Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 30.01.2023, RV/7300008/2023

Einspruch per E-Mail eingebracht, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2023/16/0016. Zurückweisung mit Beschluss vom .; VfGH-Beschwerde zur Zahl E 626/2023 anhängig. Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom abgelehnt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***1*** in der Finanzstrafsache gegen ***Bf1***, ***18***, vertreten durch ***13***, ***15*** über die Beschwerde der Beschuldigten vom gegen den Zurückweisungsbescheid des Amtes für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde vom , VZ 001 462 432, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom wurde der Wiedereinsetzungsantrages vom abgewiesen.

In der Begründung wurde dazu ausgeführt:

"Mit Schreiben vom wurde seitens des rechtsfreundlichen Vertreters, von der Beschuldigten, Frau ***Bf1***, ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eingebracht.

Begründet wird dieser damit, dass der Rechtsvertreter der Meinung sei, dass ein per e-mail übermittelter Einspruch gegen die am erlassene Strafverfügung seitens der Finanzstrafbehörde zu Unrecht als nicht eingebracht, als rechtliches Nichts bewertet wurde- Weiters wird angeführt, dass die Rechtsmittelbelehrung der Strafverfügung bloß den Hinweis auf Schriftlichkeit des Einspruchs enthält und die Strafverfügung im Kopf den Hinweis enthält: "Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an Herrn ***2*** E-Mail: ***3***.

Aus diesem Wortlaut der E-Mailanschrift (bmf) ergibt sich, dass es sich um keine private Anschrift handelt und dass schriftliche Kommunikation akzeptiert wird.

Ergänzend wird seitens des Rechtsanwalts angeführt, dass, "Wer heute noch die Schriftlichkeit einer E-Mailübermittlung bezweifelt, offenbar aus der Zeit gefallen ist".

Dass für den Einspruchswerber die Nichtbeachtung seines Einspruchs aus unhaltbaren Überlegungen um ein unvorhersehbares (aber wohl auch unabwendbares) Ereignis handelt, liege sohin auf der Hand.

Sachverhalt:

Am wurde gegenständliches Finanzstrafverfahren wegen des Verdachtes der Begehung einer Abgabenhinterziehung gem. § 33 Abs. 1 Finanzstrafgesetz (FinStrG) eingeleitet und am die Einleitung wirksam zugestellt.

Bis erfolgte seitens der Beschuldigten keine Stellungnahme/Rechtfertigung zum anhängigen Finanzstrafverfahren.

Am wurde eine Strafverfügung erlassen. In dieser wurde die Beschuldigte des ihr vorgeworfenen Finanzvergehens für schuldig befunden und zu einer Finanzstrafe in Höhe von € 8.000,00 im Nichteinbringungsfalle 40 Tage Ersatzfreiheitsstrafe sowie Kosten in der Höhe von € 500,00 verurteilt.

Diese Strafverfügung wurde mittels Hinterlegung am wirksam zugestellt.

Am wurde seitens des Rechtanwalts ***13***, ***17***) mittels - EMail - ein Schriftstück - betitelt Einspruch - eingebracht.

Da seitens der Beschuldigten keine Zahlungen geleistet wurden, kam es zur Ausfertigung eines Rückstandsausweises.

Mit Schreiben vom wurde die Beschuldigte zum freiwilligen Strafantritt aufgefordert sowie auf die Möglichkeit eines Antrages zur Erbringung von gemeinnützigen Leistungen hingewiesen. Die Zustellung des gegenständlichen Schreibens erfolgte mit .

Am wurde durch die Beschuldigte ein eigenhändiges Ansuchen um Ratenzahlung eingebracht. Zudem wurde ebenfalls mit ein Schreiben übermittelt, in welchem die Beschuldigte ihre schwierige persönliche und finanzielle Situation darstellt und nochmals erklärt, dass Sie bereit sei Raten zu zahlen.

In weiterer Folge wurde ein Betrag von € 1.180,00 mit Valuta einbezahlt.

Mit Bescheid vom wurde das Ansuchen um Ratenzahlung bewilligt. Da die bewilligten Raten in weiterer Folge nicht einbezahlt wurden, kam es zum Terminverlust.

Am wurde für die noch aushaftende Geldstrafe in Höhe von € 6.820,00 der Vorführungsbefehl an die Polizeiinspektion ***4*** zum Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe in der Höhe von 37 Tagen und 2 Stunden erlassen.

Mit Schreiben vom wurde vom rechtsfreundlichen Vertreter, Rechtsanwalt ***13***, ***17***) ein Antrag zur Erbringung von gemeinnützigen Leistungen eingebracht.

Über diesen Antrag wird gesondert abgesprochen.

Gemäß § 167 Finanzstrafgesetz (FinStrG) hat die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zum Ziel, dass unter den Voraussetzungen des § 167 ein bereits abgeschlossenes Verfahren wieder in Gang zu setzen.

Sie kommt daher nur bei der Versäumung einer Frist für eine Handlung in Frage, die die Partei im Zuge eines anhängigen Verfahrens zu beachten hatte.

