Familienbeihilfe - Berufsreifeprüfung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Wolfgang Pavlik über die Beschwerde der Mag. Bf., Adresse, vom , gegen den Bescheid des Finanzamtes Neunkirchen Wr. Neustadt vom , betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe für Tochter Bf. für den Zeitraum Oktober 2016 bis August 2017, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin (Bf) stellte am für ihre Tochter Tochter, geb. 1998, mit der Begründung, dass diese die Berufsreifeprüfung abgelegt habe, einen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für den Zeitraum Oktober 2016 bis August 2018.
Das Finanzamt (FA) wies den Antrag mit Bescheid vom für den Zeitraum Oktober 2016 bis August 2017 und von Jänner 2018 bis August 2018 unter Zitierung des § 2 Abs 1 lit b bis e Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) mit der Begründung ab, dass bei einer ernsthaft und zielstrebig betriebenen Ausbildung von einem erforderlichen Vorbereitungsaufwand von maximal vier Monaten pro Teilprüfung auszugehen sei.
Die Berufsreifeprüfung setze sich aus 4 Teilprüfungen zusammen. Für die Berufsreifeprüfung bestehe Anspruch für die Monate September bis Dezember 2017, da die letzte Prüfung im Fachbereich am erfolgreich abgelegt worden sei. Der nächstmöglichste Termin für die weitere Berufsausbildung wäre Sommersemester 2018 gewesen, das Studium an der FH sei jedoch erst mit Wintersemester 2018 begonnen worden, es bestehe kein Anspruch auf die Zwischenzeit.
Die Bf erhob gegen den Abweisungsbescheid mit Schreiben vom fristgerecht Beschwerde und brachte vor, dass ihre Tochter am die Abschlussprüfung an der Fachschule für Sozialberufe in Wr. Neustadt mit gutem Erfolg abgeschlossen habe. Am sei sie von der Externistenprüfungskommission der Bundeshandelsakademie Wr. Neustadt zur Ablegung der Berufsreifeprüfung zugelassen worden. Ihre Tochter habe die Teilprüfungen zügig und zielstrebig - wie im Bescheid als Voraussetzung angeführt - abgelegt. Die Prüfungstermine seien im Berufsreifeprüfungszeugnis (dieses liege dem FA vor) ersichtlich (Deutsch am , Mathematik am , Englisch am ). Danach sei sie aufgrund der gesetzlichen Vorschrift - der Antritt zur letzten Teilprüfung dürfe frühestens mit Vollendung des 19. Lebensjahres erfolgen (die entsprechende Bestätigung der Externistenprüfungskommission liege dem FA ebenfalls vor) - zu einer einjährigen Wartefrist gezwungen gewesen. Da im September kein Prüfungstermin am Berufsförderungsinstitut NÖ in Wr. Neustadt abgehalten worden sei, habe ihre Tochter die Prüfung erst am absolvieren können. Sie habe dadurch auch nicht mit ihrem Studium an der Fachhochschule wie geplant beginnen können, ein Einstieg im Sommersemester sei nicht möglich. Der Grund für diese Verzögerung und damit auch Benachteiligung sei der Umstand, dass Tochter im September 2004 in die Volksschule eingetreten sei und zu diesem Zeitpunkt noch nicht 6 Jahre alt gewesen sei. Sie habe dadurch die schulische Ausbildung auch früher beendet. Aus ihrer Sicht ergebe sich aus dem beschriebenen Sachverhalt eine Schlechterstellung für ihre Tochter und ihre zügig absolvierte Ausbildung stelle einen eindeutigen Nachteil dar. Sie beantrage daher die Gewährung der Familienbeihilfe von Oktober 2016 bis August 2018.
