Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.01.2023, RV/7102794/2021

Anspruch auf Familienbonus bei Nichtbeantragung einer Ausgleichs-/Differenzzahlung der Familienbeihilfe gem. FLAG

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Daniela Regina Denk über die Beschwerde des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch KRW Vorarlberg Steuerberatungsgesellschaft mbH, Mariahilfstraße 27d, 6900 Bregenz, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020 zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer erzielte im Beschwerdejahr 2020 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Einkommensteuer 2020 wurde mit Bescheid vom veranlagt.

Der beantragte Familienbonus Plus wurde mit der Begründung, er stehe gemäß § 33 Abs. 3a EStG 1988 nur für ein Kind zu, für das Familienbeihilfe (Ausgleichs-/Differenzzahlung) in Österreich gewährt wird, nicht berücksichtigt. Bisher wäre für die Kinder des Beschwerde-führers, die im EU-EWR-Raum leben, kein Antrag auf Familienbeihilfe gestellt worden, sodass eine Überprüfung des Anspruchs auf Familienbeihilfe (Ausgleichs-/Differenzzahlung) in Österreich nicht erfolgen könne. Erst wenn positiv über einen Anspruch auf Familienbeihilfe (Ausgleichs- /Differenzzahlung) abgesprochen würde, könne der Familienbonus Plus für Kinder im EU-EWR-Raum oder der Schweiz berücksichtigt werden.

Mit dem Schreiben vom wurde gegen den Bescheid vom Beschwerde erhoben. Mit der Beschwerde wurde der Antrag gestellt, den Familienbonus Plus für das Jahr 2019 in Höhe von EUR 2.597,40 und für das Jahr 2020 in Höhe von EUR 1.948,20 zu berücksichtigen. Als Begründung wurde angeführt, dass mit Bescheid vom für die leiblichen Kinder *Tochter* und *Sohn* seitens der Familienkasse *Bezeichn.* Kindergeld nach dem deutschen Einkommensteuergesetz gewährt wurde.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die Amtspartei die Beschwerde ab und führte aus, dass der Familienbonus Plus nur unbeschränkt Steuerpflichtigen für ein Kind zustehe, für das Familienbeihilfe nach dem FLAG 1967 gewährt würde. Seien die Voraussetzungen für eine Ausgleichszahlung im Sinne des § 4 FLAG 1967 dem Grunde nach erfüllt (Kind wohnt in Österreich), stehe der Familienbonus Plus gemäß § 33 Abs. 3a Z 1 EStG 1988 zu. Seien die Voraussetzungen für eine Differenzzahlung (Kind wohnt im EU- oder EWR-Ausland oder in der Schweiz und im Inland wird eine Beschäftigung im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 ausgeübt) im Sinne des § 4 FLAG 1967 dem Grunde nach erfüllt, stehe der Familienbonus Plus gemäß § 33 Abs. 3a Z 2 EStG 1988 auch dann zu, wenn die Familienleistungen im Ausland höher seien und die Differenzzahlung betragsmäßig Null betragen würde. Da ein diesbezüglicher Antrag auf Familienbeihilfe in Österreich nicht gestellt worden sei, sei die Beschwerde hinsichtlich des Familienbonus Plus abzuweisen.

Mit Vorlageantrag vom wurde die Berücksichtiung des Familienbonus Plus für das Jahr 2020 beantragt und darauf hingewiesen, dass der Antrag auf Familienbeihilfe in Österreich nachgereicht werde.

Die Beschwerde wurde dem Bundesfinanzgericht am vorgelegt.

Mit Beschluss vom wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen, er habe den Nachweis zu erbringen, dass alle inhaltlichen Voraussetzungen für eine Ausgleichs-/Differenzzahlung iSd § 4 FLAG 1967 für das Beschwerdejahr 2020 erfüllt seien und die erforderlichen Daten im Formular Beih38 (Antrag auf Gewährung einer Ausgleichs-/Differenzahlung, Beih38a Ausfüllhilfe zu Beih38) bekannt zu geben, sowie die erforderlichen Unterlagen für einen Antrag gemäß § 1 Abs. 4 EStG 1988 für das Beschwerdejahr 2020 vollständig vorzulegen (Formular L1i, E9) und Nachweise zu erbringen, dass kein Wohnsitz/gewöhnlicher Aufenthalt in Österreich gegeben sei.

