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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 20.02.2023, RV/5100341/2020

Berücksichtigung von berichtigten Lohnzetteln nach Feststellung von Schwarzlohnzahlungen beim Arbeitgeber

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Grieskirchen Wels (nunmehr "Finanzamt Österreich ") vom betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2014 und 2015 sowie betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2014 und 2015 zur Steuernummer ***Bf-StNr*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

A. Wiederaufnahme, neue Sachbescheide

Am wurden durch das belangte Finanzamt Bescheide über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2014 und 2015 sowie neue Sachbescheide betreffend Einkommensteuer 2014 und 2015 erlassen. In den neuen Einkommensteuerbescheiden wurden zusätzliche Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von EUR 2.000 (2014) bzw. in Höhe von EUR 36.492,17 (2015) festgesetzt. Begründend wurde - im Wesentlichen - ausgeführt, aufgrund einer beim Dienstgeber (***DG***) durchgeführten Betriebs- und Lohnsteuerprüfung festgestellt wurde, dass ein Teil der Löhne "schwarz" ausgezahlt und die darauf entfallenden Lohnabgaben nicht entrichtet worden seien. Die tatsächlich ausbezahlten Löhne seien anhand von sichergestellten Berechnungen bzw. sonstigen Unterlagen ermittelt worden und es würden sich auf Basis dieser Berechnungen zusätzliche Einkünfte in Höhe von EUR 2.000 (2014) bzw. EUR 36.492,17 (2015) auf Ebene des Beschwerdeführers ergeben. Die Lohnzettel für die betroffenen Jahre seien daher vom belangten Finanzamt entsprechend berichtigt worden. Die vom Dienstgeber nicht entrichtete Lohnsteuer sei nicht angerechnet worden, da diese dem Dienstgeber nicht zu ersetzen gewesen sei.

Hinsichtlich der Wiederaufnahme des Verfahrens wurde darauf hingewiesen, dass Tatsachen und Beweismittel neu hervorgekommen seien. Diese seien im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht worden und es hätte die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens zu einem im Spruch anderslautenden Bescheid geführt. Die berichtigten Lohnzettel würden solche neuen Tatsachen darstellen und somit zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens berechtigen.

B. Beschwerde, Beschwerdevorentscheidung, Vorlageantrag

Mit Eingabe vom wurde durch den Beschwerdeführer Beschwerde gegen die nachfolgend angeführten Bescheide vom erhoben:

  1. Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2014

  2. Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2015

  3. Einkommensteuerbescheid 2014

  4. Einkommensteuerbescheid 2015

Begründend wurde - im Wesentlichen - ausgeführt, dass die lohnsteuerprüfende Behörde den wesentlichen verfahrensrechtlichen Grundsatz des Parteiengehörs iSd § 115 Abs. 2 BAO missachtet habe. Dies daher, weil dem Beschwerdeführer als Abgabepflichtigem zu den Vorwürfen bzw. zu den belastenden Unterlagen kein Gehör gewährt worden sei. Zudem seien nunmehr festgesetzten zusätzlichen Bruttobezüge überhöht. Ein Bruttobezug für den gesamten Zeitraum 03-12/2015 iHv gesamt EUR 64.806,12 für Verputz- und Estricharbeiten würde jeglicher Lebenserfahrung widersprechen. Zudem wäre die Einhaltung des für die Erzielung dieses Verdienstes notwendigen Arbeitspensums für diesen Zeitraum schlicht undenkbar.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurden die Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide 2014 und 2015 als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde wiederum auf die beim Dienstgeber durchgeführte Betriebs- und Lohnsteuerprüfung verwiesen. Im Rahmen dieser Prüfungshandlungen seien Belege über Barauszahlungen an den Beschwerdeführer vorgefunden worden. Aufgrund dieser Belege und der Angaben des ehemaligen Dienstgebers seien die Barauszahlungen, die nicht über das Lohnkonto abgefunden wurden, als steuerpflichtiger Lohn nachverrechnet worden.