Das FA wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom unter Verweis auf die Bestimmungen des § 2 Abs 1 lit b bis e FLAG 1967 mit der Begründung ab, dass sich die Berufsreifeprüfung aus vier Teilprüfungen zusammen setze und die Tochter der Bf vor Beendigung des 18. Lebensjahres 3 von 4 Teilprüfungen erfolgreich absolviert habe. Die letzte Prüfung in Betriebswirtschaft und Rechnungswesen sei am absolviert worden. Die Familienbeihilfe sei immer zurückgerechnet vom Prüfungstermin zu gewähren und zwar für längstens 4 Monate pro Prüfung, d.h. Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe für die Monate September bis Dezember 2017. Die Familienbeihilfe für die Zwischenzeit Jänner 2018 bis August 2018 stehe nicht zu, da es sich beim Studienbeginn September 2018 nicht um den frühestmöglichen Zeitpunkt der Berufsausbildung nach Abschluss der Schulausbildung handle. Ein Beginn des Studiums wäre im Sommersemester 2018 möglich gewesen. Der Beginn eines Wunschstudiums sei unbeachtlich, es habe die Möglichkeit bestanden, eine alternative Ausbildung zu beginnen.
Die Bf stellte am einen Vorlageantrag an das Bundesfinanzgericht und führte begründend aus, dass es ihrer Tochter Tochter auf Grund der gesetzlichen Bestimmung nicht erlaubt gewesen sei, die letzte Teilprüfung vor Vollendung des 19. Lebensjahres zu absolvieren (eine entsprechende Bestätigung der Prüfungskommission liege vor). Da sie vor dem vollendeten 6. Lebensjahr in die Volksschule eingetreten sei, habe sie auch 1 Jahr früher ihre schulische Ausbildung abgeschlossen und sofort mit der Berufsreifeprüfung begonnen. Da sie die letzte Prüfung erst im Dezember 2017 ablegen habe können, habe sich der Studienbeginn verzögert. Der Einstieg im Sommersemester sei an der Fachhochschule nicht möglich. Die Begründung, dass der Beginn eines Wunschstudiums unbeachtlich sei, könne sie nicht nachvollziehen. Bis zum ehestmöglichen Beginn ihres Studiums habe Tochter berufliche Erfahrung als Sprechstundenhilfe bei einem Arzt und im Verkauf gesammelt (Einkommen nicht über der jährlichen Zuverdienstgrenze).
Das FA legte die Beschwerde mit Vorlagebericht vom dem Bundesfinanzgericht (BFG) zur Entscheidung vor.
Das BFG forderte die Bf mit Vorhalt vom auf, innerhalb der Frist von drei Wochen ab Zustellung des Schreibens folgende Fragen zu beantworten bzw. Unterlagen vorzulegen:
"1. Nach der Aktenlage studiert Tochter an der Fachhochschule Wiener Neustadt das Bachelorstudium Wirtschaftsberatung.
Ist das richtig?
2. Wann begann das Studium - im September oder Oktober 2018?
3. Wann beginnt das Sommersemester - im Februar oder im März?
4. Um Vorlage einer Inskriptionsbestätigung für das erste Semester (Wintersemester 2018/19) wird gebeten.
5. Sie bringen in der Beschwerde vor, Tochter hätte "dadurch auch nicht mit ihrem Studium an der Fachhochschule wie geplant beginnen" können, "ein Einstieg im Sommersemester ist nicht möglich."
Sie werden ersucht, durch Vorlage geeigneter Unterlagen - Bestätigung der Fachhochschule o.ä. - nachzuweisen, dass ein Beginn des gewählten Studiums im Februar/März 2018 (Sommersemester 2018) nicht möglich war."
In der Vorhaltsbeantwortung vom führte die Bf aus, es sei richtig, dass Tochter an der FH Wr. Neustadt das Bachelorstudium Wirtschaftsberatung studiere. Das Studium habe im September 2018 begonnen. Das Sommersemester beginne im Februar.
Die Bf legte eine Inskriptionsbestätigung der FH Wr. Neustadt für das Wintersemester 2018/2019 vor.
Ferner legte sie eine Bestätigung der FH Wr. Neustadt vor. Demnach sei Tochter "seit ordentliche Studentin im 6-semestrigen FH-Bachelorstudiengang Wirtschaftsberatung. Ein Einstieg im Sommersemester ist nicht möglich."
