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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.02.2023, RV/5200028/2020

Verwaltungsabgabe wegen Fristüberschreitung im Versandverfahren

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf.***, vertreten durch ***V.***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des damaligen Zollamtes ***ZA**** (nunmehr Zollamt Österreich) vom , Zahl: ***000***, betreffend die Festsetzung einer Verwaltungsabgabe
zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) ersatzlos aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Nach einem entsprechenden Vorhalt zur Wahrung des rechtlichen Gehörs setzte das Zollamt mit dem angefochtenen Bescheid vom gegenüber der Beschwerdeführerin (Bf.), einer Spedition, gemäß Art. 42 Unionszollkodex (UZK) iVm § 41 und § 2 Abs. 1 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) sowie § 30 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen zur Durchführung des Zollrechts (ZollR-DV 2004) eine Verwaltungsabgabe in der Höhe von 99,06 Euro wegen Überschreitung einer Frist im Unionsversandverfahren betreffend die Versandanmeldung T1 MRN ***19HR*** vom fest.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde vom .
Die Bf. brachte darin u.a. vor, dass sie am ein Import-LKW aus Serbien erreicht habe, welcher 1.853 Packstücke (8.937,68 kg) Lebensmittel transportiert habe. Der Fahrer des LKW habe auch ein Versandbegleitdokument T1 MRN ***19HR*** bei sich gehabt, welches er auch am an die Bf. übergeben habe.
Nach elektronischer Abgabe der Ankunftsanzeige habe das Zollamt eine Kontrolle angeordnet, da die Frist für die Gestellung der Waren bei der Bestimmungszollstelle am Vortag, am abgelaufen sei.
Im Zuge der physischen Kontrolle durch ein Zollorgan sei der LKW mit einem noch intakten Zollverschluss, der auch am Versandbegleitpapier angeführt worden sei, vorgefunden worden.
In weiterer Folge habe das Zollamt gem. Art 79 Abs 1 lit a UZK gegenüber der Bf. eine Zollschuld wegen einer vermeintlichen Fristüberschreitung festgesetzt. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass die gegenständlichen Waren am der zollamtlichen Überwachung entzogen worden seien und am ohne vorherige Kontaktaufnahme mit der Bestimmungszollstelle verspätet gestellt worden seien. Die Bf. habe die Abgaben fristgerecht entrichtet.

Die Abgabenbehörde hätte die Fristüberschreitung gem. Art 306 Abs. 3 UZK-IA nachsehen müssen, da ein LKW, für welchen am am Abend ein Versandverfahren freigegeben worden sei, unter Einbeziehung des Wochenendfahrverbotes, nicht innerhalb von nur einem Tag bis nach ***Ort*** hätte fahren können. Hier sei bereits durch die Abgangszollstelle eine zu geringe Frist festgesetzt worden. Deshalb sei auch eine Zollschuldentstehung gem. Art. 79 Abs. 1 lit. a UZK iVm Art. 306 Abs. 3 UZK-IA zu verneinen.

Zudem seien die im gegenständlichen Unionsversandverfahren angewiesenen Waren durch den Beförderer erst am , somit bereits außerhalb der von der Abgangszollstelle festgesetzten Frist, bei der Bf. angeliefert worden.
Pflichteninhaber gem. Art 233 UZK sei zum Zeitpunkt der Fristüberschreitung der Inhaber des Unionsversandverfahrens, die ***Beförd.***, gewesen und keinesfalls die Bf.
Die im Unionsversandverfahren angewiesenen Waren seien auch nicht durch die Bf. angenommen bzw. auch nicht vor Erhalt der Entladeerlaubnis entladen worden, andernfalls wäre auch keine Zollplombe mehr am LKW gewesen.
Der Bf. habe sich an die Bestimmungen des Art. 306 Abs. 1 UZK-IA gehalten, welcher die Bf. dazu verpflichte, die zuständige Bestimmungszollstelle umgehend nach Eintreffen der Waren mittels der Ankunftsanzeige in eZoll (TR200) zu unterrichten.
In Art 306 Abs. 1 UZK-IA ist nicht normiert, dass vor Übermittlung der Ankunftsanzeige ein Antrag auf Nachsicht der Fristüberschreitung einzubringen sei. Mit der Übermittlung der Ankunftsanzeige werde die Bf. auch nicht zum Pflichteninhaber in einem Versandverfahren, bei dem die Gestellungsfrist außerhalb der Machtsphäre der Bf. abgelaufen sei. Die Ankunftsanzeige, welche über eZoll (TR200) übermittelt worden sei, diene gem. Art 306 Abs. 1 UZK-IA dazu, die Bestimmungszollstelle über die Ankunft von Waren beim zugelassenen Empfänger zu informieren. Es handle sich dabei um keine Zollanmeldung iSd Art 5 Z. 12 UZK, da dadurch keine Ware in ein Zollverfahren überführt werde.
Da die Bf. nicht für die Überschreitung der Frist im gegenständlichen Unionsversandverfahren verantwortlich sei und sie die Bestimmungszollstelle über das Eintreffen der Waren mittels Ankunftsanzeige informiert habe, könne ihr keine Pflichtverletzung zugerechnet werden.

