Rückforderung indexierter Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache
***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetuzbetrag für den Zeitraum Juli 2019 bis April 2020, Steuernummer ***Bf1-StNr*** (SVNR ***Bf1-SVNR***), zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Am erließ das Finanzamt an den Beschwerdeführer (Bf.) einen Rückforderungsbescheid wie folgt:
Rückforderungsbescheid
- Familienbeihilfe
- Kinderabsetzbetrag
für die Kinder
Name des Kindes VNR / Geb.dat. Zeitraum von - bis
K… M... … 11 - Apr. 2020
K… G... … 02 - Apr. 2020
Der Rückforderungsbetrag beträgt
Rückforderungsbetrag gesamt: 1.836,94 €
Sie sind verpflichtet, diesen Betrag gemäß § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 in Verbindung mit § 33 Abs. 3 Einkommensteuergesetz 1988 zurückzuzahlen. …
Begründung:
Da Sie seit Juli 2019 Anspruch auf Erziehungsleistung in Polen für Ihre beiden Kinder haben, muss der oben genannte Zeitraum aufgerollt werden und es steht Ihnen nur die Differenz zu.
Die bereits zu viel ausbezahlte Familienleistung muss rückgefordert werden.
Der Bf. brachte die Beschwerde vom ein:
Gegen den Bescheid vom betreffend Rückforderung (FB u. KG) erhebe ich innerhalb offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde.
Die Beschwerde richtet sich gegen folgenden Punkt des Bescheides:
Rückforderung:
[wie Bescheid]
Begründung:
Laut der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 und der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 987/2009 habe ich Anspruch auf die Familienleistungen in Österreich.
Ich beantrage, die neue Berechnung der Differenzzahlung mit einer detaillierten Aufschlüsselung der Leistungen in Österreich und Polen und was zur Rückgabe der Leistung führt.
Ich ersuche einen neuen Bescheid zu erlassen.
Am entschied das Finanzamt mittels Beschwerdevorentscheidung über die Beschwerde:
Ihrer Beschwerde vom wird stattgegeben, der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Ihrer Beschwerde vom wird daher teilweise stattgegeben.
Begründung:
Für die Familienleistungen ist jener Staat vorrangig zuständig, in dem eine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird (Verordnung (EG) Nr. 883/2004).
Werden Erwerbstätigkeiten in mehreren Staaten ausgeübt, ist jener Staat für die Familienleistungen zuständig, in dem das Kind oder die Kinder leben.
Die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 in der ab gültigen Fassung regelt, welcher Mitgliedstaat für ein und denselben Zeitraum für ein und denselben Familienangehörigen vorrangig zur Gewährung der im jeweiligen Hoheitsgebiet vorgesehenen Familienleistungen verpflichtet ist.
Vorrangig muss grundsätzlich jener Mitgliedstaat die Familienleistungen gewähren, in dem eine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird.
Wird in jenem Mitgliedstaat, der vorrangig zur Gewährung von Familienleistungen verpflichtet ist, kein Antrag gestellt, so kann der andere Mitgliedsstaat dennoch jene Leistungen, die bei Antragstellung gewährt worden wären, bei der Berechnung des Unterschiedsbetrages berücksichtigen.
In Polen besteht auf Grund der Beschäftigung der Kindesmutter ab Anspruch auf das polnische Erziehungsgeld ab 11/2019 für alle Kinder Kind je 500,-- Zloty monatlich.
Auf Grund Ihrer Beschäftigung in Österreich ist ein Anspruch auf Ausgleichszahlung gegeben.
Da die rückgeforderte Verrechnung für zwei Kinder ab jedoch 07/2019 ausgewiesen wurde, wird für 07/2019 - 10/2019 die Rückforderung vermindert.
Der Vorlageantrag vom wurde wie folgt eingebracht:
Gegen den Bescheid vom betreffend Rückforderungsbescheid (FB u. KG) erhebe ich innerhalb offener Frist das Rechtsmittel über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.
