Verfahrenshilfe – Einzel – Beschluss, BFG vom 09.01.2023, VH/6100022/2021

Bewilligung von Verfahrenshilfe

Entscheidungstext

Beschluss- Verfahrenshilfe

Das Bundesfinanzgericht fasst durch den Richter Mag.Dr. Thomas Leitner über den Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe des Antragstellers ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom für das Beschwerdeverfahren betreffend Beschwerde vom gegen den Gebührenbescheid und den Bescheid über eine Gebührenerhöhung des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel (nunmehr Finanzamt Österreich) vom , ErfNr 10-515.671/2020, den Beschluss:

I. Dem Antragsteller wird gemäß § 292 BAO Verfahrenshilfe bewilligt.

II. Die Bestellung des Verfahrenshelfers obliegt der Kammer der Wirtschaftstreuhänder.

III. Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

I. Sachverhalt

Mit Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel (nunmehr Finanzamt Österreich) vom wurde dem Antragsteller gegenüber betreffend eine Eingabe beim Landesverwaltungsgericht ***Ort1*** vom wegen Beschwerde zu ZI. ***1*** eine Eingabengebühr gemäß § 2 BuLVwG-EGebV im Betrag von 30,- Euro sowie eine Gebührenerhöhung gemäß § 9 Abs. 1 GebG im Betrag von 15,- Euro festgesetzt.

Dagegen wurde vom Antragsteller mit Schreiben vom nach erfolgter Verlängerung der Rechtsmittelfrist durch das Finanzamt rechtzeitig Beschwerde eingebracht. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig, da der Antragsteller beim LVwG ***Ort1*** einen Antrag auf Verfahrenshilfe (§ 8a VwGVG) eingebracht habe, über den bis dato nicht abgesprochen worden sei. Im Falle einer Bewilligung der Verfahrenshilfe sei die vom Antragsteller beim LVwG ***Ort1*** eingebrachte Maßnahmenbeschwerde von der Eigabengebühr befreit. Zudem sei dem Antragsteller (vor der Erlassung der angefochtenen Bescheide) keine Zahlungsaufforderung zugesandt worden. Gleichzeitig mit Einbringung der vorgenannten Beschwerde wurde vom Antragsteller ein Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe gem § 292 BAO gestellt.

Mit Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass die Gebührenschuld für die Eingaben und Beilagen an das Bundesverwaltungsgericht oder an ein Verwaltungsgericht eines Landes im Zeitpunkt der Einbringung der Eingabe entstehe. Die Gebührenschuld entstehe unabhängig davon, ob die Behörde über die Beschwerde bereits entschieden hat oder ein bei der Behörde eingereichter Antrag auf Verfahrenshilfe erledigt wurde. Es sei auch nicht von Bedeutung, ob der Einschreiter von der Behörde zur Gebührenentrichtung aufgefordert wurde oder nicht.

Mit Schreiben vom brachte der Antragsteller Bezug nehmend auf die vorgenannte Beschwerdevorentscheidung einen Vorlageantrag ein. Dabei wurde ergänzend zu den bereits in der Beschwerde erfolgten Ausführungen unter anderem auf § 64 Abs. 3 ZPO verwiesen, der im gegenständlichen Fall gem § 8a VwGVG sinngemäß gelte. Demnach treten - soweit die Verfahrenshilfe bewilligt wird - die Befreiungen und Rechte nach Abs. 1 mit dem Tag ein, an dem sie beantragt worden sind. Die Befreiungen nach Abs. 1 Z 1 Buchstaben b bis e können wirksam noch bis zur Entrichtung dieser Kosten und Gebühren beantragt werden.

Am erfolgte die Vorlage der oa Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und wurde vom Finanzamt unter Verweis auf die in der Beschwerdevorentscheidung dargelegte Rechtsansicht die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Mit wurde dem Antragsteller gemäß § 85 Abs. 2 iVm § 2a BAO aufgetragen, folgende Mängel zu beheben:

Dem Verfahrenshilfeantrag vom fehlt:

  1. die Entscheidung der Partei, ob der Kammer der Wirtschaftstreuhänder oder der Rechtsanwaltskammer die Bestellung des Verfahrenshelfers obliegt (§ 292 Abs. 8 Z 3 BAO);

  2. eine Darstellung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Antragstellers (§ 292 Abs. 8 Z 4 BAO).

