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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.12.2022, RV/7103333/2022

Kein Anspruch auf Familienbeihilfe für nicht haushaltszugehörige Kinder,

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***,***4***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom über die Rückforderung (Anrechnung) zu Unrecht bezogener Beträge Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum November 2019 bis April 2021 erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der beschwerdegegenständliche im Spruch näher bezeichnete Bescheid vom wurde im Wesentlichen begründet wie folgt:

"

Laut Bestätigung von der Kinder- und Jugendhilfe wurden von ihnen und dem Kindesvater übereinstimmende Aussagen getätigt, dass ***1*** seit November 2019 und ***2*** seit April 2020 beim Kindesvater wohnen. Es bestand daher kein gemeinsamer Haushalt mehr zwischen ihnen, ***1*** und ***2***. Die Familienbeihilfe wird daher für den Zeitraum für ***1*** von November 2019 bis April 2021 und für ***2*** für den Zeitraum April 2020 bis April 2021 rückgefordert."

In der im Spruch näher bezeichneten Beschwerde führte die Beschwerdeführerin (Bf.) folgendermaßen aus:
Die beschwerdegegenständlichen Kinder hätten sich auch nicht bei deren Vater befunden, sondern eine Nanny (Kindermädchen) aus Serbien habe auf sie aufgepasst. Im Jahr 2021 habe die Bf. an die Kinder Kleider geschickt. Seit 2021 habe die Bf. Besuchskontakt mit den Kindern in einem Besuchscafe.

Die abweisende Beschwerdevorentscheidung vom wurde begründet wie folgt:
"Gemäß § 2 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.
Unter Haushalt ist eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft zu verstehen, wobei es für die Frage nach der Haushaltszugehörigkeit eines Kindes unerheblich ist, wer den Haushalt führt, dem das Kind angehört.
Für die Beurteilung der Haushaltszugehörigkeit ist ausschließlich die Tatsache der Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft von Bedeutung, nicht dagegen das Erziehungsrecht ().
Gemäß § 10 Abs. 2 FLAG erlischt der Anspruch auf Familienbeihilfe mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt. Gemäß § 25 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) sind Personen denen Familienbeihilfe gewährt wird, verpflichtet, Tatsachen, die bewirken, dass der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt, sowie Änderungen des Namens oder der Anschrift ihrer Person oder der Kinder, innerhalb eines Monats ab dem Bekanntwerden, beim zuständigen Finanzamt zu melden.
Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen. § 26 leg. cit. gilt gemäß § 33 Abs. 4 Z. 3 lit. a EStG auch für den zu Unrecht bezogenen Kinderabsetzbetrag. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, dass die Rückzahlungspflicht gemäß § 26 Abs. 1 FLAG ausschließlich den Bezieher der Familienbeihilfe trifft.
Diese Bestimmung normiert eine objektive Erstattungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat.
Die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge ist von subjektiven Momenten unabhängig. Entscheidend ist somit lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat.

Ob und gegebenenfalls wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist unerheblich (; , 85/14/0130; , 96/15/0001). Im Schreiben der Kinder- und Jugendhilfe Wien vom wurde bestätigt, dass die Kinder seit den hauptsächlichen Aufenthalt beim Kindesvater haben und It. übereinstimmender Aussagen beider Elternteile ***1*** seit November 2019 und ***2*** seit Anfang April 2020 hauptsächlich beim Vater wohnen.

Auf Grund Ihrer Beschwerde gegen die Rückforderung der Familienbeihilfe betreffend diesen Zeitraum erging zur Klarstellung ein Ergänzungsersuchen mit folgendem Inhalt: "Lt. Ihren Angaben in der Beschwerdeschrift passte eine Nanny aus Serbien auf die Kinder auf. Welchen Zeitraum und welche (Tages)Zeiten betrifft dies und an welcher Adresse (an Ihrer, jener des Kindesvaters oder sonstiger Personen) passte diese Nanny auf die Kinder auf. Laut einer Bestätigung der Wiener Kinder- und Jugendhilfe vom wurden von Ihnen und dem Kindesvater übereinstimmende Aussagen getätigt, dass ***1*** seit November 2019 und ***2*** seit April 2020 hauptsächlich beim Kindesvater wohnen. Sie wurden daher um Nachweis ersucht, dass die Kinder im Rückforderungszeitraum entweder überwiegend in Ihrem Haushalt gelebt haben, oder dass Sie überwiegend den Unterhalt geleistet haben.

