Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 02.02.2023, RV/7100169/2023

Antragslegitimation bei einer Verlassenschaft (mangels Einantwortung gibt es keine Gesamtrechtsnachfolge).

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Walter Aiglsdorfer in der Beschwerdesache Beschwerdeführerin, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Zurückweisung eines Antrages 2017, 2018, 2019 und 2020 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Herr A B ist am verstorben.

Gemäß Beschluss des Bezirksgerichtes sei die Verlassenschaft mit einem Betrag von 2.166,95 € überschuldet gewesen. Die Akiva (2.695,80 €) seien dem Schwiegersohn C D zur Begleichung der Kosten im Zuge des Begräbnisses an Zahlungs statt überlassen worden.
Gemäß Punkt IV. sei der Tochter ***Bf2*** die Ermächtigung erteilt worden, zum Verlassenschaftsvermögen gehörende Rechte geltend zu machen oder aufzugeben.

Mit Eingaben vom wurden die Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung 2017, 2018, 2019 und 2020 dem zuständigen Finanzamt übermittelt. Als Antragsteller sei darin der Verstorbene A B genannt worden. Die Erklärungen seien von Frau E D unterzeichnet worden. Darin seien folgende außergewöhnliche Belastungen beantragt worden:
- 2017: 5.544,51 €
- 2018: 6.665,67 €
- 2019: 6.515,84 €
- 2020: 9.148,66 €

Mit Zurückweisungsbescheiden vom wurden gegenständliche Eingaben (Erklärungen) zurückgewiesen - adressiert an Frau ***Bf2***.
Begründend wurde ausgeführt, dass die Eingaben aus folgendem Grund nicht zulässig seien:
Gem. § 19 Abs. 1 BAO würden die sich aus Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Gesamtrechtsnachfolger übergehen. Für den Umfang der Inanspruchnahme des Rechtsnachfolgers würden die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes gelten. Nur eine Gesamtrechtsnachfolge würde daher zu einem Übergehen abgabenrechtlicher Rechte und Pflichten führen und somit eben auch zu einem Übergehen des Rechtes auf Beantragung einer Arbeitnehmerveranlagung. Ende das Verlassenschaftsverfahren daher ohne Einantwortung und würde es somit keine Gesamtrechtsnachfolger geben, würde die Verlassenschaft als juristische Person weiter bestehen bleiben. In diesem Fall sei nur ein durch das Gericht bestellter Verlassenschaftskurator legitimiert, Abgabenerklärungen einzubringen und nur an diesen könne eine wirksame Bescheidzustellung erfolgen. Werde die Durchführung einer Veranlagung daher von einem Einzelrechtsnachfolger beantragt, der über keine Vollmacht des Verstorbenen über den Tod hinaus verfüge, sei dieser Antrag mangels Legitimation iSd § 19 Abs. 1 BAO zurückzuweisen.

