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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 20.01.2023, RV/5100701/2021

Eigenantrag auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Rechtsanwalt ***RA***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Grieskirchen Wels vom zu VNR ***1***, mit dem der Antrag "auf erhöhte Familienbeihilfe" für den Zeitraum ab Oktober 2015 abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

I. Der angefochtene Bescheid wird dahin abgeändert, dass der Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe (Grundbetrag) für die Zeiträume Oktober 2015 bis Jänner 2020 und ab Mai 2020 abgewiesen wird. Der Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wird für den Zeitraum ab Oktober 2015 abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Laut vorgelegter Urkunde wurde der einschreitende Rechtsanwalt mit Beschluss des BG ***2*** vom unter anderem zur Vertretung des Beschwerdeführers vor Gerichten, Behörden und Sozialversicherungsträgern bestellt.

In dieser Eigenschaft beantragte er für den Beschwerdeführer die Gewährung des Grundbetrages der Familienbeihilfe (Formblatt Beih 100) und des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe ab Oktober 2015 (Formblatt Beih 3), da der Beschwerdeführer laut Angaben am Formblatt Beih 3 an einer "Minderbegabung" leide. Am Formblatt Beih 100 wurde ergänzend angegeben, dass der Beschwerdeführer seit Februar 2020 eine Lehre absolviere, die voraussichtlich im Februar 2024 ende. Eine Ablichtung des Lehrvertrages vom (Lehrbeginn: ) wurde vorgelegt.

Den Anträgen wurde ferner ein psychiatrisches Gutachten der Dr. ***3*** vom angeschlossen. Im Zuge der durchgeführten Untersuchung habe der Beschwerdeführer seinen beruflichen Werdegang und die damit verbundenen Schwierigkeiten geschildert (Konkurs eines Unternehmens, das zwar der Stiefvater eines Kollegen geführt, aber "auf seinen Namen" gelautet hätte; hohe Exekutionsschulden des Beschwerdeführers). Er plane einen Privatkonkurs und wünsche selbst eine Sachwalterschaft, weil er nicht mit Geld umgehen könne. Sobald er Geld in der Hand hätte, denke er sofort nur ans Kaufen. Im Gutachten führte die Psychiaterin aus, dass der Beschwerdeführer im Alter von elf Jahren mit Zustimmung der Eltern fremduntergebracht worden sei, da die Eltern die Grundbedürfnisse des Beschwerdeführers nicht mehr befriedigt hätten. Der Beschwerdeführer, der zuvor in einer Integrationsklasse beschult worden sei, habe 2009 in der psychologischen Eingangsdiagnostik überwiegend unterdurchschnittliche Leistungen erzielt, das Ausmaß einer Intelligenzminderung (IQ < 70) sei aber nicht gegeben gewesen. Mit der entsprechenden Förderung habe er den Hauptschulabschluss erlangen können. Nach seiner Rückkehr zum Vater im Jahr 2013 (die Mutter sei im selben Jahr verstorben) sei die Lehre zum KFZ-Mechaniker nach wenigen Monaten und auch eine Tiefbaulehre nach einem Jahr abgebrochen worden. Der Beschwerdeführer habe massive Konflikte mit dem Vater beschrieben, sei in weiterer Folge unstet bzw. bei Freunden aufhältig gewesen. Substanzkonsum sei negiert worden, aber es sei nicht gelungen, beruflich Fuß zu fassen. Die Intelligenzleistung des Beschwerdeführers sei unterdurchschnittlich, die Kriterien einer Intelligenzminderung wären aber nicht erfüllt. Sowohl Rechenfähigkeit als auch Planungsfähigkeit seien prinzipiell gegeben, dennoch bestünden Defizite im Sinne einer Grenzbegabung, die sich im Kontinuum zwischen normaler Intelligenz und leichter Intelligenzminderung befinde. Personen dieser Kategorie stünden oft vor dem Problem, "zu gut" für die umfangreiche Förderung und Unterstützung, die intelligenzgeminderten Personen zukomme, zu sein, dennoch den Anforderungen des Wettbewerbs eines ungeschützten Umfeldes nicht gewachsen zu sein: Aufmerksamkeit und Durchhaltevermögen wären schneller erschöpft, organisatorische und planerische Fähigkeiten ebenso wie Problemlösungsstrategien nicht ausreichend, um Wettbewerb und Anforderungen am ersten Arbeitsmarkt gerecht zu werden. Diese Defizite würden beim Beschwerdeführer nicht durch besonders vorsichtiges oder gewissenhaftes Agieren kompensiert, sondern durch Persönlichkeitsfaktoren einer unreifen, impulsiven Persönlichkeitsstruktur verstärkt: Der Beschwerdeführer imponiere beeinflussbar, wenig weitsichtig mit unzureichender Fähigkeit zum Belohnungsaufschub. Er selbst beschreibe die Stimmung labil, könne auf sich gestellt seinen Verpflichtungen nur unzureichend nachkommen. Die Kombination von unreifer Persönlichkeit(sstörung) und Grenzbegabung stelle eine Beeinträchtigung dar, die es dem Beschwerdeführer erschwere, alltäglichen Verpflichtungen nachzukommen und mit Geld umzugehen. Komplexe rechtliche Fragestellungen wie Firmengründung und Konkursabwicklung stellten eine massive Überforderung dar, sodass er aktuell folgende Angelegenheiten nicht ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst besorgen könne: Verwaltung des Einkommens, längerfristige vertragliche Verpflichtungen (Miete, Handyverträge, Zahlungsvereinbarungen und dgl.), Antragstellung bzgl. diverser Beihilfen, Förderungen und dgl., Vertretung in Exekutions- und Insolvenzverfahren bzw. gegenüber diversen Gläubigern, Vertretung vor Gerichten, Behörden und Sozialversicherungsträgern.