Ein Ereignis kann nur dann zu einer Wiedereinsetzung führen, wenn es unvorhersehbar und unabwendbar ist. Unabwendbar ist ein Ereignis dann, wenn es sich dem Einflussbereich der Partei entzieht (), unabwendbar wenn sein Eintritt vom Willen der Partei nicht verhindert werden kann (; , 1646/72; / 0032.

Bei der Beurteilung der Voraussetzung eines unabwendbaren Ereignisses, das zwar vorhersehbar gewesen sein mag, ist von den Erfahrungen eines Durchschnittsmenschen auszugehen.

Hingegen bilden beim unvorhersehbaren Ereignis die subjektiven Verhältnisse den Beurteilungsmaßstab.

Auffallend sorglos handelt, wer die im Verkehr mit Gerichten und Behörden die für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche von ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt (; , 2004/16/0204).

Dabei ist an rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige Personen.

Ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis stellt somit nur dann einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unverschuldet eingetreten und unvorhergesehen und unabwendbar war (; ).

Der rechtsfreundliche Vertreter, ***13***, ist von Beruf Rechtsanwalt und vertritt Personen vor Gerichten und Behörden.

An einen berufsmäßigen Parteienvertreter ist aufgrund der langjährig gefestigten Rechtsprechung sämtlicher Gerichte ein strenger Maßstab betreffend wissen und wissen müssen anzulegen.

Der Parteienvertreter hat den Einspruch gegen die ergangene Strafverfügung per e-mail an die Finanzstrafbehörde übermittelt.

Gemäß § 56 Abs. 2 FinStrG gelten für Anbringen, Niederschriften, Aktenvermerke, Vorladungen, Erledigungen, Fristen sowie Zwangs- und Ordnungsstrafen, soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt, die Bestimmungen des 3. Abschnittes der Bundesabgabenordnung (BAO) sinngemäß.

Gemäß § 85 Abs. 1 BAO sind Anbringen zur Geltendmachung von Rechten (u.a. Rechtsmittel) grundsätzlich schriftlich einzureichen.

Gemäß § 86a Abs. 1 BAO können Anbringen, für die Abgabenvorschriften Schriftlichkeit vorsehen oder gestatten, auch telegrafisch, fernschriftlich oder - soweit es durch Verordnung des Bundesministers für Finanzen zugelassen wird - im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise eingereicht werden.

Bislang sind zwei derartige Verordnungen ergangen, welche die Einbringung von Anbringen im Wege automationsunterstützter Datenübertragung bzw. auf andere technisch mögliche Weise zulassen: Die Verordnung BGBl Nr. 494/1991 i.d.F. BGBl II Nr. 579/2020, welche die Einbringung mittels Telekopierer (Fax) gestattet, und die Verordnung BGBl II Nr. 97/2006 i.d.F. BGBl II Nr. 190/2022 (FinanzOnline-Verordnung 2006 - FOnV 2006), welche die Einbringung über das Portal FinanzOnline gestattet.

Eine Verordnung, welche die Einbringung per E-Mail zulassen würde, ist bislang nicht ergangen.

Einem E-Mail kommt daher im Anwendungsbereich der BAO nicht die Eigenschaft einer Eingabe zu. Ein mit E-Mail eingebrachtes Anbringen löst weder eine Entscheidungspflicht aus, noch berechtigt es die Behörde, eine inhaltliche Entscheidung zu fällen.

Da es sich bei einem E-Mail nicht um eine Eingabe handelt, war die Behörde/das Verwaltungsgericht/die Finanzstrafbehörde auch nicht befugt, das "Anbringen" als unzulässig zurückzuweisen.

Einem berufsmäßigen Parteienvertreter ist zumutbar, dass er über die rechtlichen Möglichkeiten der (wirksamen) Einbringung von Rechtsmitteln gegen Erledigungen (Strafverfügungen) der Finanzstrafbehörde Bescheid weiß.

Es handelt sich dabei keinesfalls um einen entschuldbaren Irrtum, da derartiges Wissen unabdingbares alltägliches Basiswissen darstellt um den Beruf des Rechtsanwalts auszuüben.

Aus welchen Gründen es sich bei der Versäumung der Einspruchsfrist um ein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis handelt, erschließt sich der Finanzstrafbehörde aufgrund des Vorbringens des Parteienvertreters nicht.

Der Parteienvertreter hat nicht ausgeführt, aus welchen Gründen er an der den gesetzlichen Vorschriften entsprechenden Einbringungsform des Einspruchs gehindert wurde.

Da keine Gründe vorgebracht wurden, war der gegenständliche Antrag abzuweisen.

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Mit Bescheid vom wurde der Antrag des Bf. vom zur Erbringung gemeinnütziger Leistungen mit der Begründung zurückgewiesen, dass er nicht fristgerecht eingebracht worden sei.