Gegen diese Entscheidung des belangten Finanzamtes wurde mit Schreiben vom ein Vorlageantrag eingebracht. Ergänzend wurde - im Wesentlichen - ausgeführt, dass im Rahmen der Beschwerdevorentscheidungen wiederum nur auf die Prüfungshandlungen beim Dienstgeber verwiesen worden sei. Ungeachtet der Tatsache, dass der Beschwerdeführer niemals Bargeldzahlungen vom damaligen Dienstgeber erhalten habe, seien ihm die vom Finanzamt erwähnten Belege niemals zur Kenntnis gebracht worden und er habe daher auch noch keine Gelegenheit gehabt, dazu Stellung zu nehmen. Es würden sich außerdem keinerlei Ausführungen in den Beschwerdevorentscheidungen finden, weshalb das Finanzamt diesen Belegen Glauben schenkt. Zudem sei es nach wie vor unklar, aus welchen Gründen das Finanzamt einen Hinzurechnungsbetrag von knapp EUR 37.000 für den Zeitraum 04-12/2015 als angemessen betrachte. Ein derartiges Monatsgehalt als Fassader sei in der Branche völlig utopisch.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurden die Beschwerden gegen die Bescheide über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2014 und 2015 als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde wie folgt ausgeführt:

Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Im Rahmen einer Hausdurchsuchung am bei der ***DG*** wurden Unterlagen sichergestellt, aus denen hervorgeht, dass in den Jahren 2014 und 2015 Schwarzzahlungen für geleistete "Übermeter" an Sie geflossen sind. In der Folge wurde der Geschäftsführer der ***DG*** mit Urteil vom 29.08.207 der Abgabenhinterziehung für schuldig befunden, indem er eine Verkürzung der Lohnabgaben für die Zeiträume 01/2012 bis 12/2015 in der Höhe von insgesamt € 263.834,99 bewirkt hatte. In dieser Summe waren auch die an Sie ausbezahlten Schwarzlöhne enthalten. Aufgrund des rechtskräftig gewordenen Strafurteils steht somit fest, dass Ihnen im Jahr 2014 (2015) zusätzlich zum versteuerten Lohn ein Betrag von € 2.000,00 (€ 36.492,17) zugeflossen ist. Dieser Betrag wurde nunmehr als steuerpflichtiger Lohn erfasst.

Gegen diese Entscheidung des belangten Finanzamtes wurde mit Schreiben vom ein Vorlageantrag eingebracht. Begründend wurde auf das bisherige Vorbringen im Rahmen der Beschwerde bzw. des Vorlageantrages gegen die Beschwerdevorentscheidung betreffend die Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2014 und 2015 verwiesen.

Die Beschwerde wurde dem Bundesfinanzgericht am zur Entscheidung vorgelegt. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom wurde die Beschwerdesache in die Zuständigkeit des erkennenden Richters übertragen.

C. Verfahren vor dem BFG

Mit Vorhalt vom sowie vom (dem Vorhalt vom wurden versehentlich die im Schreiben angeführten Beilagen nicht beigefügt, inhaltlich sind die Vorhalte ident) wurde dem Beschwerdeführer die gegenständliche Sachlage zur Kenntnis gebracht und es wurden ihm die nachfolgend angeführten Dokumente zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelt.

  1. E-Mail über die Einteilung der "Putzpartien" sowie handschriftliche Aufzeichnungen des Geschäftsführers des Dienstgebers (***DG***)

  2. Niederschrift über die Vernehmung des Beschuldigten (***GF DG***)

  3. Niederschrift über die Vernehmung des Zeugen ***Bf***

  4. Bericht über das Ergebnis der Lohnsteuerprüfung bei der ***DG***

  5. Endbericht der Steuerfahndung betreffend die ***DG*** bzw. den Geschäftsführer ***GF DG***

  6. Anklageschrift der Staatsanwaltschaft ***R*** vom inkl. Anhänge

  7. Protokollvermerk und Urteil des Landesgerichts ***R*** vom

Im Rahmen des Vorhalts wurde - unter anderem - ausgeführt, dass sich aus den Aufzeichnungen des Geschäftsführers des damaligen Dienstgebers (***DG***) ergibt, dass der Beschwerdeführer als Dienstnehmer und Teil einer "Putzpartie" Schwarzzahlungen erhalten habe. Zudem wurde ausgeführt, dass der Geschäftsführer des damaligen Dienstgebers hinsichtlich der geleisteten Schwarzzahlungen voll geständig sei.