Das BFG forderte die Bf mit Vorhalt vom auf, innerhalb der Frist von drei Wochen ab Zustellung des Schreibens folgende Fragen zu beantworten bzw. Unterlagen vorzulegen:
"Tochter wurde am xx.xx.2017 19 Jahre alt. Die letzte Teilprüfung der Berufsreifeprüfung darf nicht vor dem vollendeten 19. Lebensjahr abgelegt werden.
Tochter legte die letzte Teilprüfung am ab.
Sie bringen diesbezüglich vor:
"Da im September kein Prüfungstermin am Berufsförderungsinstitut NÖ in Wr. Neustadt abgehalten wurde, konnte sie die Prüfung erst am absolvieren. Sie konnte dadurch auch nicht mit ihrem Studium an der Fachhochschule wie geplant beginnen, …"
Weisen Sie durch geeignete Unterlagen (zB Bestätigung des BFI) nach, dass Tochter mangels Prüfungsterminen im September (bzw. Oktober und November) die letzte Prüfung erst am absolvieren konnte.
Hätte Tochter die Prüfung bereits im September 2017 absolviert bzw. absolvieren können, hätte sie dann bereits im September 2017 mit dem Bachelorstudium Wirtschaftsberatung an der FH Wiener Neustadt beginnen können?
Wenn nein, warum nicht?
Wann war der Beginn des Studiums an der FH geplant? Wie wäre in diesem Fall der Zeitablauf gewesen?"
In der Vorhaltsbeantwortung vom führte die Bf aus, dass eine Bestätigung des BFI, wonach Tochter den ehestmöglichen Prüfungstermin in Anspruch genommen und es keine früheren Termine gegeben habe, vorgelegt werde.
Wäre ein Antritt im September möglich gewesen, hätte sie das Studium im September beginnen können und hätte dieses dann bereits in diesem Jahr abschließen können. Der Beginn des Studiums sei somit ursprünglich im September geplant gewesen.
Da sie die letzte Prüfung erst nach Vollendung des 19. Lebensjahres absolvieren habe können und der nächst mögliche Prüfungstermin im Dezember stattgefunden hätte, sei es ihr nicht möglich gewesen, ihr Studium wie geplant im September zu beginnen.
Die Bf legte die Bestätigung des BFI Niederösterreich, Wr. Neustadt, vor, wonach im September, Oktober und November 2017 keine BWL-Prüfungstermine stattgefunden haben.
Das BFG gab der Beschwerde mit Erkenntnis vom , RV/7104393/2019 statt, wobei für den Zeitraum Oktober 2016 bis August 2017 ausgeführt wurde, es sei einerseits unbestritten, dass Tochter die ersten drei Prüfungen (von der Zulassung am bis ) in ca. 10 Monaten (d.h. durchschnittlich brauchte sie weniger als 4 Monate pro Prüfung) abgelegt habe und somit die Ausbildung äußerst zügig und zielstrebig absolviert habe. Dass die letzte Prüfung erst nach Vollendung des 19. Lebensjahres absolviert werden dürfe, liege andererseits nicht im Einflussbereich der Schülerin und ergebe sich, wie von der Bf zutreffend aufgezeigt, aus der Tatsache, dass Tochter bereits vor vollendetem 6. Lebensjahr in die Volksschule eintrat und somit nach zügiger Ausbildung bereits mit Erreichen des 17. Lebensjahres mit der Berufsreifeprüfung begann. Die im zit. (für das BFG nicht bindenden) Erlass und vom FA angewendete Berechnung der 4- Monatsfrist pro Prüfung, insgesamt 16 Monate, sei daher im ggstdl. Fall unanwendbar, da stets auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen sei. Die Wartefrist für die 4. Prüfung ergebe sich ausschließlich aus den gesetzlichen Bestimmungen und sei eine mangelnde Zielstrebigkeit daraus nicht abzuleiten. Für jede vergleichbare Schülerin, die erst später in die Volksschule eingetreten wäre, wäre bei vergleichbar zielstrebiger Ausbildung zumindest bis zur Vollendung des 19. Lebensjahres die Familienbeihilfe zugestanden. Die vom FA gewählte Auslegung würde tatsächlich eine Schlechterstellung für die Bf bedeuten und wäre sachlich nicht gerechtfertigt. Die Bf habe auch nachgewiesen, dass Tochter zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Vollendung des 19. Lebensjahres die 4. Prüfung absolviert habe, weil im September, Oktober und November 2017 keine Prüfungen im zu absolvierenden Prüfungsgegenstand stattfanden.