Mit Eingabe vom kam der Antragsteller dem vorgenannten Mängelbehebungsauftrag rechtzeitig nach und gab der Antragsteller bekannt, dass die Bestellung des Verfahrenshelfers der Kammer der Wirtschaftstreuhänder obliegen solle. Aus dem nunmehr vorgelegten Vermögensbekenntnis sind folgende persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse des Antragstellers ersichtlich:

Der Antragsteller ist verheiratet und hat drei minderjährige Kinder. Er ist Informatiker, derzeit jedoch beschäftigungslos und bezieht Sozialunterstützung (ca 650,- Euro/Monat), eine Wohnbeihilfe (ca 335,- Euro/Monat) und die Familienbeihilfe (ca 632,- Euro/Monat). Er hat keine Unterhaltsansprüche; er ist gegenüber seinen drei minderjährigen Kindern unterhaltspflichtig. Er verfügt über keinerlei Vermögen; für die eheliche Mietwohnung fallen monatlich in Summe Kosten iHv 670,- Euro an.

Aus den aktenkundigen Verfahrensergebnissen ergeben sich keine Bedenken gegen die Richtigkeit und Vollständigkeit des vorgelegten Vermögensbekenntnisses.

Aus den weiteren aktenkundigen Unterlagen geht hervor, dass für den Antragsteller mit Beschluss des Bezirksgerichts ***Ort1*** vom die Bestellung einer einstweiligen gerichtlichen Erwachsenenvertretung erfolgt ist. Begründend wurde dabei vom Bezirksgericht ***Ort1*** unter anderem ausgeführt, der Antragsteller habe beim Landesverwaltungsgericht ***Ort1*** sehr gehäuft zumindest zum Teil mutwillige und aussichtslose Beschwerden im Zusammenhang mit bedarfsorientierter Mindestsicherung sowie auch Maßnahmenbeschwerden und zahlreiche gesetzlich nicht vorgesehene und wiederholt gleichartige Anträge eingebracht, obwohl solche Anträge bereits wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen wurden. In weiterer Folge wurde die einstweilige gerichtliche Erwachsenenvertretung mit Beschluss des Bezirksgerichts ***Ort1*** vom und mit Beschluss des Bezirksgerichts ***Ort1*** vom jeweils erweitert.

II. Rechtslage:

Gemäß § 292 Abs. 1 BAO ist auf Antrag einer Partei (§ 78), wenn zu entscheidende Rechtsfragen besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art aufweisen, ihr für das Beschwerdeverfahren Verfahrenshilfe vom Verwaltungsgericht insoweit zu bewilligen,
1. als die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten und
2. als die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Gemäß § 292 Abs. 2 BAO ist als notwendiger Unterhalt derjenige Unterhalt anzusehen, den die Partei für sich und ihre Familie, für deren Unterhalt sie zu sorgen hat, zu einer einfachen Lebensführung benötigt.

§ 292 Abs. 5 BAO lautet wie folgt: "Offenbar aussichtslos ist eine Beschwerde insbesondere bei Unschlüssigkeit des Begehrens oder bei unbehebbarem Beweisnotstand. Bei einer nicht ganz entfernten Möglichkeit des Erfolges liegt keine Aussichtslosigkeit vor. Mutwillig ist eine Beschwerde dann, wenn sich die Partei der Unrichtigkeit ihres Standpunktes bewusst ist oder bewusst sein muss."

Gemäß § 292 Abs. 7 Z 1 BAO kann der Antrag ab Erlassung des Bescheides, der mit Beschwerde angefochten werden soll, gestellt werden.

Gemäß § 292 Abs. 8 BAO hat der Antrag zu enthalten
1. die Bezeichnung des Bescheides (Abs. 7 Z 1) bzw. der Amtshandlung (Abs. 7 Z 2) bzw. der unterlassenen Amtshandlung (Abs. 7 Z 3),
2. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,
3. die Entscheidung der Partei, ob der Kammer der Wirtschaftstreuhänder oder der Rechtsanwaltskammer die Bestellung des Verfahrenshelfers obliegt,
4. eine Darstellung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Antragstellers und der wirtschaftlich Beteiligten.

III. Erwägungen

Die Bewilligung der Verfahrenshilfe erfordert nach § 292 BAO - wie auch die als Vorbild dienende Regelung der ZPO (vgl die wiederholte Nennung der entsprechenden Bestimmungen in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 1352 BlgNR 25. GP 18) - kumulativ das Vorliegen von wirtschaftlichen Voraussetzungen einerseits und von verfahrensbezogenen Voraussetzungen anderseits ().

