Rückzahlung zu verbinden mit Abrechnung, wenn die Verrechnung nach § 215 BAO erst nach dem RZ-Antrag erfolgt, Zulässigkeit der Verrechnung im Abschöpfungsverfahren, keine Aufrechnungsbeschränkung des § 206 Abs. 3 IO idF des Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie-Umsetzungsgesetzes iVm § 283 Abs. 6 IO für Einkommensteuergutschriften, keine Prüfung des Existenzminimums
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf., A-1, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Steuernummer
N-1, betreffend Rückzahlung und Abrechnung gemäß §§ 239 und 216 BAO, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Eingaben vom 08., 18. und beantragte die Beschwerdeführerin (Bf.) die Rückzahlung des infolge der Arbeitnehmerveranlagungen 2018-2021 in Höhe von € 1.652,40 auf ihrem Abgabenkonto ausgewiesenen Guthabens.
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Das Finanzamt wies das Ansuchen mit Bescheid vom mit der Begründung ab, dass dieses Guthaben gemäß § 215 Abs. 1 BAO zur (teilweisen) Tilgung ihrer anderen Abgabenschuldigkeiten zu verwenden gewesen sei.
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Dagegen erhob die Bf. am Beschwerde und brachte vor, dass mit Beschluss des Bezirksgerichtes B-1 vom D-1, N-2, über ihr Vermögen das Abschöpfungsverfahren eingeleitet und der KSV 1870 zum Treuhänder bestellt worden sei. Die Abgabenschulden resultierten aus Zeiträumen vor Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens am D-2 (Anmerkung: gemeint wohl D-3) und könnten daher nicht mit dem ihr zustehenden Guthaben gegenverrechnet werden.
Zumal ihr Einkommen angesichts einer Sorgepflicht jedenfalls weit unter dem Existenzminimum liege, stehe ihr das Guthaben jedenfalls zu.
Beweis:
Ihre Einvernahme
Akt des BG B-1
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Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde ab und führte begründend aus, dass die Verrechnung zulässig gewesen sei, da das Abschöpfungsverfahren vor dem eingeleitet worden sei, weshalb gemäß § 206 Abs. 3 IO iVm § 283 Abs. 6 IO kein Aufrechnungsverbot bestehe.
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Die Bf. beantragte daraufhin mit Schreiben vom die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht und wandte ein, dass die Aufrechnung jedenfalls unzulässig sei, da die Finanzbehörde für den Fall, dass diese mit vor Einleitung des Abschöpfungsverfahrens bestehenden oder während des Abschöpfungsverfahrens entstehenden Steuerguthaben aufrechnen könnte, gegenüber den anderen Gläubigern begünstigt wäre. Vor Einleitung des Abschöpfungsverfahrens bestanden habende Steuerguthaben stünden ihr zu. Während des Abschöpfungsverfahrens entstehende Steuerguthaben seien nur dann an den vom Gericht bestellten Treuhänder zu überweisen, wenn diese das Existenzminimum überschritten.
Da dies im konkreten Fall nicht zutreffe, stünden auch die während des Abschöpfungsverfahrens entstehenden Steuerguthaben der Bf. zu.
Der angezogene § 206 IO sei jedenfalls nicht anzuwenden, zumal gemäß § 283 Abs. 6 IO dieser nur auf Abschöpfungsverfahren anzuwenden sei, deren Antrag auf Einleitung nach dem bei Gericht eingelangt sei. In ihrem Fall sei das Abschöpfungsverfahren am D-1 eingeleitet worden, dies sei auch aus der Ediktsdatei ersichtlich.
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Im Vorlagebericht vom nahm das Finanzamt zum Vorlageantrag der Bf. Stellung und verwies zur Frage der Zulässigkeit der Aufrechnung auf das Schreiben der Finanzprokuratur vom . An der in diesem Schreiben dargestellten Rechtslage habe sich auch nach dem Zeitpunkt des Schreibens durch die Novellierung der Insolvenzordnung durch das Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie-Umsetzungsgesetz nichts geändert.
Es werde daher die Abweisung der Beschwerde beantragt.