Das Finanzamt forderte vom Bundessozialamt am eine Bescheinigung im Sinne des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 an. Dieses teilte dem Finanzamt mit, dass das Verfahren ohne Bescheinigung beendet worden sei, da eine Vorladung des Beschwerdeführers nicht möglich gewesen sei (unzustellbare Ladung, verzogen, Adresse inaktiv).

Dem Zentralen Melderegister ist dazu zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum bis tatsächlich nirgends gemeldet war.

Laut den aktenkundigen Versicherungsdaten hat der Beschwerdeführer die im Februar 2020 begonnene Lehre bereits am wieder beendet.

Das Finanzamt teilte dem Beschwerdeführer in einer zu Handen des Erwachsenenvertreters zugestellten Mitteilung im Sinne des § 12 FLAG 1967 vom mit, dass für den Zeitraum Februar 2020 bis März 2020 Familienbeihilfe (Grundbetrag) gewährt werde.

In einer weiteren Mitteilung vom wurde dem Umstand Rechnung getragen, dass die Lehre erst am abgebrochen worden war, und daher auch noch für April 2020 der Grundbetrag an Familienbeihilfe zustand, weshalb in dieser Mitteilung bekannt gegeben wurde, dass für den Zeitraum Februar 2020 bis April 2020 Familienbeihilfe gewährt werde.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag "auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe" für den Zeitraum "ab Okt. 2015" mit der Begründung ab, dass der Beschwerdeführer nicht zum Untersuchungstermin (beim Bundessozialamt) eingeladen werden habe können.

Dagegen richtet sich die Beschwerde vom . Der Beschwerdeführer hätte auch über den Erwachsenenvertreter geladen werden können, bzw. wäre eine Terminbekanntgabe über den Erwachsenenvertreter auch möglich gewesen. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung und bei Mängelfreiheit des Verfahrens wäre der Beschwerdeführer zu untersuchen bzw. einzuvernehmen gewesen. Das Verfahren sei daher mangelhaft geblieben. Der Grad der Behinderung des Antragstellers betrage mindestens 50 % über einen Zeitraum von mindestens drei Jahren, dies aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Es werde daher beantragt, den Abweisungsbescheid aufzuheben und der Erstbehörde eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung (Einvernahme des Antragstellers) aufzutragen.

Das Finanzamt forderte daraufhin neuerlich (zweimal) eine Bescheinigung des Bundessozialamtes an. Im ärztlichen Gutachten vom wurde nach (in Begleitung eines Erwachsenenvertreters) durchgeführter Untersuchung festgestellt:

Anamnese:
Beschwerde, Neuantrag ab 10/2018, Letztuntersuchung 02/2013 wegen kombinierte Störung schulischer Fertigkeiten - GdB 50 % mit NU in 3 Jahren.
Eine Intelligenzminderung wurde nie festgestellt.