Zudem wurde darauf hingewiesen, dass der Geschäftsführer mit Urteil des Landesgerichts ***R*** vom verurteilt wurde, wobei auch der für dieses Beschwerdeverfahren gegenständliche Themenbereich "Schwarzzahlungen" und die dadurch bewirkte Verkürzung von Lohnabgaben Bestandteil dieses Urteils war und vom Landesgericht ***R*** entsprechende Feststellungen getroffen wurden. Es wurde darauf hingewiesen, dass das Bundesfinanzgericht an diese Feststellungen gebunden ist.

Zur Beantwortung der Vorhalte wurde eine Frist von 3 Wochen ab Erhalt dieses Schreibens gesetzt. Diese Frist wurde auf Basis eines Telefonats bis zum verlängert.

Beide Vorhalte wurden postalisch zugestellt und - laut Rückschein - am (Vorhalt vom ) bzw. am (Vorhalt vom ) von einer Mitbewohnerin/einem Mitbewohner des Beschwerdeführers übernommen.

Bis zum heutigen Tag ist seitens des Beschwerdeführers keine Rückmeldung erfolgt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer war (zumindest) in den streitgegenständlichen Jahren als Dienstnehmer bei der ***DG*** (in der Folge "Dienstgeber") beschäftigt. Er wurde zunächst - auf Basis der eingebrachten Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung 2014 und 2015 - mit Bescheiden vom (2014 und 2015) erklärungsgemäß veranlagt. Im Rahmen von beim Dienstgeber durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfungen wurde erhoben, dass der Dienstgeber - zusätzlich zum regulär ausbezahlten Lohn - Schwarzzahlungen für sogenannte "Übermeter" an seine Dienstnehmer ausgezahlt hat. Der Beschwerdeführer bildete in den streitgegenständlichen Jahren mit Herrn ***S G*** und/oder Herrn ***L L*** eine sogenannte "Putzpartie".

Der Dienstgeber hat - gemäß den durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfungen - durch Schwarzzahlungen im Zeitraum vom 01/2012 bis 12/2015 Lohnabgaben (Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag) in Höhe von EUR 263.834,99 verkürzt. Dies wurde auch vom Landesgericht ***R*** mit Urteil vom festgestellt und der Geschäftsführer des Dienstgebers (Herr ***GF DG***) wurde - unter anderem aufgrund dieses Tatsachenkomplexes - verurteilt.

Vom Gesamtbetrag der verkürzten Lohnabgaben in Höhe von EUR 263.834,99 entfällt auf den Beschwerdeführer im Jahr 2014 ein Betrag von EUR 759,94 und im Jahr 2015 ein Betrag von EUR 16.269,40. Dies entspricht einem Hinzurechnungsbetrag von EUR 2.000 für 2014 und EUR 36.492,17 für 2015, also genau jenen Beträgen, die vom Finanzamt in den bekämpften Einkommensteuerbescheiden zusätzlich berücksichtigt wurden und die nach Auffassung des Bundesfinanzgerichtes auch tatsächlich in Form von "Schwarzzahlungen" an den Beschwerdeführer geflossen sind.

Trotz ausführlicher Darstellung der Sachlage sowie Übermittlung der relevanten Unterlagen im Rahmen der Vorhalte vom (übernommen am von einer Mitbewohnerin/einem Mitbewohner) sowie vom (übernommen am von einer Mitbewohnerin/einem Mitbewohner) wurde durch den Beschwerdeführer bis zum heutigen Tag keine Rückmeldung erstattet.

2. Beweiswürdigung

Gemäß § 167 Abs. 1 BAO bedürfen Tatsachen, die bei der Abgabenbehörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, keines Beweises.

Gemäß § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde im Übrigen unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt. Die Abgabenbehörde muss dieser Rechtsprechung zufolge den Bestand einer Tatsache nicht im naturwissenschaftlich-mathematisch exakten Sinn nachweisen (vgl etwa ; Ritz, BAO7 § 167 Rz 8 mwN).

Der festgestellte Sachverhalt gründet sich auf die nachfolgend dargestellten Beweismittel, die auch dem Beschwerdeführer mittels Anschreiben vom sowie vom zur Kenntnis gebracht wurden.