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In der genannten Stellungnahme der Finanzprokuratur vom wurde ausgeführt:
"Mit Beschluss des BG B-1 vom D-3, N-2, wurde das Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen der Bf. eröffnet. Am D-1 wurde das Abschöpfungsverfahren eingeleitet. Mit Beschluss des BG B-1 vom D-4 wurde festgestellt, dass das Abschöpfungsverfahren rechtskräftig eingeleitet und das Schuldenregulierungsverfahren aufgehoben ist.
Mit Bescheid vom wurde der Antrag der Schuldnerin auf Rückzahlung eines Guthabens abgewiesen, da die Gutschriften aus der Arbeitnehmerveranlagung 2016 und 2017 zur teilweisen Tilgung einer Haftungsschuld zu N-3 verwendet wurden.
Der Schuldnervertreter wendete sich mit Schreiben vom gegen diese Kompensation mit der Begründung, das Einkommen der Schuldnerin läge unter dem Existenzminium. Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid wurde offenbar nicht fristgerecht eingebracht.
Der Bescheid ist somit in Rechtskraft erwachsen.
Er ist aber auch sachlich richtig und entspricht der ständigen Rechtsprechung des VwGH. Zwar erkennt auch der VwGH (zB ), dass den Aufrechnungsvorschriften des Insolvenzrechts der Vorrang vor den Verrechnungsregeln der BAO zukommt. § 20 Abs. 1 IO sieht vor, dass die Aufrechnung unzulässig ist, wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Schuldner der Insolvenzmasse geworden ist oder wenn die Forderung gegen den Schuldner erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erworben worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Schuldner die Gegenforderung zwar vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erworben hat, jedoch zur Zeit des Erwerbs von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners Kenntnis hatte oder Kenntnis haben musste.
Diese Aufrechnungsbeschränkung nach § 20 Abs. 1 IO gilt jedoch ausschließlich im Konkurs. Auf eine Aufrechnung nach Aufhebung des Konkursverfahrens findet diese Bestimmung keine Anwendung. Der frühere Schuldner kann sich nach Aufhebung des Konkurses auf die konkursrechtliche Beschränkung des § 20 Abs. 1 IO nicht berufen (). Überdies kann der IO ein allgemeines Aufrechnungsverbot für Insolvenzgläubiger während des Abschöpfungsverfahrens nicht entnommen werden (, UFS Innsbruck , RV/0398-I/09).
Das Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen der Schuldnerin wurde bereits mit D-4 aufgrund rechtskräftiger Einleitung des Abschöpfungsverfahrens gemäß § 200 Abs. 4 IO aufgehoben. Das eingeleitete Abschöpfungsverfahren steht einer Aufrechnung bzw. Verrechnung nicht entgegen, insbesondere, weil die Aufrechnungsbeschränkung nach § 20 Abs. 1 IO mit Konkursaufhebung nicht mehr besteht und auch kein allgemeines Aufrechnungsverbot während des Abschöpfungsverfahrens vorliegt.
Die Verrechnung der Gutschriften aus der Arbeitnehmerveranlagung mit bestehenden Abgabenverbindlichkeiten sowie die Abweisung des Rückzahlungsantrages im laufenden Abschöpfungsverfahren - aber nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens - erfolgte sohin zu Recht und steht in Einklang mit der Rechtslage sowie der herrschenden Rechtsprechung.
Auch das Argument des Schuldnervertreters, die Schuldnerin beziehe ein unter dem Existenzminimum liegendes Einkommen, zieht nicht.
Gutschriften aus der Arbeitnehmerveranlagung sind öffentlich-rechtliche Forderungen. Es sind weder Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis noch sonstige wiederkehrende Leistungen mit Einkommensersatzfunktion.
Sie gehören daher auch nicht zu dem Teil des schuldnerischen Vermögens, das an den Treuhänder nach § 199 Abs. 2 IO abgetreten wurde.
Die Verrechnung der Gutschriften erfolgte zu Recht, weder eine Auszahlung an die Schuldnerin, noch an den Treuhänder kommt in Betracht. Die Kompensation sollte beibehalten werden.