Die Beschwerde richtet sich gegen folgenden Punkt des Bescheides:
Rückforderung:
K… M… … 1116
K… G… … 0219
Rückforderungsbetrag insgesamt Euro 1111,74
[gleichlautende Begründung wie Beschwerde]
Die Beschwerdevorlage erfolgte mit nachfolgendem Sachverhalt und Anträgen:
Sachverhalt:
Da lt. Mitteilung des ausländischen Trägers über Familienleistungen in Polen für die Kinder M… und G…. ab dem eine Erziehungsleistung von 500,- Zloty je Monat zuerkannt wurde, welche bei der ursprünglichen ha. Berechnung der Familienbeihilfe nicht berücksichtigt wurde, war der gegenständliche Rückforderungsbescheid zu erlassen.
Es erfolgte die Beschwerde vom gegen den Rückforderungsbescheid.
Ursprünglich wurde laut Arbeitsauftrag ab 07/2019 für beide Kinder rückverrechnet - da lt. der EGDA Mitteilung jedoch erst ab 11/2019 vorrangige Zuständigkeit für Polen gegeben war, wurde die Rückforderung um die Monate 07-10/2019 vermindert.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Beschwerde teilweise stattgegeben (Für die Familienleistungen ist jener Staat vorrangig zuständig, in dem eine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird (Verordnung (EG) Nr. 883/2004). Werden Erwerbstätigkeiten in mehreren Staaten ausgeübt, ist jener Staat für die Familienleistungen zuständig, in dem das Kind oder die Kinder leben. Die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 in der ab gültigen Fassung regelt, welcher Mitgliedstaat für ein und denselben Zeitraum für ein und denselben Familienangehörigen vorrangig zur Gewährung der im jeweiligen Hoheitsgebiet vorgesehenen Familienleistungen verpflichtet ist.
Vorrangig muss grundsätzlich jener Mitgliedstaat die Familienleistungen gewähren, in dem eine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird.
Wird in jenem Mitgliedstaat, der vorrangig zur Gewährung von Familienleistungen verpflichtet ist, kein Antrag gestellt, so kann der andere Mitgliedsstaat dennoch jene Leistungen, die bei Antragstellung gewährt worden wären, bei der Berechnung des Unterschiedsbetrages berücksichtigen. In Polen besteht auf Grund der Beschäftigung der Kindesmutter ab Anspruch auf das polnische Erziehungsgeld ab 11/2019 für alle Kinder Kind je 500,- Zloty monatlich. Auf Grund Ihrer Beschäftigung in Österreich ist ein Anspruch auf Ausgleichszahlung gegeben. Da die rückgeforderte Verrechnung für zwei Kinder ab jedoch 07/2019 ausgewiesen wurde, wird für 07/2019-10/2019 die Rückforderung vermindert.
Am wurde ein Vorlageantrag eingebracht.
Beweismittel:
EGDA-Austausch mit Polen
Stellungnahme:
Das Finanzamt beantragt die Abweisung der Beschwerde, da lt. EGDA-Mitteilungen in Polen Familienleistung bezogen wurde und diese von der österreichischen Familienbeihilfe rechtmäßig abgezogen wurde.
Art. 68 der VO (EG) 883/2004 lautet:
"Prioritätsregeln bei Zusammentreffen von Ansprüchen
(1) Sind für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren, so gelten folgende Prioritätsregeln:
a) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen zu gewähren,
so gilt folgende Rangfolge: an erster Stelle stehen die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelösten Ansprüche, darauf folgen die durch den Bezug einer Rente ausgelösten Ansprüche und schließlich die durch den Wohnort ausgelösten Ansprüche.
b) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben Gründen zu gewähren, so richtet sich die Rangfolge nach den folgenden subsidiären Kriterien:
i) bei Ansprüchen, die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeitausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass dort eine solche Tätigkeit ausgeübt wird, und subsidiär gegebenenfalls die nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zu gewährende höchste Leistung. Im letztgenannten Fall werden die Kosten für die Leistungen nach in der Durchführungsverordnung festgelegten Kriterien aufgeteilt;
ii) bei Ansprüchen, die durch den Bezug einer Rente ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass nach diesen Rechtsvorschriften eine Rente geschuldet wird, und subsidiär gegebenenfalls die längste Dauer der nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zurückgelegten Versicherungs- oder Wohnzeiten;
iii) bei Ansprüchen, die durch den Wohnort ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder.