Derzeitige Beschwerden:
Schule ist abgeschlossen, anschließend hat er immer wieder Arbeit gesucht. Hat eine Lehre als Mechaniker angefangen, nach 3 Monaten abgebrochen. Dann war er im Tiefbau beschäftigt, hat dort die Berufsschule wieder abgebrochen. Zur Zeit ist er beim BBRZ zu berufsvorbereitenden Maßnahmen. Nimmt keine Drogen mehr ein.

Behandlung(en)/ Medikamente / Hilfsmittel:
keine Medikation

Sozialanamnese:
23-jähriger Patient, die Schule ist abgeschlossen mit SPF in den Hauptgegenständen. Wohnhaft ist er in der sozialpädagogischen Einrichtung.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
es gibt keine aktuellen Befunde, es gibt auch keine arbeitsmedizinische Einstufung bzgl. der Arbeitsfähigkeit

Mag. ***4***, psychologisches Gutachten vom : intellektuelle Leistungen werden in diesem Gutachten als unterdurchschnittlich bezeichnet, die Intelligenzleistung im knapp unterdurchschnittlichen Bereich

Befund - spezifische Phobie, missbräuchlicher Cannabiskonsum, keine Medikation.
Aufnahmegrund: Angstsymptomatik

Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand: gut; Ernährungszustand: gut; Größe: 173,00 cm Gewicht: 65,00 kg

Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus:
Herz: leise, rein, rhythmisch, keine vitiumtypischen Geräusche; Lunge: sonoren Klopfschall und VA, die Lungenbasen sind gut verschieblich; Abdomen: im Thoraxniveau, keine pathologische Resistenz; Haut: unauffällig; Gliedmaßen: frei beweglich; WS: normal beweglich; Gesamtmobilität- Gangbild: Der motorische Status ist unauffällig. Das Gangbild unauffällig, die Reflexe seitengleich.

Psycho(patho)logischer Status:
Der Patient ist zeitlich, örtlich, zur Person und situativ gut orientiert, im Duktus geordnet, knapp unterdurchschnittliche kognitive Leistungsfähigkeit.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung;


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Lfd.
Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Rahmensätze:
Pos. Nr.
GdB %
1
knapp unterdurchschnittliche kognitive Leistungsfähigkeit
30 % aufgrund des SPF in den Hauptgegenständen bei der schulischen Ausbildung, nicht in allen Gegenständen, keine Medikation, keine Therapie
30

Gesamtgrad der Behinderung 30 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Leiden in Pkt. 1 bestimmt den Gesamtgrad von 30 %.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung: keine

Stellungnahme zu Vorgutachten:
Reduktion auf 30 % aufgrund des SPF in den Hauptgegenständen bei der schulischen Ausbildung, nicht in allen Gegenständen, keine Medikation, keine Therapie, keine aktuellen Befunde, letzter vorgelegter Befund aus 2009.

Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern: Ja

GdB liegt vor seit: 09/2020

Begründung -GdB liegt rückwirkend vor.Seit dem Letztgutachten 2013 gibt es keine Befunde, daher ist eine rückwirkende Anerkennung ab10/2018 nicht möglich.

Herr ***Bf1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:NEIN

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit,sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
Eine Arbeitsfähigkeit in einfachen Berufen sicher möglich, z.B. Hilfsarbeiter etc.

Dauerzustand

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt unter Hinweis auf die Bestimmung des § 8 Abs. 5 FLAG 1967 die Beschwerde mit der Begründung ab, dass im Gutachten des Bundessozialamtes der Grad der Behinderung nur mit 30 % ab festgestellt worden sei.

Weiters erging am selben Tag die bereits oben zitierte, den Anspruchszeitraum korrigierende Mitteilung vom .

Da das Finanzamt einem Ersuchen des Erwachsenenvertreters um Übermittlung des in der Beschwerdevorentscheidung angesprochenen Gutachtens vom zur Abschätzung der Erfolgsaussichten der verfahrensgegenständlichen Beschwerde nicht nachkam, wurde mit Eingabe vom die Vorlage an das Bundesfinanzgericht beantragt.