Die belangte Behörde brachte eine Amtsrevision ein.
Der VwGH hob mit Erkenntnis vom , Ra 2020/16/0116, die Entscheidung des BFG für den Zeitraum Oktober 2016 bis August 2017 wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts auf und wies die Revision für den Zeitraum Jänner bis August 2018 mit Beschluss zurück.
In der Begründung führte der VwGH für den Zeitraum Oktober 2016 bis August 2017 aus:
"15 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter den im Gesetz nicht definierten Begriff der Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird. Zur Qualifikation als Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG kommt es überdies nicht nur auf das (ernstliche und zielstrebige) Bemühen um den Studienfortgang an, sondern die Berufsausbildung muss auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (vgl. etwa , mwN).
16 Diese der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entnehmbare Definition der Berufsausbildung trifft nur auf die Fälle zu, welche außerhalb des in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG besonders geregelten Bereichs des Besuchs einer Einrichtung im Sinne des § 3 des Studienförderungsgesetzes (StudFG) liegen (vgl. , mwN).
17 Die genannten Voraussetzungen müssen auch im hier vorliegenden Fall der Vorbereitung auf die Berufsreifeprüfung vorliegen (vgl. zur Externistenreifeprüfung , mwN). Somit kommt es nicht nur auf das ernstliche und zielstrebige Bemühen um den Fortgang der Berufsausbildung an, diese Ausbildung muss vielmehr auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (vgl. , mwN).
18 Feststellungen zum Vorliegen dieser quantitativen Anforderung im strittigen Zeitraum hat das Bundesfinanzgericht allerdings nicht getroffen (vgl. )."
Das BFG forderte die Bf mit Vorhalt vom auf, innerhalb der Frist von vier Wochen folgende Fragen zu beantworten bzw. Unterlagen zu übermitteln:
1. Um Stellungnahme zu den diesbezüglichen Ausführungen des VwGH werde gebeten.
2. Die Bf werde aufgefordert, geeignete Unterlagen bzw. Beweismittel zum Nachweis dafür vorzulegen, dass im Streitzeitraum Oktober 2016 bis August 2017 die Vorbereitung von Tochter Bf. auf die Berufsreifeprüfung ihre volle Zeit in Anspruch nahm. Dies werde dann vorliegen, wenn ein wöchentlicher Zeitaufwand von mindestens 30 Stunden auf Kurse und Vorbereitungen auf eine Prüfung entfalle.
Dieser Vorhalt blieb unbeantwortet.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen
Für den Zeitraum Oktober 2016 bis August 2017 ist die Beschwerde nach dem Erkenntnis des (wiederum) unerledigt und ist dies der Streitzeitraum.
Sachverhalt
Die Tochter der Bf, Tochter Bf., geb.am 1998, legte am die Abschlussprüfung an der Fachschule für Sozialberufe in Wr. Neustadt mit gutem Erfolg ab und wurde am von der Externistenprüfungskommission der Bundeshandelsakademie Wr. Neustadt zur Ablegung der Berufsreifeprüfung zugelassen.
Sie besuchte die Kurse am Berufsförderungsinstitut (BFI) NÖ in Wr. Neustadt und absolvierte die vorgeschriebenen Prüfungen, von denen mindestens eine an der öffentlichen Schule, an der die Zulassung erfolgte, abzulegen war.
Tochter legte die vier Prüfungen für die Berufsreifeprüfungen wie folgt ab:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Deutsch | öffentliche Schule Note Gut |
Mathematik | BFI Note Gut |
Englisch | BFI Note Sehr gut |
Fachbereich (BWL) | BFI Note Sehr gut |
Die letzte Prüfung darf erst nach Vollendung des 19. Lebensjahres der Schülerin (im vorliegenden Fall xx.xx.2017) absolviert werden. Bei der letzten Prüfung handelte es sich um die Fachbereichsprüfung (BWL), welche am BFI NÖ in Wr. Neustadt absolviert wurde. Dafür gab es im September, Oktober und November 2017 keine Prüfungstermine. Tochter absolvierte die Prüfung zum erstmöglichen Termin nach Vollendung des 19. Lebensjahres, nämlich am (schriftlich) und am (mündlich).