Abschließend sei noch angemerkt, dass die vielfach zitierte, gegenteilige Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom ,6 Ob 179/14p, aus zweierlei Gründen im gegenständlichen Fall nicht anwendbar ist. Dort geht es um Kompensation nach rechtskräftiger Bestätigung eines Zahlungsplans, nicht wie hier um ein Abschöpfungsverfahren.
Außerdem besteht zur Entscheidung über öffentlich-rechtliche Forderungen, und um solche geht es hier, keine Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofs, es ist vielmehr die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs maßgeblich."
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Rechtsgrundlagen:
In den Fällen einer zusammengefassten Verbuchung der Gebarung sind Zahlungen und sonstige Gutschriften, soweit im Folgenden nicht anderes bestimmt ist, gemäß § 214 Abs. 1 BAO auf die dem Fälligkeitstag nach ältesten verbuchten Abgabenschuldigkeiten zu verrechnen. (…)
Ein sich aus der Gebarung (§ 213 BAO) unter Außerachtlassung von Abgaben, deren Einhebung ausgesetzt ist, ergebendes Guthaben eines Abgabepflichtigen ist gemäß § 215 Abs. 1 BAO zur Tilgung fälliger Abgabenschuldigkeiten zu verwenden, die dieser Abgabepflichtige bei derselben Abgabenbehörde hat; dies gilt nicht, soweit die Einhebung der fälligen Schuldigkeiten ausgesetzt ist.
Das nach einer gemäß Abs. 1 erfolgten Tilgung von Schuldigkeiten bei einer Abgabenbehörde des Bundes verbleibende Guthaben ist gemäß § 215 Abs. 2 BAO zur Tilgung der dieser Behörde bekannten fälligen Abgabenschuldigkeiten zu verwenden, die der Abgabepflichtige bei einer anderen Abgabenbehörde des Bundes hat; dies gilt nicht, soweit die Einhebung der fälligen Schuldigkeiten ausgesetzt ist.
Soweit Guthaben nicht gemäß Abs. 1 bis 3 zu verwenden sind, sind sie gemäß § 215 Abs. 4 BAO nach Maßgabe der Bestimmungen des § 239 BAO zurückzuzahlen oder unter sinngemäßer Anwendung dieser Bestimmungen über Antrag des zur Verfügung über das Guthaben Berechtigten zugunsten eines anderen Abgabepflichtigen umzubuchen oder zu überrechnen.
Die Rückzahlung von Guthaben (§ 215 Abs. 4 BAO) kann gemäß § 239 Abs. 1 BAO auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen erfolgen.
Mit Bescheid (Abrechnungsbescheid) ist gemäß § 216 BAO über die Richtigkeit der Verbuchung der Gebarung (§ 213 BAO) sowie darüber, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist, auf Antrag des Abgabepflichtigen abzusprechen. Ein solcher Antrag ist nur innerhalb von fünf Jahren nach Ablauf des Jahres, in dem die betreffende Verbuchung erfolgt ist oder erfolgen hätte müssen, zulässig.
Die Aufrechnung ist gemäß § 20 Abs. 1 IO unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Schuldner der Insolvenzmasse geworden oder wenn die Forderung gegen den Schuldner, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erworben worden ist. (…)
Der Schuldner hat gemäß § 199 Abs. 2 IO in den Tilgungsplan die Erklärung aufzunehmen, dass er den pfändbaren Teil seiner Forderungen auf Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis oder auf sonstige wiederkehrende Leistungen mit Einkommensersatzfunktion für die Zeit von drei Jahren nach Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses, mit dem das Abschöpfungsverfahren eingeleitet wird, an einen vom Gericht zu bestellenden Treuhänder abtritt. Bei einem Abschöpfungsplan hat der Schuldner die Erklärung nach dem ersten Satz mit einer Frist von fünf Jahren aufzunehmen. Hat der Schuldner diese Forderungen bereits vorher an einen Dritten abgetreten oder verpfändet, so ist in der Erklärung darauf hinzuweisen.
Gemäß § 206 Abs. 1 IO sind Exekutionen einzelner Insolvenzgläubiger in das Vermögen des Schuldners während des Abschöpfungsverfahrens nicht zulässig.