(2) Bei Zusammentreffen von Ansprüchen werden die Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften gewährt, die nach Absatz 1 Vorrang haben. Ansprüche auf Familienleistungen nach anderen widerstreitenden Rechtsvorschriften werden bis zur Höhe des nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Betrags ausgesetzt; erforderlichenfalls ist ein Unterschiedsbetrag in Höhe des darüber hinausgehenden Betrags der Leistungen zu gewähren. Ein derartiger Unterschiedsbetrag muss jedoch nicht für Kinder gewährt werden, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, wenn der entsprechende Leistungsanspruch ausschließlich durch den Wohnort ausgelöst wird.
(3) Wird nach Artikel 67 beim zuständigen Träger eines Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriftengelten, aber nach den Prioritätsregeln der Absätze 1 und 2 des vorliegenden Artikels nachrangig sind, ein Antrag auf Familienleistungen gestellt, so gilt Folgendes:
a) Dieser Träger leitet den Antrag unverzüglich an den zuständigen Träger des Mitgliedstaats weiter, dessen Rechtsvorschriften vorrangig gelten, teilt dies der betroffenen Person mit und zahlt unbeschadet der Bestimmungen der Durchführungsverordnung über die vorläufige Gewährung von Leistungen erforderlichenfalls den in Absatz 2 genannten Unterschiedsbetrag;
b) der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften vorrangig gelten, bearbeitet den Antrag, als ob er direkt bei ihm gestellt worden wäre; der Tag der Einreichung des Antrags beim ersten Träger gilt als der Tag der Einreichung bei dem Träger, der vorrangig zuständig ist."
Polen ist daher gemäß Art. 68 Abs. 1 lit. b VO 883/2004 vorrangig zur Erbringung von Familienleistungen zuständig. Österreich hat gemäß Art. 68 Abs. 2 VO 883/2004 als nachrangig zuständiger Staat den Unterschiedsbetrag zwischen den polnischen und österreichischen Familienleistungen zu leisten.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Bf. ist in Österreich seit nichtselbständig beschäftigt (Abgabeninformationssystem-Abfrage).
Die im November 2016 und Februar 2019 geborenen Kinder des Bf. leben in Polen im selben Haushalt mit der Mutter und Gattin des Bf. wie auch der Bf. selbst.
Seit gilt die Gattin des Bf. als selbständig erwerbstätig in Polen (EGDA Austausch von Informationen).
Laut EGDA Austausch von Informationen hat Österreich im Zeitraum bis die vorrangige Zuständigkeit gemäß Art. 68 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 (Beschäftigung des Bf. in Österreich); von bis hat Polen die vorrangige Zuständigkeit gemäß Art. 68 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 (selbständige Erwerbstätigkeit der Kindesmutter in Polen und Wohnort der Kinder in Polen; auf Grund der Beschäftigung des Bf. in Österreich ist ein Anspruch auf Ausgleichszahlung gegeben).
Beginnend mit besteht in Polen auf Grund der Erwerbstätigkeit der Kindesmutter ein Anspruch auf das polnische Erziehungsgeld von monatlich 500,00 Zloty für jedes der beiden Kinder (EGDA Austausch von Informationen; Beschwerdevorlage).
Der Vorlageantrag vom richtet sich gegen die Rückforderung von insgesamt Euro 1.111,74 (für den Zeitraum 11.2019 - 04.2020).
2. Beweiswürdigung
Der unstrittige Sachverhalt und die im Folgenden dargestellten Beträge ergeben sich aus der Aktenlage sowie der Familienbeihilfendatenbank.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Eingangs ist festzuhalten, dass der Zeitraum, über den mit diesem Erkenntnis abzusprechen ist, einerseits durch den in Beschwerde gezogenen Bescheid des Finanzamtes definiert wird (von Juli 2019 bis Apr. 2020) und andererseits durch das Beschwerdebegehren des Bf. in seinem durch den Vorlageantrag eingegrenzten Umfang (Rückforderungsbetrag insgesamt Euro 1.111,74; laut Beschwerdevorentscheidung erfolgte diese Rückforderung ausbezahlter Familienbeihilfen- und Kinderabsetzbeträge für den Zeitraum 11.2019 - 04.2020).
Abzusprechen ist somit über Rückforderungen für den Zeitraum November 2019 bis April 2020.