Die Ausbildung (Berufsreifeprüfung) wurde zielstrebig und zügig absolviert. Der lange Zeitraum zwischen der dritten und vierten Prüfung ergibt sich aus der gesetzlichen Bestimmung, wonach die letzte Prüfung erst nach Vollendung des 19. Lebensjahres absolviert werden darf.
Die Vorbereitung auf die vierte Teilprüfung nahm im Streitzeitraum Oktober 2016 bis August 2017 in quantitativer Hinsicht nicht die volle Zeit von Tochter in Anspruch.
In den Jahren 2016 und 2017 sammelte Tochter berufliche Erfahrung als Sprechstundenhilfe bei einem Arzt und im Verkauf; sie erzielte dabei ein Einkommen, welches nicht über der für den Bezug der Familienbeihilfe schädlichen Zuverdienstgrenze lag.
Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt beruht hinsichtlich der zielstrebigen und zügigen Absolvierung der Ausbildung von Tochter auf dem glaubhaften Vorbringen der Bf sowie auf den von ihr im Verfahren vor dem Finanzamt und dem BFG vorgelegten Unterlagen.
So legte sie das Berufsreifeprüfungszeugnis vor, aus dem Datum, Ort und Note jeder abgelegten Prüfung ersichtlich ist.
Vom BFI Niederösterreich wurde bestätigt, dass im September, Oktober und November 2017 keine Prüfungstermine in BWL stattfanden.
Dass die letzte Prüfung der Berufsreifeprüfung erst nach Vollendung des 19. Lebensjahres abgelegt werden darf, wurde nachgewiesen (s. auch § 4 Abs. 3 Bundesgesetz über die Berufsreifeprüfung, https://www.oesterreich.gv.at/themen/bildung_und_neue_medien/lehre/Seite.333905.html)
Zum Erfordernis der Berufsausbildung in qualitativer und quantitativer Hinsicht und dessen Anwendung im vorliegenden Fall siehe unten rechtliche Beurteilung.
Die Einkommensverhältnisse der Tochter der Bf sind aktenkundig.
Rechtliche Beurteilung
§ 2 FLAG 1967 lautet:
"(1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
a) für minderjährige Kinder,
b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
c) ...
d) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird; ...
e) ..."
Nach § 33 Abs 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag zu.
Nach § 10 Abs 2 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) ist die Frage, ob für einen bestimmten Zeitraum Familienbeihilfe zusteht, an Hand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten. Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum für die Familienbeihilfe ist, wie sich den Regelungen des § 10 Abs 2 und 4 FLAG 1967 entnehmen lässt, der Monat. Das Bestehen des Familienbeihilfenanspruches für ein Kind kann somit je nach Eintritt von Änderungen der Sach- und/oder Rechtslage von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein (vgl. etwa ).
Berufsausbildung
Was unter Berufsausbildung zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht näher definiert. Der VwGH hat hierzu in seiner (ständigen) Rechtsprechung folgende Kriterien entwickelt (vgl. etwa ; ; ):
- Es muss das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg gegeben sein.
- Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essenzieller Bestandteil der Berufsausbildung. Berufsausbildung liegt daher nur dann vor, wenn die Absicht zur erfolgreichen Ablegung der vorgeschriebenen Prüfungen gegeben ist. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich die erfolgreiche Ablegung der Prüfungen gelingt. Die bloße Anmeldung zu Prüfungen reicht für die Annahme einer zielstrebigen Berufsausbildung aber nicht aus.
- Unter den Begriff "Berufsausbildung" sind jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung zu zählen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird.