Das Zollamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab.
Nach Darstellung der Rechtslage legte es seiner Entscheidung folgenden Sachverhalt zugrunde:
Am sei dem Zollamt der Versandschein T1 MRN ***19HR*** im E-Zollverfahren gestellt worden. Die Gestellungsfrist des Versandscheines sei bereits am Vortag, am abgelaufen. Ein Nachweis, warum das T1 erst um einen Tag verspätet ohne vorherige Kontaktaufnahme mit dem zuständigen Kundenteam des Zollamtes in das e-Zoll System gestellt worden sei, habe nicht erbracht werden können. Aus diesem Grund seien auf Anordnung des damaligen Kontrollmanagers und des Kundenbetreuers die Abgaben gem. Art. 79 Abs. 1 Buchstabe a UZK vorgeschrieben und die Sendung zollamtlich freigegeben worden. In der Folge sei die Fristüberschreitung gemäß Art. 103 Buchstabe e UZK-DA nachgesehen worden.
In rechtlicher Hinsicht führte das Zollamt zur Begründung im Wesentlichen an, dass nach den rechtlichen Grundlagen des Artikel 42 UZK und des § 41 ZollR-DG § 30 ZollR-DV 2004 davon spreche, dass bei den taxativ angeführten Zollzuwiderhandlungen der Z. 1 bis Z. 4 leg. cit. eine Verwaltungsabgabe einzuheben sei, deren Höhe sich nach der Art der Zuwiderhandlung richte.
§ 41 ZollR-DG spreche ausdrücklich von einem "erhöhten Verwaltungsaufwand", der durch die Behinderung zollrechtlicher Aufsichts- oder Erhebungsmaßnahmen oder durch Begehung einer sonstigen zollrechtlichen Pflichtverletzung entstehe und daher abzugelten sei.
Vom Vorliegen eines solchen erhöhten Verwaltungsaufwand sei regelmäßig dann auszugehen, wenn es sich um einen durch den Wirtschaftsbeteiligten verursachten und über den üblichen bzw. normalen Arbeitsaufwand im Rahmen von Zollkontrollen oder sonstigen in Anwendung der zollrechtlichen Vorschriften durchgeführten Handlungen hinausgehenden Verwaltungsaufwand handle. Ein solcher sei immer dann gegeben, wenn ein Wirtschaftsbeteiligter seinen Verpflichtungen nicht ordnungsgemäß nachkomme.
Da die Bf. als Vertreterin des Warenempfängers den in Rede stehenden Versandschein mit abgelaufener Gestellungsfrist im e-zoll-System zur Transit-Bestimmung angemeldet habe, sei durch die erforderliche nachträgliche Bearbeitung dieser Anmeldung der Zollbehörde ein erhöhter Verwaltungsaufwand entstanden, der durch die Bf. als Verursacherin abzugelten sei.

Aus den nachstehend angeführten Bestimmungen sei klar ersichtlich, dass entgegen dem Beschwerdevorbringen die Pflichtverletzung der Bf. zuzurechnen sei und nicht dem Transporteur:
Gemäß Artikel 5 Z 35 UZK sei Inhaber des Verfahrens:
a) Die Person, die die Zollanmeldung abgebe oder in deren Auftrag diese Anmeldung abgegeben werde.
b) Die Person, die die Rechte und Pflichten hinsichtlich eines Zollverfahrens übertragen worden sei.
Dazu die Bestimmungen des § 30 ZollR-DV 2004, Zollschuldner der Verwaltungsabgabe:
Schuldner der Verwaltungsabgabe sei derjenige, dem die Zollzuwiderhandlung zuzuordnen sei.
Dies sei im Fall des § 30 Z. 4 ZollR-DV 2004 (Überschreitung einer Frist in den besonderen Verfahren) die Person, welche die Pflicht zur fristgerechten Handlung gehabt habe, somit der Inhaber des Verfahrens gemäß Art. 5 Z. 35 UZK.

