Lohnpfändung, Beschwerdelegitimation, Einwendungen der Verjährung und des Existenzminimums
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf., A-1, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6, Rechnungs- und Abgabenwesen, Dezernat Rechnungswesen - Buchhaltungsabteilung 33, vom , Abgabenkontonummer N-1, betreffend Lohnpfändung gemäß § 65 AbgEO zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mit Bescheid vom verfügte der Magistrat der Stadt Wien an die Drittschuldnerin G-1 die Pfändung und Überweisung von Bezügen aus Dienst- und Arbeitseinkommen (Lohnpfändung) zur Hereinbringung der in Höhe von € 907,46 aushaftenden Nachforderungen der Abgabenschuldnerin. Das dazu ebenfalls am ausgestellte Verfügungsverbot sowie eine Abschrift des Pfändungsbescheides wurden direkt an die Beschwerdeführerin (Bf.) zugestellt.
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In der gegen den Pfändungsbescheid am erhobenen, als Einspruch bezeichneten Beschwerde brachte die Bf. vor, dass die Forderung von der ehemaligen Firma G-2 stamme, für die am D-1 Insolvenz angemeldet worden sei. Zur Begleichung der offenen Schulden seien das Firmenvermögen veräußert, die Gläubiger befriedigt und die Insolvenz beendet worden.
Der Magistrat der Stadt Wien habe anscheinend verabsäumt, den offenen Rechnungsbetrag als Forderung gegen die insolvente Firma geltend zu machen und als Gläubigerin aufzutreten.
Jetzt, sieben Jahre später über eine Lohnpfändung einen offenen Kommunalsteuerbetrag einzutreiben, sei weder nachvollziehbar noch vollstreckbar. Der Abgabenanspruch stamme aus den Jahren 2014/2015 und liege somit mehr als sieben Jahre zurück.
Sie erhebe nicht nur Einspruch gegen den Bescheid, sondern fordere die sofortige Einstellung der Lohnpfändung sowie die Aussetzung des Betrages.
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Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies der Magistrat der Stadt Wien die Beschwerde gemäß § 260 BAO als unzulässig zurück und führte aus, dass dem Drittschuldner gegen den Lohnpfändungsbescheid das Rechtsmittel der Beschwerde zustehe und verwies auf die darin enthaltene Rechtsmittelbelehrung.
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Mit Schreiben vom erhob die Bf. dagegen erneut Einspruch, beabsichtigte damit aber offenbar, die Vorlage ihrer Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht zu beantragen.
Begründend brachte sie vor, Einspruch gegen die Vorgangsweise der MA 6, die offenen Posten der Kommunalsteuer nicht im Rahmen der Firmeninsolvenz miteinbezogen zu haben, zu erheben. Es wäre eine vollständige Begleichung der offenen Posten mit dem damaligen Verkauf der Eigenmittel des insolventen Unternehmens erlangt worden.
Den Betrag nach acht bzw. sieben Jahren über ihr bereits ohnehin mit einer gepfändeten Summe in der Höhe von ca. € 350,00 und einer Unterhaltspflicht in der Höhe von € 455,00 mit einer weiteren Lohnpfändung zu belasten, unterschreite ihr Existenzminimum und erlaube ihr nicht mehr, die Fixkosten zu begleichen.
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Im Vorlagebericht vom wandte der Magistrat der Stadt Wien ein, dass die Bf. für Rückstände der G-2 rechtskräftig haftbar gemacht worden sei. Die Beschwerdeargumente Verjährung und Unterschreitung des Existenzminimums stünden der Pfändung nicht entgegen.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten gemäß § 2 Abs. 1 AbgEO nach Maßgabe des Abs. 2 sinngemäß auch in Angelegenheiten der von den Abgabenbehörden der Länder, der Gemeindeverbände und der Gemeinden zu erhebenden öffentlichen Abgaben, Beiträge und Nebenansprüche. Soweit sich aus diesem Bundesgesetz nicht anderes ergibt, sind die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung auch im Vollstreckungsverfahren anzuwenden.