Mit Eingabe vom wurde Beschwerde gegen diese Bescheide eingereicht.
***Bf2*** hätte den Rechtsanwälten ***1***, ***2*** im Verfahren zu Steuernummer ***3*** eine Vollmacht erteilt.
Es werde Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid vom erhoben.
A B sei am verstorben. Das Verlassenschaftsverfahren sei beim BG F zu ***4*** anhängig gewesen. Mit dem unter Einem vorgelegten Beschluss sei der Beschwerdeführerin gemäß § 135 Abs. 2 Außerstreitgesetz die Ermächtigung erteilt worden (Anmerkung Richter: gemein offensichtlich § 153), zum Verlassenschaftsvermögen gehörende Rechte geltend zu machen oder aufzugeben, über erhaltene Leistungen rechtswirksam zu quittieren und Löschungserklärungen auszustellen.
Als hierzu Bevollmächtigte hätte die Beschwerdeführerin die Eingaben vom betreffend die Verlassenschaft nach A B gestellt. Trotz der Vollmacht gemäß Punkt IV. des Beschlusses sei die Eingabe als unzulässig zurückgewiesen worden. Die Zurückweisung sei zu Unrecht erfolgt. Die Antragstellerin/Beschwerdeführerin sei aufgrund des Beschlusses des BG F zu ***4*** legitimiert, im Sinne des § 19 Abs. 1 BAO. Die Beschwerdeführerin stelle daher den ANTRAG den Zurückweisungsbescheid vom aufzuheben und das Verfahren an die erste Instanz zurückzuverweisen und die weitere Bearbeitung der Eingabe vom zurückzuweisen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde gegenständliche Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Wie bereits in der Zurückweisung vom ausgeführt, würden gem. § 19 Abs. 1 BAO die sich aus Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Gesamtrechtsnachfolger übergehen. Für den Umfang der Inanspruchnahme des Rechtsnachfolgers würden die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes gelten. Nur eine Gesamtrechtsnachfolge würde daher zu einem Übergehen abgabenrechtlicher Rechte und Pflichten und somit eben auch zu einem Übergehen des Rechtes auf Beantragung einer Arbeitnehmerveranlagung führen. Ende das Verlassenschaftsverfahren daher ohne Einantwortung und würde es somit keine Gesamtrechtsnachfolger geben, würde die Verlassenschaft als juristische Person weiterbestehen. In diesem Fall sei nur ein durch das Gericht bestellter Verlassenschaftskurator legitimiert, Abgabenerklärungen einzubringen und nur an diesen könne eine wirksame Bescheidzustellung erfolgen. Werde die Durchführung einer Veranlagung daher von einem Einzelrechtsnachfolger beantragt, der über keine Vollmacht des Verstorbenen über den Tod hinaus verfüge, sei dieser Antrag mangels Legitimation iSd § 19 Abs. 1 BAO zurückzuweisen gewesen.
Es werde darauf hingewiesen, dass auch die Ermächtigung gemäß § 135 Abs. 2 Außerstreitgesetz (Anmerkung Richter: auch hier offensichtlich § 153) diesbezüglich nicht relevant sei.

Mit Eingabe vom wurde beantragt, gegenständliche Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen (Vorlageantrag).
Entgegen der Rechtsansicht des Finanzamtes sei die Beschwerdeführerin sehr wohl ermächtigt gewesen - dies sei ihr auch vom zuständigen Notariat versichert worden - zum Verlassenschaftsvermögen gehörende Rechte geltend zu machen und aufzugeben etc..
Als hierzu Bevollmächtigte hätte die Beschwerdeführerin die Eingabe vom betreffend die Verlassenschaft nach A B verfasst und überreicht.
Trotz der Vollmacht gemäß Punkt IV. des Beschlusses des Verlassenschaftsgerichtes (Bezirksgericht F zu GZ ***4***) sei die Eingabe und in der Folge die Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen worden. Die Zurückweisung sei zu Unrecht erfolgt. Die Beschwerdeführerin sei aufgrund des Beschlusses zu ***4*** zur Antragstellerin legitimiert; dies im Sinne des § 19 Abs. 1 BAO.

Mit Vorlagebericht vom wurde gegenständliche Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Nach umfassender Darstellung des Sachverhaltes und einer Stellungnahme beantragte die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin, Tochter des verstorbenen A B, hat die Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung von Herrn A B nach dessen Tod bei der belangten Behörde eingereicht.

Die Beschwerdeführerin ist allerdings nicht als gesetzliche Vertreterin des ruhenden Nachlasses anzusehen und somit nicht legitimiert, Erklärungen für den Verstorbenen einzubringen.

2. Beweiswürdigung

Dass Frau ***Bf2*** (Tochter des Verstorbenen) die Steuererklärungen für Herrn A B eingebracht hat, geht aus den aktenkundigen Erklärungen hervor. Die Erklärungen wurden auch von der Tochter unterfertigt und tragen den Namen des Verstorbenen.

Dem Beschluss des Bezirksgerichtes vom ist zu entnehmen, dass die Verlassenschaft nach A B überschuldet ist. Dem Schwiegersohn wurden die Aktiva zur Begleichung der Kosten für das Begräbnis an Zahlungs statt überlassen.
Weiters wurde darin bestimmt, dass der Tochter ***Bf2*** gemäß § 153 Abs. 2 AußStrG die Ermächtigung erteilt wurde, zum Verlassenschaftsvermögen gehörende Rechte geltend zu machen.