Mit Eingabe vom beantragte die Bf. fristgerecht die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.
Mit der fristgerechten Einbringung des Vorlageantrages gilt die Beschwerde wiederum als unerledigt (§ 264 Abs. 3 BAO).

Das Zollamt legte in der Folge die Beschwerde mit Vorlagebericht vom dem Bundesfinanzgericht vor.
Im Vorlagebericht heißt es (auszugsweise):
" […]

1) Unzulässigkeit der Abgeltung eines erhöhten Verwaltungsaufwandes
[…]
2) Keine Pflichtverletzung des BF
Der BF übersieht, dass er im Versandverfahren im Rahmen der Beendigung als Zugelassener Empfänger (ZE)an seinem zugelassenen Warenort auftrat, der Waren, die im Rahmen des Unionsversandverfahrens befördert werden, an einem zugelassenen Ort empfangen kann (siehe Art. 233 Abs 4 ZK lit b).
Wenn der ZE an seinem zugelassenen Warenort Waren empfängt, treffen ihn die Verpflichtungen des Art. 233 Abs 3 ZK. Zudem hat der ZE bei der Bestimmungsstelle die Gestellung durchzuführen (TR200) und nach dem Entladen der Waren das Ergebnis der Kontrolle mitzuteilen. Daraus ergibt sich, dass die Waren unausweichlich vom ZE "angenommen" werden müssen, da sonst eine derartige Kontrolle durch ihn unmöglich ist.
Unerheblich von dieser Verantwortlichkeit ist, ob zu diesem Zeitpunkt die Gestellungsfrist bereits abgelaufen war oder nicht. Denn die Verpflichtungen des Inhabers des Versandverfahrens sind gem. Art. 233 Abs 2 + 4 ZK iVm 316 Abs 1 ZK-IA nur dann erfüllt und das Versandverfahren ist nur dann beendet, wenn die Waren dem ZE unverändert am seinem zugelassenen Warenort und innerhalb der Gestellungsfrist gestellt werden.
Nach dem dargelegten Sachverhalt und den Ausführungen des BF muss diesem zwangsläufig bewusst gewesen sein, dass er eine Ware übernimmt die sich noch im Versandverfahren befindet und hat somit gem. Art. 233 Abs 3 die Verpflichtungen aus dem Versandverfahren übernommen bzw. wurden ihm damit die Rechte und Pflichten aus dem Versandverfahren übertragen, wodurch die BF zum Inhaber des Verfahrens gemäß Art. 5 Z 35 UZK und somit auch zum Schuldner der Verwaltungsabgabe wurde.
[…]"

Im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht wurden den Verfahrensparteien gemäß §§ 2a, 115 Abs. 2 und 183 Abs. 4 BAO die Sachverhaltsannahmen sowie die Ergebnisse der Beweisaufnahme zur Kenntnis gebracht und ihnen Gelegenheit gegeben, dazu Stellung zu nehmen.

Das Zollamt äußerte sich zusammengefasst dahingehend, dass die festgestellte Fristüberschreitung in der Verantwortung des Beförderers oder des Verfahrensinhabers gelegen sei und daher die Vorschreibung der Verwaltungsabgabe zu Unrecht erfolgt sei.

Die Bf. nahm in der Folge ihre Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch den Senat zurück.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Am wurden über Antrag der ***Beförd.*** bei der Abgangsstelle Ilok in Kroatien mit Versandanmeldung T1 MRN ***19HR*** 1.853 Kartons Lebensmittel zum externe Unionsversandverfahren angemeldet. Die Frist für die (Wieder-) Gestellung der Waren wurde mit festgelegt.

Am "gestellte" der Beförderer diese Waren bei der Bf., der durch die Zollbehörde eine Bewilligung als zugelassener Empfänger im Sinne des Art. 233 Abs. 4 Buchstabe b UZK für Zwecke des Empfangs von im Unionsversandverfahren beförderten Waren am zugelassenen Warenort erteilt worden war.