Die Frist zur Abgabe der Einverständniserklärung zur Erbringung gem. Leistungen betrage einen Monat ab Zustellung der Aufforderung zum Strafantritt.

Die Aufforderung zum Strafantritt sei am zugestellt worden.

Die Frist zur Einbringung eines Antrages auf Erbringung von gemeinnützigen Leistungen habe demnach am geendet.

Der Antrag zur Erbringung gemeinnütziger Leistungen sei am gestellt worden und demnach als verspätet zurückzuweisen.

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Weiters erging am noch ein Bescheid über die Zurückweisung des Einspruches.

Die Zurückweisung sei erfolgt, da die Einspruchsfrist am abgelaufen und der Einspruch erst am eingebracht worden sei.

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Dagegen richtet sich die verfahrensgegenständliche Beschwerde vom mit folgenden Ausführungen:

"Ich erhebe gegen den Bescheid vom fristgerecht Beschwerde. Kernfrage ist, ob der Einspruch gegen die Strafverfügung vom mittels e-Mail rechtlich korrekt erfolgte.

Die Interpretation des VwGH in der Entscheidung 2012/16/0082 ist bekannt, aber verfehlt.

Das am in Kraft getretene E-Government-Gesetz unterstützt meine Kritik.

Es liegt sohin sehr wohl der geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund vor und stelle ich daher den Antrag meinem Antrag in Abänderung des hiemit bekämpften Bescheides Folge zu geben."

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Rechtslage:

Gemäß § 167 Abs. 1 FinStrG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag des Beschuldigten oder der Nebenbeteiligten eines anhängigen oder abgeschlossenen Finanzstrafverfahrens die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn der Antragsteller durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet und glaubhaft macht, dass er durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen. Dass dem Beschuldigten oder dem Nebenbeteiligten ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Abs. 2: Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss binnen Monatsfrist nach Aufhören des Hindernisses bei der Finanzstrafbehörde oder beim Bundesfinanzgericht gestellt werden, je nachdem, ob die Frist bei der Finanzstrafbehörde oder beim Bundesfinanzgericht wahrzunehmen war oder dort die Verhandlung stattfinden sollte. Diese sind auch jeweils zur Entscheidung über den Antrag berufen. Das Bundesfinanzgericht entscheidet mit Beschluss. War die Frist beim Spruchsenat wahrzunehmen oder sollte die Verhandlung vor dem Spruchsenat stattfinden, entscheidet der Vorsitzende des Spruchsenates über den Wiedereinsetzungsantrag.

Abs. 3: Im Fall der Versäumung einer Frist hat der Antragsteller die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

Abs. 4: Die Behörde, die über den Wiedereinsetzungsantrag zu entscheiden hat, kann diesem aufschiebende Wirkung beilegen.

Abs. 5: Der Wiedereinsetzungsantrag kann nicht auf Umstände gestützt werden, die schon früher für unzureichend befunden worden sind, um die Verlängerung der versäumten Frist oder die Verlegung der versäumten Verhandlung zu bewilligen.

Gemäß § 145 Abs. 1 FinStrG können der Beschuldigte und die Nebenbeteiligten gegen die Strafverfügung binnen einem Monat nach der Zustellung bei der Finanzstrafbehörde, die die Strafverfügung erlassen hat, Einspruch erheben; sie können zugleich die der Verteidigung und der Wahrung ihrer Rechte dienlichen Beweismittel vorbringen.

Gemäß § 77 Abs. 1 FinStrG haben Beschuldigte das Recht, in jeder Lage des Verfahrens den Beistand eines Verteidigers in Anspruch zu nehmen oder über ausdrückliche Erklärung sich selbst zu verteidigen. Die Erklärung ist in der Niederschrift über die Vernehmung festzuhalten. Sie ist für das weitere Verfahren nicht bindend. Beschuldigte können sich durch Verteidiger auch vertreten lassen, soweit nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird. Als Verteidiger sind die in § 48 Abs. 1 Z 5 StPO genannten Personen sowie Steuerberater zugelassen. Bevollmächtigte Gesellschaften dürfen nur durch selbständig berufsbefugte natürliche Personen handeln. Nicht zugelassen sind Personen, gegen die ein Verfahren wegen Beteiligung an demselben Finanzvergehen oder wegen Begünstigung hinsichtlich dieses Finanzvergehens anhängig ist. Nebenbeteiligte können sich durch voll handlungsfähige Personen (Bevollmächtigte) vertreten lassen, soweit nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird. Widersprechen Erklärungen des Beschuldigten jenen des Verteidigers, so gelten die Erklärungen des Beschuldigten; Entsprechendes gilt für einander widersprechende Erklärungen des Nebenbeteiligten und des Bevollmächtigten.

Abs. 2: Die Vorschriften der Bundesabgabenordnung über die Bevollmächtigung gelten mit Ausnahme von § 83 Abs. 4 sinngemäß.