§ 292 Abs. 1 BAO sieht für die Gewährung von Verfahrenshilfe zum einen vor vor, dass zu entscheidende Rechtsfragen besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art aufweisen. Wenngleich der Wortlaut dieser Bestimmung zunächst nahelegen könnte, dass die Gewährung von Verfahrenshilfe nur zulässig ist, wenn im Verfahren objektiv schwierige Fragen rechtlicher Art zu entscheiden sind, erfordert diese nach der Rsp des VfGH - auch ausgehend davon, dass der Gesetzgeber die Einführung der Verfahrenshilfe für Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht "zur Herstellung einer dem Art 47 GRC entsprechenden Rechtslage" intendiert hat (ErläutRV 1352 BlgNR 25. GP 1) - eine Prüfung, ob im konkreten Einzelfall für den Antragsteller (subjektiv) besondere Schwierigkeiten bestehen. Dabei sind alle Umstände des Falles wie der Streitgegenstand, die begründeten Erfolgsaussichten des Rechtsschutzsuchenden, die Bedeutung des Rechtsstreites für diesen, die Komplexität des geltenden Rechtes und des anwendbaren Verfahrens sowie die Fähigkeiten des Rechtsschutzsuchenden, sein Anliegen wirksam zu verteidigen, abzuwägen (vgl ).

§ 292 Abs. 1 BAO schließt somit die Gewährung von Verfahrenshilfe im Einzelfall nicht schon deshalb aus, weil objektiv keine komplexe, besonders schwierige Frage rechtlicher Art vorliegt. Vielmehr sind in verfassungskonformer Auslegung stets auch die Fähigkeiten des betroffenen Antragstellers zu berücksichtigen, sein Anliegen wirksam zu vertreten (vgl ).

Im Hinblick auf die aktenkundigen Beschlüsse des Bezirksgerichts ***Ort1*** betreffend die Bestellung einer einstweiligen gerichtlichen Erwachsenenvertretung für den Antragsteller bzw deren wiederholte Erweiterung ist das oa Kriterium des Vorliegens von Rechtsfragen, die besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art aufweisen, als erfüllt anzusehen, da in Anbetracht dieser Beschlüsse davon auszugehen ist, dass der Antragsteller selbst nicht dazu in der Lage ist, sein Anliegen wirksam zu vertreten.

Als weitere verfahrensbezogene Voraussetzungen verlangt § 292 Abs. 1 Z 2 BAO, dass die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht offenbar mutwillig oder aussichtslos sein darf.

Offenbar aussichtslos ist eine Beschwerde insbesondere bei Unschlüssigkeit des Begehrens oder bei unbehebbarem Beweisnotstand. Bei einer nicht ganz entfernten Möglichkeit des Erfolges liegt keine Aussichtslosigkeit vor.

Mutwillig ist eine Beschwerde dann, wenn sich die Partei der Unrichtigkeit ihres Standpunktes bewusst ist oder bewusst sein muss.

Im Hinblick auf die vom Finanzamt im abgabenbehördlichen Verfahren getroffenen und dem Antragsteller mitgeteilten Feststellungen erweist sich die Beschwerde nach der Maßgabe der vorgenannten Begriffsdefinitionen gem § 292 Abs 5 BAO weder als offenbar mutwillig noch als offenbar aussichtslos.

Was die wirtschaftlichen Voraussetzungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe anbelangt, ist wie folgt auszuführen:

Die Definition des notwendigen Unterhaltes in § 292 Abs. 2 BAO entspricht jener in § 63 Abs. 1 zweiter Satz ZPO. Als notwendiger Unterhalt ist demnach ein zwischen dem "notdürftigen" und dem "standesgemäßen" Unterhalt liegender anzusehen, der abstrakt zwischen dem statistischen Durchschnittseinkommen eines unselbständig Erwerbstätigen und dem "Existenzminimum" liegt und unter Würdigung der Umstände des Einzelfalles eine die Bedürfnisse des Einzelnen berücksichtigende bescheidene Lebensführung gestattet (vgl ErläutRV 1352 BlgNR 25. GP 18).

Das Existenzminimum beläuft sich bei Bestehen einer Unterhaltspflicht für drei Kinder derzeit auf 1.648,- Euro monatlich (vgl BMJ, Informationsbroschüre für Arbeitgeber als Drittschuldner, Stand Jänner 2022). Somit erreicht das monatliche Nettoeinkommen des Beschwerdeführers aber nicht einmal das Existenzminimum und ist der Antragsteller folglich jedenfalls verfahrenshilfebedürftig.

Da der gegenständliche Antrag zudem alle in § 292 Abs 8 BAO genannten Inhaltserfordernisse erfüllt, ist somit spruchgemäß zu entscheiden.

IV. Zur Unzulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt hier nicht vor. Die Entscheidung folgt vielmehr der dargestellten Judikatur des VwGH und des VfGH.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 292 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 292 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 292 Abs. 1 Z 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 292 Abs. 5 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 292 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 292 Abs. 8 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:VH.6100022.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at