Ebenfalls am unterrichtete die Bf. als zugelassene Empfängerin mit der in Art. 315 Abs. 1 Buchstabe a UZK-IA vorgesehenen Ankunftsanzeige (TR200) das Zollamt über das Eintreffen der Waren am zugelassenen Warenort.

Mit Abgabenbescheid vom , Zahl: ***111***, wurden gegenüber der Bf. gemäß § 79 Abs. 1 Buchstabe a und Abs. 3 UZK iVm. § 2 Abs. 1 ZollR-DG Eingangsabgaben in der Höhe von insgesamt 2.321,08 Euro aufgrund der Fristüberschreitung im Unionsversandverfahren festgesetzt. Der Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.

2. Beweiswürdigung

Der angeführte Sachverhalt ergibt sich aus den vom Zollamt vorgelegten Verwaltungsakten sowie aus den Angaben und Vorbringen der beschwerdeführenden Partei. Ausgehend von den Ermittlungsergebnissen sieht das Bundesfinanzgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend geklärt an. Es liegen in sachverhaltsmäßiger Hinsicht keine begründeten Zweifel vor, die durch weitere Ermittlungen zu verfolgen wären, zumal auch die Verfahrensparteien keine solchen begründeten Zweifel darlegten, dass weitere Erhebungen erforderlich und zweckmäßig erscheinen.

3. Rechtslage

Gemäß Art. 42 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Union, ABl. L 269 vom , (Unionszollkodex - UZK) sieht jeder Mitgliedstaat Sanktionen für Zollzuwiderhandlungen gegen die zollrechtlichen Vorschriften vor. Diese Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.

Werden verwaltungsrechtliche Sanktionen verhängt, so können sie gemäß Art. 42 Abs. 2 UZK unter anderem in einer oder beiden folgenden Formen erfolgen:
a) als eine von den Zollbehörden auferlegte finanzielle Belastung, gegebenenfalls auch an Stelle oder zur Abwendung einer strafrechtlichen Sanktion,
b) als Widerruf, Aussetzung oder Änderung einer dem Beteiligten erteilten Bewilligung.

Zu Art. 42 UZK normiert § 41 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG, BGBl. Nr. 659/1994 idF. BGBl. I Nr. 163/2015):
"Wer zollrechtliche Aufsichts- oder Erhebungsmaßnahmen behindert oder eine sonstige zollrechtliche Pflichtverletzung begeht, ohne dabei den Tatbestand eines Finanzvergehens zu erfüllen, hat zur Abgeltung des dadurch entstehenden erhöhten Verwaltungsaufwandes eine pauschalierte Verwaltungsabgabe zu leisten. Die Höhe dieser Verwaltungsabgabe sowie die hiervon betroffenen Zollzuwiderhandlungen sind mit Verordnung des Bundesministers für Finanzen fest zu legen."

Auf der Grundlage dieser Verordnungsermächtigung bestimmt § 30 ZollR-DV 2004 (Verordnung des Bundesministers für Finanzen zur Durchführung des Zollrechts, BGBl. II Nr. 184/2004) Folgendes:

"(1) Der Verwaltungsabgabe nach § 41 ZollR-DG unterliegt, sofern dadurch kein Tatbestand eines Finanzvergehens erfüllt wird
1. die Verletzung der Gestellungspflicht;
2. die Nichterfüllung von Verpflichtungen aus einer zollrechtlichen Entscheidung (Art.23 Abs. 1 Zollkodex);
3. die Erklärung unrichtiger oder unvollständiger Angaben in der Zollanmeldung, in der Anmeldung zur vorübergehenden Verwahrung, in der summarischen Eingangs- oder Ausgangsanmeldung, sowie in der Wiederausfuhranmeldung;
4. die Überschreitung einer Frist in den besonderen Verfahren.

(2) Die Höhe der Verwaltungsabgabe beträgt ein Vielfaches des nach § 101 Abs. 2 ZollR-DG für Beamte der Verwendungsgruppe A 2 bestimmten Personalkostenersatzes für Amtshandlungen außerhalb der Nachtzeit, und zwar in den Fällen des
(…)
3. Abs. 1 Z 4 das Zweifache,
(…)."

§ 98 Abs. 1 ZollR-DG lautet auszugsweise:

"An Nebenansprüchen sind im Verfahren der Zollbehörden zu erheben
1. Kosten, und zwar:

5. Verwaltungsabgaben nach Maßgabe des § 41."

"Inhaber des Verfahrens'' ist nach Art. 5 Nr. 35 UZK
a) die Person, die die Zollanmeldung abgibt oder in deren Auftrag diese Anmeldung abgegeben wird, oder
b) die Person, der die Rechte und Pflichten hinsichtlich eines Zollverfahrens übertragen wurden.

