1. Fahrradbote erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb 2. Sozialversicherung sowie Pflichtbeiträge an die Vorsorgekasse als Betriebsausgaben
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Martin Christoph Wittmann in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer 2020 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Am erklärte der Beschwerdeführer (im Folgenden kurz Bf) in seiner elektronisch via FinanzOnline (im Folgenden kurz FON) eingebrachten Einkommensteuererklärung (im Folgenden kurz ESt-Erklärung) für das Jahr 2020 Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Der Bf war im Streitjahr 2020 als Fahrradbote bei der ***1*** GmbH tätig.
Am erließ das Finanzamt einen ESt-Bescheid 2020 laut der Meldung nach § 109a Einkommensteuergesetz (im Folgenden kurz EStG) mit Einkünften aus Gewerbebetrieb iHv 26.602,37 Euro, in dem eine Abgabennachforderung festgesetzt wurde.
Am erhob der Bf elektronisch mittels FON Beschwerde. Er erklärte wiederum Einkünfte aus selbstständiger Arbeit aus seiner Tätigkeit als Fahrradbote und machte er den Dienstnehmeranteil zur Sozialversicherung iHv 4.873,59 Euro sowie an die Vorsorgekasse bezahlte Beiträge iHv 438,57 Euro, somit insgesamt 5.312,16 Euro als Betriebsausgaben geltend.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde vom ab und führte begründend aus, dass die vom Bf erklärten Einkünfte aus selbstständiger Arbeit nur jene Einkünfte seien, die in § 22 EStG angeführt seien. Einkünfte als Fahrradbote fielen unter die Einkunftsart "Einkünfte aus Gewerbebetrieb". Hinsichtlich der Höhe der Einkünfte seien in der Beschwerde keine Änderungen beantragt worden, weshalb die Beschwerde abzuweisen gewesen sei.
Mittels elektronisch via FON eingebrachten Schriftsatzes vom beantragte der Bf die Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (im Folgenden kurz BFG). Zur Begründung bringt er vor, dass er nunmehr seine Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb erklären werde.
Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem BFG vor. Darin führte es aus, dass trotz zweier Vorhalte bislang keinerlei Unterlagen betreffend Art oder Höhe der Betriebsausgaben und auch keinerlei Belege für diese vorgelegt worden seien. Es werde nur ein nicht nachvollziehbarer Betrag von 5.312,16 Euro als Betriebsausgabe erklärt. Gem § 4 EStG seien Betriebsausgaben nachzuweisen und zu belegen. Da die beantragten Ausgaben in keiner Weise deklariert und belegt seien, werde ersucht, die Beschwerde abzuweisen.
Mit Vorhalt des BFG vom forderte das erkennende Gericht den Bf ua auf, seinen Vertrag mit ***1*** zu übermitteln.
Mit Vorhaltsbeantwortung vom legte er die geforderten Unterlagen und Nachweise vor.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Bf erzielte im Streitjahr 2020 Einnahmen aus seiner Tätigkeit als Fahrradbote iHv 35.814,53 Euro, wobei er als freier Dienstnehmer tätig war.
Aus den vom Bf vorgelegten Unterlagen ergibt sich für das BFG, dass er als Fahrradbote mit freiem Dienstvertrag seine Tätigkeit im Rahmen seiner zeitlichen Möglichkeiten ausübt und selbst entscheiden kann, welche Aufträge er annimmt. Er kann auch Aufträge ablehnen. Diese Fahrradboten dürfen sich bei ihrer Tätigkeit jederzeit vertreten lassen und die Weitergabe des Auftrages muss dem freien Dienstgeber nicht gemeldet werden. Der Kurier bekommt einen fixen Betrag pro Auftrag, unabhängig wie lange er für die Ausführung braucht.
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt aus dem von der belangten Behörde im Zuge der Beschwerdevorlage übermittelten Verwaltungsakt zur genannten StNr sowie aus den vom Bf bereits der Abgabenbehörde bzw nach Vorhalt dem BFG vorgelegten Dokumenten (freier Dienstvertrag, Lohnkonto, Beschäftigungsbestätigung, etc).