Ob die schulische oder kursmäßige Ausbildung berufsbegleitend organisiert ist, und ob sie in Form von Blockveranstaltungen oder in laufenden Vorträgen organisiert ist, ist vor dem dargestellten rechtlichen Hintergrund nicht entscheidend. Wesentlich ist vielmehr, dass durch den lehrgangsmäßigen Kurs die tatsächliche Ausbildung für einen Beruf erfolgt.
Nach dieser Judikatur weist jede anzuerkennende Berufsausbildung ein qualitatives und ein quantitatives Element auf: Entscheidend ist sowohl die Art der Ausbildung als auch deren zeitlicher Umfang; die Ausbildung muss als Vorbereitung für die spätere konkrete Berufsausübung anzusehen sein (Ausnahme: allgemein bildende Schulausbildung; hier besteht zumindest nicht zwingend ein Konnex zu einem späteren konkreten Beruf) und überdies die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen.
Nach , trifft diese Definition der Berufsausbildung nur auf die Fälle zu, welche außerhalb des in § 2 Abs 1 lit. b FLAG besonders geregelten Bereichs des Besuchs einer Einrichtung im Sinne des § 3 des Studienförderungsgesetzes (StudFG) liegen (vgl. , mwN).
Die genannten Voraussetzungen müssen auch im hier vorliegenden Fall der Vorbereitung auf die Berufsreifeprüfung vorliegen (vgl. zur Externistenreifeprüfung , mwN).
Somit kommt es nicht nur auf das ernstliche und zielstrebige Bemühen um den Fortgang der Berufsausbildung an, diese Ausbildung muss vielmehr auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (vgl. , mwN).
Berufsreifeprüfung
Seit Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Berufsreifeprüfung (BGBl. I Nr. 68/1997) und der Novelle aus dem Jahre 2000 (BGBl. I Nr. 52/2000) besteht für
LehrabsolventInnen mit abgelegter Lehrabschlussprüfung,
AbsolventInnen mindestens dreijähriger berufsbildender mittlerer Schulen
AbsolventInnen von Gesundheits- und Krankenpflegeschulen,
AbsolventInnen mindestens 30 Monate dauernder Schulen für den medizinisch-technischen Fachdienst sowie für
AbsolventInnen der land- und forstwirtschaftlichen Facharbeiterprüfung die Möglichkeit, auf Basis des im Rahmen der Berufsausübung erworbenen praxisbezogenen Wissens die Berufsreifeprüfung abzulegen.
Die Berufsreifeprüfung ist der Reifeprüfung an höheren Schulen insofern gleichwertig, als sie uneingeschränkt zum Studium an österreichischen Universitäten und Fachhochschulen sowie zum Besuch von Kollegs etc berechtigt und im Bundesdienst als Erfüllung der Erfordernisse für eine Einstufung in den gehobenen Dienst gilt.
Die Berufsreifeprüfung setzt sich aus 4 Teilprüfungen zusammen: Deutsch, Mathematik, eine lebende Fremdsprache nach Wahl als Teile der Allgemeinbildung, sowie einem Fachgebiet aus der beruflichen Praxis.
Der vollständige Abschluss ist erst nach erfolgreich abgeschlossener Lehrausbildung möglich und darf gemäß § 4 Abs. 3 Bundesgesetz über die Berufsreifeprüfung frühestens mit dem Erreichen des 19. Lebensjahres absolviert werden.
Die Vorbereitungszeit für die Berufsreifeprüfung bzw. Gewährung der Familienbeihilfe ist im Erlass des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie vom , FB 100, GZ 51 0104/4-VI/1/98 wie folgt geregelt:
"Bei Beantragung der Familienbeihilfe sind vom Finanzamt daher neben der Zulassung zur Berufsreifeprüfung jedenfalls auch die Angabe der (des) jeweiligen Prüfungstermine(s) sowie der Beleg (zB Kursbestätigung) oder die Glaubhaftmachung (bei Selbststudium) des tatsächlichen Vorbereitungsbeginns abzuverlangen. Die Familienbeihilfe ist immer zurück gerechnet vom Prüfungstermin zu gewähren, und zwar für längstens 16 Monate, wenn in diesem Zeitraum Teilprüfungen in vier Gegenständen vorgesehen sind, für längstens zwölf Monate, wenn in diesem Zeitraum Teilprüfungen in drei Gegenständen vorgesehen sind, für längstens acht Monate, wenn in diesem Zeitraum Teilprüfungen in zwei Gegenständen vorgesehen sind, und für längstens vier Monate, wenn in diesem Zeitraum eine Teilprüfung in einem Gegenstand vorgesehen ist.