Der Inhaber des Unionsversands ist gemäß Art. 233 Abs. 1 UZK für alles Folgende verantwortlich:
a) Er hat die unveränderten Waren und die erforderlichen Angaben bei der Bestimmungszollstelle innerhalb der vorgeschriebenen Frist unter Einhaltung der von den Zollbehörden zur Nämlichkeitssicherung getroffenen Maßnahmen zu gestellen bzw. zu machen,
b) er hat die zollrechtlichen Vorschriften des Verfahrens zu beachten,
c) er hat eine Sicherheit für den der Zollschuld entsprechenden Betrag von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben oder für etwaige andere Abgaben nach anderen geltenden Vorschriften zu leisten, sofern die zollrechtlichen Vorschriften nichts anderes vorsehen.

Die Verpflichtungen des Inhabers des Verfahrens sind nach Abs. 2 der bezeichneten Gesetzesstelle erfüllt und der Versand endet, wenn die in dem Verfahren befindlichen Waren und die erforderlichen Angaben entsprechend den zollrechtlichen Vorschriften bei der Bestimmungszollstelle zur Verfügung stehen.

Ein Beförderer oder Warenempfänger, der die Waren annimmt und weiß, dass sie im Unionsversandverfahren befördert werden, ist ebenfalls verpflichtet, sie innerhalb der vorgeschriebenen Frist unter Einhaltung der von den Zollbehörden zur Nämlichkeitssicherung getroffenen Maßnahmen unverändert der Bestimmungszollstelle zu gestellen (Art. 233 Abs. 3 UZK).

Die Zollbehörden können gemäß Art. 233 Abs. 4 UZK auf Antrag jede der folgenden Vereinfachungen bei der Überführung von Waren in das Unionsversandverfahren oder bei der Beendung des Verfahrens bewilligen:
a) …
b) den Status eines zugelassenen Empfängers, wonach der Inhaber der Bewilligung Waren, die im Rahmen des Unionsversandverfahrens befördert werden, an einem zugelassenen Ort empfangen kann, womit der Versand gemäß Artikel 233 Absatz 2 endet,
…"

Art. 297 Abs. 1 der Durchführungsverordnung (EU) 2015/2447 der Kommission vom mit Einzelheiten zur Umsetzung von Bestimmungen der VO (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Union, ABlEU Nr. L 343 vom (UZK-IA) lautet:

"Artikel 297
Frist für die Gestellung der Waren
(Artikel 226 Absatz 3 Buchstabe a und Artikel 227 Absatz 2 Buchstabe a des Zollkodex)

(1) Die Abgangszollstelle setzt eine Frist für die Gestellung der Waren bei der Bestimmungszollstelle unter Berücksichtigung
a) der Beförderungsroute;
b) des Beförderungsmittels;
c) der Verkehrsvorschriften oder anderer Rechtsvorschriften, die sich auf die Fristsetzung auswirken könnten;
d) aller vom Inhaber des Verfahrens übermittelten sachdienlichen Informationen."

Hat die Vorlage bzw. Gestellung nach Ablauf der Frist stattgefunden, welche die Abgangszollstelle gemäß Artikel 297 Absatz 1 gesetzt hat, gilt die Frist als eingehalten, wenn der Inhaber des Verfahrens oder der Beförderer der Bestimmungszollstelle gegenüber nachweist, dass er nicht für die Verspätung verantwortlich ist (Art. 306 Abs. 3 UZK-IA).

Art. 315 und Art. 316 Abs. 1 UZK-IA lauten:

"Art. 315
Förmlichkeiten für im Unionsversandverfahren beförderte und bei einem zugelassenen Empfänger eingehende Waren (Artikel 233 Absatz 4 Buchstabe b des Zollkodex)

(1) Treffen die Waren an einem in der Bewilligung gemäß Artikel 233 Absatz 4 Buchstabe b des Zollkodex zugelassenen Ort ein, hat der zugelassene Empfänger folgende Pflichten:
a) Er muss der Bestimmungszollstelle unverzüglich das Eintreffen der Waren mitteilen und ihr etwaige Unregelmäßigkeiten oder Ereignisse während der Beförderung melden;
b) er darf die Waren nur mit vorheriger Erlaubnis der Bestimmungszollstelle entladen;
c) nach dem Entladen muss er die Kontrollergebnisse und andere maßgebliche Information zur Entladung unverzüglich in seine Bücher eintragen;
d) er muss der Bestimmungszollstelle spätestens am dritten Tag, nachdem er die Erlaubnis zum Entladen erhalten hat, die Ergebnisse der Kontrolle der Waren sowie etwaige Unregelmäßigkeiten mitteilen.