Gemäß § 161 Abs. 1 FinStrG hat das Bundesfinanzgericht, sofern die Beschwerde nicht gemäß § 156 mit Beschluss zurückzuweisen ist, grundsätzlich in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung des Erkenntnisses seine Anschauung an die Stelle jener der Finanzstrafbehörde zu setzen und das angefochtene Erkenntnis (den Bescheid) abzuändern oder aufzuheben, den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären oder die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Die Behörde hat die gegenständliche Beschwerde dahingehend interpretiert, dass sie sich gegen die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung richtet. Es wurden zwar am in diesem Finanzstrafverfahren gleich 3 Bescheide erlassen, aber die Begründung der Beschwerde enthält ausschließlich Ausführungen mit Bezug zur Abweisung der Wiedereinsetzung.

Sache des Beschwerdeverfahrens vor dem BFG ist damit nur die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung vom .

Zum Sachverhalt:

Am wurde eine Strafverfügung erlassen und die Beschuldigte der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG schuldig gesprochen und zu einer Finanzstrafe in Höhe von € 8.000,00 im Nichteinbringungsfalle 40 Tage Ersatzfreiheitsstrafe sowie Kosten in der Höhe von € 500,00 verurteilt.

Im Kopf der Strafverfügung scheint folgende Passage auf:

"Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an:

***10***

E-Mail: ***3***

Tel.: ***11***

Mobil: +***12***

Die Rechtsbelehrung der Strafverfügung lautet:

"Belehrung über das Einspruchsrecht:

Gegen die Strafverfügung kann binnen einem Monat nach der Zustellung bei der Finanzstrafbehörde, die die Strafverfügung erlassen hat, durch den Beschuldigten oder durch seinen schriftlich bevollmächtigten Verteidiger gemäß § 48 Abs. 1 Z. 4 der Strafprozessordnung oder durch seinen schriftlich bevollmächtigten österreichischen Wirtschaftstreuhänder (§ 77 Abs. 1 FinStrG) sowie durch die Nebenbeteiligten oder deren schriftlich Bevollmächtigte (§ 77 Abs. 1 FinStrG) Einspruch erhoben werden. Als Vertreter sind auch Rechtsanwälte und Wirtschaftstreuhänder aus dem Europäischen Wirtschaftsraum zugelassen, Wirtschaftstreuhänder jedoch nur nach Maßgabe der berufsrechtlichen Bestimmungen.

Die Einspruchsfrist beginnt mit der Zustellung dieser Strafverfügung und endet mit dem Ablauf desjenigen Tages des nächsten Monats, der durch seine Zahl dem Zustellungstag entspricht.

Fehlt dieser Tag in dem betreffenden Monat, so endet die Frist mit dem Ablauf des letzten Tages dieses Monats. Durch die rechtzeitige Einbringung des Einspruchs tritt die Strafverfügung außer Kraft; das Verfahren ist nach den Bestimmungen der §§ 115 bis 142 FinStrG fortzusetzen. Für dieses Verfahren kann der Beschuldigte oder ein Nebenbeteiligter gemäß § 58 Abs. 2 lit. b FinStrG die Durchführung der mündlichen Verhandlung und die Fällung des Erkenntnisses durch einen unabhängigen Spruchsenat beantragen; ein solcher Antrag ist im Einspruch zu stellen. Unterbleibt ein solcher Antrag, obliegt die Durchführung der mündlichen Verhandlung und die Fällung des Erkenntnisses einem Einzelbeamten. Auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung kann gemäß § 125 Abs. 3 FinStrG verzichtet werden.

Im fortgesetzten Verfahren hat die Finanzstrafbehörde auf den Inhalt der außer Kraft getretenen Strafverfügung keine Rücksicht zu nehmen und kann auch eine andere Strafe aussprechen.

Erheben nur Nebenbeteiligte rechtzeitig Einspruch, so wird in einem abgesonderten Verfahren (§ 149 FinStrG) über ihre Rechte entschieden.

Wird auf Erhebung eines Einspruches schriftlich oder zu Protokoll verzichtet oder ein Einspruch nicht rechtzeitig erhoben, so hat die Strafverfügung die Wirkung eines rechtskräftigen Erkenntnisses. Ein Einspruchsverzicht, der nicht von einem berufsmäßigen Parteienvertreter oder im Beisein eines solchen abgegeben wurde, kann jedoch binnen drei Tagen schriftlich oder zur Niederschrift widerrufen werden."Die Strafverfügung wurde unbestritten mittels Hinterlegung am rechtswirksam zugestellt.

Am wurde seitens des Rechtanwalts ***13***, ***17***) mittels E-Mail an Herrn ***10*** ein Einspruch an die Finanzstrafbehörde eingebracht.

"Betreff: ***Bf1***, ***5***

Anlagen: doc02289620220511115337.pdf

Bitte beachten Sie meinen beiliegenden Einspruch!

Mit freundlichen Grüßen

***13***"

Der angehängte Schriftsatz trägt folgende Adressierung:

"An das

Amt für Betrugsbekämpfung

als Finanzstrafbehörde

per mail: ***2***", den Namen und die Adresse der Beschuldigten, den Stempel und die Unterschrift des Vertreters sowie Vollmacht erteilt.