Voraussetzung ist aber, dass im jeweiligen Zeitraum tatsächlich eine Prüfungsvorbereitung vorliegt, denn eine Familienbeihilfengewährung über den tatsächlichen Vorbereitungsbeginn hinaus ist nicht möglich. Kann andererseits wegen Überschreitung der zur Verfügung stehenden Zeit Familienbeihilfe nicht für den gesamten Vorbereitungszeitraum gewährt werden, sind nur solche Monate zu zählen, die überwiegend in die Vorbereitungszeit fallen.
Die Aufteilung des Bezugszeitraumes hängt vom zeitlichen Abstand der einzelnen Teilprüfungen ab, eine Verlängerung wegen erforderlicher Wiederholungsprüfungen über die vier Monate pro Prüfung ist nicht möglich."
In diesem Erlass führt das Bundesministerium aus, in Kontaktnahme mit dem zuständigen Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten sei unter Berücksichtigung des zu bewältigenden Lehrstoffs erhoben worden, eine ernsthafte und zielstrebige Berufsausbildung im Sinne des FLAG sei für höchstens vier Vorbereitungsmonate bis zur jeweiligen Teilprüfung anzunehmen.
Nach Lehre und Judikatur wird angenommen, dass die Vorbereitung auf die Berufsreifeprüfung dann die volle Zeit in Anspruch nimmt, wenn ein wöchentlicher Zeitaufwand von mindestens 30 Stunden auf Kurse und Vorbereitungen auf eine Prüfung entfällt.
Vgl. Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 2, III. Einzelne Tatbestände für volljährige Kinder (Abs 1 lit b-l) [Rz 28 - 139]:
"Ist das Ziel der Ausbildung die Ablegung der Matura, wie etwa auch bei der Berufsreifeprüfung(…), ist nach der (überwiegenden) Judikatur des UFS und des BFG als Vergleichsmaßstab regelmäßig der für den Besuch einer AHS oder BHS erforderliche Zeitaufwand heranzuziehen, also mindestens 30 Wochenstunden (s zB RV/0121-F/07; RV/1780-W/07; RV/1708-W/05; RV/7105391/2014), wobei im Übrigen dazu regelmäßig noch der Aufwand für die Vorbereitung zu Hause kommt."
Eine Berufsausbildung isd FLAG liege - analog zum Besuch einer AHS und BHS - generell nur dann vor, wenn ein wöchentlicher Zeitaufwand für Kurse und Vorbereitungszeit von mindestens 30 Stunden anfällt.
Weiters wird in Lehre und Judikatur angenommen, eine Vorbereitungszeit von vier Monaten sei - im Vergleich zur Ablegung der Matura an einer AHS/BHS - ausreichend. Die wöchentliche Unterrichtsdauer an der Oberstufe einer derartigen Schulde betrage rund 30 bis 35 Unterrichtsstunden; demgegenüber umfasse die Dauer der Vorbereitungskurse für die Ablegung der Berufsreifeprüfung weniger als die Hälfte dieses Stundenumfangs. Daher sei erkennbar, dass die Vorbereitung auf die Berufsreifeprüfung weit weniger Zeit in Anspruch nehme als der Besuch einer höheren Schule. Die Ausbildungsintensität sei nicht vergleichbar. Es könne eindeutig davon ausgegangen werden, dass unter der Prämisse, dass der Schüler seinen vollen Lerneinsatz dem jeweils einzelnen Gegenstand widmen, also Kurse im Umfang von rund 30 Wochenstunden besuchen hätte können, eine Vorbereitungszeit von vier Monaten pro Prüfung ausreichend gewesen wäre (vgl. Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, a.a.O.; -F/07; ; ; ).