Gegen die Forderung auf die Bezüge, die von der Abtretungserklärung erfasst werden, kann der Drittschuldner eine Forderung gegen den Schuldner gemäß § 206 Abs. 3 IO in der Fassung vor dem Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie-Umsatzgesetz (BGBl I Nr. 147/2021) nur aufrechnen, soweit er bei einer Fortdauer des Insolvenzverfahrens nach §§ 19 und 20 zur Aufrechnung berechtigt wäre.
Gegen eine Forderung des Schuldners, insbesondere auf die Bezüge, die von der Abtretungserklärung erfasst werden, kann der Drittschuldner eine Forderung gegen den Schuldner gemäß § 206 Abs. 3 IO in der derzeit geltenden Fassung nur aufrechnen, soweit er bei einer Fortdauer des Insolvenzverfahrens nach §§ 19 und 20 zur Aufrechnung berechtigt wäre.
§§ 199, 201, 202, 203, 204 Abs. 1 dritter Satz, §§ 206, 207, 210, 210a, 213 und 216 in der Fassung des Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie-Umsetzungsgesetzes sind gemäß § 283 Abs. 6 IO auf Abschöpfungsverfahren anzuwenden, wenn der Antrag auf die Einleitung nach dem bei Gericht einlangt.
Erwägungen:
Im gegenständlichen Fall ist strittig, ob die aus den Arbeitnehmerveranlagungen vom resultierenden Einkommensteuergutschriften von € 494,00 (2018), € 744,00 (2019), 744,00 (2020) und € 684,00 (2021) antragsgemäß an die Bf. zurückzuzahlen sind.
Dazu ist zunächst festzustellen, dass sich ein Guthaben im Sinne des § 215 BAO als Ergebnis der Gebarung auf dem Abgabenkonto darstellt, wobei in den Fällen der zusammengefassten Verbuchung der Gebarung nach § 214 Abs. 1 BAO Zahlungen und sonstige Gutschriften zunächst grundsätzlich auf die dem Fälligkeitstag nach ältesten verbuchten Abgabenschuldigkeiten zu verrechnen sind.
Da im Zeitpunkt der Verbuchung der Einkommensteuergutschriften von insgesamt € 2.666,00 das Abgabenkonto N-1 eine Zahllast von € 1.013,60 aufwies, ergab die Verrechnung gemäß § 214 Abs. 1 BAO ein Abgabenguthaben von € 1.652,40, das gemäß § 215 Abs. 1 BAO am mit der auf dem Abgabenkonto N-3, in Höhe von € 214.710,81 (ursprünglich laut Beschwerdevorentscheidung vom € 215.897,06) bestehenden Zahllast, für die die Bf. zur Haftung mit Bescheid vom herangezogen wurde, verrechnet wurde.
Erst nach Verwendung gemäß § 215 Abs. 1 bis 3 BAO verbleibende Guthaben sind auf Antrag oder von Amts wegen rückzahlbar (vgl. ).
Da infolge der vorgenommenen Verrechnungen weder zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch derzeit ein rückzahlbares Guthaben im Sinne des § 215 Abs. 4 BAO ausgewiesen wurde bzw. wird, wäre dem Rückzahlungsantrag schon deswegen der Erfolg zu versagen gewesen.
In Wahrheit besteht jedoch ein Streit über die Richtigkeit der Gebarung auf dem Abgabenkonto der Bf. Über den engen Wortlaut der Bestimmung des § 216 BAO hinaus geht es im Abrechnungsbescheidverfahren nicht nur um das Erlöschen einer Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung, sondern um die Klärung umstrittener abgabenbehördlicher Gebarungsakte schlechthin (vgl. ).
Mit der Thematik der Rückzahlung ist somit untrennbar die Frage der Zulässigkeit der Aufrechnung, damit die Klärung der Richtigkeit der Gebarung auf dem Abgabenkonto der Bf., verbunden, da sich die Frage nach der Verrechenbarkeit einer Abgabenforderung mit den strittigen Gutschriften nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als Vorfrage für die Entscheidung über das Bestehen eines (rückzahlbaren) Guthabens stellt ().