Am legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte eine Abweisung derselben.

Zur Wahrung des Parteiengehörs wurde dem Erwachsenenvertreter das ärztliche Gutachten vom vom Bundesfinanzgericht zur Kenntnis gebracht. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass für den Zeitraum Februar 2020 bis April 2020 Familienbeihilfe gemäß § 6 Abs. 2 lit. a FLAG 1967 gewährt worden sei, da sich der Beschwerdeführer in diesem Zeitraum in einer Berufsausbildung befunden habe (Lehre als Spengler bei der ***5*** GmbH; Mitteilung des Finanzamtes vom ). Voraussetzung für den ab Oktober 2015 begehrten Eigenanspruch gemäß § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 sei, dass das Kind (der Beschwerdeführer) wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres (***x***.9.2018) eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Diese Frage sei im Gutachten vom verneint worden. Eine Unschlüssigkeit oder Unvollständigkeit des gegenständlichen Gutachtens vom sei für das Bundesfinanzgericht nicht erkennbar. Psychische Störungen im Sinne des Punktes 03.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung (kognitive Leistungseinschränkungen) könnten erfahrungsgemäß unterschiedlich schwer ausgebildet sein und je nach Ursache unterschiedlichste Defizite und Symptome zeigen. Das Ausmaß der Defizite (Symptome) hänge nicht nur von der Ursache der Erkrankung ab, sondern auch von anderen Faktoren (therapeutische Interventionen, medikamentöse Behandlungen, soziales Lebensumfeld, Fördermaßnahmen). Bei psychischen Störungen komme es weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich die Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend)einer Behinderung führt. Maßgeblich sei der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt (vgl. dazu ). Es sei für das Bundesfinanzgericht nicht unschlüssig, wenn der Sachverständige aufgrund der im Zuge der Untersuchung getroffenen Feststellungen zur Ansicht gelangte, dass der Beschwerdeführer nicht dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, sondern eine Arbeitsfähigkeit in einfachen Berufen (als Hilfsarbeiter etc.) angenommen wurde. Gegenteiliges sei auch dem im Verwaltungsverfahren vorgelegten Gutachten der Dr. ***3*** vom nicht zu entnehmen. Dort sei festgestellt worden, dass die Intelligenzleistung des Beschwerdeführers zwar unterdurchschnittlich sei, die Kriterien einer Intelligenzminderung aber nicht erfüllt seien; warum dieses Gutachten im Zuge der Untersuchung beim Bundessozialamt am nicht vorgelegt wurde, sei nicht ersichtlich - hätte aber nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes zu keiner anderen Beurteilung der Erwerbsfähigkeit geführt: auch der untersuchende Arzt Dr. ***6*** habe in der Anamnese zutreffend festgehalten, dass eine Intelligenzminderung nie festgestellt worden ist. Als Ergebnis der durchgeführten Begutachtung sei Dr. ***6*** (lediglich) zu einer unterdurchschnittlichen kognitiven Leistungsfähigkeit gekommen.

Über Nachfrage teilte der Erwachsenenvertreter dem Bundesfinanzgericht am mit, dass im vorliegenden Beschwerdefall kein weiteres Sachvorbringen mehr erstattet werde.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der am ***x***.9.1997 geborene Beschwerdeführer hat sein 18. Lebensjahr am ***x***.9.2015 vollendet, der Eigenantrag umfasst den Zeitraum ab Oktober 2015.

Die am bei der ***5*** GmbH begonnene Lehre als Spengler wurde bereits am wieder beendet.

Für den Zeitraum Februar 2020 bis April 2020 wurden dem Beschwerdeführer aufgrund dieser Berufsausbildung der Grundbetrag an Familienbeihilfe (monatlich 165,10 €) und der Kinderabsetzbetrag (monatlich 58,40 €) gewährt.

Im Gutachten des Bundessozialamtes vom wurde die Frage, ob der Beschwerdeführer voraussichtlich dauernd außerstande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, verneint und der Grad der Behinderung mit 30 % bestimmt.