Dieser Sachverhalt ist insoweit nicht strittig; dagegensprechende Umstände wurden nicht vorgebracht, weshalb das BFG diesen Sachverhalt als erwiesen annehmen und seiner Entscheidung zugrunde legen durfte.
3. Rechtslage
Das Bundesgesetz vom über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG) idF BGBl I 2019/103 lautet auszugsweise:
"Gewinn
§ 4.
(1) Gewinn ist der durch doppelte Buchführung zu ermittelnde Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluß des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluß des vorangegangenen Wirtschaftsjahres. Der Gewinn wird durch Entnahmen nicht gekürzt und durch Einlagen nicht erhöht.
[…]
(4) Betriebsausgaben sind die Aufwendungen oder Ausgaben, die durch den Betrieb veranlaßt sind. Betriebsausgaben sind jedenfalls:
1.
a) Beiträge des Versicherten zur Pflichtversicherung in der gesetzlichen Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung, Beiträge zur gesetzlichen Arbeitslosenversicherung sowie
[…]
c) An eine Betriebliche Vorsorgekasse (BV-Kasse) geleistete Pflichtbeiträge im Sinne der §§ 6
und 7 BMSVG für freie Dienstnehmer, des § 52 Abs. 1 und des § 64 Abs. 1 BMSVG im Ausmaß von höchstens 1,53% der Beitragsgrundlagen gemäß § 6 Abs. 5, § 52 Abs. 3 und § 64 Abs. 3 BMSVG."
4. Rechtliche Beurteilung
4.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Einkunftsart
Bei der Entscheidung über die Beschwerde ist in einem ersten Schritt zu klären, welcher Einkunftsart die Einkünfte des Bf zuzuordnen sind.
In steuerlicher Hinsicht ist bei der Zuordnung zu einer Einkunftsart nicht die von den Vertragspartnern gewählte Bezeichnung oder die zivilrechtliche Gestaltung maßgebend, sondern es kommt auf das tatsächlich verwirklichte Gesamtbild der vereinbarten Tätigkeit an. In steuerlicher Hinsicht sind die Einkünfte aus einem freien Dienstvertrag idR als Einkünfte aus selbstständiger Arbeit oder aus Gewerbebetrieb zu beurteilen.
Einkünfte aus selbstständiger Arbeit sind Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit, dazu zählen die Einkünfte aus einer wissenschaftlichen, künstlerischen, schriftstellerischen, unterrichtenden oder erzieherischen Tätigkeit, aus der Berufstätigkeit der Ziviltechniker oder einer unmittelbar ähnlichen Tätigkeit, der Tätigkeit als Ärzte, Tierärzte, Dentisten, Rechtsanwälte, Patentanwälte, Notare, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, Unternehmensberater, Versicherungsmathematiker, Schiedsrichter im Schiedsgerichtsverfahren, Bildberichterstatter und Journalisten, Dolmetscher und Übersetzer, der therapeutischen psychologischen Tätigkeit, der Tätigkeit als Hebamme und im medizinischen Dienst (§ 22 Z 1 EStG); die Einkünfte aus sonstiger selbstständiger Tätigkeit wie vermögensverwaltender Tätigkeit, die Gehälter und sonstigen Vergütungen, die von einer Kapitalgesellschaft an wesentlich Beteiligte für ihre Beschäftigung gewährt werden (§ 22 Z 2 EStG); die Gewinnanteile der Gesellschafter von Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind, sowie die Vergütungen der Gesellschaft an ihre Gesellschafter für deren Tätigkeit für die Gesellschaft (§ 22 Z 3 EStG), die Bezüge und Vorteile aus Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbstständig Erwerbstätigen (§ 22 Z 4 EStG) und Veräußerungsgewinne iSd § 24 EStG (§ 22 Z 5 EStG). Das Gesetz enthält damit eine konkrete Aufzählung, welche Tätigkeiten unter Einkünfte aus selbstständiger Arbeit fallen.