(2) Sobald die Bestimmungszollstelle die Mitteilung über das Eintreffen der Waren im Betrieb des zugelassenen Empfängers erhalten hat, unterrichtet sie die Abgangszollstelle vom Eintreffen der Waren.

(3) Sobald die Bestimmungszollstelle die Ergebnisse der Kontrolle der Waren gemäß Absatz 1 Buchstabe d erhalten hat, übermittelt sie die Kontrollergebnisse spätestens am sechsten Tag, nachdem die Waren an den zugelassenen Empfänger geliefert wurden, an die Abgangszollstelle."

"Artikel 316
Beendigung des Unionsversands für bei einem zugelassenen Empfänger eingehende Waren (Artikel 233 Absatz 4 Buchstabe b des Zollkodex)

(1) Die Verpflichtungen des Inhabers des Verfahrens gelten als erfüllt und das Versandverfahren gilt als beendet gemäß Artikel 233 Absatz 2 des Zollkodex, wenn die Waren dem zugelassenen Empfänger unverändert gemäß Artikel 233 Absatz 4 Buchstabe b des Zollkodex an dem in der Bewilligung zugelassenen Ort innerhalb der Frist gemäß Artikel 297 Absatz 1 gestellt wurden."

4. Rechtliche Beurteilung

Mit der Bestimmung des Art. 42 UZK wurde zum Ausdruck gebracht, dass die Mitgliedstaaten - neben der in Art. 52 UZK vorgesehenen Untersagung einer Gebührenerhebung für bestimmte Handlungen, die während der offiziellen Öffnungszeiten der Zollstellen durchgeführt werden - bei Zollzuwiderhandlungen Sanktionen vorzusehen haben. Denn es muss ein angemessenes Niveau wirksamer, abschreckender und verhältnismäßiger Sanktionen im ganzen Binnenmarkt gewährleistet sein (23. Erwägungsgrund zum UZK).

Der EuGH hat im Urteil vom in der Rechtssache C-655/18, Schenker EOOD, im Zusammenhang mit der Verhängung von Sanktionen gem. Art. 42 UZK, Folgendes ausgeführt (Randnrn. 41 bis 43):

"(41) Nach Art. 42 Abs. 1 der Verordnung Nr. 952/2013 müssen die von den Mitgliedstaaten für Zuwiderhandlungen gegen die zollrechtlichen Vorschriften vorgesehenen Sanktionen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.

(42) Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten in Ermangelung einer Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Union auf dem Gebiet der Sanktionen bei Nichtbeachtung der Voraussetzungen, die eine nach dem Unionsrecht geschaffene Regelung vorsieht, befugt sind, die Sanktionen zu wählen, die ihnen sachgerecht erscheinen. Sie sind allerdings verpflichtet, bei der Ausübung ihrer Befugnis das Unionsrecht und seine allgemeinen Grundsätze, also auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, zu beachten (Urteil vom , Chmielewski, C-255/14, EU:C:2015:475, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

(43) Insbesondere dürfen die nach den nationalen Rechtsvorschriften zulässigen administrativen oder repressiven Maßnahmen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung der mit diesen Rechtsvorschriften in legitimer Weise verfolgten Ziele erforderlich ist und im Verhältnis zu diesen Zielen nicht unangemessen sein (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Euro-Team und Spirál-Gép, C 497/15 und C 498/15, EU:C:2017:229, Rn. 40 und 58 sowie die dort angeführte Rechtsprechung)."

§ 41 ZollR-DG definiert als Schuldner der Verwaltungsabgabe eine Person, die "zollrechtliche Aufsichts- oder Erhebungsmaßnahmen behindert oder eine sonstige zollrechtliche Pflichtverletzung begeht, ohne dabei den Tatbestand eines Finanzvergehens zu erfüllen."