Unter der Überschrift Einspruch wurde wie folgt ausgeführt:

"Ich erhebe gegen die Strafverfügung vom fristgerecht Einspruch

Ich habe im Jahre 2019 über Ersuchen meines Exgatten ein Transportgewerbe angemeldet. Um dieses Unternehmen hatte ich mich in keiner Weise zu kümmern, da mein damaliger Gatte ein Sekretariat in ***6***, Sekretärin ***7***, unterhielt und die steuerlichen Angelegenheiten in der Hand der ***8*** in ***9*** lag.

In meinen Händen befanden sich keine Geschäftsunterlagen.

Ich habe die Gewerbeberechtigung im September 2020 beim MBA 15 zurückgelegt, als ich hörte, dass mein damaliger Gatte in der BRD in Haft genommen wurde. Danach wurde er in die Türkei abgeschoben und habe ich mich scheiden lassen.

Ich stelle sohin den Antrag die entsprechenden Erhebungen bei der oben genannten Steuerberatungskanzlei durchzuführen und sodann das Verfahren einzustellen."

Mit Mail vom wiederum an ***10*** wurde seitens des Parteienvertreters folgende Eingabe getätigt:

"Mitteilung: Ich habe gegen die Strafverfügung vom am fristgerecht Einspruch erhoben und steht eine Erledigung diesbezüglich noch aus.

Dessen ungeachtet wurde unter Umgehung meines Rechtsanwaltes mit mir eine Ratenvereinbarung getroffen und zwar unter der Androhung sonstiger Exekution, wofür ich bereits Zahlungen geleistet habe.

Ich werde diese Ratenvereinbarung nicht einhalten, weil ich meine, dass die Strafe noch nicht rechtskräftig verhängt wurde.

Ich darf also ersuchen, vorerst einmal über meinen Einspruch vom zu entscheiden."

Diese Mail wurde von ***10*** mit Mail vom selben Tag beantwortet:

"Sehr geehrter Herr ***14***,

der in Ihrer heutigen Eingabe angesprochene Einspruch wurde (am ) per email eingebracht.

Einsprüche im Finanzstrafverfahren sind schriftlich einzureichen.

Nach ständiger Lehre und Rechtsprechung (siehe ua. Erk. des ) genügt eine email den Anforderungen der Schriftlichkeit nicht.

Der VwGH hat im angeführten Erkenntnis festgestellt, dass einer email nicht die Eigenschaft einer Eingabe zukommt, wobei es sich nicht einmal um eine einem Formgebrechen unterliegende, der Mängelbehebung gemäß § 85 BAO zugängliche Eingabe handelt.

Ein mit email eingebrachtes Anbringen löst weder eine Entscheidungspflicht der Behörde aus, noch berechtigt es die Behörde, eine bescheidmäßige Entscheidung zu fällen, die von einem Anbringen (Eingabe) abhängig ist.

Ein per email eingebrachtes "Anbringen" ist auch nicht als unzulässig zurückzuweisen, weil es sich bei einer solchen email eben nicht um eine Eingabe an die Behörde handelt.

In Anwendung obiger Ausführungen waren und sind iZm ihrer email vom keine Veranlassungen seitens der Finanzstrafbehörde zu treffen.

In Angelegenheit des offenen Rückstandes am Strafkonto (derzeit € 7.480,00) wird dringend empfohlen, zeitnah eine Zahlungserleichterung zu erwirken.

Ein diesbezügliches Ansuchen wäre unter Anführung der Strafkontonummer schriftlich zu richten an: Amt für Betrugsbekämpfung, Postfach 260, 1000 Wien

Für allfällige Rückfragen stehe ich gerne auch telefonisch zur Verfügung."

Am wurden ein Wiedereinsetzungsantrag und ein Einspruch eingebracht und dazu ausgeführt:

"Ich habe zur Kenntnis genommen, dass - zumindest in 1. Instanz - die Meinung vorherrscht, ein vis e-mail übermittelter Einspruch sei als rechtliches Nichts zu betrachten.

Sollte diese Meinung zutreffen, befand ich mich und befand sich auch mein Vertreter diesbezüglich in einem entschuldbaren Irrtum, weil nämlich die RM-Belehrung bloß den Hinweis auf die Schriftlichkeit des Einspruches enthält und die Strafverfügung im Kopf den Hinweis enthält: "Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an Herrn ***2*** E-Mail: ***3***".

Aus dem Wortlaut der E-Mailanschrift(bmf) ergibt sich, dass es sich um keine private Anschrift handelt und dass schriftliche Kommunikation akzeptiert wird:

Wer heute noch die Schriftlichkeit einer E-Mailübermittlung bezweifelt, ist offenbar aus der Zeit gefallen.

Der Satz "dass es sich bei einer E-Mail nicht um eine Eingabe an eine Behörde handelt" richtet sich - im Jahre 2022 - selbst.

