, wofür der Beschuldigte zu bestrafen ist, und dass damit die Möglichkeit einer neuerlichen Bestrafung für dieselben Taten ausgeschlossen ist (). Auf gleiche Weise sollten auch aus der Verhandlungs-niederschrift selbst der Spruch der verkündeten Entscheidung und dabei auch die als erwiesen angenommenen Taten eindeutig erkennbar sein (vgl § 138 Abs 2 lit a FinStrG).

Zudem ist in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Spruchsenat der Spruch der vom Vorsitzenden verkündeten Entscheidung zu dokumentieren. Dabei sind auch die als erwiesen angenommenen Taten (vgl § 138 Abs 2 lit a FinStrG) mit ausreichender Deutlichkeit festzuhalten. Der bloße Vermerk "wie im Beratungsprotokoll beurkundet" wird diesen Anforderungen nicht gerecht und widerspricht dies rechtsstaatlichen Grundsätzen, weil das Beratungsprotokoll des Spruchsenates nicht der Akteneinsicht der Verfahrensparteien unterliegt. Hierzu ist auf die jüngste Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu verweisen, wonach ein mündlich verkündetes Erkenntnis die tragenden Elemente der Begründung zu enthalten hat und die schriftliche Ausfertigung der Entscheidung den Mangel des Fehlens der wesentlichen Entscheidungsgründe in der mündlichen Verkündung des Erkenntnisses nicht beseitigen kann (). Umso mehr muss dies für den Spruch der Entscheidung gelten.

Da aber weder aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom , noch aus dem schriftlichen Erkenntnis zweifelsfrei entnommen werden kann, ob und wenn ja, wie der Spruchsenat über die verfahrensgegenständlichen Taten abgesprochen hat, ist es für das Bundesfinanzgericht nicht möglich den Beschwerdegegenstand einwandfrei festzustellen. Dies ist aber von entscheidender rechtlicher Bedeutung, kann doch über ein und dieselbe Sache nur einmal entschieden werden () und kann das Bundesfinanzgericht nicht erstmals über Finanzstraftaten absprechen (-I/06). Es liegt somit ein schwerwiegender Erkenntnismangel vor, welcher im Beschwerdeverfahren nicht sanierbarer ist (vgl ).

Trotz weiterer Ermittlungen durch das Bundesfinanzgericht bleibt weiter unklar, über welche Tatvorwürfe bei der mündlichen Verkündung des Spruchsenatserkenntnisses abgesprochen wurde. Eine meritorische Entscheidung des BFG würde betreffend jene Tatvorwürfe, über die vom Spruchsenat nicht abgesprochen wurde, zu einer Verkürzung des Instanzenzuges führen. Darüber hinaus fehlen Sachverhaltsfeststellungen zu drei von vier Tatvorwürfen, welche alle Gegenstand des Verfahrens vor dem Spruchsenat waren.

Gemäß § 161 Abs 4 FinStrG kann der Vorsitzende des Finanzstrafsenates des Bundesfinanzgerichtes mit Beschluss das angefochtene Erkenntnis des Spruchsenates aufheben und die Zurückweisung der Finanzstrafsache an die Finanzstrafbehörde verfügen, wenn eine umfangreiche Ergänzung des Untersuchungsverfahrens erforderlich ist, hier in der Form, dass zu drei von vier vorgeworfenen Taten vom Spruchsenat keine Sacherverhaltsfest-stellungen getroffen wurden. Bei der Ermessensübung ist zu beachten, dass eine Zurückverweisung dann geboten sein kann, wenn es sonst zu einer Verkürzung des Instanzenzuges kommen würde (Seiler/Seiler, FinStr5 § 161 Rz 22).

Im Rahmen des vom Gesetzgeber eingeräumten Ermessens war daher das Spruchsenats-erkenntnis vom gem § 161 Abs 4 FinStrG schon aufgrund der Aktenlage durch den Vorsitzenden und gem § 160 Abs 1 FinStrG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Beschluss aufzuheben und an die Finanzstrafbehörde zurückzuverweisen.

Im weiteren Verfahren ist die Finanzstrafbehörde an die Rechtsanschauung des Bundesfinanzgerichtes gebunden:

  1. In seinem Erkenntnisses hat der Spruchsenat über alle vorgeworfenen Taten abzusprechen oder einzelne Tatvorwürfe aus dem Verfahren auszuscheiden.

  2. Der Spruch und die Begründung sind in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung zu dokumentieren. Ein bloßer Verweis auf ein Beratungsprotokoll, dass nicht der Akteneinsicht durch die Parteien unterlegt, ist nicht ausreichend.

  1. Im weiteren Rechtsgang wird der Spruchsenat auf die unterschiedliche umsatzsteuerliche Behandlung von Liegenschaften (hierTrafik-Gebäude; grundsätzlich umsatzsteuerbefreit mit der Möglichkeit zur Steuerpflicht zu optieren) und der selbstständig zu beurteilenden Geschäftseinrichtung (jedenfalls umsatzsteuerpflichtig) und deren Bedeutung für den subjektiven Tatbestand einzugehen haben.

  2. Zwischenzeitlich ist die (zivilrechtliche) Entscheidung des OLG Linz (2 R 86/22s) in Rechtskraft erwachsen, in der festgestellt wurde, dass es sich beim zwischen bP und Käufer vereinbarten Kaufpreis um einen Nettobetrag handelt und der Käufer der bP die Umsatzsteuer noch schuldet. Dieses Urteil wurde vom Käufer bereits erfüllt. Die bP hat den gesamten Umsatzsteuerbetrag beim Finanzamt Österreich zu Einzahlung gebracht.

  3. Der Spruchsenat wird im fortgesetzten Verfahren zu würdigen haben, dass im Zuge des genannten Zivilrechtsverfahrens Beweismittel hervorgekommen sind, die zeigen, dass nicht die bP, sondern dessen steuerlicher Vertreter, ***Mag. XY***, die Rechnung mit Umsatzsteuerausweis erstellt und an den Käufer übermittelt hat. Form und Inhalt der Rechnung war vorab zwischen Käufer und steuerlichem Vertreter abgesprochen. Dies berührt unmittelbar die subjektive Tatseite hinsichtlich der angelasteten Abgaben-hinterziehung betreffend Umsatzsteuer 2016; zumindest insoweit sich der Vorwurf auf die Veräußerung der Liegenschaft (ohne Geschäftsausstattung) bezieht.

  4. Zudem wird der Spruchsenat auch nochmals zu überprüfen haben, wann das Vertretungsverhältnis zwischen der bP und dessen steuerlichen Vertreter, ***Mag. XY***, tatsächlich geendet hat. Den vorgelegten Finanzstrafakten sind keine Beweise zu entnehmen, die dafürsprechen, dass dieses bereits im Mai 2015 geendet hätte.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Verweise
Anmerkung
Der Niederschrift über die mündliche Verhandlung ist weder der Spruch des mündlich verkündeten Erkenntnisses noch eine Begründung zu entnehmen. In der Niederschrift wird nur auf das Beratungsprotokoll (das unter Verschluss abgelegt wird) verwiesen. Was als Spruch verkündet wurde, war in diesem Fall nicht nachvollziehbar.
Zitiert/besprochen in
Eber in ZWF 2024, 42
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.6300006.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at