Die Zuteilung des Beschwerdeführers zur festgestellten "Putzpartie" ergibt sich aus einer E-Mail, die Herr ***GF DG*** im Zuge der Durchführung der abgabenbehördlichen Prüfung an den Prüfer übermittelt hat. Daraus geht hervor, dass der Beschwerdeführer in den streitgegenständlichen Jahren gemeinsam mit Herrn ***S G*** und/oder Herrn ***L L*** eine "Putzpartie" gebildet hat. Aus den im Zuge der Hausdurchsuchung bei Herrn ***GF DG*** sichergestellten handschriftlichen Aufzeichnungen ergibt sich das Ausmaß der im Zeitraum April bis Dezember 2015 geleisteten Schwarzzahlungen an die Mitglieder dieser "Putzpartie". Die Aufzeichnungen betreffend die Schwarzzahlungen im Jahr 2014 konnten von Herrn ***GF DG*** nicht mehr vorgelegt werden, es wurde allerdings im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung der nunmehr festgesetzte Betrag im Einvernehmen mit ihm bzw. seiner steuerlichen Vertretung geschätzt. Das Bundesfinanzgericht hat keinen Grund, an der Richtigkeit dieser Schätzung zu zweifeln. Dies umso weniger, als auch das Landesgericht ***R*** diese Beträge in das Urteil vom übernommen hat.

In der Niederschrift vom über die Vernehmung von Herrn ***GF DG*** als Beschuldigter ist dieser hinsichtlich der Schwarzzahlungen voll geständig und hat auch das zugrundeliegende Abrechnungsmodell mittels "Übermeter" im Detail erläutert.

Der Verkürzungsbetrag betreffend die Lohnabgaben für die Jahre 2012 bis 2015 von (insgesamt) EUR 263.834,99, der auch im Urteil des Landesgerichts ***R*** festgehalten wurde, ergibt sich aus den Feststellungen aus der bei der ***DG*** durchgeführten Lohnsteuerprüfung bzw. dem Endbericht der Steuerfahndung.

Im Rahmen der freien Beweiswürdigung nimmt das Bundesfinanzgericht die obig dargestellten Tatsachen als erwiesen an. Dies betrifft insbesondere die Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur festgestellten "Putzpartie" sowie die Höhe der Schwarzgeldzahlungen. Der festgestellte Sachverhalt gründet sich auf diese Tatsachen und steht - soweit hier von Bedeutung - im Einklang mit dem Urteil des Landesgerichts ***R*** vom . Es besteht keine Veranlassung, an den Aussagen von Herrn ***GF DG*** zu zweifeln bzw. davon auszugehen, dass er die von ihm erstellten handschriftlichen Aufzeichnungen betreffend die Schwarzzahlungen an die Putzpartie gefälscht haben sollte.

Die Feststellungen zur erfolgten Zustellung der Vorhalte vom und vom beruhen auf den erhaltenen RSb-Rückscheinen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

A. Beschwerde gegen die Bescheide über Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2014 und 2015

Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen unter anderem wiederaufgenommen werden, "wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind" und "die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte."

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Neuhervorkommen von Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens derart zu beurteilen, dass es darauf ankommt, ob - im Falle der amtswegigen Wiederaufnahme - der Abgabenbehörde im wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wieder aufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können (vgl. etwa und die in Ritz/Koran, BAO7, § 303, Rz 31 angeführten Nachweise zur Rsp des VwGH). Maßgebend ist der Wissensstand des jeweiligen Veranlagungsjahres (Ritz/Koran, BAO7, § 303, Rz 31 mwN).

Im konkreten Fall wurden anlässlich einer Hausdurchsuchung beim Geschäftsführer des damaligen Dienstgebers des Beschwerdeführers Unterlagen sichergestellt, aus denen hervorgeht, dass der Beschwerdeführer neben dem regulär ausbezahlten Lohn auch noch Schwarzzahlungen erhalten hat (siehe dazu den festgestellten Sachverhalt). Da im Zusammenhang mit diesen Schwarzzahlungen naturgemäß keine Lohnzettel vorhanden waren, wurden nach Abschluss des Verfahrens betreffend den ehemaligen Dienstgeber beim Beschwerdeführer berichtigte Lohnzettel für die streitgegenständlichen Jahre erlassen. Dass es - neben dem regulären Lohn - derartige Zahlungsflüsse zwischen dem damaligen Dienstgeber des Beschwerdeführers und dem Beschwerdeführer gegeben hat, war der Abgabenbehörde in den entsprechenden Veranlagungsjahren 2014 und 2015 unbekannt bzw. konnte ihr auch nicht bekannt sein. Diese Tatsachen wurden erst im Zuge der im Jahr 2016 durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfungen beim damaligen Dienstgeber des Beschwerdeführers aufgedeckt und stellen daher für die Einkommensteuer der Jahre 2014 und 2015 beim Beschwerdeführer neue Tatsachen im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO dar.