Mit E-Mail vom übermittelte die steuerliche Vertretung den deutschen Einkommensteuerbescheid 2020, die österreichische Arbeitnehmerveranlagung 2020 inkl. L1i Formular mit Beantragung zur unbeschränkten Steuerpflicht in Österreich sowie eine Arbeitgeberbestätigung betreffend Dienstort und Tätigkeit in *Arbeitsort* für das Beschwerdejahr. Per wurden Leistungsnachweise für das Studium der Tochter sowie die ausgefüllten Formulare Beih38 sowie Beih100 übermittelt. Mit wurden weiters Bescheide über die Zuerkennung von Kindergeld für beide Kinder des Beschwerdeführers für den Beschwerdezeitraum 2020 nachgereicht.

Mit E-Mail vom wurden die vorgelegten Unterlagen der Amtspartei zur Kenntnis gebracht. Das Finanzamt änderte aufgrund jüngster VwGH-Judikatur in seiner Replik vom seine Rechtsmeinung, da nun bereits im Einkommensteuerverfahren beurteilt werden müsse, ob ein Familienbeihilfenanspruch dem Grunde nach bestünde. Würde diese Frage bejaht, sei dies ausreichend für die Gewährung des Familienbonus Plus. Ob Familienbeihilfe tatsächlich gewährt bzw. beantragt wurde, sei nicht relevant (siehe ). Zur Tochter des Bf. wurde weiters ausgeführt, es würde für die Beurteilung, ob im Jahr 2020 eine Berufsausbildung iSd der nationalen Bestimmungen des FLAG 1967 vorliegen würde, weiterer Unterlagen benötigen (insbesondere Bestätigung des Abiturs und Tätigkeit zwischen Abitur und Immatrikulation). Läge keine Berufsausbildung bzw. Zwischenzeit iSd FLAG 1967 vor, bestehe für diesen Zeitraum dem Grunde nach kein Anspruch auf Familienbeihilfe und somit auch kein Anspruch auf Familienbonus Plus. Zum Anspruch für den Sohn des Beschwerdeführers wurde ausgefüht, dass aufgrund der Minderjährigkeit im Jahr 2020 jedenfalls ein Anspruch auf Familienbeihilfe dem Grunde nach zustehen würde und somit auch ein Anspruch auf den Familienbonus Plus gegeben wäre.

Der Beschwerdeführer führte mit E-Mail vom aus, dass im Anschluss an das Abitur seiner Tochter ein Au-Pair-Aufenthalt in Australien geplant war und erst danach das Studium aufgenommen worden wäre. Der Aufenthalt wäre jedoch aufgrund der Pandemie und der für Australien geltenden Einreisebestimmungen, zuerst auf einen späteren Zeitpunkt verschoben und schlussendlich im Dezember 2020 storniert worden.

Das Finanzamt Österreich führte in einer erneuten Stellungnahme am aus, dass gemäß § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 dem Grunde nach Familienbeihilfen-Anspruch des Beschwerdeführers für seine Tochter von August 2020 (Ende der Schulausbildung im Juli 2020) bis November 2020 bestehen würde (4-Monate-Regelung). Danach würde erst wieder mit Beginn des Studiums ab März 2021 ein Anspruch entstehen, da es sich bei einem Au-Pair-Aufenthalt um eine freiwillige Aktivität handle, und das Studium nicht zum frühestmöglichen Zeitpunkt begonnen worden wäre.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer beantragt für seine Tochter, geboren am (wohnhaft bei Kindesmutter und Kindesvater, dem Beschwerdeführer, in Deutschland) und seinen minderjährigen Sohn, geboren am (ebenfalls wohnhaft bei Kindesmutter und Kindesvater (Beschwerdeführer) in Deutschland) den Familienbonus Plus für das Beschwerdejahr 2020. Der Wohnsitzstaat ist für beide Kinder Deutschland.