§ 4 FLAG bestimmt:
(1) Personen, die Anspruch auf eine gleichartige ausländische Beihilfe haben, haben keinen Anspruch auf Familienbeihilfe.
(2) Österreichische Staatsbürger, die gemäß Abs. 1 oder gemäß § 5 Abs. 5 vom Anspruch auf die Familienbeihilfe ausgeschlossen sind, erhalten eine Ausgleichszahlung, wenn die Höhe der gleichartigen ausländischen Beihilfe, auf die sie oder eine andere Person (§ 5 Abs. 5) Anspruch haben, geringer ist als die Familienbeihilfe, die ihnen nach diesem Bundesgesetz ansonsten zu gewähren wäre.
(3) Die Ausgleichszahlung wird in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen der gleichartigen ausländischen Beihilfe und der Familienbeihilfe, die nach diesem Bundesgesetz zu gewähren wäre, geleistet.
(4) Die Ausgleichszahlung ist jährlich nach Ablauf des Kalenderjahres, wenn aber der Anspruch auf die gleichartige ausländische Beihilfe früher erlischt, nach Erlöschen dieses Anspruches über Antrag zu gewähren.
(5) Die in ausländischer Währung gezahlten gleichartigen ausländischen Beihilfen sind nach den vom Bundesministerium für Finanzen auf Grund des § 4 Abs. 8 des Umsatzsteuergesetzes 1972, BGBl. Nr. 223/1972, in der "Wiener Zeitung" kundgemachten jeweiligen Durchschnittskursen in inländische Währung umzurechnen.
(6) Die Ausgleichszahlung gilt als Familienbeihilfe im Sinne dieses Bundesgesetzes; die Bestimmungen über die Höhe der Familienbeihilfe finden jedoch auf die Ausgleichszahlung keine Anwendung.
(7) Der Anspruch auf die Ausgleichszahlung geht auf die Kinder, für die sie zu gewähren ist, über, wenn der Anspruchsberechtigte vor rechtzeitiger Geltendmachung des Anspruches gestorben ist. Sind mehrere anspruchsberechtigte Kinder vorhanden, ist die Ausgleichszahlung durch die Anzahl der anspruchsberechtigten Kinder zu teilen.
§ 8 FLAG bestimmt:
(1) Der einer Person zustehende Betrag an Familienbeihilfe bestimmt sich nach der Anzahl und dem Alter der Kinder, für die ihr Familienbeihilfe gewährt wird.
(2) Die Familienbeihilfe beträgt monatlich
ab
a) 114 € für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats der Geburt,
b) 121,9 € für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats, in dem es das 3. Lebensjahr vollendet,
...
(3) Die Familienbeihilfe erhöht sich monatlich für jedes Kind
3.
ab , wenn sie
a) für zwei Kinder gewährt wird, um 7,1 €,
…
Wie die belangte Behörde in der Beschwerdevorlage zutreffend ausgeführt hat, ist Polen im entscheidungsrelevanten Zeitraum gemäß Art 68 Abs. 1 lit. b VO (EG) 883/2004 (infolge Erwerbstätigkeit der Kindesmutter und Wohnort der Kinder in Polen) vorrangig zur Erbringung von Familienleistungen zuständig. Österreich hat gemäß Art 68 Abs. 2 VO (EG) 883/2004 als nachrangig zuständiger Staat (auf Grund der Beschäftigung des Bf. in Österreich) den Unterschiedsbetrag in Höhe der über den polnischen Betrag hinausgehenden österreichischen Familienleistung zu gewähren.
§ 8a FLAG bestimmte:
(1) Die Beträge an Familienbeihilfe (§ 8) für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhalten, sind auf Basis der vom Statistischen Amt der Europäischen Union veröffentlichten vergleichenden Preisniveaus für jeden einzelnen Mitgliedstaat der EU, jede Vertragspartei des Europäischen Wirtschaftsraumes und die Schweiz im Verhältnis zu Österreich zu bestimmen.
(2) Die Beträge an Familienbeihilfe nach Abs. 1 gelten erstmals ab auf Basis der zum Stichtag zuletzt veröffentlichten Werte nach Abs. 1. Die Beträge sind in der Folge jedes zweite Jahr auf Basis der zum Stichtag 1. Juni des Vorjahres zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen.