Weder in der Beschwerde noch im Vorlageantrag des Beschwerdeführers finden sich Ausführungen dazu, weshalb die Wiederaufnahme aus Sicht des Beschwerdeführers nicht zulässig gewesen sein sollte.

Auf Basis der obigen Ausführungen war die Beschwerde gegen die Bescheide über die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2014 und 2015 als unbegründet abzuweisen.

B. Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2014 und 2015

Gemäß § 2 Abs. 1 EStG 1988 ist der Einkommensteuer das Einkommen zugrunde zu legen, das der Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat.

Gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 sind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn) Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis.

§ 83 EStG 1988 in der für die streitgegenständlichen Jahre maßgeblichen Fassung lautet:

(1) Der Arbeitnehmer ist beim Lohnsteuerabzug Steuerschuldner.

(2) Der Arbeitnehmer wird unmittelbar in Anspruch genommen, wenn

1.die Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 vorliegen,

2.(Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 99/2007)

3.die Voraussetzungen für eine Nachversteuerung gemäß § 18 Abs. 4 vorliegen,

4.eine Veranlagung auf Antrag (§ 41 Abs. 2) durchgeführt wird,

5.eine ausländische Einrichtung im Sinne des § 5 Z 4 des Pensionskassengesetzes die Einkommensteuer durch Abzug vom Arbeitslohn (§ 47) nicht erhoben hat.

(3) Der Arbeitnehmer kann unmittelbar in Anspruch genommen werden, wenn er und der Arbeitgeber vorsätzlich zusammenwirken um sich einen gesetzeswidrigen Vorteil zu verschaffen, der eine Verkürzung der vorschriftsmäßig zu berechnenden und abzuführenden Lohnsteuer bewirkt.

Wie sich aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt, hat der Beschwerdeführer in den streitgegenständlichen Jahren Lohnzahlungen erhalten, für die Lohnsteuer weder einbehalten noch abgeführt worden ist.

Zunächst ist auf das Vorbringen des Beschwerdeführers im Rahmen der Beschwerde bzw. der Vorlageanträge einzugehen, wonach durch die - nach Ansicht des Beschwerdeführers - im bisherigen Verfahren mangelhafte Akteneinsicht der Verfahrensgrundsatz des Parteiengehörs iSd § 115 Abs. 2 BAO verletzt sei. Darauf ist zu antworten, dass dem Beschwerdeführer spätestens im vor dem Bundesfinanzgericht durchgeführten Verfahren ausreichend Gelegenheit geboten wurde, seinen Standpunkt darzulegen. Dies hat der Beschwerdeführer - trotz ausreichender Frist zur Beantwortung der übermittelten Vorhalte - unterlassen. Eine Verletzung des Parteiengehörs kann demnach zum Zeitpunkt dieser Entscheidung nicht erkannt werden.

Zum Vorbringen, wonach die im Rahmen der bekämpften Bescheide zusätzlich angesetzten Bezüge von EUR 2.000 (2014) bzw. EUR 36.492,17 (2015) deutlich überhöht seien, ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer jeden Nachweis für diese Behauptung schuldig bleibt. Diese vom belangten Finanzamt zusätzlich festgesetzten Beträge stehen im Einklang mit den Ergebnissen der abgabenbehördlichen Prüfungen bzw. dem Urteil des Landesgerichts ***R***. Es ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass nicht der Beschwerdeführer, sondern der Geschäftsführer des damaligen Dienstgebers des Beschwerdeführers Beschuldigter im Verfahren vor dem Landesgericht ***R*** war. Allerdings erstrecken sich die in diesem Verfahren getroffenen Feststellungen hinsichtlich der Höhe der verkürzten Lohnabgaben natürlich insoweit auf den Beschwerdeführer, als des vom Landesgerichtes ***R*** festgestellten Verkürzungsbetrages auch die Zahlungen an den Beschwerdeführer enthalten sind. Die in diesem Verfahren getroffenen Feststellungen erstrecken sich somit insoweit jedenfalls auch auf das Abgabenverfahren des Beschwerdeführers. Die Abgabenbehörde und auch das Bundesfinanzgericht sind gemäß § 116 Abs. 2 BAO an den in einem gerichtlichen Strafverfahren festgestellten Sachverhalt gebunden. Da die Höhe des Verkürzungsbetrages - und somit auch seine Zusammensetzung - vom Landesgericht ***R*** sachverhaltsmäßig festgestellt wurde, ist das Bundesfinanzgericht daran gebunden. Vom Beschwerdeführer wurde weder bestritten, dass er Teil der "Putzpartie" gewesen sei noch, dass die Aufzeichnungen des Geschäftsführers des damaligen Dienstgebers unrichtig seien.