Dass für den Einspruchswerber die Nichtbeachtung seines Einspruches aus unhaltbaren Überlegungen um ein unvorhersehbares (aber wohl auch unabwendbares) Ereignis handelt, liegt sohin auf der Hand.

Ich stelle daher den Antrag mir die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist zu bewilligen und diesem Antrag die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, da ja Vollzug der Strafe droht.

Gleichzeitig hole ich die versäumte Handlung nach und erhebe gegen die Strafverfügung vom Einspruch:

"Ich habe im Jahre 2019 über Ersuchen meines Exgatten ein Transportgewerbe angemeldet. Um dieses Unternehmen hatte ich mich in keiner Weise zu kümmern, da mein damaliger Gatte ein Sekretariat in ***6***, Sekretärin ***7***, unterhielt und die steuerlichen Angelegenheiten in der Hand der ***8*** in Wien ***16*** lag.

In meinen Händen befanden sich keine Geschäftsunterlagen.

Ich habe die Gewerbeberechtigung im September 2020 beim MBA 15 zurückgelegt, als ich hörte, dass mein damaliger Gatte in der BRD in Haft genommen wurde. Danach wurde er in die Türkei abgeschoben und habe ich mich scheiden lassen.

Ich stelle sohin den Antrag die entsprechenden Erhebungen bei der oben genannten Steuerberatungskanzlei durchzuführen und sodann das Verfahren einzustellen."

Es stand somit zu bis fristgerecht einen Einspruch einzubringen und konnte dies für die Beschuldigte gemäß § 77 FinStrG auch deren Parteienvertreter vornehmen.

Die Strafverfügung enthält nur die Vorgabe, dass der Einspruch bei der Finanzstrafbehörde einzubringen ist, gibt aber nicht die zulässigen Modalitäten einer Einbringung bekannt. Das Wort "schriftlich" kommt in der Rechtsbelehrung nicht vor. Zu den Einbringungsvorgaben muss man sich mit den folgenden Bestimmungen des Finanzstrafgesetzes und der Bundesabgabenordnung befassen.

Gemäß § 56 Abs. 2 FinStrG gelten für Anbringen, Niederschriften, Aktenvermerke, Vorladungen, Erledigungen, Fristen sowie Zwangs- und Ordnungsstrafen, soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt, die Bestimmungen des 3. Abschnittes der Bundesabgabenordnung (BAO) sinngemäß.

Gemäß § 85 Abs. 1 BAO sind Anbringen zur Geltendmachung von Rechten oder zur Erfüllung von Verpflichtungen (insbesondere Erklärungen, Anträge, Beantwortungen von Bedenkenvorhalten, Rechtsmittel) vorbehaltlich der (hier nicht anwendbaren) Bestimmungen des Abs. 3 schriftlich einzureichen (Eingaben).

§ 86 a BAO lautet wie folgt:

Abs. 1: Anbringen, für die Abgabenvorschriften Schriftlichkeit vorsehen oder gestatten, können auch telegraphisch, fernschriftlich oder, soweit es durch Verordnung des Bundesministers für Finanzen zugelassen wird, im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise eingereicht werden. Durch Verordnung des Bundesministers für Finanzen kann zugelassen werden, dass sich der Einschreiter einer bestimmten geeigneten öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Übermittlungsstelle bedienen darf. Die für schriftliche Anbringen geltenden Bestimmungen sind auch in diesen Fällen mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Fehlen einer Unterschrift keinen Mangel darstellt. Die Abgabenbehörde kann jedoch, wenn es die Wichtigkeit des Anbringens zweckmäßig erscheinen lässt, dem Einschreiter die unterschriebene Bestätigung des Anbringens mit dem Hinweis auftragen, dass dieses nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt.

Abs. 2: Der Bundesminister für Finanzen kann durch Verordnung im Sinn des Abs. 1 erster Satz bestimmen, a) unter welchen Voraussetzungen welche Arten der Datenübertragung an Abgabenbehörden zugelassen sind, b) dass für bestimmte Arten von Anbringen bestimmte Arten der Datenübertragung ausgeschlossen sind und c) welche Unterlagen wie lange vom Einschreiter im Zusammenhang mit bestimmten Arten der Datenübertragung aufzubewahren sind.

Nach Maßgabe des § 86a können Anbringen, für die Abgabenvorschriften Schriftlichkeit vorsehen oder gestatten, auch in anderer Form (telegrafisch, fernschriftlich oder, soweit durch Verordnung des BMF zugelassen, im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise) eingebracht werden.

Auf § 86a Abs. 2 BAO gestützte Verordnungen sind die Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Zulassung von Telekopierern zur Einreichung von Anbringen an das Bundesministerium für Finanzen, an den unabhängigen Finanzsenat, an die Finanzlandesdirektionen sowie an die Finanzämter und Zollämter, BGBl. 494/1991 idF BGBl. II 395/2002 sowie die Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Einreichung von Anbringen, die Akteneinsicht und die Zustellung von Erledigungen in automationsunterstützter Form (Finanz Online-Verordnung 2006 [FOnV 2006], BGBl. II Nr. 97/2006 idF BGBl. II Nr. 93/2012).