Wie schon festgehalten, legte die Tochter der Bf am die Abschlussprüfung an der Fachschule für Sozialberufe in Wr. Neustadt mit gutem Erfolg ab und wurde sie am von der Externistenprüfungskommission der Bundeshandelsakademie Wr. Neustadt zur Ablegung der Berufsreifeprüfung zugelassen.
Das FA gewährte der Bf für die Tochter Tochter Familienbeihilfe und KAB (dargestellt sind Zeiträume bis Ende 2017) wie folgt:
September 1998 bis September 2016
September 2017 bis Dezember 2017
Die Beschwerde der Bf wurde vom FA mit Beschwerdevorentscheidung mit der Begründung abgewiesen, dass sich die Berufsreifeprüfung aus 4 Teilprüfungen zusammensetze. Tochter habe vor Beendigung des 18. Lebensjahres drei von vier Teilprüfungen erfolgreich absolviert. Die letzte Prüfung in Betriebswirtschaft und Rechnungswesen sei am absolviert worden. Die Familienbeihilfe sei immer zurückgerechnet vom Prüfungstermin zu gewähren und zwar für längstens vier Monate pro Prüfung, d.h. Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe für die Monate September bis Dezember 2017.
Die belangte Behörde ist mit dieser Argumentation im Ergebnis im Recht.
Es ist unbestritten, dass Tochter die ersten drei Prüfungen (Zulassung am , bis ) in ca. 10 Monaten (d.h. durchschnittlich brauchte sie weniger als 4 Monate pro Prüfung, Familienbeihilfe wurde aber bis September 2016 ausbezahlt) ablegte und somit die Ausbildung äußerst zügig und zielstrebig absolvierte. Dass die letzte Prüfung erst nach Vollendung des 19. Lebensjahres absolviert werden darf, liegt zwar nicht im Einflussbereich der Schülerin und ergibt sich, wie von der Bf zutreffend aufgezeigt wurde, aus der Tatsache, dass Tochter bereits vor vollendetem 6. Lebensjahr in die Volksschule eintrat und somit nach zügiger Ausbildung bereits mit Erreichen des 17. Lebensjahres mit der Berufsreifeprüfung begann. Das BFG erachtet die Ausbildung in qualitativer Hinsicht somit insgesamt als ernsthaft und zielstrebig.
Dessen ungeachtet muss nach , diese Ausbildung nicht nur in qualitativer, sondern auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen.
Das BFG folgt der dargestellten Lehre und Judikatur und erachtet bei einem angenommenen wöchentlichen Zeitaufwand von 30 Stunden eine Vorbereitungszeit von vier Monaten pro Prüfung als der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechend angemessen. Die belangte Behörde hat der Bf für vier Monate (September bis Dezember 2017) die Familienbeihilfe für die vierte Prüfung gewährt.
Von dieser im allgemeinen sachgerechten Annahme und somit typisierenden Betrachtungsweise kann bei abweichenden Sachverhalten im konkreten Einzelfall abgegangen werden, wenn entsprechende Nachweise erbracht werden (etwa wenn eine Vorbereitungszeit auf eine bestimmte Prüfung länger als vier Monate mehr als 30 Stunden pro Woche [die volle Zeit des Schülers] erfordert hätte).
Entsprechende Nachweise wurden von der Bf trotz Aufforderung nicht vorgelegt. Der diesbezügliche Vorhalt des BFG blieb unbeantwortet.
Die Annahme der belangten Behörde, die Vorbereitungszeit auf die vierte Prüfung habe vier Monate die volle Zeit des Kindes in Anspruch genommen, entspricht der dargestellten Lehre und Judikatur, ist sachgerecht und konnte im Einzelfall nicht widerlegt werden, da keinerlei Nachweise vorgelegt wurden und nicht einmal behauptet wurde, dass die Vorbereitungszeit auf die vierte Prüfung länger gewesen wäre.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Vorliegendes Erkenntnis folgt in der rechtlichen Beurteilung der Judikatur des VwGH, sodass keine Rechtsfrage grs. Bedeutung vorliegt.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 10 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 33 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | -F/07 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7102878.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at