(3) Die Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend oder der Bundesminister für Frauen, Familien und Jugend hat gemeinsam mit der Bundesministerin für Finanzen oder dem Bundesminister für Finanzen die Berechnungsgrundlagen und die Beträge nach Abs. 1 und 2 sowie die Beträge nach § 33 Abs. 3 Z 2 EStG 1988 mit Verordnung kundzumachen."
Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 bestimmte:
Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, steht im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. Abweichend davon gilt:
1. Für Kinder, die sich ständig außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz aufhalten, steht kein Kinderabsetzbetrag zu.
2. Für Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz aufhalten, ist die Höhe des Kinderabsetzbetrages auf Basis der vom Statistischen Amt der Europäischen Union veröffentlichten vergleichenden Preisniveaus für jeden einzelnen Mitgliedstaat der EU, jede Vertragspartei des Europäischen Wirtschaftsraumes und die Schweiz im Verhältnis zu Österreich zu bestimmen:
a) Die Höhe der Kinderabsetzbeträge ist erstmals ab auf Basis der zum Stichtag zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen. Die Höhe der Kinderabsetzbeträge ist in der Folge jedes zweite Jahr auf Basis der zum Stichtag 1. Juni des Vorjahres zuletzt veröffentlichten Werte anzupassen.
b) Die Höhe der Kinderabsetzbeträge ist gemäß § 8a Abs. 3 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 kundzumachen.
Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.
Die Europäische Kommission brachte beim Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) eine Vertragsverletzungsklage gegen die Republik Österreich ein und beantragte, festzustellen, dass
- die Republik Österreich durch die Einführung eines Anpassungsmechanismus in Bezug auf die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag für Erwerbstätige, deren Kinder ständig in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 4, 7 und 67 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. 2004, L 166, S. 1) sowie aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABl. 2011, L 141, S. 1) verstoßen hat und
- die Republik Österreich durch die Einführung eines Anpassungsmechanismus in Bezug auf den Familienbonus Plus, den Alleinverdienerabsetzbetrag, den Alleinerzieherabsetzbetrag und den Unterhaltsabsetzbetrag für Wanderarbeitnehmer, deren Kinder ständig in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 verstoßen hat.
Mit erkannte dieser für Recht und entschied wie folgt:
Die Republik Österreich hat durch die - auf die Änderung von § 8a des Bundesgesetzes betreffend den Familienlastenausgleich durch Beihilfen vom in der durch das Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden, vom geänderten Fassung und von § 33 des Bundesgesetzes über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen vom in der durch das Jahressteuergesetz 2018 vom und das Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden, vom geänderten Fassung zurückgehende - Einführung eines Anpassungsmechanismus in Bezug auf die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag für Erwerbstätige, deren Kinder ständig in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 4 und 67 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit sowie aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union verstoßen.
Die Republik Österreich hat durch die - auf die Änderung von § 8a des Bundesgesetzes betreffend den Familienlastenausgleich durch Beihilfen vom in der durch das Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden, vom geänderten Fassung und von § 33 des Bundesgesetzes über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen vom in der durch das Jahressteuergesetz 2018 vom und das Bundesgesetz, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967, das Einkommensteuergesetz 1988 und das Entwicklungshelfergesetz geändert werden, vom geänderten Fassung zurückgehende - Einführung eines Anpassungsmechanismus in Bezug auf den Familienbonus Plus, den Alleinverdienerabsetzbetrag, den Alleinerzieherabsetzbetrag und den Unterhaltsabsetzbetrag für Wanderarbeitnehmer, deren Kinder ständig in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 verstoßen.
Die unmittelbare Anwendung und den Vorrang von unionsrechtlichen Bestimmungen haben sowohl die Gerichte als auch die Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten zu beachten. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ist jedes im Rahmen seiner Zuständigkeit angerufene nationale Gericht als Organ eines Mitgliedstaats verpflichtet, in Anwendung des in Art. 4 Abs. 3 EUV niedergelegten Grundsatzes der Zusammenarbeit das unmittelbar geltende Unionsrecht uneingeschränkt anzuwenden und die Rechte, die es dem Einzelnen verleiht, zu schützen, indem es jede möglicherweise entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts, gleichgültig ob sie früher oder später als das Unionsrecht ergangen ist, - falls eine unionsrechtskonforme Auslegung nicht möglich ist - aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt. Nationales Recht, das im Widerspruch zu unmittelbar anwendbarem Unionsrecht steht, ist verdrängt. Die Verdrängungswirkung des Unionsrechts hat zur Folge, dass die nationale Regelung in jener Gestalt anwendbar bleibt, in der sie nicht mehr im Widerspruch zum Unionsrecht steht. Nationales Recht bleibt insoweit unangewendet, als ein Verstoß gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht gegeben ist. Die Verdrängung darf also bloß jenes Ausmaß umfassen, das gerade noch hinreicht, um einen unionsrechtskonformen Zustand herbeizuführen (siehe ).