Eine Sanktion iSd zitierten gesetzlichen Bestimmungen und der dazu ergangenen Rechtsprechung zielt u.a. erkennbar darauf ab, eine general- und spezialpräventive Wirkung zu entfalten, um die Wirtschaftsbeteiligten im Allgemeinen und den von der Verhängung einer Sanktion betroffenen Personen im Besonderen zu einer genauen Beachtung der zollrechtlichen Vorschriften anzuhalten, indem sie Verstöße dagegen an bestimmte finanzielle Konsequenzen knüpft.
Die Voraussetzungen dafür, eine konkrete Person mit einer Sanktion zu belegen, liegen dann nicht vor, wenn es zu einem Verstoß gegen zollrechtliche Vorschriften aus Gründen gekommen ist, die diese Person nicht zu vertreten hat ().

In Punkt 9. der Arbeitsrichtlinie des BMF ZK-0420, BMF-010313/0193-III/10/2018 vom , wird als Schuldner der Verwaltungsabgabe derjenige angesehen, dem die Zollzuwiderhandlung "zuzuordnen" sei. Dies sei im Fall des § 30 Abs. 1 Z. 4 ZollR-DV 2004 (Überschreitung einer Frist in den besonderen Verfahren) die Person, welche die Pflicht zur fristgerechten Handlung hatte, somit der Inhaber des Verfahrens gemäß Art. 5 Z 35 UZK.

Im Beschwerdefall wurde die Verwaltungsabgabe gegenüber der Bf. wegen Überschreitung der Frist zur Wiedergestellung der in Unionsversandverfahren beförderten Waren festgesetzt.
Sie wurde in Anspruch genommen, weil sie die Waren als zugelassene Empfängerin "annahm", eine elektronische Ankunftsanzeige (TR200) abgab und das Zollamt daraus schloss, dass sie die Waren und auch die Pflicht zu deren fristgerechten Gestellung im Versandverfahren übernommen hatte.

Die Bf. war weder Hauptverpflichteter noch Beförderer in den gegenständlichen Unionsversandverfahren. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht sieht es das Bundesfinanzgericht als erwiesen an, dass die Frist nach Art. 297 Abs. 1 UZK-IA am abgelaufen war und die Waren erst am folgenden Tag am zugelassenen Warenort der Bf. angeliefert worden waren. Gegenteiliges wurde auch von der Zollbehörde nicht vorgebracht. Zum Zeitpunkt der "Gestellung" der Waren zum Zweck der Beendigung des Unionsversands bei der Bf. als zugelassener Empfängerin war daher die Frist des Art. 297 Abs. 1 UZK-IA bereits abgelaufen. Die Fristüberschreitung lag somit nicht im Einflussbereich der Bf.

Da die Bf. nicht für die in der Folge nachgesehene Fristüberschreitung verantwortlich ist und ihr somit die in § 30 Abs. 1 Z. 4 ZollR-DV 2004 normierte Zollzuwiderhandlung nicht zuzurechnen ist, kommt sie als Schuldnerin der im angefochtenen Bescheid festgesetzten Verwaltungsabgabe nicht in Betracht.

Im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ginge im Übrigen eine nationale Maßnahme dann über das hinaus, was erforderlich ist, um die Einhaltung der Zollvorschriften zu gewährleisten, wenn sie wegen einer Fristüberschreitung im Unionsversand nicht den Verfahrensinhaber oder den Beförderer, sondern den zugelassenen Empfänger mit einer Sanktion belegen würde, obwohl dieser für die Fristüberschreitung nicht verantwortlich ist.

Die Vorgangsweise im Sinn des Art. 42 UZK gegenüber der Bf. erscheint daher auch im Verhältnis zu dem mit der Verhängung der Sanktion verfolgten Ziel, die Beachtung des Zollrechts der Union sicherzustellen, nicht angemessen, weil es zu einem Verstoß gegen zollrechtliche Vorschriften aus Gründen kam, die die Bf. nicht zu vertreten hatte (vgl. auch ).

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

5. Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine (ordentliche) Revision ist nicht zulässig, da der vorliegenden Entscheidung im Zusammenhang mit der Festsetzung einer Verwaltungsabgabe keine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
Art. 42 Abs. 1 UZK, VO 952/2013, ABl. Nr. L 269 vom S. 1
§ 41 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994
§ 30 ZollR-DV 2004, Durchführung des Zollrechts, BGBl. II Nr. 184/2004
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.5200028.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at