Die von den Abgabenbehörden des Bundes, der Länder, der Gemeindeverbände und der Gemeinden zu erhebenden öffentlichen Abgaben, Beiträge und Nebenansprüche werden gemäß § 3 Abs. 1 AbgEO nach Maßgabe der Abs. 2 und 3 im abgabenbehördlichen oder gerichtlichen Vollstreckungsverfahren eingebracht.
Eine Vollstreckung auf bewegliche körperliche Sachen, auf grundbücherlich nicht sichergestellte Geldforderungen und auf Ansprüche auf Herausgabe und Leistung beweglicher körperlicher Sachen kann gemäß § 3 Abs. 2 AbgEO im abgabenbehördlichen oder gerichtlichen Vollstreckungsverfahren durchgeführt werden.
Gemäß § 65 Abs. 1 AbgEO erfolgt die Vollstreckung auf Geldforderungen des Abgabenschuldners mittels Pfändung derselben. Im Pfändungsbescheid sind die Höhe der Abgabenschuld und der Gebühren und Auslagenersätze (§ 26) anzugeben. Sofern nicht die Bestimmung des § 67 zur Anwendung kommt, geschieht die Pfändung dadurch, dass die Abgabenbehörde dem Drittschuldner verbietet, an den Abgabenschuldner zu bezahlen. Zugleich ist dem Abgabenschuldner selbst jede Verfügung über seine Forderung sowie über das für dieselbe etwa bestellte Pfand und insbesondere die Einziehung der Forderung zu untersagen. Ihm ist aufzutragen, bei beschränkt pfändbaren Geldforderungen unverzüglich dem Drittschuldner allfällige Unterhaltspflichten und das Einkommen der Unterhaltsberechtigten bekanntzugeben.
Sowohl dem Drittschuldner wie dem Abgabenschuldner ist hiebei gemäß Abs. 2 mitzuteilen, dass die Republik Österreich an der betreffenden Forderung ein Pfandrecht erworben hat. Die Pfändung ist gemäß Abs. 3 mit Zustellung des Zahlungsverbotes an den Drittschuldner als bewirkt anzusehen. Gemäß Abs. 4 kann der Drittschuldner das Zahlungsverbot anfechten oder bei der Abgabenbehörde die Unzulässigkeit der Vollstreckung nach den darüber bestehenden Vorschriften geltend machen.
Beschwerdelegitimation
Gemäß § 77 Abs. 1 Z 1 AbgEO ist ein Rechtsmittel unstatthaft gegen Bescheide, welche dem Abgabenschuldner nach der Pfändung die Verfügung über das gepfändete Recht und das für die gepfändete Forderung bestellt Pfand untersagen (§ 65 Abs. 1 und 5).
Der im zweiten Satz des § 65 Abs. 1 AbgEO genannte Pfändungsbescheid, dessen Spruch die dort enthaltenen Angaben zu enthalten hat, muss (neben dem Drittschuldner) an den Abgabenschuldner ergehen. Dieser Pfändungsbescheid ist mit Beschwerde uneingeschränkt bekämpfbar (vgl. ).
Die mit der Beschwerdevorentscheidung wegen Unzulässigkeit verfügte Zurückweisung der Beschwerde erfolgte daher nicht zu Recht, da § 77 Abs. 1 Z 1 AbgEO ein Rechtsmittel nur gegen Bescheide versagt, die dem Abgabepflichtigen nach der Pfändung die Verfügung über das gepfändete Recht und das für die gepfändete Forderung bestellte Pfand untersagen, weshalb über die Beschwerde, die sich gegen die Pfändung richtet, meritorisch zu entscheiden ist (vgl. ).