Der Spruch des Erkenntnisses des EuGH stellt eindeutig fest, dass die Indexierung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages den unionsrechtlichen Bestimmungen widerspricht. Die Herstellung des unionsrechtskonformen Zustandes ist nur dadurch möglich, dass die Indexierungsbestimmungen des § 8a FLAG und des § 33 Abs. 3 Z. 2 EStG auf die verfahrensgegenständlichen Ansprüche der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages nicht angewendet werden.
Mit BGBl. I Nr. 135/2022 vom , Änderung des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 und des Einkommensteuergesetzes 1988, entfallen die die Indexierung regelnden Bestimmungen (§ 8a FLAG 1967 sowie § 33 Abs. 3 EStG 1988 in der Fassung vor BGBl. I Nr. 135/2022) rückwirkend ab .
An den Bf. wurden für den Streitzeitraum zunächst folgende indexierte Beträge an Familienbeihilfe (FB) und Kinderabsetzbetrag (KG) geleistet (indexierte Beträge nach der Verordnung der Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend und des Bundesministers für Finanzen über die Anpassung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages in Bezug auf Kinder, die sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder einer Vertragspartei des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz aufhalten (Familienbeihilfe-Kinderabsetzbetrag-EU-Anpassungsverordnung), BGBl. II Nr. 318/2018 vom ) (Beträge in €):
114,00 + 7,10 = 121,10 x Faktor 0,505 = 61,16 (für G…)
121,90 + 7,10 = 129,00 x Faktor 0,505 = 65,15 (für M…)
58,40 x Faktor 0,505 = 29,49
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Für die Zeiträume | Indexierte Beträge |
FB 1119 | 61,16 |
FB 1119 | 65,15 |
KG 1119 | 29,49 |
KG 1119 | 29,49 |
FB 1219 | 61,16 |
FB 1219 | 65,15 |
KG 1219 | 29,49 |
KG 1219 | 29,49 |
FB 0120 | 61,16 |
FB 0120 | 65,15 |
KG 0120 | 29,49 |
KG 0120 | 29,49 |
FB 0220 | 61,16 |
FB 0220 | 65,15 |
KG 0220 | 29,49 |
KG 0220 | 29,49 |
FB 0320 | 61,16 |
FB 0320 | 65,15 |
KG 0320 | 29,49 |
KG 0320 | 29,49 |
FB 0420 | 61,16 |
FB 0420 | 65,15 |
KG 0420 | 29,49 |
KG 0420 | 29,49 |
Summe: | 1.111,74 |
In dem - infolge des oben zitierten erlassenen - Bundesgesetz vom , BGBl. I Nr. 135/2022, mit dem das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und des Einkommensteuergesetzes 1988 geändert werden, wird unter Art 1 Z 6 (auszugsweise) normiert:
Dem § 55 werden folgende Abs. 55 bis 57 angefügt:
…
(56) § 8a entfällt rückwirkend ab mit folgenden Maßgaben:
1. Die Nachzahlungen an Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig in … Polen, … aufgehalten haben oder aufhalten, erfolgen automationsunterstützt, soweit auf Grund der im Familienbeihilfenverfahren vorhandenen Daten eine Auszahlung durchführbar ist. Ist mangels Vorliegen von Daten keine Auszahlung durchführbar, ist ein Antrag zu stellen, wobei § 10 Abs. 3 keine Anwendung findet.
…
Dementsprechend wurde dem Bf. am eine automationsunterstützt berechnete Nachzahlung an Differenzzahlungen von über die polnischen Familienleistungen hinausgehenden österreichischen Beträgen an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum 01/2019 bis 06/20222 in der Gesamthöhe von € 6.761,28 gewährt.