Der Beschwerdeführer ist deutscher Staatsbürger und arbeitet unselbständig bei einer Möbelfirma in Österreich, als Hausleiter in *Arbeitsort*. Die Mutter bezieht für beide Kinder in Deutschland Kindergeld, dies für das Jahr 2020 durchgehend. Die Tochter schloss ihre Schulausbildung im Juli 2020 ab und begann im März 2021 das Studium Kommunikationsdesign an der University of Applied Sciences Europe.

2. Beweiswürdigung

Der vorliegende Sachverhalt ist unstrittig und ergibt sich aus den vom Beschwerdeführer und von der Amtspartei vorgelegten Unterlagen sowie im Abgabeninformationssystem des Bundes durchgeführten Abfragen.

Aus dem Bescheid der Familienkasse *Bezeichn.* vom ergibt sich für die leiblichen Kinder des Beschwerdeführers, dass der Frau des Beschwerdeführers für das gesamte Jahr 2020 Familienbeihilfe nach dem deutschen Einkommensteuergesetz gewährt wurde.

Wohnort und Arbeitsort gehen aus dem Akteninhalt, insbesondere dem Lohnzettel, der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung sowie der Tatsache hervor, dass alle vorliegenden Schriftstücke die deutsche Wohnanschrift enthalten. Der Wohnort liegt in Deutschland und der Arbeitsort in *Arbeitsort*, diese beiden Orte liegen lt. Routenplaner ca. 70 Kilometer entfernt. Eine ZMR-Abfrage brachte kein Ergebnis, keine Meldung in Österreich. Die tägliche Hin- und Rückfahrt ist möglich und widerspricht nicht der allgemeinen Lebenserfahrung.

Der Abschluss der Schulausbildung der Tochter des Beschwerdeführers im Juli 2020 ergibt sich aus den Nachweisen der deutschen Familienkasse. Der Nachweis über das Studium ab März 2021 wird durch die entsprechenden Erfolgsnachweise der Universität belegt.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

Im vorliegenden Fall ist strittig, ob dem Beschwerdeführer der Familienbonus Plus für seine beiden Kinder zusteht, obwohl kein Antrag auf Ausgleichs-/Differenzzahlung für Familienbeihilfe gestellt wurde. Die Frau des Beschwerdeführers bezog im Jahr 2020 für ihre beiden Kinder das Kindergeld nach deutschem EStG. Ein Antrag auf Zuerkennung einer Familienbeihilfe, bzw. Gewährung einer Ausgleichs-/Differenzzahlung wurde im Verfahren vor dem Finanzamt Österreich nicht gestellt.

Rechtstechnisch handelt es sich beim Familienbonus Plus um einen Steuerabsetzbetrag, es wird direkt die Steuerschuld gemindert. Die für den Familienbonus Plus relevanten Bestimmungen sind auf verschiedene Paragraphen und Absätze aufgeteilt (§ 33 Abs. 2 und 7, § 124b Z 336, § 129), primär wird er aber in § 33 Abs. 3a EStG 1988 geregelt (Gunter/Sebastian in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn (Hrsg), Kommentar zum EStG (22. Lfg 2021) Familienbonus Plus Rz 34/1).

Der Familienbonus Plus steht nur für ein Kind zu, für das Familienbeihilfe nach dem FLAG 1967 gewährt wird. Der Bezug des Familienbonus Plus wird damit an die Familienbeihilfe geknüpft. Damit unterliegt auch der Familienbonus Plus einer monatsweisen Betrachtung, der Familienbonus Plus steht daher für jene Monate im Jahr zu, in denen die Familienbeihilfe gewährt wurde. Es gibt keine feste Altersgrenze, sondern der Familienbonus steht grundsätzlich zu, solange die Familienbeihilfe gewährt wird (ErlRV 190 BlgNR XXVI. GP 9). Anders als beim Kindermehrbetrag ist es nicht erforderlich, dass für das Kind für mehr als sechs Monate im Kalenderjahr Familienbeihilfe zusteht (Gunter/Sebastian in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn (Hrsg), Kommentar zum EStG (22. Lfg 2021) Familienbonus Plus Rz 34/2).