Exekutionstitel
Abgabenschuldigkeiten, die nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet werden, sind gemäß § 226 BAO in dem von der Behörde festgesetzten bzw. vom Abgabepflichtigen bekannt gegebenen Ausmaß vollstreckbar.
Als Grundlage für die Einbringung ist gemäß § 229 BAO über die vollstreckbar gewordenen Abgabenschuldigkeiten ein Rückstandsausweis elektronisch oder in Papierform auszustellen. Dieser hat Namen und Anschrift des Abgabepflichtigen, den Betrag der Abgabenschuld, zergliedert nach Abgabenschuldigkeiten, und den Vermerk zu enthalten, dass die Abgabenschuld vollstreckbar geworden ist (Vollstreckbarkeitsklausel). Der Rückstandsausweis ist Exekutionstitel für das finanzbehördliche und gerichtliche Vollstreckungsverfahren.
Als Exekutionstitel für die Vollstreckung von Abgabenansprüchen kommen gemäß § 4 AbgEO die über Abgaben ausgestellten Rückstandsausweise in Betracht.
Gemäß § 26 Abs. 5 AbgEO werden Gebühren und Auslagenersätze mit Beginn der jeweiligen Amtshandlung fällig und können gleichzeitig mit dem einzubringenden Abgabenbetrag vollstreckt werden; sie sind mit Bescheid festzusetzen, wenn sie nicht unmittelbar aus einem Verkaufserlös beglichen werden.
Dem gegenständlichen Pfändungsbescheid liegt ein Rückstandsausweis vom iSd § 229 BAO iVm § 4 AbgEO zugrunde, der vollstreckbare Abgabenschuldigkeiten iSd § 226 BAO in der Höhe von € 898,76 ausweist, nämlich
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Abgabe | Zeitraum | Betrag in € |
Kommunalsteuer | 2015 | 753,10 |
Säumniszuschlag/Stundungszinsen | 2015 | 19,66 |
Dienstgeberabgabe | 2014-2015 | 126,00 |
Diese Abgaben der mittlerweile im Firmenbuch gelöschten G-2 schuldet die Bf. aufgrund des nicht angefochtenen und daher rechtskräftigen Haftungsbescheides vom .
Da der Pfändungsbescheid gemäß § 65 Abs. 1 zweiter Satz AbgEO die Höhe der Abgabenschuld und der Gebühren und Auslagenersätze im Sinne des § 26 AbgEO, die gemäß § 26 Abs. 5 AbgEO gleichzeitig mit dem einzubringenden Abgabenbetrag vollstreckt werden können, anzugeben hat, ergab der im Rückstandsausweis ausgewiesene vollstreckbare Betrag von € 898,76 gemeinsam mit den mit Bescheid vom gegenüber der Bf. festgesetzten Barauslagen von € 8,70 den Gesamtbetrag von € 907,46, für den die Pfändung vorgenommen wurde.
Verjährung
Gegen den Anspruch können gemäß § 12 Abs. 1 AbgEO im Zuge des abgabenbehördlichen Vollstreckungsverfahrens nur insofern Einwendungen erhoben werden, als diese auf den Anspruch aufhebenden oder hemmenden Tatsachen beruhen, die erst nach Entstehung des diesem Verfahren zugrundeliegenden Exekutionstitels eingetreten sind.
Gemäß § 238 Abs. 1 BAO verjährt das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe.
Gemäß § 238 Abs. 2 BAO wird die Verjährung fälliger Abgaben durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen, durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder durch Erlassung eines Haftungsbescheides unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.
Das Vorbringen der unvertretenen Bf., dass die Lohnpfändung nicht vollstreckbar sei, da der Abgabenanspruch sieben Jahre zurückliege, kann als Einwendung nach § 12 Abs. 1 AbgEO gewertet werden.