Bezogen auf den Streitzeitraum sind in diesem Gesamtbetrag folgende Leistungen (Nachzahlungen) enthalten (Beträge in €):
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Für M… | |||||
von | bis | Abgabecode | Anspruchsart | Betrag | Summe |
11/2019 | 11/2019 | FB | Differenzzahlung | 14,80 | 14,80 |
11/2019 | 04/2020 | KG | Differenzzahlung | 58,40 | 350,40 |
12/2019 | 12/2019 | FB | Differenzzahlung | 11,58 | 11,58 |
01/2020 | 01/2020 | FB | Differenzzahlung | 13,22 | 13,22 |
02/2020 | 02/2020 | FB | Differenzzahlung | 11,54 | 11,54 |
03/2020 | 03/2020 | FB | Differenzzahlung | 12,75 | 12,75 |
04/2020 | 04/2020 | FB | Differenzzahlung | 13,42 | 13,42 |
Für G… | |||||
11/2019 | 11/2019 | FB | Differenzzahlung | 6,90 | 6,90 |
11/2019 | 04/2020 | KG | Differenzzahlung | 58,40 | 350,40 |
12/2019 | 12/2019 | FB | Differenzzahlung | 3,68 | 3,68 |
01/2020 | 01/2020 | FB | Differenzzahlung | 5,32 | 5,32 |
02/2020 | 02/2020 | FB | Differenzzahlung | 3,64 | 3,64 |
03/2020 | 03/2020 | FB | Differenzzahlung | 4,85 | 4,85 |
04/2020 | 04/2020 | FB | Differenzzahlung | 5,52 | 5,52 |
Gesamtsumme: | 808,02 |
Im Rahmen der automationsunterstützten Nachzahlung auf Grund des rückwirkenden Außerkraftsetzens der Indexierung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages wurden dem Bf. für den Streitzeitraum sohin € 808,02 gewährt.
Die Überprüfung der dem Bf. zugestandenen Differenzzahlungen für beide Kinder ohne Indexierung ergibt folgende (Kontroll-)Berechnung (die Umrechnung der polnischen Familienleistungen von 2 x 500,00 Zloty nach dem jeweils geltenden Umrechnungskurs ergibt die angeführten Euro-Beträge) (Beträge in €):
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Zeitraum | Abgabecode | volle/nichtindexierte Beträge | polnische Familienleistungen |
11/2019 | FB | 121,10 | 228,40 |
11/2019 | FB | 129,00 | |
11/2019 | KG | 58,40 | |
11/2019 | KG | 58,40 | |
12/2019 | FB | 121,10 | 234,84 |
12/2019 | FB | 129,00 | |
12/2019 | KG | 58,40 | |
12/2019 | KG | 58,40 | |
01/2020 | FB | 121,10 | 231,56 |
01/2020 | FB | 129,00 | |
01/2020 | KG | 58,40 | |
01/2020 | KG | 58,40 | |
02/2020 | FB | 121,10 | 234,92 |
02/2020 | FB | 129,00 | |
02/2020 | KG | 58,40 | |
02/2020 | KG | 58,40 | |
03/2020 | FB | 121,10 | 232,50 |
03/2020 | FB | 129,00 | |
03/2020 | KG | 58,40 | |
03/2020 | KG | 58,40 | |
04/2020 | FB | 121,10 | 231,16 |
04/2020 | FB | 129,00 | |
04/2020 | KG | 58,40 | |
04/2020 | KG | 58,40 | |
Summen: | 2.201,40 | 1.393,38 |
Somit hatte der Bf. ohne Indexierung der österreichischen Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für den betrachteten Zeitraum für seine beiden Kinder einen Anspruch auf Differenzzahlung in Höhe von (€ 2.201,40. - € 1.393,38 =) € 808,02 gehabt.
Dieser Betrag wurde ihm laut obiger Darstellung am nachgezahlt.
Folgerichtig erfolgte die Rückforderung der zuvor bereits ausgezahlten indexierten Beträge iHv € 1.111,74 zu Recht.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden auf der Sachverhaltsebene zu lösendem Fall nicht gegeben.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 8 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 8a FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 33 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 4 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 Art. 68 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7101312.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
PAAAC-32860