Die Parteien des Verfahrens vor dem Bundesfinanzgericht gehen übereinstimmend davon aus, dass der Bund als Abgabengläubiger gegenüber der Bf. einen Abgabenanspruch in Höhe der im Schuldenregulierungsverfahren angemeldeten Konkursforderung hat bzw. hatte. Weiters steht außer Streit, dass die im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagungen ergangenen Bescheide für die Einkommensteuern 2018-2021 Gutschriften auswiesen. Auch darüber, dass im vorliegenden Fall die erforderliche Aufrechnungserklärung durch das Finanzamt erfolgte, besteht kein Streit.
Vor dem Hintergrund der Regelungen der §§ 213 bis 215 BAO, die die Verrechnung der Abgaben im Hinblick auf die Anlastung der Abgaben, die nachträglichen Minderungen der Anlastungen und die Tilgung durch Zahlungen und sonstige Gutschriften, einschließlich des Schicksals der entstandenen Guthaben regeln, wäre die vom Finanzamt vorgenommene Verrechnung nicht rechtswidrig.
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt aber in ständiger Rechtsprechung (zB ) die Auffassung, dass den Aufrechnungsvorschriften des Insolvenzrechtes der Vorrang vor den Verrechnungsregeln der BAO zukommt. Nach § 20 Abs. 1 IO ist die Aufrechnung unzulässig, wenn ein Konkursgläubiger erst nach der Konkurseröffnung Schuldner der Konkursmasse geworden ist. Diese Beschränkung der Aufrechnung gilt nur im Konkurs. Auf eine Aufrechnung nach Aufhebung des Konkurses findet diese Bestimmung keine Anwendung. Der frühere Schuldner kann sich nach Aufhebung des Konkurses auf die konkursrechtliche Beschränkung des § 20 Abs. 1 IO nicht berufen (vgl. zu § 20 KO ).
Das Finanzamt hat vor dem Hintergrund dieser Rechtslage die Auffassung vertreten, dass die vorgenommene Verrechnung nicht der Aufrechnungssperre des § 20 IO unterlegen sei, weil das Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen der Bf. bereits am D-4 aufgehoben worden sei. Die Einkommensteuergutschriften ausweisenden Bescheide im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung der Bf. für die Jahre 2018-2021 ergingen am , somit nach Aufhebung des Schuldenregulierungsverfahrens.
Zu diesem Zeitpunkt stand daher die konkursrechtliche Aufrechnungssperre einer Verrechnung mit der Konkursforderung nicht entgegen.
Die Bf. vertritt die Auffassung, § 206 IO stehe der vorgenommenen Aufrechnung entgegen.
Mit dieser Rechtsansicht verkennt die Bf. die Rechtslage, wonach zwar § 206 Abs. 3 IO in der derzeit geltenden Fassung des Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie-Umsetzungsgesetzes die Aufrechnung nunmehr gegen alle Forderungen des Schuldners, und nicht nur gegen Forderungen auf seine Bezüge wie in der davor geltenden Fassung, nur dann zulässig ist, soweit sie bei einer Fortdauer des Insolvenzverfahrens nach den §§ 19 und 20 IO berechtigt wäre.
Allerdings kommt im gegenständlichen Fall § 206 Abs. 3 IO in der Fassung des Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie-Umsetzungsgesetzes gar nicht in Betracht, da gemäß § 283 Abs. 6 IO diese Fassung auf Abschöpfungsverfahren nur dann anzuwenden ist, wenn der Antrag auf die Einleitung nach dem bei Gericht einlangt.
Da das gegenständliche Abschöpfungsverfahren bereits am D-1 eingeleitet wurde, kann der Antrag gemäß § 283 Abs. 6 IO nicht nach dem bei Gericht eingelangt sein und ist § 206 Abs. 3 IO in der Fassung vor dem BGBl I Nr. 147/2021 anzuwenden, der die Aufrechnung im Abschöpfungsverfahren nur gegen Forderungen des Schuldners auf seine Bezüge beschränkt.