Für die streitgegenständlichen Jahre 2014 und 2015 wurde eine Antragsveranlagung durchgeführt. Die in Folge dieser Erklärungen ergangenen Bescheide sind rechtskräftig geworden.

Nach § 83 Abs. 2 Z 4 EStG 1988 wird der Arbeitnehmer unmittelbar in Anspruch genommen, wenn eine Veranlagung auf Antrag gemäß § 41 Abs. 2 EStG 1988 durchgeführt wird. Damit wird klargestellt, dass auch in jenen Fällen, in denen sich bei Durchführung einer Antragsveranlagung eine Nachzahlung ergibt, der Arbeitnehmer als Steuerschuldner in Anspruch genommen werden kann. Im Veranlagungsverfahren des Arbeitnehmers besteht keine Bindung an die (unrichtige) Vornahme des Lohnsteuerabzuges vom Arbeitslohn durch den Arbeitgeber. Ebenso wenig ist der Umstand von rechtlicher Relevanz, ob der Arbeitgeber zur Haftung für die Lohnsteuer herangezogen wurde. Daher kann ein fehlerhafter Lohnsteuerabzug im Rahmen der Veranlagung wiederkorrigiert werden (vgl. Fellner in Hofstätter/Reichl, Die Einkommensteuer, Kommentar § 83 Tz 6, EStG 1988 unter Hinweis auf ; ).

Insoweit kommt es daher im Rahmen des Veranlagungsverfahrens zu einer Nachholwirkung. Ob der Arbeitgeber zur Haftung für die Lohnsteuer herangezogen wurde, ist dabei grundsätzlich ohne Bedeutung ().

Diese Rechtsauffassung findet eine Stütze auch im § 46 Abs. 1 EStG 1988, wonach eine im Haftungsweg (§ 82 EStG 1988) beim Arbeitgeber nachgeforderte Lohnsteuer nur insoweit anzurechnen ist, als sie dem Arbeitgeber vom Arbeitnehmer ersetzt wurde. Daraus folgt, dass bei der Veranlagung Lohnbezüge auch dann zu erfassen sind, wenn von ihnen zu Unrecht keine Lohnsteuer einbehalten und abgeführt und der Arbeitgeber zur Haftung herangezogen wurde. Wäre eine Erfassung von Löhnen, hinsichtlich derer der Arbeitgeber zur Haftung gemäß § 82 EStG 1988 herangezogen werden kann, nur im Wege dieser Haftung, nicht jedoch (auch) im Rahmen der Veranlagung des betreffenden Lohnsteuerpflichtigen möglich, so wäre diese Lohnsteueranrechnungsvorschrift widersinnig ().

Nach Ansicht des erkennenden Gerichts ist die gewählte Vorgangsweise zulässig und ist die Richtigkeit dieser Ansicht bereits in zahlreichenden Entscheidungen des UFS bzw. des Bundesfinanzgerichts so judiziert worden (vgl. zB RV/0121-F/04; ; ; ).

Im Zuge der gegenständlich erfolgten Veranlagungen zur Einkommensteuer waren daher im wiederaufgenommenen Verfahren die Einkünfte des Beschwerdeführers aus nichtselbständiger Arbeit in der vom Prüfer im Zuge der Betriebsprüfung beim Arbeitgeber festgestellten Höhe und somit unter Einbeziehung der bisher nicht dem Lohnsteuerabzug unterzogenen Beträge aus Schwarzlöhnen anzusetzen.

Die Beschwerde war somit als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Frage, ob der Beschwerdeführer "Schwarzzahlungen" dem Grunde und der Höhe nach erhalten hat, ist eine Tatfrage, die im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu lösen war. Die Zulässigkeit der Nacherfassung durch Veranlagung des Arbeitnehmers ist durch die in der Entscheidung zitierte Rechtsprechung geklärt. Das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung war daher zu verneinen.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.5100341.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at