2. Beweiswürdigung

Der Gesetzgeber hat durch die Bestimmung des (unten zitierten) § 8 Abs. 6 FLAG 1967 die Frage des Grades der Behinderung und auch die damit in der Regel unmittelbar zusammenhängende Frage der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, der eigenständigen Beurteilung der Familienbeihilfenbehörden entzogen und dafür ein qualifiziertes Nachweisverfahren eingeführt, bei dem eine für diese Aufgabenstellung besonders geeignete Institution eingeschaltet wird und der ärztliche Sachverstand die ausschlaggebende Rolle spielt. Die Beihilfenbehörden haben bei ihrer Entscheidung jedenfalls von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen ().

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrunde liegenden Gutachten gebunden und dürfen diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig sind und im Falle mehrerer Gutachten nicht einander widersprechen (z.B. ; und 2009/16/0310, mwN).

Wurden von der Abgabenbehörde bereits solche Sachverständigengutachten eingeholt, erweisen sich diese als schlüssig und vollständig und wendet der Beschwerdeführer nichts Substantiiertes ein, besteht für das Bundesfinanzgericht kein Grund, neuerlich ein Sachverständigengutachten einzuholen (). Durch ein Privatgutachten, Röntgenbilder, chemische Analysen oder Ähnliches könnte allenfalls die Schlüssigkeit der vom Sozialministeriumservice eingeholten Gutachten widerlegt werden (z.B. mwN; , 2009/16/0307).

Es ist daher vom Bundesfinanzgericht kein eigenständiges Beweisverfahren zur Frage, wann die dauernde Erwerbsunfähigkeit der Beschwerdeführerin eingetreten ist, durchzuführen.

Eine Unschlüssigkeit oder Unvollständigkeit des Gutachtens vom wurde im vorliegenden Fall nicht aufgezeigt. Im psychiatrischen Gutachten der Dr. ***3*** vom wurde festgehalten, dass der Beschwerdeführer, der zuvor in einer Integrationsklasse beschult worden sei, in der psychologischen Eingangsdiagnostik im Jahr 2009 zwar überwiegend unterdurchschnittliche Leistungen erzielt habe, das Ausmaß einer Intelligenzminderung (IQ < 70) sei aber nicht gegeben gewesen. Als Intelligenzminderung wird nach dem ICD-Code ein Zustand von verzögerter oder unvollständiger Entwicklung der geistigen Fähigkeiten bezeichnet, wobei eine leichte Intelligenzminderung iSd ICD-Codes F70.1 bei einem IQ-Bereich von 50 - 69 angenommen wird. Selbst bei einer solchen, beim Beschwerdeführer gar nicht festgestellten Intelligenzminderung gäbe es zwar Lernschwierigkeiten in der Schule, viele Erwachsene könnten aber arbeiten, gute soziale Beziehungen unterhalten und ihren Beitrag zur Gesellschaft leisten. Auch im Gutachten des Bundessozialamtes vom wurde zwar eine knapp unterdurchschnittliche Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers festgehalten, aber auch darauf hingewiesen, dass der Patient zeitlich, örtlich, zur Person und situativ gut orientiert und im Duktus geordnet sei. Ferner wurde übereinstimmend mit dem Gutachten der Dr. ***3*** festgehalten, dass beim Beschwerdeführer eine Intelligenzminderung (im oben aufgezeigten Sinn) nie festgestellt worden sei. Bei dieser Sachlage ist es aber nicht unschlüssig, wenn der Gutachter zum Schluss gekommen ist, dass eine Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers in einfachen Berufen (z.B. Hilfsarbeiter etc.) sicher möglich sei. Damit wurde aber auch die Feststellung, dass der Beschwerdeführer voraussichtlich nicht dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, mängelfrei getroffen.