Die FOnV 2006 sieht jedoch das Einbringen von Rechtsmitteln im Finanzstrafverfahren mittels E-Mail nicht vor.

E-Mail - Eingaben bei der Finanzverwaltung sind nach der Rsp des VwGH (2005/14/0126 vom ) grundsätzlich unwirksam und unterliegen auch keinem Mängelbehebungsverfahren. Dies betrifft sowohl Eingaben im Abgabenverfahren nach dem Verfahrensrecht der Bundesabgabenordnung als auch Eingaben in Finanzstrafsachen.

Bei einer mittels E-Mail eingebrachten Beschwerde handelt es sich weder um ein Anbringen gemäß § 85 Abs. 1 BAO noch um eines nach § 86a Abs. 1 BAO.

Es liegt hier auch kein durch ein Mängelbehebungsverfahren im Sinne des § 156 Abs. 2 FinStrG bzw. § 156 Abs. 4 FinStrG behebbares Formgebrechen vor ().

Siehe dazu beispielsweise auch oder -L/12.

Eingaben per E-Mail in Finanzstrafsachen stellen keine prozessrelevanten Anbringen dar.

Sie sind als prozessualer Nichtakt zu bewerten.

Der mittels E-Mail erhobene Einspruch hat somit keine Entscheidungspflicht der Behörde ausgelöst. Die Strafverfügung ist in Rechtskraft erwachsen, da binnen Monatsfrist nicht rechtswirksam Einspruch erhoben wurde.

Der mittels Mail eingebrachte Einspruch wurde somit nicht verfahrensrechtskonform eingebracht. Er hat im Sinne der auch immer noch aktuellen Judikatur des VwGH keine Entscheidungspflicht ausgelöst.

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 167 Abs. 1 FinStrG erfordert

einen Antrag der Beschuldigten,

eine Fristversäumnis unter der Vorgabe, dass der Antragsteller durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet

eine Glaubhaftmachung der Verhinderung die Frist wahrzunehmen durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis

die Bewilligung der Wiedereinsetzung ist nicht zu versagen, wenn nur ein minderer Grad des Versehens bezüglich der Terminversäumung vorliegt.

Gemäß § 167 Abs. 2 FinStrG war der Antrag zudem binnen Monatsfrist ab Wegfall des Hindernisses bei der Finanzstrafbehörde einzubringen und die versäumte Handlung nachzuholen.

Der Parteienvertreter hat dem vorliegenden Schriftverkehr folgend bis zum Mailschriftverkehr vom geglaubt, dass er den Einspruch ordnungsgemäß eingebracht habe. Die Antwortmail von ***10*** hat demnach die Beseitigung des Hindernisses, "Unkenntnis der einschlägigen Verfahrensrechtsvorschriften", dargestellt, sodass damit die einmonatige Frist zu laufen begonnen hat. Der Rechtsnachteil liegt darin, dass die Strafverfügung unbekämpft in Rechtskraft erwachsen ist.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde fristgerecht eingebracht und die Einspruchserhebung in einem nachgeholt, somit sind die Voraussetzungen dafür gegeben, zu prüfen, ob eine Glaubhaftmachung der Verhinderung die Frist wahrzunehmen durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis vorliegt.

Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat ua. auch das unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis zu bezeichnen, das den Antragsteller an der Einhaltung der (wahrzunehmenden) Frist gehindert hat.

Ereignis im Sinne des § 308 Abs. 1 BAO ist jedes Geschehen, daher auch ein psychischer Vorgang wie Vergessen, Verschreiben, Sich irren usw. (Ritz, BAO4, § 308 Tz 8 mit Judikaturnachweisen). Die genannte Bestimmung fordert aber auch, dass ein Irrtum ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis war.

Ein Ereignis ist dann als unabwendbar zu qualifizieren, wenn es durch einen Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden kann und dann als unvorhergesehen anzusehen, wenn es die Partei tatsächlich nicht einberechnet hat und sein Eintritt mit zumutbarer Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte. Ein bloßes "Vergessen" oder ein "schlichtes Übersehen" stellt ohne das Hinzutreten besonderer, hierfür ausschlaggebender Umstände kein unvorhersehbares oder unabwendbares Ereignis im Sinne des § 308 Abs. 1 BAO dar (). Gleiches gilt auch für ein bloßes "sich irren" über den Zeitpunkt der Zustellung eines Bescheides.

So können beispielsweise auch unerwartet und plötzlich bzw. üblicherweise nicht auftretende Behinderungsfälle im Kanzleibetrieb des (steuerlichen) Vertreters (vgl. zur Behauptung/Beschreibung des unvorhergesehenen bzw. unabwendbaren Ereignisses zB ) ein derartiges Ereignis darstellen.

Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung das Verschulden des Vertreters dem Verschulden des Vertretenen gleichzuhalten (für viele: ; ; - ÖStZB 2008/68; - ÖStZB 2008/110; ; ; ).

Der Irrtum des Parteienvertreters über die Frist gemäß § 167 Abs. 2 FinStrG zur Stellung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann zwar aus Sicht der Beschuldigten ein "unvorhersehbares Ereignis" im Sinne des § 167 Abs. 1 FinStrG darstellen. Ob auf Grund eines solchen "Ereignisses" die Wiedereinsetzung zu bewilligen ist, ist aber von der Verschuldensfrage abhängig (vgl. neuerlich mwN).

Nach der Rechtsprechung sind Rechtsunkenntnis oder Rechtsirrtum grundsätzlich keine Wiedereinsetzungsgründe. Sie können jedoch in Ausnahmefällen Wiedereinsetzungsgründe darstellen, etwa wenn der Irrtum von der Behörde veranlasst wurde ().

An berufliche rechtskundige Parteienvertreter ist jedoch ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige Personen (vgl. z.B. ; , zitiert Stoll aaO mit Verweis auf Fasching, Lehrbuch2, Rz 580).

Bei einem steuerlichen Vertreter sind die grundsätzlichen Kenntnisse der finanzstrafrechtlichen Verfahrensvorschriften vorauszusetzen, zudem ist eine Rechtsmittelerhebung auch im Bereich des Verfahrensrechts der Bundesabgabenordnung in Abgabenrechtsmittelverfahren ebenfalls per Mail nicht zulässig.

Ein, wie im vorliegenden Fall, nach den Umständen durch einen Blick ins Finanzstrafgesetz oder in die Datenbank des BFG - es gibt dort zahlreiche Erkenntnisse zur nicht zulässigen Einbringung von Rechtsmitteln mittels E-Mail - leicht zu vermeiden gewesener Rechtsirrtum erfüllt die gesetzliche Voraussetzung der Unabwendbarkeit nicht.

Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Irrtum von der Finanzstrafbehörde veranlasst worden wäre, auf der Strafverfügung ist explizit Herr ***10*** als Ansprechpartner für Rückfragen genannt, sein Name scheint nicht in der Rechtsbelehrung auf.

Man hätte daher zunächst leicht per Mail an ihn fragen können, ob eine Einbringung eines Einspruches per Mail zwischenzeitig verfahrensrechtlich zulässig geworden sei.

Liegt ein minderer Grad des Versehens im Sinne leichter Fahrlässigkeit nach § 1332 ABGB vor, so schließt dies eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aus. Leichte Fahrlässigkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht. Keine leichte Fahrlässigkeit liegt aber vor, wenn jemand auffallend sorglos handelt. Auffallend sorglos handelt, wer die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt.

Ungeprüft davon auszugehen, dass nicht nur in Verwaltungsstrafsachen eine Rechtsmittelerhebung per Mail zulässig ist, sondern auch in Finanzstrafsachen stellt keinen minderen Grad des Verschuldens dar.

Der Rechtsirrtum, welcher zur Versäumung der Einspruchsfrist geführt hat, beruht nicht bloß auf einem minderen Grad des Versehens. Durch die aufgezählten Möglichkeiten sich per Erkundigungsmail, Nachsicht im Finanzstrafgesetz, Nachsicht in Findok leicht Kenntnisse über die Verfahrensrechtslage verschaffen zu können, wäre die gegenständliche Fristversäumnis jedenfalls vermeidbar gewesen.

Es entspricht den an einem berufsmäßigen Parteienvertreter zu richtenden Sorgfaltsanforderungen, auch wenn er glaubt die verschiedenen Verfahrensrechtslagen der Gerichte zu kennen, sich durch einen Blick ins Gesetz hinsichtlich der Frist und den gesetzlichen Voraussetzungen zu vergewissern und zu versichern.

Bedenkt man die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dahingehend, dass auffallend sorglos handelt, wer die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt, und dass diese Sorgfaltsverpflichtungen in Bezug auf die Einhaltung gesetzlicher Fristen von jedem Steuerpflichtigen verlangt werden (vgl z.B. die Rechtsprechung des VwGH zu § 217 Abs. 7 BAO), so muss das umso mehr für hochqualifizierte berufsmäßige Parteienvertreter gelten.

Im Lichte dieser Ausführungen kann daher nicht von einem minderen Grad des Versehens im Sinne des § 167 Abs. 1 FinStrG ausgegangen werden, weswegen die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht abgewiesen wurde.

Trifft den Parteienvertreter ein maßgebliches Verschulden an der Versäumung der Frist, so ist dieses der Partei zuzurechnen (Hinweis Fellner, Finanzstrafgesetz, Rz 8, 16 und 17 zu § 167 bis § 168 FinStrG; ).

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 161 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 85 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 86a Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 56 Abs. 2 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 145 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 77 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
§ 86a Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 167 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7300008.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at