Eine Einantwortung hat somit nicht stattgefunden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

§ 82 BAO lautet:
"(1) Soll gegen eine nicht voll handlungsfähige Person, die eines gesetzlichen Vertreters entbehrt, [...] eine Amtshandlung vorgenommen werden, so kann die Abgabenbehörde, wenn die Wichtigkeit der Sache es erfordert, auf Kosten des zu Vertretenden die Betrauung eines gesetzlichen Vertreters (§ 1034 ABGB) beim zuständigen Gericht (§ 109 Jurisdiktionsnorm) beantragen.
(2) Ist zweifelhaft, wer zur Vertretung einer Verlassenschaft befugt ist, oder wer beim Wegfall einer juristischen Person oder eines dieser ähnlichen Gebildes oder eines sonst verbleibenden Vermögens vertretungsbefugt ist, gilt Abs. 1 sinngemäß."

Gemäß § 41 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 hat eine Arbeitnehmerveranlagung zu erfolgen, wenn der Steuerpflichtige innerhalb von fünf Jahren einen diesbezüglichen Antrag stellt. Einen solchen Antrag kann somit nur der Steuerpflichtige selbst, ein in der BAO vorgesehener Vertreter oder der Gesamtrechtsnachfolger stellen.

Gemäß § 153 Abs. 1 AußStrG unterbleibt die Abhandlung, wenn - wie im Revisionsfall - Aktiven der Verlassenschaft nicht vorhanden sind oder den Wert von 5.000 Euro nicht übersteigen, sofern kein Antrag auf Fortsetzung des Verlassenschaftsverfahrens gestellt wird. Das Verlassenschaftsgericht kann nach Abs. 2 leg. cit. auf Antrag denjenigen, deren Anspruch nach der Aktenlage bescheinigt ist, die Ermächtigung erteilen, das Verlassenschaftsvermögen ganz oder zu bestimmten Teilen zu übernehmen, dazu gehörende Rechte geltend zu machen oder aufzugeben, über erhaltene Leistungen rechtswirksam zu quittieren und Löschungserklärungen auszustellen.

Kommt es nicht zur Einantwortung eines Erben liegt keine Gesamtrechtsnachfolge des Erben, sondern nur Einzelrechtsnachfolge vor (vgl. , zu einer Vorgängerbestimmung). Auch die Ermächtigung gemäß § 153 Abs. 2 AußerStrG führt zu keiner Gesamtrechtnachfolge (vgl. Winkler in Schneider/Verwejen, AußStrG, § 153 Rn 13; Sailer in Gitschthaler/Höllwerth, AußerStreitG I2, § 153 Rn 9). Nach herrschender Lehre und Judikatur bleibt in Fällen des § 153 AußStrG der ruhende Nachlass bestehen, auch wenn eine Ermächtigung im Sinne des Abs. 2 leg. cit. erteilt wurde (vgl. ; , 6 Ob 716/85 zur Vorgängerbestimmung; Schneider/Verwejen, AußStrG, § 153 Rn 9; Obermaier, ÖJZ 2008, 127; jeweils mwN).

Die Verlassenschaft setzt vor der Einantwortung des Erben die Rechte und Pflichten des verstorbenen Steuerpflichtigen fort (§ 531 ABGB). Der ruhende Nachlass bzw. die Verlassenschaft ist eine juristische Person (vgl. ).

Die Tochter des Verstorbenen ist nicht gesetzliche Vertreterin des ruhenden Nachlasses. Sie verfügt auch nicht über eine Zustellbevollmächtigung für den ruhenden Nachlass. Auch die Ermächtigung nach § 153 Abs. 2 AußStrG bewirkt nicht die Befugnis zur gesetzlichen Vertretung des Nachlasses und berechtigt daher nicht zur Antragstellung nach § 41 Abs. 2 Z 1 ESt 1988 (vgl. ).

Der Zurückweisungsbescheid der belangten Behörde erfolgte demnach zu Recht - gerichtet an Frau ***Bf2***.

Die Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid war demnach als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gegenständliche Entscheidung richtet sich nach den klaren gesetzlichen Vorgaben und entspricht auch der ständigen Rechtsprechung (vgl. ). Somit ist die Zulässigkeit einer ordentlichen Revisionsmöglichkeit nicht gegeben.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 82 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 41 Abs. 2 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 531 ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811
§ 153 Abs. 2 AußStrG, Außerstreitgesetz, BGBl. I Nr. 111/2003
Verweise




ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7100169.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at