Nach der Entstehung des dem Vollstreckungsverfahren zu Grunde liegenden Exekutionstitels (Rückstandsausweises) eingetretene, den Anspruch aufhebende bzw. hemmende Tatsachen - so auch die Einbringungsverjährung nach § 238 Abs. 1 BAO - können gemäß § 12 Abs. 1 BAO eingewendet werden (; Liebeg, AbgEO § 12 Tz 10).
Gemäß § 238 Abs. 1 BAO wäre die Einhebungsverjährung (ohne Bedachtnahme auf Unterbrechungshandlungen), fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Haftungsbescheid vom fällig wurde, somit am eingetreten.
Allerdings wurden folgende Unterbrechungshandlungen, die gemäß § 238 Abs. 2 BAO die fünfjährige Einhebungsverjährungsfrist neu in Gang setzten, innerhalb der offenen (jeweils verlängerten) Einhebungsverjährungsfrist unternommen:
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Unterbrechungshandlung | Datum | Einhebungsverjährung verlängert bis |
Mahnung | ||
Pfändungsbescheid ( G-3) | ||
Ratenzahlungsbescheid | ||
Mahnung | ||
In der Pandemie wurden keine Einbringungsmaßnahmen gesetzt | ||
Pfändungsbescheid ( G-1) |
Daraus erhellt, dass die Einhebungsverjährung gemäß § 238 Abs. 1 BAO aufgrund der gemäß § 238 Abs. 2 BAO rechtzeitig unternommenen Unterbrechungshandlungen gegenüber der Bf. nicht eingetreten ist.
Geltendmachung im Konkurs
Dem Vorbringen der Bf., dass der Magistrat der Stadt Wien eine Geltendmachung des offenen Rechnungsbetrages gegen die insolvente Firma verabsäumt habe, ist entgegenzuhalten, dass die im Rückstandsausweis enthaltenen haftungsgegenständlichen Forderungen entgegen der Rechtsansicht der Bf. im Konkurs der G-2 vom D-2 bis D-3 angemeldet waren, es jedoch mangels ausreichender Masse zu keiner Verteilung an die Konkursgläubiger gekommen ist.
Existenzminimum
Gemäß § 53 AbgEO sind im abgabenbehördlichen Vollstreckungsverfahren die Bestimmungen der §§ 290 bis einschließlich 291a, der §§ 291d, 291e, 292, 292d, 292e, 292f, 292h Abs. 1 und 299a der EO sinngemäß anzuwenden.
Aus dem Einwand der Bf., dass die Belastung nach der bereits bestehenden Lohnpfändung und einer Unterhaltspflicht mit einer weiteren Lohnpfändung ihr Existenzminimum unterschreite, lässt sich nichts gewinnen, da es in Angelegenheiten der Lohnpfändung Sache des Drittschuldners ist, die Höhe der unpfändbaren und pfändbaren Bezugsteile zu berechnen ().
Eine Berechnung des Existenzminimums gemäß § 291a EO durch die Abgabenbehörde ist nicht vorgesehen ().
Bei der Pfändung ist somit nicht darauf Bedacht zu nehmen, ob nach Ermittlung der Berechnungsgrundlage (§ 291 EO) dem Verpflichteten noch der unpfändbare Freibetrag (§ 291a EO) verbleibt.
Ergebnis
Da der Haftungsbescheid vom rechtskräftig geworden ist, trat auch gemäß § 226 BAO die auf dem Rückstandsausweis gemäß § 229 BAO bestätigte Vollstreckbarkeit ein, die die Abgabenbehörde mangels ausreichend erfolgter Zahlungen der Bf. zur Vornahme von Exekutionsmaßnahmen, diesfalls der Pfändung von Geldforderungen, ermächtigte.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor. Die Entscheidung folgt vielmehr der dargestellten Judikatur des VwGH.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Landesabgaben Wien |
betroffene Normen | § 65 Abs. 1 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949 § 77 Abs. 1 Z 1 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949 § 226 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 229 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 4 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949 § 12 Abs. 1 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949 § 238 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 238 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7400079.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at