Einkünfte aus einer selbstständigen, nachhaltigen Betätigung, die mit Gewinnabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, sind Einkünfte aus Gewerbebetrieb, wenn die Betätigung nicht als selbstständige Arbeit anzusehen ist (§ 23 Z 1 EStG).
Im vorliegenden Fall übt der Bf die Tätigkeit eines Fahrradboten aus. Diese Tätigkeit stellt sich als Betätigung mit Gewinnabsicht dar. Er übt diese Tätigkeit in Eigenverantwortung aus. Der Bf hat diese Einkünfte bisher als Einkünfte aus selbstständiger Arbeit erklärt. Diese Tätigkeit ist jedoch in steuerlicher Hinsicht von ihrem Inhalt her keine selbstständige Tätigkeit iSd § 22 EStG, wie den Ausführungen zum § 22 EStG entnommen werden kann. Die aus dieser Tätigkeit resultierenden Einkünfte sind von ihrem Gesamtbild der Verhältnisse den Einkünften aus Gewerbebetrieb gem § 23 EStG zuzuordnen (so auch bereits ).
Höhe der Einnahmen
Betriebseinnahmen liegen vor, wenn dem Steuerpflichtigen Erträge zufließen, die durch den Betrieb veranlasst sind. Damit erfasst sind alle Zugänge in Geld oder geldwerten Vorteilen, die unmittelbar oder bloß mittelbar durch den Betrieb veranlasst sind. Dazu gehören nicht nur die Einnahmen aus jenen Geschäften, die den Hauptgegenstand des Betriebes bilden, sondern auch die Einnahmen aus Nebengeschäften, die im Rahmen des Betriebes anfallen (Hofstätter/Reichel, EStG, Kommentar, § 4 Abs 3 EStG 1988, Tz 5).
Die Einnahmen des Bf sind daher mit der in der Mitteilung gem § 109a EStG ausgewiesenen Höhe von 35.814,53 Euro anzusetzen.
Höhe der Betriebsausgaben
Betriebsausgaben sind die Aufwendungen oder Ausgaben, die durch den Betrieb veranlasst sind. Betriebsausgaben sind jedenfalls Beiträge des Versicherten zur Pflichtversicherung in der gesetzlichen Kranken-, Unfall-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung (§ 4 Abs 4 Z 1 lit a EStG) bzw an eine Betriebliche Vorsorgekasse (BV-Kasse) geleistete Pflichtbeiträge iSd §§ 6 und 7 BMSVG für freie Dienstnehmer (§ 4 Abs 4 Z 1 lit c EStG).
Die in der Beschwerde geltend gemachten Ausgaben für die Sozialversicherung iHv 4.873,59 Euro sowie für die Pflichtbeiträge an die Vorsorgekasse iHv 438,57 Euro wurden bereits im Erstbescheid vom in Abzug gebracht.
Zur besseren Nachvollziehbarkeit wird die Berechnung der ESt für das Jahr 2020 wie folgt aufgeschlüsselt:
Das in der Mitteilung gem § 109a EStG ausgewiesene Entgelt der ***1*** GmbH beträgt 35.814,53 Euro; abzüglich 4.873,59 Euro (Dienstnehmeranteil zur Sozialversicherung); abzüglich 438,57 Euro (Pflichtbeiträge an die Vorsorgekasse); abzüglich 3.900,- Euro Gewinnfreibetrag; ergibt die bereits im Erstbescheid vom berechneten Einkünfte aus Gewerbebetrieb iHv 26.602,37 Euro.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
4.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das ggst Erkenntnis war nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängig. Die Anerkennung der Sozialversicherungsbeiträge sowie der Pflichtbeiträge für die Vorsorgekasse als Betriebsausgaben ergab sich aus den gesetzlichen Bestimmungen und die Anwendung dieser Gesetzesbestimmungen aus der Würdigung des im ggst Fall konkret liegenden Einzelfalles. Das vorliegende Judikat steht im Einklang mit der oben zitierten Rsp des VwGH, sodass die Revision nicht zuzulassen war.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 4 Abs. 4 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7100079.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at