Gemäß § 33 Abs. 3a Z 1 und 2 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 96/2020 beträgt der Familienbonus Plus für das Beschwerdejahr 2020 bis zum Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden Kalendermonat EUR 125,00. Nach Ablauf des Monats, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, für jeden Kalendermonat EUR 41,68.

Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder haben nach § 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967 Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Sowie nach § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 idF BGBl. I Nr. 28/2020 für volljährige Kinder, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird; für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem ehestmöglichen Beginn eines Freiwilligen Dienstes nach § 2 Abs. 1 lit. l sublit. aa bis dd für längstens drei Monate.

§ 53 Abs. 1 FLAG 1967 normiert, dass Staatsbürger von Vertragsparteien des Übereinkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), soweit es sich aus dem genannten Übereinkommen ergibt, in diesem Bundesgesetz österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt sind. Hiebei ist der ständige Aufenthalt eines Kindes in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums nach Maßgabe der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen dem ständigen Aufenthalt eines Kindes in Österreich gleichzuhalten.

Nach § 2 Abs. 2 FLAG 1967 hat Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört.

Im Falle eines Anspruchs auf eine der Familienbeihilfe vergleichbare ausländische Beihilfe besteht gemäß § 4 FLAG 1967 kein Anspruch auf Familienbeihilfe (Abs. 1) oder nur ein verminderter Anspruch im Ausmaß einer Ausgleichszahlung (Unterschiedsbetrag zwischen der gleichartigen ausländischen Beihilfe und der höheren Familienbeihilfe, vgl. Abs. 2 bis 7). In solchen - in § 33 Abs. 3a EStG 1988 nicht ausdrücklich geregelten - Fällen, in denen also (teilweise) an Stelle der Familienbeihilfe eine gleichartige ausländische Beihilfe iSd § 4 FLAG 1967 gewährt wird, ist in gleicher Weise die in § 33 Abs. 3a erster Satz EStG 1988 normierte Voraussetzung der "Beihilfengewährung" erfüllt (vgl. Mayr/Gensluckner in Doralt et al, EStG22, § 33 Tz 34/2). Gemäß § 4 Abs. 6 FLAG 1967 gilt die Ausgleichszahlung als Familienbeihilfe. Aus der Sicht des Familienbonus Plus kann es keinen Unterschied machen, ob sich noch eine (geringfügige) Ausgleichzahlung iSd § 4 Abs. 2 FLAG 1967 ergibt oder ob die Ausgleichzahlung wegen der Höhe der gleichartigen ausländischen Beihilfe bloß Null beträgt ().

Nach den Bestimmungen der VO (EG) 883/2004 ist grundsätzlich jener Staat zur Zahlung von Familienleistungen verpflichtet, in dem die Beschäftigung ausgeübt wird, auch wenn die Kinder in einem anderen Mitgliedstaat wohnen. Sind beide Elternteile beschäftigt, richtet sich die vorrangige Zuständigkeit nach dem Wohnort des Kindes. Der andere Beschäftigungsstaat ist nachrangig zuständig. Also zur Leistung einer Ausgleichszahlung/Differenzzahlung verpflichtet.

Sind die Voraussetzungen für eine Ausgleichs- oder Differenzzahlung iSd § 4 FLAG 1967 dem Grunde nach erfüllt, steht der Familienbonus Plus zu (vgl. sowie ). In diesen Fällen ist der Bezug der österreichischen Familienbeihilfe daher ausnahmsweise keine Voraussetzung für den Familienbonus Plus (Gunter/Sebastian in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn (Hrsg), Kommentar zum EStG (22. Lfg 2021) Familienbonus Plus Rz 34/29).