Zur Einschätzung der Behinderung des Beschwerdeführers mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 30 % ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Punkt 03.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung kognitive Leistungseinschränkungen regelt. Die Beurteilung derselben erfolgt unabhängig der Ursachen abhängig vom Ausmaß der Einschränkungen. Dabei legt Punkt für Teilleistungsschwächen geringen Grades einen Grad der Behinderung von 10 bis 20 % fest, wenn es zu keinen wesentlichen Beeinträchtigungen im Alltags- und Arbeitsleben bzw. der schulischen Leistungen kommt. Umfasst sind Lese-, Rechtschreib- und Rechenstörungen leichten Ausmaßes. Eine Intelligenzminderung mit geringen bis mäßigen sozialen Anpassungsstörungen gemäß Punkt führt zu einem Grad der Behinderung von 20 bis 40 % bei anamnestisch leichter Anpassungsstörung, Problemen in der Ausbildung, Unabhängigkeit in der Selbstversorgung, im Alltagsleben. Eine Intelligenzminderung mit maßgeblichen Anpassungsstörungen (Grad der Behinderung 50 bis 80 %) im Sinne des Punktes läge erst bei manifesten Problemen bei der Alltagsbewältigung und betreuten Arbeitsformen vor. Da beim Beschwerdeführer eine Intelligenzminderung im oben dargestellten Sinn (IQ unter 70) nie festgestellt wurde, scheidet eine Einstufung unter die Punkte und , die eine Intelligenzminderung voraussetzen, von vornherein aus. Der Grad der Behinderung wäre daher mit höchstens 20 % festzulegen gewesen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abänderung)

Rechtslage

§ 6 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (FLAG) normiert auszugweisen (soweit für den gegenständlichen Beschwerdefall von Relevanz):

(1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben auch minderjährige Vollwaisen, wenn

a) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

b) ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und

c) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.

(2) Volljährige Vollwaisen haben Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen und wenn sie

a) das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet werden oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. § 2 Abs. 1 lit. b zweiter bis letzter Satz sind anzuwenden; oder …

d) wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und sich in keiner Anstaltspflege befinden.

(5) Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3).

§ 8 FLAG 1967 bestimmt auszugsweise:

(2) Die Familienbeihilfe beträgt monatlich

3. ab
a) 114 € für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats der Geburt,
b) 121,9 € für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats, in dem es das 3. Lebensjahr vollendet,
c) 141,5 € für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats, in dem es das 10. Lebensjahr vollendet,
d) 165,1 € für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats, in dem es das 19. Lebensjahr vollendet.

(4) Die Familienbeihilfe erhöht sich monatlich für jedes Kind, das erheblich behindert ist, ab und 138,30 €, ab um 150 €, ab um 152,90 €, ab um 155,90 €

(5) Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muß mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

(6) Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die diesbezüglichen Kosten sind aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen.

Der im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe zustehende Kinderabsetzbetrag beträgt monatlich pro Kind 58,40 € (§ 33 Abs. 3 EStG).

Erwägungen

In den Monaten Februar 2020 bis April 2020 befand sich der Beschwerdeführer in einer Berufsausbildung im Sinne des § 6 Abs. 2 lit. a FLAG 1967, sodass ihm der Grundbetrag gemäß § 8 Abs. 2 Zif. 3 lit. d FLAG 1967 zustand und vom Finanzamt auch gewährt wurde. Da der Grad der geltend gemachten Behinderung das vom Gesetzgeber verlangte Ausmaß von 50 % nicht erreicht hatte, stand der Erhöhungsbetrag für diesen Anspruchszeitraum dagegen nicht zu.

Für die Zeiträume ab Oktober 2015 bis einschließlich Jänner 2020 und ab Mai 2020 wären der Grundbetrag und der Erhöhungsbetrag unabhängig vom Grad der Behinderung (Lenneis/Wanke, FLAG, § 8 Tz 19 mit Judikaturnachweisen) nur zugestanden, wenn die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 erfüllt gewesen wären. Diese Bestimmung stellt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darauf ab, dass der Voll- oder Sozialwaise auf Grund einer zu einem bestimmten Zeitpunkt eingetretenen Behinderung außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Dies wurde im vorliegenden Gutachten des Bundessozialamtes jedoch mit schlüssiger Begründung verneint. Damit standen für die Zeiträume ab Oktober 2015 bis einschließlich Jänner 2020 und ab Mai 2020 weder der Grund- noch der Erhöhungsbetrag zu, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine solche Rechtsfrage war im gegenständlichen Fall nicht zu klären. Die Bindungswirkung schlüssiger Gutachten des Sozialmininsteriumservice entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Der Frage, ob in einem konkreten Fall die vorliegenden Gutachten schlüssig sind, kommt keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Eine im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung wirft nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG auf (vgl. mwN). Ob die Beweiswürdigung in dem Sinne materiell richtig ist, dass die Ergebnisse mit der objektiven Wahrheit übereinstimmen, entzieht sich der Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof ( mit Hinweis auf ).

Linz, am

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