Am erfolgte im Infocenter der Dienststelle ***3*** eine persönliche Vorsprache Ihrerseits.
Lt. den Angaben der dortigen Bearbeiterin konnten Sie keine Auskunft über die Nanny und über den genauen Aufenthaltsort der Kinder im RF-Zeitraum geben. Sie haben Zahlungen für die Kinder geleistet, können diese aber nicht nachweisen. Vorgelegt wurde unter anderem ein Gerichtsbeschluss vom , in dem die alleinige Obsorge Ihnen zugesprochen und festgelegt wird, dass Ihnen die Kinder spätestens mit Rechtskraft dieses Bescheides zu übergeben sind.
Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes kommt jedes Beweismittel in Betracht, welches nach der Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist (§ 166 BAO).
Die Abgabenbehörde hat gem. § 167 Abs. 2 BAO unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Im Rahmen der freien Beweiswürdigung ergibt sich, dass alle Beweismittel grundsätzlich gleichwertig sind und es somit keine Beweisregeln (z.B. keine Rangordnung) gibt. Ausschlaggebend ist der innere Wahrheitsgehalt der Ergebnisse der Beweisaufnahmen. Im Zuge der Beweiswürdigung darf auch von Wahrscheinlichkeitsüberlegungen ausgegangen werden. Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH (vgl. z.B. 89/16/0186 v. und 95/16/0244 vom ) genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar eine Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (vgl. auch Ritz, BA04, § 167, Rz 8).

In Ansehung der vorstehenden Ausführungen ist demnach von der Abgabenbehörde im Rahmen der freien Beweiswürdigung unter Zugrundelegung Ihrer Angaben sowie der übrigen vorliegenden Ermittlungsergebnisse jene Beurteilung zu treffen, bei wem die Haushaltszugehörigkeit der Kinder im hier maßgeblichen Zeitraum lag. Diese Feststellung hat die Abgabenbehörde nach jener Einschätzung zu treffen, welche Angaben der Wahrheit - und zwar zumindest mit einem wahrscheinlichen Wahrheitsgehalt von mehr als 50% - näherkommen.

Auf Grund der Angaben der Beteiligten vor der Kinder- und Jugendhilfe Wien und im Beschluss des BG Innere Stadt Wien, kann mit überwiegender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass sich die Kinder im Rückforderungszeitraum (November 2019 bzw. April 2020 bis April 2021) nicht in Ihrem, sondern im Haushalt des Kindesvaters aufgehalten haben.

Da die Anspruchsvoraussetzungen des Familienlastenausgleichsgesetzes nicht vorlagen, muss Ihre Beschwerde als unbegründet abgewiesen werden."

Die Bf. stellte den Antrag auf Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung an das Bundesfinanzgericht.

Im Bericht zur Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (Vorlagebericht) vom führte das Finanzamt (FA) aus wie folgt:
"Sachverhalt: Die Rückforderung der Familienbeihilfe und die Abweisung der daraufhin eingebrachten Beschwerde erfolgte, da gemäß der vorgelegten Unterlagen eine überwiegende Haushaltszugehörigkeit zum Kindesvater vorlag. Beweismittel: Bestätigung der Kinder- und Jugendhilfe vom , Gerichtsbeschluss v. , E-Mail betr. pers. Vorsprache der Kindesmutter im Infocenter; Stellungnahme: Es wird um Abweisung der Beschwerde ersucht, da gemäß der Feststellungen von unabhängigen Behörden (Kinder- und Jugendhilfe, Bezirksgericht) die Kinder im Rückforderungszeitraum überwiegend beim Kindesvater wohnten und die Kindesmutter nicht das Gegenteil belegen konnte."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die o.a. Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig. Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen annehmen.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

§ 2 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 in der im Beschwerdezeitraum geltenden Fassung (idgF) lautet:

Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs 1 genanntes Kind hat die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Haushaltszugehörigkeit (§ 2 Abs. 5 FLAG 1967 idgF ):
Die Bedingungen einer Haushaltszugehörigkeit sind in § 2 Abs 5 näher umschrieben; demgemäß kommt es ausschließlich auf die einheitliche Wirtschaftsführung mit dem Kind im Rahmen einer Wohngemeinschaft (Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft) an.

Die Bestimmung des § 2 Abs 5 FLAG 1967 idgF regelt nicht den "Mittelpunkt der Lebensinteressen" einer anspruchsberechtigten Person, sondern die Haushaltszugehörigkeit eines Kindes, welches den Beihilfenanspruch vermittelt ( ).