Nach Ansicht des VwGH können, wenn die in Rede stehende Differenzzahlung iSd § 4 Abs. 2 ff FLAG 1967 " betragsmäßig Null " ist, Antragstellende auf Familienbonus Plus jedenfalls (subsidiär) auch in ihrem Einkommensteuerverfahren nachweisen, dass alle inhaltlichen Voraussetzungen für einen Familienbeihilfen- bzw Ausgleichsanspruch erfüllt sind ( zu ).

Im vorliegenden Bescherdefall sind beide Elternteile beschäftigt, daher richtet sich die vorrangige Zuständigkeit nach den Bestimmungen der VO (EG) 883/2004 nach dem Wohnsitz der Kinder, dies ist hier Deutschland. Österreich ist nachrangig zuständig, wäre somit zur Leistung einer Ausgleichszahlung/Differenzzahlung verpflichtet, wenn die inhaltlichen Voraussetzungen erfüllt sind.

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 idF BGBl. I Nr. 28/2020 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird.

Mit BGBl. I Nr. 220/2021 wurde der § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 insoweit abgeändert, als für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und volljährige Kinder, die erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5) und die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben ein Anspruch auf Familienbeihilfe für vier Monate nach Abschluss der Schulausbildung gewährt wird. Da für diese Regelung gesetzlich keine Rückwirkung verankert wurde, ist diese, wie vom Finanzamt vorgebracht, für das betreffende Beschwerdejahr 2020 nicht anwendbar.

Der frühestmögliche Zeitpunkt ist jener, zu dem eine die Aufnahmevoraussetzungen Erfüllende mit dem Studium hätte beginnen können. Nicht von Relevanz ist, ob z.B. zur Studienvorbereitung Vorbereitungskurse zu absolvieren oder Aufnahmeprüfungen zu bestehen sind. Persönliche, oder andere nicht unmittelbar mit der Berufsausbildung im Zusammenhang stehende Gründe, die verhindern, dass mit der Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt begonnen oder diese fortgesetzt wird, sind unbeachtlich und gewähren keinen Anspruch auf Familienbeihilfe (vgl. Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, Familienlastenausgleichsgesetz, Kommentar, § 2, Tz 132; ).

Die Tochter hat am das 18. Lebensjahr vollendet. Laut vorgelegtem Bescheid über Kindergeld hat die Tochter die Schulausbildung im Juli 2020 abgeschlossen. Gemäß § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 idF BGBl. I Nr. 28/2020 hätte der Beschwerdeführer für seine Tochter bis Juli 2020 dem Grunde nach Anspruch auf Familienbeihilfe, da zu diesem Zeitpunkt die Schulausbildung endete. Das Studium wurde im März 2021 aufgenommen, daher nicht zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Der zuerst auf einen späteren Zeitpunkt verschobene, und dann letztlich stornierte Au-Pair-Aufenthalt in Australien stellt einen persönlichen Grund dar und ist für die Ermittlung des Familienbeihilfenanspruches unbeachtlich (ein einjähriger Aufenthalt in Australien würde zudem auch keinen Familienbeihilfe-Anspruch vermitteln; siehe ).

Für den minderjährigen Sohn hätte der Beschwerdeführer gemäß § 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967 idF BGBl. I Nr. 28/2020 für das gesamte Jahr 2020 dem Grunde nach Anspruch auf Familienbeihilfe.

Eine weitere Voraussetzung für die Zuerkennung des Familienbonus Plus ist die unbeschränkte Steuerpflicht des Antragstellers; dies ergibt sich indirekt daraus, dass beschränkt Steuerpflichtigen gem § 70 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 und § 102 Abs. 3 EStG 1988 familienbezogene Absetzbeträge nicht zustehen.