Die Rechtsansicht, dass Einkommensteuergutschriften nicht der Aufrechnungsbeschränkung des § 206 Abs. 3 IO unterliegen, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in ständiger Rechtsprechung vertreten (zB ):
"Die Einkommensteuer setzt das Vorliegen von Einkünften, hier aus nichtselbständiger Arbeit, voraus. Der Abgabenanspruch hat seine Grundlage im Einkommensteuergesetz, das zum öffentlichen Recht zählt. Bei den in Rede stehenden Rückforderungsansprüchen der Beschwerdeführerin handelt es sich um negative Abgabenansprüche. Auch solche Ansprüche entstehen kraft Gesetzes (Ritz, BAO3, § 4 Tz. 2). Der Abgabenanspruch auf Einkommensteuer des Bundes setzt zwar Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit voraus, seine Rechtsgrundlage findet sich aber im öffentlichen Recht. Bei der im Beschwerdefall entstandenen Einkommensteuergutschrift handelt es sich rechtlich nicht um ein Arbeitseinkommen, sondern um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch gegenüber dem Abgabengläubiger (Bund). Solche Ansprüche unterliegen keinem Pfändungsschutz (vgl. Heller/Berger/Stix, Kommentar zur EO, III/2005). Dem Aufrechnungsverbot des § 206 Abs. 3 KO unterliegen nicht nur Forderungen auf Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis, sondern auch solche auf sonstige wiederkehrende Leistungen mit Einkommensersatzfunktion. Bei der Auslegung des Begriffes wiederkehrende Leistungen mit Einkommensersatzfunktion kann § 290a Abs. 1 Z. 2 bis 12 EO als Grundlage dienen (vgl. Deixler-Hübner, in Konecny/Schubert, Kommentar zu den Insolvenzgesetzen, § 12a KO, Tz. 4). Dass die in Rede stehenden Einkommensteuergutschriften solchen dort genannten Leistungen gleichzusetzen wären, trifft nicht zu."
Die Vorgangsweise der Abgabenbehörde läuft auch nicht dem Sinn und Zweck eines Abschöpfungsverfahrens, und zwar der Restschuldbefreiung, zuwider, da dieses Verfahren noch anhängig war (bzw. bis dato noch ist), als die Abgabenbehörde die Verrechnung vorgenommen hat.
Zu der von der Bf. behaupteten Bevorzugung des Abgabengläubigers ist auf die Bestimmungen der §§ 214 und 215 BAO zu verweisen, bei denen es sich um zwingendes Recht handelt, das keinen Spielraum für eine allfällige Ermessensentscheidung der Abgabenbehörde bietet.
Schließlich monierte die Bf., dass vor Einleitung des Abschöpfungsverfahrens bestanden habende Steuerguthaben ihr zustünden, aber auch die während des Abschöpfungsverfahrens entstandenen Steuerguthaben, da diese nur dann an den vom Gericht bestellten Treuhänder zu überweisen seien, wenn diese das Existenzminimum überschritten, was im konkreten Fall jedoch nicht zutreffe.
Dem ist entgegenzuhalten, dass § 206 Abs. 1 IO im Abschöpfungsverfahren lediglich ein Exekutionsverbot normiert, das aber der vorgenommenen Aufrechnung nicht im Wege stand, da es sich bei der Verrechnung nach §§ 214 und 215 BAO nämlich nicht um eine Exekutionsmaßnahme, sondern eine Entrichtungsform handelt (vgl. Ritz, BAO6, § 211 Tz 16).
Zumal Gutschriften aus der Arbeitnehmerveranlagung wie bereits ausgeführt öffentlich-rechtliche Forderungen sind, somit weder Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis noch sonstige wiederkehrende Leistungen mit Einkommensersatzfunktion darstellen, gehören sie auch nicht zu dem Teil des schuldnerischen Vermögens, das an den Treuhänder nach § 199 Abs. 2 IO abgetreten wurde.
Eine Berücksichtigung des Existenzminimums kommt daher im gegenständlichen Fall nicht in Betracht.
Da die von der Abgabenbehörde vorgenommenen Verrechnungen nach § 214 Abs. 1 BAO und § 215 Abs. 1 BAO rechtmäßig waren, war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor. Die Entscheidung folgt vielmehr der dargestellten Judikatur des VwGH.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 215 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 215 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 239 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 216 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 20 Abs. 1 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914 § 199 Abs. 2 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914 § 206 Abs. 1 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914 § 206 Abs. 3 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914 § 206 Abs. 3 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914 § 283 Abs. 6 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7103210.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at