Für die Beurteilung der Haushaltszugehörigkeit ist das Erziehungsrecht ohne Bedeutung (). (Hebenstreit/Lenneis/Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Aufl. 2020, § 2, IV. Haushaltszugehörigkeit, Tragung der Unterhaltskosten (Abs 2, 4-8) [Rz 143])

In der o.a. Beschwerdevorentscheidung (BVE), die grundsätzlich Vorhaltscharakter hat, wird ausgeführt (Seite 2 der BVE), dass das Kind ***1*** seit November 2019 und das Kind ***2*** seit April 2020 hauptsächlich bei ihrem Vater wohnten. Auf Seite 3 der BVE wird auf den jeweiligen Rückforderungszeitraum November 2019 bzw. April 2020 bis April 2021 Bezug genommen (vgl. ebenso auch die Begründung im o.a. beschwerdegegenständlichen Rückforderungsbescheid) und festgehalten, dass die Kinder in diesen jeweiligen Rückforderungszeiträumen nicht im Haushalt der Bf. gewohnt hätten.

In der Beschwerde weist die Bf. darauf hin, dass sich die Kinder in den gegenständlichen Beschwerdezeiträumen auch nicht beim Vater aufgehalten hätten, sondern dass eine Nanny aus Serbien auf sie aufgepasst hätte. Im Jahr 2020 sei von der Bf. an die Kinder Kleidung geschickt worden. Seit Jänner 2021 bestünden Besuchskontakte durch die Bf. zu den Kindern.
Die Bf. wies weder von ihr behauptete Zahlungen für die Kinder nach, noch gab sie den genauen Aufenthaltsort der Kinder im Rückforderungszeitraum bekannt. Auch über die Nanny gab die Bf. keine Auskunft.
Wie das Finanzamt bereits ausführte hat die Bf. trotz Vorhalts die tatsächliche Haushaltszugehörigkeit der Kinder bzw. den Aufenthalt der Kinder nicht nachgewiesen und auch nicht glaubhaft gemacht.

Das Bundesfinanzgericht ist zur Ansicht gelangt, dass die zwei Kinder in den in der Begründung des Rückforderungsbescheides angeführten zwei Zeiträumen (laut beschwerdegegenständlichem Rückforderungsbescheid: ***1*** von November 2019 bis April 2021 und ***2*** für den Zeitraum April 2020 bis April 2021) nicht mit der Bf. in einem gemeinsamen Haushalt wohnten.
Darüber hinaus ist für den Zeitraum ab Jänner 2021 sowieso unstrittig, dass die Kinder der Bf. (eben ab Jänner 2021) nicht bei der Bf. wohnhaft waren, zumal die Bf. selbst ausführte, dass Besuchskontakt ihrerseits zu den Kindern ab Jänner 2021 bestanden habe.

Wie oben ausgeführt wurde lag keine Haushaltszugehörigkeit der Kinder zum Haushalt der Bf. (Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft) im Beschwerdezeitraum vor. In gegenständlichem Beschwerdefall ist überdies nicht entscheidungsrelevant, ob sich die Kinder (allenfalls gelegentlich) in der Obhut einer Nanny (eventuell beauftragt vom Vater der Kinder) befunden haben. Insgesamt geht aus dem Akteninhalt hervor, dass die gemeinsame Haushaltsführung der Bf. mit ihren Kindern ohnehin nicht behauptet wurde.

Darüber hinaus erbrachte die Bf. trotz diesbezügl. Vorhalts des Finanzamtes keinen Nachweis über Unterhaltszahlungen der Bf. für die Kinder.

Aus angeführten Gründen liegen die gesetzlich geforderten Voraussetzungen für den Bezug von Familienbeihilfe gem. o.a. § 2 Abs. 2 FLAG 1967 idgF im oben im Spruch angeführten Beschwerdezeitraum nicht vor, da die Bf. laut Aktenlage für die Kinder in diesem Zeitraum keinen Unterhalt zahlte bzw. Unterhaltszahlungen für diesen Zeitraum trotz Vorhalts nicht nachgewiesen hat, und überdies die Bf. und die beiden Kinder im oben im Spruch angeführten Beschwerdezeitraum nicht in einem gemeinsamen Haushalt (Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft) lebten.

Darüber hinaus wird auf die ausführliche Begründung des Finanzamtes in der o.a. Beschwerdevorentscheidung sowie auf die Begründung im Vorlagebericht im Zuge der Vorlage der Beschwerden an das Bundesfinanzgericht (BFG) betreffend Nichterfüllen der Anspruchsvoraussetzungen auf Familienbeihilfe und die daraus resultierende Rückforderung der zu Unrecht bezogenen Beträge iSd § 26 Abs. 1 FLAG 1967 idgF im gegenständlichen Fall hingewiesen, und diese Begründungen sind auch ausdrücklich Teil der Begründung des beschwerdegegenständlichen Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichts.

Insgesamt ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Nichtzulassen der Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da das gegenständliche Erkenntnis der Gesetzeslage sowie der hL und hRspr folgt, ist die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig. Eine über den Individualfall hinaus relevante Rechtsfrage liegt nicht vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7103333.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at