Unbeschränkt steuerpflichtig sind natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (Welteinkommens- oder Universalitätsprinzip). Ist eine Person unbeschränkt steuerpflichtig, dann erfasst die Steuerpflicht alle steuerbaren Einkünfte iS des § 2 EStG 1988 (Welteinkommen, Totalitätsprinzip ), und zwar unabhängig davon, ob sie auch im Ausland besteuert werden. Hat dagegen die natürliche Person im Inland keinen Wohnsitz und keinen gewöhnlichen Aufenthalt, dann unterliegt sie der beschränkten Steuerpflicht nach § 98 mit ihren inländischen Einkünften ((Territorialitätsprinzip ); Millauer in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn (Hrsg), Kommentar zum EStG (9. Lfg 2005) Unbeschränkte und beschränkte Steuerpflicht Rz 6)).

Der Beschwerdeführer hat keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich, sein Wohnsitz befindet sich in Deutschland. Der Beschwerdeführer wäre demgemäß in Österreich beschränkt steuerpflichtig.

Nichtansässige Steuerpflichtige sind den im Tätigkeitsstaat ansässigen Personen vergleichbar, wenn sie den wesentlichen Teil ihrer Einkünfte im Tätigkeitsstaat erzielen ( , Schumacker, zu einem Dienstnehmer; ebenso , Wielockx, zu einem Selbständigen, sowie , Asscher). § 1 Abs. 4 EStG 1988 räumt daher ein Wahlrecht ein, bei beschränkt steuerpflichtigen Einkünften eingeschränkt auf diese Einkünfte wie ein unbeschränkt Steuerpflichtiger behandelt zu werden; damit sollen dem Steuerpflichtigen steuerliche Vorteile gewährt werden, die ansonsten nur unbeschränkt Steuerpflichtigen zustehen.

Den Antrag, mit den beschränkt steuerpflichtigen Einkünften als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt zu werden, können Steuerpflichtige iSd § 1 Abs. 4 erster Satz EStG 1988 dann stellen, "wenn ihre Einkünfte im Kalenderjahr mindestens zu 90% der österreichischen Einkommensteuer unterliegen oder wenn die nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte nicht mehr als 10.000 € betragen". Als "Einkünfte im Kalenderjahr" sind die gesamten Welteinkünfte iSd § 2 Abs. 3 EStG 1988 anzusehen.

Die Anwendung des § 1 Abs. 4 EStG 1988 erfolgt nur auf Antrag (Wahlrecht). Der Antrag ist jährlich neu zu stellen; er kann bis zur Rechtskraft des ESt-Bescheides nachgeholt werden. Der Antrag ist bei jenem FA einzubringen, das für den Vollzug der beschränkten Steuerpflicht zuständig wäre (Millauer in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn (Hrsg), Kommentar zum EStG (9. Lfg 2005) Nichtdiskriminierung beschränkt steuerpflichtiger EU- und EWR-Bürger (§ 1 Abs. 4 EStG 1988) Rz 55ff).

Bei Vorliegen der Voraussetzungen ist eine Option nach § 1 Abs. 4 EStG 1988 und damit eine Beantragung des Familienbonus Plus im Wege der Veranlagung möglich (ErlRV 190 BlgNR XXVI. GP 16).

Ein Antrag gemäß § 1 Abs. 4 EStG 1988 wurde im Zuge des Verfahrens vor dem Bundesfinanzgericht für das Beschwerdejahr 2020, sowie die entsprechenden Formulare und Bestätigungen vorgelegt.

Da ein gültiger Antag gemäß § 1 Abs. 4 EStG 1988 bis zur Rechtskraft des Einkommensteuer-bescheides vorgelegt wurde, steht dem Beschwerdeführer für die Tochter der Familienbonus Plus gemäß § 2 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 idF BGBl. I Nr. 28/2020 für 7 Monate in der Höhe von EUR 291,76; für den minderjährigen Sohn steht dem Beschwerdeführer der Familienbonus Plus gemäß § 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967 idF BGBl. I Nr. 28/2020 für 12 Monate in Höhe von EUR 1.500,00 zu.

Demgemäß war spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da sich das BFG im Beschwerdefall auf die angeführte Rechtsprechung des VwGH (insbesondere das jüngst ergangene Erkenntnis Ra 2021/15/0067 vom ) stützen konnte, lag keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im oa. Sinne vor und war folglich die Revision nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7102794.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at